Titel: | Vortheilhafte Gewinnung der Pikrinsäure; von G. C. Wittstein. |
Autor: | G. C. Wittstein |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 273 |
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Vortheilhafte Gewinnung der Pikrinsäure; von
G. C. Wittstein.
Wittstein, über Gewinnung der Pikrinsäure.
Eine bereits seit etwa hundert Jahren bekannte Drogue ist das Harz der Xanthorrhœa arborea, einer in Australien einheimischen
Pflanze aus der Familie der Commelyneen. Es führt auch die Namen Acaroidharz und gelbes Harz
von Botanybay in Neuholland (Resina Acaroidis, Resina lutea
Novi Belgii).
Da ich irgendwo gelesen hatte, daß dieses Harz sich sehr gut zur Fabrikation der
Pikrinsäure eigne, nicht nur weil es sehr billig sei, sondern auch weil es eine sehr
gute Ausbeute liefere, so veranlaßte ich Hrn. Wolfsleben,
diese Angabe zu prüfen. Das erforderliche Material (welches in den neueren
Preislisten nicht mehr zu finden ist) verschaffte ich mir von Hrn. August Ostermaier in München.
10 Grm. des gepulverten Harzes wurden in einem Becherglase mit 50 Grm. roher
Salpetersäure von 1,16 spec. Gew. übergossen, das Glas mit einer Glasschale
zugedeckt und bei mäßiger Wärme digerirt. Bald erfolgte Aufblähen der Masse und über
der Flüssigkeit Bildung einer tiefbraunen Kruste, welche von Zeit zu Zeit mit einem
Glasstab hinabgestoßen werden mußte. Als nach etwa 3 Stunden die Entwickelung
salpeteriger Dämpfe aufhörte, ließ man erkalten. Am folgenden Tage fand sich der
Boden des Becherglases mit einer starken gelben krystallinischen Schicht bedeckt, darüber
lagerte eine braunrothe pechartige Masse in einem zusammenhängenden Klumpen. Man hob
denselben heraus und digerirte ihn abermals mit 25 Grm. Salpetersäure, bemerkte aber
dabei fast gar keine Einwirkung, wenigstens keine Bildung von salpeteriger Säure,
mehr. Auch schied sich aus dieser zweiten Flüssigkeit beim Erkalten nichts
Krystallinisches ab, so daß ich, zum Zweck der Gewinnung der Pikrinsäure eine zweite
Behandlung der Harzmasse mit Säure für überflüssig halte. Da es aber im vorliegenden
Falle sich darum handelte, so wenig als möglich von dem zu erzielenden Producte zu
verlieren, so wurde, nachdem die krystallinische Ausscheidung aus der ersten
Flüssigkeit gesammelt war, der Mutterlauge vor dem Eindampfen auch die zweite
Flüssigkeit zugesetzt. Das Verdunsten setzte man bis zur Trockne fort, fügte die
erste Krystallisation hinzu und verjagte den Rest der noch anhängenden Salpetersäure
bei 100°. Der Gesammtrückstand wog 6,5 Grm., also fast ⅔ des in Arbeit
genommenen Harzes; er war gelb krystallinisch, enthielt nichts Amorphes, dagegen
einzelne Oxalsäurekrystalle. Nachdem die so erhaltene Pikrinsäure, zur Entfernung
der Oxalsäure, umkrystallisirt war, betrug die Menge derselben noch 5 Grm. Demgemäß
empfiehlt sich obiges Harz in der That sehr zu dem gedachten Zwecke.