Titel: | Kritische Untersuchungen über den Werth von Naphtalin und Petroleum als Ersatzmittel für Cannelkohle; von Professor Aug. Wagner. |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 250 |
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Kritische Untersuchungen über den Werth von
Naphtalin und Petroleum als Ersatzmittel für Cannelkohle; von Professor Aug. Wagner.
Wagner, über den Werth von Naphtalin und Petroleum als Ersatzmittel
für Cannelkohle.
Da die zur Gasbereitung angewendeten Steinkohlen (in Deutschland: Saarbrücker,
Zwickauer, Böhmische, Westfälische, Schlesische u. a. Kohlen) nicht die gewünschte
Leuchtkraft des Gases liefern, so setzt man denselben sogen. Cannelkohlen (wie
Boghead, böhmische Plattenkohle, Falkenauer Braunkohle etc.) zu. Als Ersatzmittel
für letztere sind unzählige Compositionen in Vorschlag gebracht worden, und die
Anzahl der hierauf genommenen Patente ist eine sehr große.
Alle diese Vorschläge gehen im Wesentlichen auf Zusatz solcher billiger
Kohlenwasserstoffe hinaus, welche im Stande sind, oder wenigstens nach der Ansicht
des Patentnehmers im Stande sein sollen, in der Glühhitze in sogen,
„permanente“ Gase zu zerfallen. Unter dem Ausdruck
„permanente Gase“ versteht der Gastechniker solche Gase,
welche bei Abkühlung auf gewöhnliche Temperatur sich nicht condensiren, im Gegensatz
zum Physiker und Chemiker, welche hierunter nur solche Gase, die sich durch Druck
oder Kälte nicht verdichten lassen, verstehen.
Alle diese Kohlenwasserstoffe müssen reich sein an Kohlenstoff, da der werthvollste
Bestandtheil des Leuchtgases, der hellleuchtende schwere Kohlenwasserstoff (Aetylen,
oelbildendes Gas, Elayl C2H4) 85,7
Proc. Kohlenstoff besitzt. Das aus gewöhnlichen Kohlen dargestellte Leuchtgas
enthält nur 5 bis 7 Proc. desselben (mit Cannelkohlenzusatz dargestellt etwa 10
Proc.) und aus Petroleumrückständen dargestellt gegen 17½ Proc. Die übrigen
Bestandttheile des Leuchtgases sind der Hauptmenge nach — bis zu 80 Proc.
— der schwach leuchtende leichte Kohlenwasserstoff (Sumpfgas, Grubengas CH4) mit 75 Proc.
Kohlenstoff und dann das nicht leuchtende Wasserstoffgas.
John Hamilton (Patent vom J. 1867) tränkt bituminöse
Schiefer oder Kohlenmaterialien mit einer siedenden Lösung von Naphtalin
C10H8 in rohen
Steinkohlenölen und verwendet auf 1 Tonne pulverisirte Kohle 480 Liter schwere
Steinkohlentheeröle oder an Paraffin reiche Schieferöle mit 2,25 Kg. Naphtalin
gemischt; er will hieraus 420 Kubikmeter sehr schönes Gas erzielen.
Ließe sich Naphtalindampf (mit 93,75 Proc. Kohlenstoffgehalt) dem Leuchtgase
beimengen, so müßte es ohne Zweifel die Leuchtkraft wesentlich erhöhen. Ebenfalls
wäre das Auftreten eines leuchtenden Gases zu erwarten, wenn sich dasselbe in der
Glühhitze in Gase verwandeln würde, entweder dadurch, daß Naphtalindampf allein,
oder dadurch, daß Naphtalindampf gemengt mit Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen
durch glühende Röhren geleitet würde. Die vom Verf. mitgetheilten Versuche haben
jedoch ergeben, daß die Verdunstungsfähigkeit des Naphtalins an der Luft sehr
unbedeutend — in 9 Tagen 6,5 Proc. — ist, und daß Naphtalin mit
Wasserstoff in der Weißglühhitze keine permanenten Gase liefert. Auch bei der
Vergasung von Petroleum hatte ein Zusatz von Naphtalin nicht nur keine Zunahme,
sondern eine sehr bedeutende Verminderung des Gasvolumens zur Folge. Offenbar
umhüllten die in der Glühhitze beständigen Naphtalindämpfe den Petroleumdampf in der
Art, daß ein beträchtliches Quantum desselben nicht zur Zersetzung in permanente
Gase gelangte, sondern mechanisch mit fortgerissen wurde. Aus dem Besprochenen
ergibt sich die völlige Werthlosigkeit des Naphtalins für das Leuchtgas, so daß bei
den bekannten üblen Eigenschaften desselben für den Betrieb eine möglichste
Entfernung, aber ja kein Zusatz desselben von Vortheil ist.
Das Patent von M'Kenzie (1865) sowie das etwas später
folgende von Walker und Smith
bezwecken einen Petroleumzusatz. Ersterer tränkt 1 Tonne
zu Staub gepulverte bituminöse Kohle mit 136 Liter Petroleum oder rohem Oel; die
Tonne dieses Materiales soll 12 000 bis 14 000 K.-F. Gas von 18 bis 24 Kerzen
Leuchtkraft liefern. (In einer Gasanstalt wurden hiermit jedoch nur 9871
K.-F. aus der Tonne erhalten.) Letztere sättigen getrockneten Torf oder
andere passende Materialien mit Petroleum und wollen aus der Tonne 550 K.-M.
Gas, also 970 K.-F. aus einem Centner erhalten. Bei Anwendung von warmem
Petroleum zur Sättigung soll der Torf über 50 Proc. seines Gewichtes hiervon
aufnehmen. Dieselben glauben, daß das bei der Destillation aus dem Torf gebildete
Wasser eine günstige Rolle spiele, ohne welche man nicht im Stande wäre, ein
permanentes Gas zu produciren.
Was den Zusatz von Petroleum, Kohle, Torf und ähnlichen zur Gaserzeugung schon an und
für sich geeigneten Materialien betrifft, so muß diese Art, aus Petroleum Gase erzeugen zu wollen, als
eine höchst unglücklich gewählte bezeichnet werden, und zwar aus folgenden
Gründen.
Gibt man Kohle oder Torf, getränkt mit Petroleum, in die gewöhnlichen Retorten der
Gasfabriken, so tritt durch erstere sofort eine sehr bedeutende Menge Wasserdampf
auf, welcher das bei der hohen Temperatur der Retorte leicht flüchtige Petroleum zum
guten Theil theils mechanisch fortreißt, theils vor Zersetzung in permanente Gase
schützt, so daß ein beträchtlicher Theil des angewendeten Petroleums in der
Hydraulik zum Theer gelangt und nutzlos verloren geht.
Die Wasserbildung geht bei Steinkohle in der ersten Stunde der Ladung vollständig, in
der ersten halben Stunde schon zum größten Theil vor sich; bei Torf in noch weit
kürzerer Zeit. Saarbrüker Kohle liefert ca. 10 Proc. ihres Gewichtes Wasser,
bituminöse Kohle ca. 20 Proc. und getrockneter Torf gegen 30 Proc.
Das Wasser verdampft bereits zum größten Theil in der ersten halben Stunde, während
aus der Kohle in derselben Zeit sich nur so wenig Gase bilden werden, daß dieselben
schon an und für sich mit dem drei- bis vierfachen Volumen Wasserdampf
verdünnt sind, und mit noch mehr, nämlich mit dem acht- bis zwölffachen, bei
Anwendung von bituminöser Kohle und Torf. Setzt man nun noch Petroleum zu, so muß
der größte Theil der Petroleumdämpfe sogleich unzersetzt mit fortgerissen werden,
sowie ein Theil der hieraus gebildeten hellleuchtenden schweren Kohlenwasserstoffe
durch Wasserdampf in geringwerthigere zersetzt werden, indem der schwere
Kohlenwasserstoff mit Wasserdampf in der Glühhitze sich zersetzen kann in leichten
Kohlenwasserstoff, Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure.
Um die Schädlichkeit des Wasserdampfes bei der Erzeugung von Gasen aus Petroleum
durch Zahlen beweisen zu können, wurden folgende Versuche angestellt.
Es wurde zunächst durch eine 2½ Fuß (762 Mm.) lange, mit Bimsstein gefüllte
glühende Porzellanröhre langsam Petroleumdampf geleitet; die erhaltenen Gase wurden
nach dem Passiren eines durch Schnee gekühlten Condensationsgefäßes über Wasser in
graduirten Cylindern aufgefangen. Es gaben hierbei 5,251 Grm. Petroleum: 3,315 Liter
permanente Gase, also per 1 Centner Petroleum 1114 K.-F. Gase; im
Condensationsgefäß fand sich eine geringe Menge condensirten Petroleums.
Hierauf wurde durch dieselbe Porzellanröhre mit den Petroleumdämpfen zu gleicher Zeit
ein schwacher Strom Wasserdampf unter ganz gleich gehaltenen Umständen bei möglichst
gleicher Temperatur hindurchgeleitet; es ergaben in diesem Falle 4,348 Grm. Petroleum: 1,475
Liter Gase, also per 1 Centner Petroleum nur 598 K.-F. Gase; dafür zeigte
sich aber im Condensationsgefäß auf dem condensirten Wasser eine beträchtliche Menge
condensirtes Petroleum schwimmend. Die Gasausbeute wurde also durch den Wasserdampf
fast auf die Hälfte herabgedrückt.
Nach einem weiteren Patent (1873) erzeugt Spencer aus
Petroleum schwere Gase und leitet dieselben mit Wasserdampf durch glühende Retorten
zur Erzeugung leichterer Gase.
Derselbe verwandelt die durch Zersetzung des Petroleums in der Hitze gewonnenen
hellleuchtenden Gase in weniger leuchtende, um hierdurch ein größeres Gasvolumen zu
erhalten, indem sich, wie schon erwähnt, die schweren Kohlenwasserstoffe in der
Glühhitze mit Wasserdampf zersetzen können, in leichten Kohlenwasserstoff,
Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure. Was für einen Gewinn hat aber derselbe
hierdurch? An Leuchtkraft auch nicht den geringsten — im Gegentheil nur
Verlust. Er bedarf ferner dreifacher Heizung: zur Zersetzung des Petroleums, zum
Heizen des Dampfkessels und zum Glühen des Gemenges von Gas und Dampf. Auch läßt
sich zur Zersetzung des Wasserdampfes in der Glühhitze ein weit billigerer
Kohlenstoff verwenden, als der aus Petroleum abstammende.
Nach einem weiteren Patent von Parker (1872) wird Kohlenstaub mit kaustischem
Kalk und Petroleum mit kaustischem Kalk
verwendet. Nach den vom Verf. ausgeführten Versuchen gewährt der Zusatz von frisch
gebranntem Kalk keinen Nutzen, gelöschter Kalk vermindert die Ausbeute in Folge des
auftretenden Wasserdampfes sogar sehr beträchtlich.
Cormack (Patent 1862) destillirt Petroleum, Theer, Oel
etc. mit Wasserdampf und ebenso Haseltine, Petroleum mit
Wasserdampf. — Da der Wasserdampf für die Vergasung von Petroleum sich so
schädlich zeigt, so ist wohl ein Gleiches bei der Vergasung anderer
Kohlenwasserstoffe, wie Theer, Oel etc. der Fall. Bekanntlich sind die äußerst
zahlreichen Versuche, aus Theer und Wasserdampf in der Glühhitze permanente Gase zu
erhalten, bis jetzt von keinem Erfolg gewesen.
Will man Petroleum zur Gaserzeugung benützen, so ist es weit besser, dasselbe allein,
ohne jeden Zusatz anzuwenden. Reines Petroleum ist aber hierfür in der Praxis im
größeren Maßstabe nicht angewendet worden, sondern nur die beim Raffiniren des
Petroleums bleibenden Rückstände. Die bekanntesten Apparate letzterer Art sind der
von Dr. Hirzel (1867 184 485) und der von Riedinger. Auffällig ist, daß mit diesen beiden Apparaten in der Praxis eine
weit geringere Ausbeute
von Gas erzielt wird, als es bei Anwendung von reinem Petroleum möglich ist. Verf.
erhielt nämlich bei Anwendung von Petroleum eine weit höhere Gasausbeute, als diese
Apparate bei Anwendung von Petroleumrückständen liefern, obgleich
Destillationsversuche im Kleinen sonst gewöhnlich ungünstigere Resultate liefern,
als der Ausführung im Großen möglich ist. In der Krauß'schen Lokomotivfabrik in München wurde im J. 1868 mittels Hirzel's Apparat aus 1 Ctr. Petroleumrückständen im
Durchschnitt nur 733 K.-F. erhalten (1868 190
172), in der Rathgeber'schen mittels Riedinger's Apparat ca. 878 K.-F.
Verf. gab abgewogenes Petroleum, eingeschlossen in einer mit feiner Oeffnung
ausgezogenen Kaliglasröhre, in das Ende einer mit Bimsstein gefüllten, 762 Mm.
langen schmiedeisernen Röhre. Dieses Ende der Röhre wurde hierauf luftdicht
verschlossen, am anderen Ende wurde luftdicht durch Gyps und Lehm eine Glasröhre
eingekittet, welche das erhaltene Gas in ein durch Schnee gekühltes
Condensationsgefäß führte, von wo aus das Gas über Wasser in graduirten Cylindern
aufgefangen wurde. Zuerst wurde der mit Bimsstein gefüllte Theil des Rohres zum
Glühen gebracht; die hierbei ausstrahlende Wärme brachte das Petroleum zum
Verdampfen, so daß diese Dämpfe durch die glühenden Bimssteinstückchen passiren
mußten; schließlich wurde auch noch das Ende der Röhre erhitzt. Das hierfür
angewendete Petroleum war von allen unter 150° siedenden Kohlenwasserstoffen
befreit. Es lieferte 1,375 Grm. Petroleum 1,205 Liter Gas; hiermit liefert 1 Centner
Petroleum 1511 K.-F. Gas. Bei einem zweiten Versuch ergaben 0,330 Grm.
Petroleum 0,290 Liter Gas; hiermit liefert 1 Centner Petroleum 1552 K.-F.
Gas. Die nach dem Versuch herausgenommenen Bimssteinstückchen zeigten sich in beiden
Fällen ziemlich stark schwarz gefärbt von ausgeschiedener Kohle, welche jedoch durch
Glühen an der Luft leicht verbrannte. Das specifische Gewicht des Gases war 0,82;
bei Gas aus Hirzel's Apparat fand Schilling dasselbe zu 0,86 und Martius zu
0,698. Die Leuchtkraft fand Verf. bei Anwendung eines Brenners für Bogheadgas,
welcher in der Stunde 22 Liter Gas consumirte, zu 89,3 Grm. Stearin auf 1
K.-F. Gas berechnet. (Schilling fand für Gas aus
Petroleumrückständen für 1 K.-F. die Leuchtkraft zu 93,66 Grm. Stearin.)
Um eine günstige Ausbeute an Gas zu erzielen, ist es absolut nothwendig, daß eine
hohe Glühhitze eingehalten wird, und daß die Zeit, während welcher der
Petroleumdampf der Glühhitze ausgesetzt bleibt, nicht zu kurz ist, indem sich sonst
zu wenig in permanentes Gas verwandelt und sich zu viel unzersetzt condensirt. So
erhielt Verf. bei
seinen Versuchen im Kleinen bei Anwendung einer dicken, glasirten Porzellanröhre von
762 Mm. Länge und unter sonst gleichen Umständen wie oben stets eine niedere
Gasausbeute, dafür aber eine weit beträchtlichere Condensation, indem es nicht
gelang, die dicke Porzellanröhre im Inneren so zu erhitzen wie die schmiedeiserne,
wie sich schon daraus ersehen ließ, daß in der schmiedeisernen Röhre das zur
Aufnahme des Petroleums hineingeschobene Kaliglas stets durch die Hitze
zusammensank, während es in der Porzellanröhre die Rundung beibehielt. So ergaben in
der Porzellanröhre 5,251 Grm. Petroleum 3,315 Liter Gas, also 1114 K.-F. aus
einem Centner, während in der schmiedeisernen über 1500 K.-F. aus dem Centner
Petroleum sich ergaben.
Ob bei dem Riedinger'schen Apparat, der mehr einer
Destillirblase als einer Retorte gleicht, sich die beiden Bedingungen, hohe
Temperatur und genügende Zeit, einhalten lassen, dürfte fraglich erscheinen.
Um den Werth der bei Leuchtgasbereitung aus Petroleum sich ergebenden Condensation
sowie der schweren flüchtigen Bestandtheile des Petroleums kennen zu lernen, wurden
folgende Versuche angestellt.
An dem einen Ende der mit Bimsstein gefüllten, 762 Mm. langen Porzellanröhre wurde
der Hals einer Glasretorte eingekittet und ebenso am anderen Ende eine 610 Mm. lange
Glasröhre, deren umgebogenes Ende in ein durch Schnee gekühltes Condensationsgefäß
mündete. Die Porzellanröhre erhielt dabei eine solche Neigung, daß das in der
angesetzen Glasröhre unzersetzt condensirte Petroleum in die glühende Porzellanröhre
zurücklaufen mußte. Die Retorte wurde mit 83,5 Grm. Petroleum gefüllt, von welchem
alle unter 150° siedenden Bestandtheile zuvor abdestillirt waren; sobald die
mit Bimsstein gefüllte Porzellanröhre zum Glühen erhitzt war, wurde das Petroleum in
der Retorte zum Sieden gebracht. Der Versuch dauerte 1½ Stunden, nach welcher
Zeit der Siedepunkt in der Retorte auf 288° gestiegen war; es blieben nun in
der Retorte zurück 27 Grm., im Condensationsgefäß hatten sich 28,25 Grm. gesammelt;
in permanente Gase verwandelt waren somit 83,5 - (27 + 28,25) = 28,25 Grm.
Petroleum; also waren circa ⅓ vergast, ⅓ condensirt und ⅓ in
der Retorte zurückgeblieben.
Das angewendete Petroleum hatte das specifische Gewicht 0,789, der Rückstand in der
Retorte 0,830, das Condensationsproduct 0,780.
Während das angewendete Petroleum völlig frei war von unter 150° siedenden
Bestandtheilen, destillirt von den im Condensationsgefäß erhaltenen 28,25 Grm. die
Hälfte zwischen 110 und 150° und zwischen 150 bis 190° Alles bis auf
einen sehr kleinen Rest.
Es ist jedenfalls beachtenswerth, daß beim Leiten von Petroleumdämpfen durch glühende
Röhren sich sehr beträchtliche Mengen von Kohlenwasserstoffen bilden, welche einen
bedeutend niederen Siedepunkt besitzen, als dem leichtflüchtigsten Theil des
angewendeten Petroleums zukommt. Es ergibt sich für die Praxis hieraus die
Nothwendigkeit einer genügenden Condensation.
Von den in der Retorte zurückgebliebenen 27 Grm. destillirte ⅓ zwischen 288
und 360° über, bei höherer Temperatur das Uebrige mit Ausnahme von 1/5,
welches sich nicht mehr überdestilliren ließ, sondern sich unter Gasbildung
zersetzte. Das gewöhnliche Petroleum läßt sich also im Riedinger'schen Apparat nicht vortheilhaft zur Vergasung verwenden.
Um die Vergasungsfähigkeit des Condensationsproductes sowie des in der Retorte
gebliebenen Rückstandes zu ersehen, wurden folgende Versuche angestellt.
Es wurden zunächst 1,495 Grm. des Condensationsproductes in erwähnter schmiedeiserner
Röhre unter schon besprochenen Umständen behandelt, wobei dieselben 1,125 Liter Gas
lieferten, woraus sich für 1 Centner 1364 K.-F. Gas berechnet. Von dem in der
Retorte gebliebenen Rückstand ergaben unter denselben Verhältnissen 1,718 Grm. 1,305
Liter Gas, woraus sich für 1 Centner 1340 K.-F. Gas berechnen.
Da reines Petroleum unter gleichen Umständen 1541 bis 1552 K.-F. Gas per 1
Centner liefern konnte, so ist der Werth sowohl des Condensationsproductes als auch
des erst bei höherer Temperatur siedenden Rückstandes für die Leuchtgaserzeugung
geringer, als der des raffinirten Petroleums. Hiernach müssen auch, wie schon
angedeutet, die Petroleumrückstände eine geringere Gasausbeute liefern wie
Handelspetroleum.
Da das aus Petroleum erzeugte Gas bei Anwendung gewöhnlicher Gasbrenner eine stark
rußende Flamme liefert, so muß es aus hierzu geeigneten Brennern mit kleiner
Oeffnung gebrannt werden; mischt man aber dasselbe mit wenig oder nicht leuchtenden
Gasen, so gibt es auch bei Anwendung gewöhnlicher Brenner eine geeignete Flamme. So
wurde beim Durchleiten von Wasserstoffgas mit Petroleumdämpfen durch glühende Röhren
eine prachtvoll brennende Flamme erhalten, welche ohne zu rußen mit sehr schön
weißgelbem Licht verbrannte. Es ist somit Petroleumgas zur Erhöhung der Leuchtkraft
geringwerthigen Gases im höchsten Grade geeignet.
Es muß hier aber nun zunächst die Kostenfrage besprochen werden; hierzu soll der
Leuchtwerth des Petroleumgases mit dem aus Cannelkohle und Saarbrückerkohle
erhaltenen Gas verglichen werden.
Als Vergleichungspunkte hierfür sind folgende Annahmen gemacht:
1 Centner Petroleum
liefert
1500
Kubikfuß Gas
1 Centner Boghead
liefert
731
Kubikfuß Gas
1 Centner böhmische Pankraz-Platten
liefert
603
Kubikfuß Gas
1 Centner Falkenauer Kohle
liefert
575
Kubikfuß Gas
1 Centner Saarbrücker Kohle
liefert
519
Kubikfuß Gas
Die Leuchtkraft von 1 Kubikfuß Gas
aus Petroleum
ist gleich: 89,3
Gramm Stearin
aus Boghead
ist gleich: 70
Gramm Stearin
aus Pankraz-Platten
ist gleich: 47
Gramm Stearin
aus Falkenauer Kohle
ist gleich: 48
Gramm Stearin
aus Saarbrücker Kohle
ist gleich: 21
Gramm Stearin
Es präsentirt hiermit:
das aus 1 Centner Petroleum erhaltene Gas den Werth von
136 Kilogrm. Stearin
das aus 1 Centner Boghead erhaltene Gas
51,2 Kilogrm. Stearin
das aus 1 Pankraz-Platten erhaltene Gas
28.3 Kilogrm Stearin
das aus 1 Falkenauer Kohle erhaltene Gas
27,6 Kilogrm. Stearin
das aus 1 Saarbrücker Kohle erhaltene Gas
10,9 Kilogrm. Stearin
Für einen Leuchtwerth von 136 Kilogrm. Stearin ist also nöthig:
Gas erhalten aus
1
Centner Petroleum
Gas erhalten aus
2,6
Centner Boghead
Gas erhalten aus
4,8
Centner Pankraz-Platten
Gas erhalten aus
4,9
Centner Falkenauer Kohle
Gas erhalten aus
12,5
Centner Saarbrücker Kohle.
Nun kostet, wenigstens in Europa, ein Centner Petroleum weit mehr als 2,6 Ctr.
Boghead, oder 4,8 Ctr. Pankraz-Platten, oder 4,9 Falkenauer Kohle. Man wird
also nicht mit Vortheil Petroleum als Ersatz für Cannelkohle zur Erhöhung der
Leuchtkraft des gewöhnlichen Steinkohlengases benützen können. 12½ Ctr
Saarbrücker Kohle kosten allerdings in vielen Gegenden Deutschlands mehr als 1 Ctr.
Petroleum; dafür liefern aber dieselben bei der Vergasung gegen 8 Ctr. Coaks, welche
den Ankaufspreis der Kohle reichlich zur Hälfte decken, so daß zur Gaserzeugung,
selbst in ungünstigster Lage Deutschlands, die Ankaufskosten von Saarbrücker, und
ebenso von Zwickauer, böhmischer und anderer Gaskohlen geringer sind, als die von
Petroleum und Petroleumrückständen, wenn man gleichen Leuchtwerth erzielen will.
(Nach dem bayerischen
Industrie- und Gewerbeblatt, 1875 S. 1.)