Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 215, Jahrgang 1875, Nr. , S. 280 |
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Miscellen.
Miscellen.
Amerikanisches Holzpflaster.
Aus einem vom Ingenieur Ernest Pontzen im österreichischen
Ingenieur- und Architektenverein in Wien gehaltenen Vortrag (Technische
Reisenotizen aus Amerika; vergl. betr. Zeitschrift, 1875 S. 33) entnehmen wir über
die Herstellung des Holzpflasters in Amerika nachstehende interessante
Mittheilung.
Die Art der Herstellung desselben variirt je nach den Städten, oft findet man
dasselbe sogar in derselben Stadt nach mehrerlei Systemen ausgeführt; nur in einer
Beziehung stimmen sie alle überein, nämlich darin, daß überall weiches Holz verwendet wird. Die Holzwürfel werden so versetzt, daß die
Fasern senkrecht stehen und die Stirnenden die Lauffläche bilden. Auf diese wird
Sand oder feiner Kies gestreut, welcher sich durch das Befahren in das Holz
eindrückt und zur längeren Dauer beiträgt. Die Holzwürfel haben nach der Richtung
der Fasern eine Mächtigkeit von 10 bis 15 Centimeter. Sie werden in diagonalen
Reihen angeordnet und liegen entweder direct auf einem 15 Centim. mächtigen
Sandbette, oder es werden zwischen sie und das Sandbett ein oder zwei sich kreuzende
Lagen Breter von 2 bis 5 Centim. Stärke gelegt. Am billigsten kommt natürlich das
Pflaster zu stehen, bei welchem die Blöcke direct auf dem Sande liegen; die anderen
Arten haben jedoch eine größere Dauer. In Chicago sind sehr maßgebende Erfahrungen
über das Verhalten des Holzpflasters gesammelt worden, und der Ober-Ingenieur
des Chicagoer Stadtbauamtes theilte dem Vortragenden mit, daß das mit
Breterunterlagen ausgeführte weiche Holzpflaster daselbst durchschnittlich eine
Dauer von 7 Jahren habe. Die Kosten eines Quadratmeter solchen Pflasters belaufen
sich auf ungefähr 2 fl. 25 kr. (etwa 4,5 Mark).
In jenen Gegenden, wo der Theer nicht zu theuer ist, verwendet man überdies Theer und
zwar in der Weise, daß man die Breter, welche unter dem eigentlichen Pflaster
liegen, betheert und die Fugen zwischen den Holzblöcken, nachdem dieselben mit Sand
ausgestopft sind, noch mit flüssigem Theer tränkt. Die Fugen haben 1 bis 2 Centim.
Weite; der Sand wird in dieselben in der Weise eingedrückt, daß ein Mann ein an
einem Stiele in Scharnier bewegliches, circa 1 Centim. dickes Flacheisen hochkantig
auf die mit Sand gefüllte Fuge hält, worauf dann ein zweiter Arbeiter mittels einer
Handramme auf dieses ungefähr 1 Meter lange Flacheisen schlägt. Die Anwendung des
harten Holzes wurde wiederholt versucht, es hat sich aber gezeigt, daß der Sand sich
in dasselbe nicht gut eindrückt, weshalb die mit demselben gepflasterten Straßen
glatt und namentlich bei feuchtem Wetter für die Pferde gefährlich sind. Man
verwendet also nur das weiche Holz zu Pflaster, und zwar nicht nur weil es billiger
ist, sondern auch weil es, wie gesagt, vortheilhafter ist.
J.
Ueber den Verkehrsdienst auf amerikanischen
Straßenbahnen.
Ingenieur E. Pontzen theilte in dem oben citirten Vortrag
über den Verkehrsdienst auf amerikanischen Straßenbahnen folgendes mit.
Auf den amerikanischen Tramway-Linien sind nicht, wie z.B. in Wien, zahlreiche
obligate Haltestellen. Der Waggon hält nur so oft, als eine Dame ein- oder
aussteigen will; die Herren springen meist während der Fahrt auf und ab. Das Gebot,
für die Damen zu halten, hat zu gewissen Tagesstunden häufige Aufenthalte zur Folge
und ließ die Nothwendigkeit kräftiger und rasch wirkender Bremsen empfinden. Der
Vortragende weiß nicht, ob die dortigen Bremsen besser sind als unsere, aber das ist
gewiß, daß sie in ausgiebigerer Weise gebraucht werden. Die Tramway-Wagen
haben nämlich keine Stangen, und werden die Pferde nicht mitbenützt, um den Wagen
zum Stehen zu bringen. Der Kutscher muß dies blos durch die Bremse bewerkstelligen.
Das hat den Vortheil der besseren Erhaltung der Pferde, deren Vorderfüße nicht so
rasch zu Grunde gerichtet werden. Bei dem Umstande, daß die Tramway-Linien in
den geraden Straßen der amerikanischen Städte nur selten in Krümmungen laufen, mag
diese Weglassung der Wagenstange doppelt gerechtfertigt sein.
Zur Ausübung der Controle sind verschiedene Systeme angewendet. Es sei nur jenes
erwähnt, das besonders auffiel. In Buffalo bedient man sich zum Markiren der
Fahrkarten solcher Zangen, welche nicht nur die ausgestanzten Scheibchen, statt sie
zu Boden fallen zu lassen, in ein Reservoir aufnehmen, sondern auch bei jedesmaligem
Stanzen einen Glockenschlag ertönen lassen. Die Fahrkarten von verschiedenen Preisen
haben verschiedene Farben, und ist durch die Zahl der ausgestanzten
verschiedenfarbigen Stücke die Controle ermöglicht. Mitfahrende Aufsichtsorgane
beobachten unbemerkt, ob jeder Passagier eine Karte erhält, indem bei Ausfolgung und
gleichzeitiger Durchstanzung derselben ein Glockenschlag ertönen muß. Bei jenen
Waggons, welche von nur einem Pferde gezogen werden, schien es nicht entsprechend,
zwei Personen – nämlich Kutscher und Conducteur – zu beschäftigen. Es
genügt da der Kutscher allein, wenn hinter ihm an der Stirnseite des Wagens ein
Sammelkasten für das Geld angebracht ist, welcher vorn und rückwärts mit Glas
verschlossen ist. Der Kutscher bemerkt an den Wagenfedern das Einsteigen eines
Reisenden. Er klingelt nun so lange, bis er auf der Drosselklappe, welche den
Sammelkasten in zwei Theile theilt und welche von ihm umgedreht werden kann, das
Geld des Passagiers sieht. Die Mitreisenden werden bei einem Passagier, der nicht
sofort zahlen will, bald des lästigen Geklingels müde und sind gewiß diejenigen,
welche zuerst den säumigen Zahler auffordern, seiner Pflicht nachzukommen. Wenn auch
hie und da ein Mitreisender die Gesellschaft verkürzt, so fährt dieselbe doch noch
immer besser, als wenn sie einen Conducteur anstellen müßte.
J.
Druckfestigkeit von Thonsteinen.
Die hessische Thonwaarenfabrik in Cassel überschickte der Station der Berliner
Gewerbeakademie 25 Stück gebrannter Thonsteine aus der eigenen Ziegelei, hergestellt
auf einer Schlickeysen'schen Ziegelpresse mit
Pferdebetrieb, zur Prüfung; dieselbe ergab folgende, sehr bemerkenswerthe
Resultate:
SteinNr.
Zeigte Rissebei Kilogrm.
Wurde zerstörtpro Qu. Cent.
SteinNr.
Zeigte Rissebei Kilogrm.
Wurde zerstörtpro Qu. Cent.
1
217,0
294,0
14
210,0
280,0
2
217,0
287,0
15
213,5
280,0
3
210,0
280,0
16
213,5
287,0
4
217,0
294,0
17
220,5
287,0
5
220,5
297,5
18
220,5
297,0
6
220,5
297,5
19
220,5
301,0
7
217,0
294,0
20
213,5
294,0
8
220,5
294,0
21
217,0
294,0
9
210,0
287,0
22
210,0
290,5
10
217,0
301,0
23
220,5
301,0
11
220,5
301,0
24
220,5
297,5
12
217,0
297,0
25
217,0
297,5
13
210,0
287,0
Die Durchschnittsresultate sind somit: für den Eintritt der Risse = 5411,0/25 =
216,44 Kilogrm. pro Qu. Cent., für die Zerstörung = 7317,5/25 = 292,70 Kilogrm. pro
Qu. Cent. – Resultate von gleicher Güte dürften bei Ziegelmaterial nicht
leicht wieder angetroffen werden; für besondere Zwecke erscheint das betreffende
Material als ein ganz ausgezeichnetes.
Funkenreißen durch Bronze.
Man war bisher allgemein der Ansicht, daß Bronze und Kupfer bei heftiger Berührung
nicht Funken geben, wie Eisen es thut; aus diesem Grunde verwendet man u.a. diese
Materialien ausschließlich bei der Schießpulverfabrikation und stellt vielfach die
Stampfer für das Besetzen von Sprenglöchern aus Kupfer oder Bronze her. In der königl. engl.
Pulverfabrik zu Waltham Abbey sind nun (nach der deutschen Industriezeitung)
neuerdings von Major Majendie Versuche angestellt worden,
welche ergaben, daß Kupfer, Geschützbronze und Phosphorbronze sämmtlich unter
bestimmten Reibungsverhältnissen Funken, selbst einen mehr oder weniger starken und
ununterbrochenen Funkenstrom zu geben vermögen und zwar, wie es scheint, die
härteren Sorten von Phosphorbronze weniger leicht als die weicheren, und selbst
weniger leicht als gewöhnliche Bronze oder Kupfer. Immerhin wird bestätigt, daß die
Fähigkeit, Funken zu geben, für alle genannten Materalien eine weit geringere ist
als für Eisen und Stahl.
Bei der ersten Versuchsreihe wurde ein Schleifstein verwendet, wie er für kleine
Werkzeuge benützt wird. Derselbe hatte 0,15 M. Durchmesser, machte 1220 Umdrehungen
pro Minute und hatte somit eine Umfangsgeschwindigkeit von 634 M. pro Minute; die zu
untersuchenden Stücke wurden je 1/2 Minute fest gegen ihn angehalten. Die weichste
Sorte Phosphorbronze ist Nr. 2, die härteste Nr. 8; in den Pulverfabriken wird Nr. 7
angewendet.
Phosphorbronze Nr. 2 Versuch a
Gelegentlich Funken und zuweilen
ein Funkenstrom.
„
„ „
b
Schwacher ununterbrochener Funkenstrom.
„
„ „
c
Anfänglich schwacher Funkenstrom.
„
„ „
d
Nur ein oder zwei schwache Funken.
„ Nr.
4
Einzelne sehr starke Funken und
zuweilen fast eine Aufeinanderfolge von
Funken, doch im Allgemeinen eher von der
Art eines andauernden Funkens.
„ Nr.
7
Ein oder zwei starke Funken, aber
keine Andeutung eines andauernden
Stromes.
„ Nr.
8
Nur ein schwacher Funken.
Dünnes Bronzemesser
Einige Funken, aber kein
andauernder Strom.
Bronzehebel von stärkerem Querschnitt
und härter als das Messer
Zahlreiche Funken und zu Zeiten
schwacher Strom.
Gutes Bronzegußstück zu Bolzen etc.,
nur die Gußhaut angedrückt
Wenig Funken, schwacher
andauernder Strom.
Dasselbe, nur die reine Metallfläche angedrückt
Starker, zuweilen unterbrochener, im
Ganzen aber andauernder Strom.
Brüchiges Bronzegußstück zu Bolzen
etc. Versuch a
Ansehnlicher ununterbrochener Funkenstr.
„
b
Sofortiger lebhafter,
ununterbrochener Funkenstrom.
Bronzegußstück für Preßplatten
3 Funken.
Kupferblech, ca. 3 Mm. stark
Ununterbrochener Strom von
kleinen Funken.
Schmiedeiserner Stab
Sehr heller, intensiver,
ununterbrochener Feuerstrom, Funken
flogen in einigen Fällen ca. 150 Millim.
weit.
Gehärteter Stahl (Feile)
Glänzendes Blitzestrahlen.
Bei der zweiten Versuchsreihe wurde der Schleifstein durch einen gleich großen und
gleich rasch umlaufenden gußeisernen Cylinder ersetzt. Dabei gaben Phosphorbronze
Nr. 2, 7 und 8, sowie ein Bronzegußstück und 3 Millim. dickes Kupferblech keine
Funken, dagegen der schmiedeiserne Stab einen glänzenden Feuerstrom und der
gehärtete Stahl einen glänzenden, raschen Funkenstrom. Als endlich ein 0,20 Meter
starker Cylinder von Geschützbronze angewendet wurde, welcher 1625 Umdrehungen pro
Minute machte, wurden mit keinem der angegebenen Materialien Funken erhalten.
Ueber die quantitative Bestimmung des Wassers.
Laspeyres zeigt (Journal für praktische Chemie, 1875 Bd.
11 S. 36), daß die bisherige Methode, das Wasser direct
quantitativ zu bestimmen, immer nur annähernde Resultate gibt, selbst wenn sonst alle Bedingungen bei der
Ausführung der Bestimmung vollständig erfüllt sind. Besser ist die indirecte, d.h. die Bestimmung des Glühverlustes, wenn
man sich überzeugt hat, daß die Substanz dabei keine Spur anderer Stoffe verliert
oder aus der Luft aufnimmt.
Pettenkofer (Zeitschrift für analytische Chemie, Bd. 1 S.
488) und Fresenius (daselbst, Bd. 4 S. 177) zeigten, daß
die wasseranziehende Kraft jeder folgenden Substanz die der voraufgehenden
übertrifft: Gebrannter Kalk, wasserfreier Kupfervitriol, Chlorcalcium, concentrirte
Schwefelsäure, wasserfreie Phosphorsäure.
Für ganz genaue directe Wasserbestimmungen ergaben sich aus den mitgetheilten
Versuchen folgende Regeln:
1. Länge und Weite des Trockenrohres müssen genügen, den Luftstrom hinreichend zu
trocknen.
2. Das zur Absorption verwendete Chlorcalcium wird bei 150 bis 200° gut
getrocknet; nach der Füllung läßt man die Rohre einige Zeit unter sich
communiciren.
3. Durch eine Versuchsreihe ist der an dem Apparate haftende Fehler zu ermitteln; es
ist also zu bestimmen, wie groß die Gewichtszunahme (z)
des Absorptionsrohres ist, wenn durch dasselbe in (x)
Stunden (y) Liter Luft durchstreichen. Der Durchschnitt
der mitgetheilten Versuche ergab für x = 3, y = 4 und z = 0,0006
Grm.
4. Alle Wägungen des gut verschlossenen Chlorcalciumrohres sind möglichst rasch
auszuführen.
Zur Hopfenuntersuchung.
Ob ein Hopfen geschwefelt sei oder nicht, wird bekanntlich dadurch bestimmt, daß man
eine Probe mit Zink und Salzsäure behandelt und den sich dabei entwickelnden
Schwefelwasserstoff durch Bleipapier oder Nitroprussidnatrium nachweist.
Diese Untersuchungsmethode wurde bei der Bierbrauerei-Ausstellung in Hagenau
von kundiger Seite als unsicher bezeichnet, indem derselben besonders zwei Fehler
anhaften. Zunächst kann die Unreinheit der angewendeten Reagentien zu Täuschungen
Veranlassung geben; es ist daher vor allem nothwendig, sich von der Reinheit der
Salzsäure und des Zinkes zu überzeugen. Prof. A. Vogel
fand, daß Zinkblech wegen seiner größeren Reinheit am besten sich eignet; ferner
beobachtete derselbe, daß eine große Zahl getrockneter Pflanzentheile, wie
Malvenblätter, Lindenblätter, bei denen an einen Gehalt von schwefeliger Säure nicht
gedacht werden kann, bei gleicher Behandlung ebenfalls geringe Mengen
Schwefelwasserstoff entwickeln; ebenso erzeugten die Lupulinsorten alle
Schwefelwasserstoff, zuweilen sogar Bier und Bierextract. Es geht daraus hervor, daß
unter den angeführten Umständen der Schwefelgehalt dieser Substanzen ebenfalls in
geringer Menge zur Bildung von Schwefelwasserstoff beitragen kann.
Nach den Beobachtungen von Prof. Wagner (Bayerisches
Industrie- und Gewerbeblatt, 1875 S. 22) entwickelt das gewöhnliche Zinkblech
beim Auflösen in Säuren keinen Schwefelwasserstoff, weil derselbe durch das stets in
geringer Menge vorhandene Blei als Schwefelblei abgeschieden wird.
Prof. Vogel empfiehlt schließlich, statt Zink
Natriumamalgam, Cadmium, Magnesium oder Aluminium anzuwenden.
Entfuselungs- und Klärungspulver für alle Arten von
Liqueuren.
Dem Branntweinbrenner Franz Plattner in Dittersdorf wurde
auf nachstehendes Verfahren ein Patent in Bayern (1. Juni 1873) verliehen. Nachdem
die Digestion mit den zum jederartigen Liqueur, als Früchten-Liqueur,
Magen-Persiko, Aqua vitae etc. gehörigen
Ingredienzien und gewöhnlichem Kartoffelbranntwein fertig und mit einem
hinlänglichen Quantum von sogen. Farinezucker versüßt ist, wird die abgeseihte
Flüssigkeit, je auf 8 Liter, mit 2 Loth chemisch reiner Stärke, 1 Loth präparirtem
Eiweiß in feinster Pulverform und 1 Loth Milchzucker vermengt, die ganze Masse der
Flüssigkeit mehrere Male stark geschüttelt und hierauf 24 Stunden in einem Glase oder anderen
Gefäße ruhig stehen gelassen. Nach dieser Zeit klärt sich der so bereitete Liqueur
hell, rein und auf das Schönste, bedarf keines Filtrums mehr, erhält einen
eigenthümlichen Glanz und entfernt aus jedem des zur Digestion verwendeten ordinären
fuselhaltigen Branntweins aus Kartoffeln jede Spur von Fuselöl, so daß der auf diese
Art bereitete Liqueur an Feinheit und Wohlgeschmack die aus Frankreich und Holland
eingeführten, durch Destillation bereiteten Liqueure weit übertrifft.
Zur Bereitung des Knochenleimes.
In den meisten Knochenproductfabriken werden die Knochen in möglichst
schwefelsäurefreie, verdünnte Salzsäure von 6° B. gebracht, bis sie genügend
weich geworden sind, völlig ausgewaschen und der Leim unter geringem Dampfdruck als
dickflüssige Gallerte gewonnen. Wehle (Kohlrausch's Organ für Rübenzucker, 1874 S. 750) schlägt
vor, die bisher ungenügend verwerthete saure Flüssigkeit mit Kalkmilch zu fällen.
Der lufttrockene Niederschlag bestand aus:
Wasser
20,44 Proc.
Organische Stoffe
9,12 „
Silicate
0,72 „
Chlorcalcium
16,36 „
Dreibasischphosphorsaurer
Kalk
52,09 „
–––––––––
99,23 Proc.
Der Stickstoffgehalt schwankte zwischen 2,1 und 2,4
Proc.
Der Niederschlag ist demnach ein sehr gutes Düngemittel. – Dies Verfahren
wurde übrigens schon im J. 1856 angewendet. (Vergl. 1856 141 467.)
Verfälschung des Leinöles mit Leberthran.
Nach einer Mittheilung der Pharmaceutischen Zeitung soll diese Verfälschung in
neuerer Zeit häufig vorkommen. Zur Erkennung derselben werden 10 G. Th. des Oeles
mit 3 G. Th. käuflicher Salpetersäure in einem Glascylinder durch Umrühren mit einem
Glasstäbchen gemischt und hingestellt, bis die Oel- und Säureschicht sich von
einander getrennt haben. Enthielt das Leinöl Leberthran, so nimmt die Oelschicht
eine dunkelbraune bis schwärzliche Farbe an, und die Säure wird orangegelb bis
gelbbraun, während reines Oel durch diese Behandlung anfangs wassergrün, später
schmutzig gelbgrün wird, und die Säure eine mehr hellgelbe Farbe annimmt.
Ueber die Analyse von Zucker.
Die Bestimmung des Fruchtzuckers im Rohzucker unterliegt zwar im Allgemeinen keiner
Schwierigkeit, indessen kommen doch, wie J. M. Milne (Chemical News) hervorhebt, dabei einige Punkte vor,
welche besondere Aufmerksamkeit verdienen. Das gewöhnliche Verfahren, welches darin
besteht, eine abgewogene Menge in Wasser aufzulösen, die Lösung auf ein bestimmtes
Volum zu bringen und darin direct den Fruchtzucker quantitativ zu ermitteln, ist
keineswegs immer zuverlässig, denn mehrere dunkelfarbige Zucker enthalten auch noch
andere Materien (wahrscheinlich albuminöse), welche wie der Fruchtzucker die
Fähigkeit besitzen, die Kupfersolution zu reduciren, die mithin vorher beseitigt
werden müssen. Zu diesem Endzweck kann das von Fresenius
empfohlene Verfahren, Ausfällen mit essigsaurem Blei, vortheilhaft angewendet
werden. Während einige Proben vor und nach dieser Ausfällung gleiches Ergebniß
liefern, ist bei anderen ein merklicher Unterschied wahrzunehmen. So z.B. gab eine
Zuckerart vor dem Ausfällen 4,90 und nach dem Ausfällen nur 3,27 Proc.
Fruchtzucker.
Zur Ermittelung des Gehaltes an Fruchtzucker in jeder Art von Rohzucker verfährt man
daher am besten, wie folgt. 5 Grm. der Waare löst man in Wasser, filtrirt
nöthigenfalls, wäscht nach, gießt die Flüssigkeit in eine 100 K. C. fassende
Flasche, gibt noch so
viel Wasser hinzu, daß dieselbe ungefähr zu drei Viertel angefüllt ist, setzt
Bleiessig im Ueberschuß hinzu, ergänzt nun bis zu 100 K. C. mit Wasser, filtrirt
nach erfolgter Klärung, und benützt erst dieses Filtrat zur Zuckerbestimmung.
W.
Ueber das Verhalten des Rohrzuckers unter dem Einfluß des
Lichtes.
Veranlaßt durch eine Angabe von Raoult (Comptes rendus, 1871 t.
LXXIII p. 1049), wonach reiner Rohrzucker in wässeriger
Lösung, bei völliger Abwesenheit von Luft und Fermenten, lediglich durch den Einfluß des Lichtes eine theilweise Inversion erfahren
soll, hat Kreußler ähnliche Versuche unter Einhaltung
aller Vorsichtsmaßregeln und mit Zuckerlösungen von sehr verschiedener Concentration
wiederholt. Eine reine Zuckerlösung, welche nach vollständiger Entfernung der Luft
in Röhren eingeschmolzen war, gab selbst nach einer Belichtungszeit von 11 Monaten
mit Fehling'scher Lösung nicht die geringste Reaction.
War die Luft jedoch nicht entfernt, so stellten sich Pilzbildungen ein und 52 bis 90
Proc. des Rohrzuckers wurden in Glycose umgewandelt. (Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1875 S. 94.)
Uebermangansaures Kalium.
Maumené zeigt, daß das Kaliumpermanganat die
Formel MnO₄K und nicht MnO₄KH, d. i. die Zusammensetzung eines sauren
Kaliummanganats, wie Terreil vor einiger Zeit angenommen
hatte, besitzt. Reines Kaliumpermanganat gibt nach den Versuchen von Maumené 1) kein oder kaum Spuren von Wasser ab,
wenn man es erhitzt, und 2) liefert es bei der Zersetzung durch Oxalsäure genau eine
der Gleichung
2MnO₄K + 5C₂H₂O₄ = 10CO₂ +
2MnO + 2KHO + 4H₂O
entsprechende Kohlensäuremenge, während bei Annahme der Formel
MnO₄KH nur 8CO₂ sich entwickeln dürften:
2MnO₄K + 4C₂H₂O₄ = 8CO₂ + 2MnO
+ 2KHO + 4H₂O
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1874 S.
1448.)
Bestandtheile des rohen Holzgeistes.
Der rohe Holzgeist ist schon häufig Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen,
die sich jedoch in den meisten Fällen auf die niedrig siedenden Bestandtheile
desselben erstreckten. Von den drei als wesentlich erkannten Körpern: Aceton,
Methylacetat und Methylalkohol sind die ersten zwei indirecte Producte. Das Aceton
entstammt der Essigsäure, das Methylacetat der Einwirkung der Essigsäure auf den
Methylalkohol beim Aufarbeiten des rohen Holzessigs. Aus diesem Grunde erklärt sich,
daß die Mengenverhältnisse der drei genannten Körper so außerordentlich wechseln.
Schnelleres oder langsameres Verkohlen des Holzes, mehr oder minder hohe Temperatur
der Leitungsröhren nach der Kühlschlange werden den Gehalt an Aceton in dem
Holzgeist erheblich beeinflussen. Begreiflicherweise hat man in dem rohen Holzgeist
noch Zersetzungs- resp. Condensationsproducte des Acetons zu erwarten. Voelkel hat schon (vergl. Liebig's Annalen, Bd. 80 S. 30) unter dem Namen
Xylitnaphta und Xylitöl Körper beschrieben, welche als Mesityloxyd und Phoron in
unreinem Zustande zu betrachten sind. Grodzki und Krämer (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1874 S. 1492) haben im Holzgeist jetzt auch Allylalkohol aufgefunden; doch dürfte
selbst ganz roher Holzgeist kaum mehr als 0,2 Proc. davon enthalten. – Reiner
Methylalkohol siedet zwischen 65,75° und 66,25°, das specifische
Gewicht bei 15° beträgt 0,7997. (Vergl. 1874 214
62.)
Oelfarben-Anstrich der Fußböden.
Zur Herstellung eines solchen bediene man sich ausschließlich der Erdfarben. Alle
Farben, denen Bleiweiß zugesetzt wurde, sind zu weich und treten sich leicht ab. Bei einem mit Oelfarbe
angestrichenen Fußboden, der sich unverhältnißmäßig rasch abtritt, kann man sicher
sein, daß die Farbe mit Bleiweiß versetzt wurde. Es geschieht dieses in der Regel,
weil solche Farben besser decken und sich bequemer streichen lassen. Selbst die
Anwendung des mit Bleiglätte gekochten Firnisses ist zu verwerfen und ein Firniß
vorzuziehen, welcher mit borsaurem Manganoxydul gekocht ist. Man gibt in der Regel
zwei Anstriche. Hierbei hat man vor Allem Sorge zu tragen, daß man den zweiten
Anstrich nicht eher aufträgt, als bis der erste völlig trocken ist.
Soll der mit Oelfarbe angestrichene Fußboden noch einen besonderen Glanz und die
obere Decke eine größere Festigkeit erhalten, so überstreicht man ihn wohl auch noch
mit einem sogen. Fußboden-Lack. Einen sehr guten Lack dieser Art bereitet man
sich auf folgende Art: Man löse 30 Grm. Schellack in 125 Grm. Spiritus von 80 Proc.
auf, füge der Lösung 4 Grm. Kampfer zu und filtrire dieselbe durch ein leinenes Tuch
von dem Bodensatze ab. Mit diesem Lack bestreicht man den Fußboden. Die obere Decke
wird durch den Schellack fester. Tritt sich dieselbe ab, so hat man nur von Zeit zu
Zeit den Lacküberzug zu erneuern, um einen stets glänzenden und leicht abwaschbaren
Fußboden zu besitzen. (Wiederhold's Gewerbeblätter.)
Oelcementfarbe als Anstrich für Steinpappe-Dachungen;
von L. A. Mack in Augsburg.
Der Anstrich der gleichmäßig aufgespannten Steindachpappe wird sofort nach dem
Eindecken, womöglich an einem trockenen sonnigen Tage in gewöhnlicher Weise
vorgenommen, und muß namentlich darauf geachtet werden, daß an denjenigen Stellen,
wo die Dachpappe aufeinandergelegt und angenagelt ist, die Farbe gut in den Falz
eindringt; es empfiehlt sich in dieser Hinsicht, die Tafeln schon beim Legen, so
breit sie nämlich auf einander zu liegen kommen, mit unverdünnter Oelcementfarbe zu
bestreichen, weil auf diese Weise die beiden Flächen aufs Dichteste verbunden
werden. In der Regel werden mit der vorher etwas verdünnten Farbe zwei Anstriche
gemacht. Der noch nasse erste Anstrich wird mit feinem trockenem Sande mittels eines
Siebes gleichmäßig überstreut, und zwar wird dieses Sandiren nicht erst vorgenommen,
nachdem das ganze Dach schon überstrichen worden war, sondern stellenweise, gleich
während des Anstreichens, damit man nicht nöthig hat, in die aufgetragene Farbe zu
treten. Der zweite Anstrich, vor dessen Ausführung der nicht gebundene Sand durch
einen Staubbesen entfernt sein muß, wird am besten etwa 8 Tage nach dem ersten
gemacht; dieser Anstrich braucht nicht mehr sandirt zu werden, weil er hauptsächlich
den Zweck hat, sich mit dem vorhergehenden zu einer steinharten, unlöslichen Masse
zu verbinden und gleichzeitig dem Dache ein hübsches Aussehen zu geben. Zum
zweimaligen Anstrich von 100 Quadratmeter Dachfläche sind beiläufig
erforderlich:
19 Kilogrm. Oelcementfarbe und
6 Kilogrm. Leinölfirniß oder Leinöl zum
Verdünnen.
Die Oelcementfarbe besteht aus:
2 Gew. Th.
geschlämmten Graphit,
2
„
Eisenmennige,
16 „
Cement,
16 „
schwefelsauren Barit und
6
„
Bleioxyd
auf Maschinen abgerieben, in einem Oelfirniß, welcher folgenderweise bereitet wird: 100 G. Th. gutes Leinöl
werden mit 5 Proc. Braunstein 8 Stunden lang in einem kupfernen Kessel gekocht und
hierauf 10 G. Th. Schwefelblüthe und 20 G. Th. französischem Harz darin aufgelöst
und vor dem Erkalten filtrirt.
Der zweimalige Anstrich per Quadratmeter stellt sich incl. Arbeitslohn auf circa 20
Rpf. (Bayerisches Patent vom 22. Juli 1873. Nach dem bayerischen Industrie-
und Gewerbeblatt, 1874 S. 306.)
n.
Zur Holzconservirung.
M. Paulet beschreibt die Veränderungen, welche mit
Kupfervitriol injicirte Eisenbahnschwellen nach 10 bis 12jährigem Liegen erlitten.
Die Schwellen sind gewöhnlich kupferfrei, da dieses Metall nach und nach durch die
kohlensäurehaltigen Wässer fortgeführt worden; dagegen enthalten sie viel
kohlensauren Kalk und ziemlich beträchtliche Mengen Eisen in unlöslicher Form. Die
Veränderungen sind sehr bedeutend an den Stellen, wo die Schienen aufgelegen haben;
das Holz hat hier bis zu einer ziemlich großen Tiefe eine braune Farbe angenommen
und ist ganz morsch geworden. Seine Dichte ist auf 0,38 gesunken. Es enthält
Stickstoff und bedeutende Mengen Eisen und Calciumcarbonat und löst sich in
Kalilauge auf. (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1875. S. 73.)
Selbstentzündung von Benzin.
In Folge einer Explosion zu Puteaux in Frankreich, bei welcher man eine
Selbstentzündung in Benzin getauchter Zeugstoffe vermuthete, stellte Francillon eine Untersuchung über die Möglichkeit einer
solchen an und fand, daß allerdings wollene Gewebe durch Eintauchen in Benzin die
Eigenschaft erhielten, durch Reiben mit anderen Körpern, z.B. der Hand, stark
elektrisch zu werden. Es wäre möglich, daß unter gewissen begünstigenden
Gegenständen, z.B. recht trockener Luft, diese Erregung so stark würde, daß auf
genäherte metallene Gegenstände größere, zur Entzündung des Benzins führende Funken
überspringen könnten (?); doch es gelang nicht, diese Möglichkeit durch das
Experiment nachzuweisen. (Deutsche Industriezeitung, 1875 S. 68.)
Glycerin zum Brennen.
Nach E. Schering (Pharmaceutische Zeitung) kann zur
Verbrennung des Glycerins jede Lampe benützt werden, bei welcher die Flamme sich
unmittelbar über dem Niveau des Brennstoffes befindet (Berzelius-Lampe); ein mehr hervorragender Docht kann wegen der sehr
dicken Consistenz des Glycerins nicht zum constanten Brennen gebracht werden. Da die
Flamme des Glycerins gleich der des Alkoholes nur wenig gefärbt ist und da ersteres
in viel höherem Maße geeignet ist, als Lösungsmittel für Salze zu dienen, so hat Schering Versuche über Flammenfärbungen durch verschiedene Körper angestellt. Die Resultate waren
vollkommen befriedigend. Weitere Untersuchungen, das Glycerin durch Zusatz
kohlenstoffreicher Körper als Leuchtmaterial verwendbar zu machen, sowie solche über
die Heizkraft desselben hält der Verf. für wichtig und interessant. Der billige
Preis des Glycerins und die Eigenschaft desselben, erst bei hoher Temperatur sich zu
verflüchtigen, also ungefährlich zu sein, sind Vorzüge, welche seine Anwendung zu
dem angedeuteten Zwecke wünschenswerth machen. (Vergl. 1875 215 96.)
Chromgrün.
Nach A. Casali (Gazz. chim.
durch die Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1875 S. 72) kann ein sehr
hübsches Chromgrün einfach und billig durch starkes Ausglühen eines innigen Gemenges
von 1 Th. Kaliumbichromat und 3 Th. gebranntem Gyps erhalten werden. Die Reaction
erfolgt unter Sauerstoffentwickelung nach der Gleichung:
2K₂Cr₂O₇ + CaSO₄ = 2Cr₂P +
K₂SO₄ + 2CaO + 3O₂.
(KO,2CrO₃ + CaO,SO₃ = Cr₂O₃ + KO,SO₃ + CaO + 3O).
Die geglühte Masse wird mit sehr verdünnter Salzsäure ausgekocht.
Das so erhaltene Chromgrün fixirt sich leicht auf Gewebe und genügt allen
Anforderungen der Technik.
Seekrankheit.
Ueber die Ursache dieses in vieler Beziehung räthselhaften Leidens hat Prof. Nagel im „Wiener ärztlichen Vereine“
auf Grund eigener Beobachtungen folgende Erklärung gegeben. Es ist so ziemlich
allgemein bekannt, daß beiderseits am Halse ein wichtiger Nerv herabgeht, welcher
sich in dem Kehlkopfe und den Lungen verzweigt, sodann aber zum Magen hinabsteigt
und auf demselben sich in ein Geflecht auflöst. Die Aufgabe dieses mit dem Namen nervus vagus belegten Nerven ist eine dreifache. Einmal
die Gefühlszustände des Athmungsbedürfnisses, des Herzens u.s.w. dem Gehirne
zuzuleiten; zweitens den Rhythmus der Athmungsbewegungen zu reguliren; drittens die
Richtung der Schling- und Magenbewegungen von oben nach abwärts, die
sogenannte peristaltische Bewegung zu vermitteln, um die Umkehrung dieser wurmförmig
fortschreitenden Bewegung zu hindern. Wird nun durch specifisch schwächend auf
denselben wirkende Potenzen, z.B. Ekelgefühle, betäubende Gifte, Brechmittel, die
Thätigkeit dieses Nerven beeinträchtigt, so treten stoßweise abgehackte,
convulsivische Bewegungen des Zwerchfelles und der Bauchmuskeln ein, welche
schließlich mit Erbrechen, nämlich der Umkehrung der Magenbewegung enden.
Ganz dieselben stoßweise abgehackten Bewegungen werden aber, und zwar willkürlich
ausgeführt von demjenigen, welcher den Boden unter sich weichen fühlt, und in Gefahr
geräth, das Gleichgewicht zu verlieren. Da nämlich der Schwerpunkt des Körpers bei
den meisten Menschen in der Magengegend liegt, und sich beim Athmen nach auf-
und abwärts verrückt, so ist bei der Unsicherheit der Situation auf einer
schwankenden Ebene die höchstmögliche Anstrengung der genannten Bauchmuskeln
nothwendig, um für die Erhaltung des Schwerpunktes in normaler Höhe vom Boden
eingestellt zu werden. Da nun die Ohnmacht, die passiven Bewegungen genügend zu
compensiren und denselben im Geiste zu folgen, außerdem ein tiefes Unbehagen
erzeugt, so sind hiermit die Bedingungen zu einer tumultuarischen Zusammenziehung
des Magens und der Bauchmuskeln sattsam gegeben, wozu dann als Hilfsursachen
mancherlei Umstände, die kranke Umgebung, üble Gerüche u.s.w. hinzutreten. Personen
mit lebhafter Einbildungskraft bedürfen dieser thatsächlichen Bedingungen gar nicht,
um seekrank zu werden. Es genügt hierzu, daß sie vom Ufer oder von einer Brücke die
Wellen betrachten, oder das Schwanken eines Bootes beobachten, oder von einer
bedeutenden Höhe hinabblicken, und sich der Täuschung des Umfallens für Augenblicke
hingeben.
Da die obengenannten constitutionellen Bedingungen bezüglich der Lage des
Schwerpunktes und der Beweglichkeit desselben sich künstlich nicht ändern lassen, so
ist auf rationelle Weise gegen die Seekrankheit Vorkehrung zu treffen nur in sofern
möglich, als erstens durch von Jugend auf angewöhnte Turnübungen auf dem
Schaukelbrete, dem Caroussel, auf der Eisfläche eine Leichtigkeit in der
Compensation passiver Bewegungen erworben werden kann, zweitens durch den Aufenthalt
in der Nähe des Mastbaumes die Bewegung des Schiffes weniger fühlbar gemacht wird,
drittens das Athmen bei gestützten Armen, regelmäßig fortgesetzt und der Blick in
die Ferne gerichtet wird; denn die sich in verschiedener Richtung kreuzenden
Bewegungen der Gegenstände auf dem Schiffe, der Wellen und des eigenen Körpers
stören das Coordinationsvermögen der Muskeln am tiefsten, und soll der Blick an
solchen nie verweilen. Der Aufenthalt auf dem Verdecke in freier Luft ist jenem im
unteren Schiffsraume, wo üble Gerüche, dumpfe Luft und die kranken Reisegefährten
eine Art von moralischem Contagium erzeugen, vorzuziehen; der mäßige Genuß von
Sodawasser, Champagner, Rum und von pikanten Speisen wird in den meisten Fällen
zuträglich sein; auch ist zu empfehlen, vor Antritt der Reise reichliche Mahlzeiten
zu sich zu nehmen, ohne gerade zu excediren und Speisen zu genießen, welche
erfahrungsgemäß zur Verstopfung disponiren; in letzterer Beziehung ist die
Colombowurzel eine gegen die Seekrankheit im hohen Rufe stehende adstringirende
Arznei. Als äußerstes und letztes Mittel bleibt nur noch die wagrechte Lage und
absolute Ruhe zu erwähnen. (Ausland, 1874 S. 719.)