Titel: | Ueber die Function des Gloverthurmes; von Dr. Georg Lunge. |
Autor: | Georg Lunge [GND] |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 179 |
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Ueber die Function des Gloverthurmes; von Dr.
Georg Lunge.
Lunge, über die Function des Gloverthurmes.
Im 215. Bande dieses Journals, S. 558 und 559, finden sich
zwei kurze Aufsätze von F. Vorster in Widnes und von
Friedr. Bode in Haspe, welche durch meine Kritik des Vorster'schen Aufsatzes über den Gloverthurm (vergl. 1874
213 441. 506) hervorgerufen worden sind. Ich muß mir
erlauben, in möglichster Kürze auf dieselben zu antworten.
Hrn. Vorster's Bemerkungen bedürfen einer Antwort
eigentlich nur für einen ganz oberflächlichen Leser; denn eine Widerlegung meiner
Kritik enthalten sie auch nicht im entferntesten Maße, sondern gestehen im
Gegentheil deren Begründung so gut wie ausdrücklich zu. Vorster sucht zunächst wiederum zu beweisen,
daß seine Laboratoriumsversuche den im Gloverthurm existirenden Bedingungen so gut
wie ganz entsprechen; ich muß darauf wiederum antworten,
daß der mathematische Gegenbeweis dafür von Hrn. Vorster
unbewußtermaßen in seiner eigenen Arbeit gegeben worden ist, wie ich es in Bd. 215 S. 56 ff. mit Zahlen nachgewiesen habe. Vorster
versucht es überhaupt
nicht, meine Berechnungen zu widerlegen, sondern gibt zu, daß er sich geirrt habe,
indem er einen Verlust von 40 bis 70 Proc. an Nitroverbindungen im Gloverthurm aus
seinen Laboratoriumsversuchen annahm. Er sagt freilich, ich beweise nicht die
„Unrichtigkeit“ seiner Resultate, sondern ich
„modificire“ nur seine Schlußfolgerung, welche zu
„weitgehend“ sei; er habe die Größe des Verlustes nicht in
der Art, wie ich, nachgerechnet, und „schätze“ sie auf 2 Proc.
vom verbrannten Schwefel. Der geneigte Leser möge beachten, daß, wie ich a. a. O.,
unwidersprochen von Hrn. Vorster, nachgewiesen habe, der
Verlust nach Vorster's Folgerungen hätte 14,8 Proc. vom
verbrannten Schwefel sein müssen, statt der zwei Procent,
auf welchen ihn Vorster selbst schätzt, und ob danach ich
recht habe, wenn ich seine ganze Folgerung verwerfe, oder Vorster, wenn er meint, ich „modificire“ sie nur! Und
der Leser beachte ferner, daß Vorster für seine
„Schätzung“ des Verlustes absolut gar keinen Anhaltspunkt beibringt, und daß ich ihm schon in meinem ersten
Aufsatze darauf geantwortet habe, seine Schätzung müsse falsch sein, weil die
Fabriken am Tyne nicht 5 Proc. wie diejenigen in Widnes, sondern nur 3½ Proc.
Salpeter auf den verbrannten Schwefel im Ganzen consumiren. Vorster meint, diese Zahl sei „werthlos“, so lange
nicht auch die Ausbeute an Schwefelsäure aus den verbrannten Pyriten angegeben sei.
Wenn Hr. Vorster sich die Mühe gegeben hätte, meinen
Aufsatz ganz durchzulesen, so würde er eine solche Angabe der Ausbeute darin an
mehreren Stellen gefunden haben. Auf S. 474 (Bd. 214)
gebe ich meine eigene Ausbeute für 1873 (wo sie durch Unterbrechungen zu gering war)
auf 263 an Schwefelsäurehydrat auf 100 chargirten
Schwefel im Pyrit an (nämlich 0,380 Schwefel auf 100 Säurehydrat). Dieses Rendement
von 263 Säurehydrat auf 100 chargirten Schwefel ist etwa gleich 288 auf 100 wirklich
verbrannten Schwefel. Unter günstigeren Umständen, d. h. wenn keine Unterbrechungen
im Betriebe stattgefunden hatten, habe ich über längere Zeiträume 275 Säurehydrat
auf 100 chargirten, oder 300 auf 100 verbrannten Schwefel erhalten, und zwar mit
einem verhältnißmäßig sehr kleinen Kammerraum. Ich kann hinzusetzen, daß mir in den
letzten Tagen Einsicht in das Fabrikationsbuch einer der größten Fabriken am Tyne,
mit weltberühmtem Namen (welchen ich auf specielle Aufforderung gern nennen will)
verstattet worden ist, wonach deren Salpeterverbrauch = 3,57 Proc. und Ausbeute an
Schwefelsäurehydrat = 301,55, beides auf den verbrannten
Schwefel berechnet, ist, und was den Salpeterverbrauch betrifft, so existiren noch
bessere Resultate hier am Tyne. Wenn Hr. Vorster
nachweisen kann, daß die Fabriken in Widnes etc. mit ihrem Salpeterverbrauche von 5
Proc. ein besseres Rendement als das obige erzielen, so wird mir dies eine völlige
Neuigkeit sein, da ich bisher immer nur das gerade Gegentheil davon gehört habe.
Wenn Kuhlmann in Lille sich dagegen ausspricht, stark
nitrose Säure durch den Gloverthurm fließen zu lassen, so darf ich doch wohl die
Autorität desselben gegenüber dem Urtheil aller größeren
englischen Schwefelsäurefabrikanten ignoriren, um so mehr als er nach Vorster gar keine Gloverthürme besitzt und daher keine
eigenen Erfahrungen mit denselben haben kann.
Schließlich ist es wirklich nicht meine Sache. Hrn. Vorster, wie er es verlangt, den Weg zu zeigen, wie er genaue
Beobachtungen über die Denitrirung im Gloverthurm selbst anstellen könne. Ich habe
es nur unternommen nachzuweisen, daß der von ihm eingeschlagene Weg der
Laboratoriumsversuche ihn zu ganz falschen (wirklich
nicht nur „zu weitgehenden“) Resultaten geführt habe, und daß
mir dieser Nachweis völlig gelungen ist, kann bei dem Ausbleiben einer Widerlegung
jetzt für ganz sicher angenommen werden. Wie nöthig es aber war, das chemische
Publicum vor einer
Adoption der Vorster'schen Folgerungen zu warnen, geht u.
A. aus einer Bemerkung von C. Büchner in demselben Bande
(215 556) hervor, wo dieser sonst recht exact
scheinende Beobachter von der „schönen“ Arbeit Vorster's spricht, und die Resultate derselben ohne
Weiteres als feststehend annimmt. Im Gegensatz dazu bemerkt freilich Hr. Bode (S. 559), dem inzwischen meine Kritik vorgelegen
hatte, daß er sich meinem Urtheile nur anschließen könne.
Was nun Hrn. Bode's Erwiederung auf die wenigen ihn
betreffenden Worte in meiner Kritik (S. 559) betrifft, so muß ich zunächst
constatiren, daß der von mir vermißte Beweis der
„Allgemeinheiten“ über die behauptete Geringfügigkeit des
Abdampfungsverlustes in offenen Pfannen auch jetzt noch nicht erbracht worden ist.
Zahlen fehlen uns immer noch ganz und gar, gegenüber
der Evidenz unserer Nasen und Augen darüber, daß ein gewisser Verlust in offenen
Pfannen stattfinden muß, während er im Gloverthurme ganz
vermieden wird. Ich muß ferner bemerken, daß das Ausgangsrohr des letzteren in
meiner Fabrik allerdings erst etwas ansteigt, um ein Zurückfließen der
aufspritzenden Säure zu ermöglichen; daß ähnliche Vorrichtungen sicher in den
meisten, wenn nicht in allen Fällen vorhanden sind, ich aber darüber nichts weiß, ob
auch Vorster's Thurm eine solche enthielt. Ich muß aber
aufrichtig zugeben, daß selbst in diesem Falle vermuthlich noch etwas flüssige Säure
durch Verspritzung und Bläschenbildung mit in die Kammer fortgerissen werden wird,
und daß Hr. Bode mithin Recht hat, wenn er den von Vorster angegebenen Concentrationsverlust von 3,89 Proc.
der Schwefelsäure nicht als maßgebend für den Verlust bei der Verdampfung in offenen
Pfannen anerkennen will.
South-Shields, 23. April 1875.