Titel: | Anwendung des Elektromagnetismus zur Vermehrung des Druckes der Locomotivräder gegen die Schienen; von L. Dreyfus. |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 405 |
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Anwendung des Elektromagnetismus zur Vermehrung
des Druckes der Locomotivräder gegen die Schienen; von L. Dreyfus.
Mit Abbildungen auf Taf.
VIII [c.d/4).
Dreyfus, über Magnetisirung der Locomotivräder etc.
Seit langer Zeit sucht man den Elektromagnetismus beim Eisenbahnbetriebe zu benützen,
theils als Zugkraft unmittelbar, theils zum Bremsen, theils zur Vermehrung des
Druckes der Räder der Locomotive gegen die Schienen.
Als Zugkraft den Elektromagnetismus zu verwerthen, schlug zuerst 1851 AmbergerNach einer Notiz in diesem Journal (1851 121 314)
hat Prof. Page im J. 1851 eine
elektro-magnetische Locomotive angegeben.Im Jahrg. 1842 86 407 ist eine
elektro-magnetische Locomotive von Davison
beschrieben. Mit derselben wurden Versuche auf der
Edinburgh-Glasgower Eisenbahn angestellt und nach dem Erfolg
derselben durfte man (1842) „große Hoffnungen hegen, daß die Zeit
nicht mehr ferne ist, wo durch die elektro-magnetische Kraft die
Anwendung des Dampfes entweder überflüssig gemacht wird, oder der Dampf
dadurch wenigstens eine mächtige Hilfskraft erhält“!Coombs (1838 69 394)
hat im J. 1838 ein Modell der ersten elektro-magnetischen Locomotive,
welches von Davenport und Cook gebaut wurde, aus Amerika in England eingeführt.
vor, darauf 1865 Bellet und de Rouvre (vergl. 1865 176 163. 1866 179 126). Letztere hatten bei ihrem der Société des Ingénieurs civils vorgezeigtem Modell
allerdings vorwiegend den Postdienst im Auge; doch behielten sie sich die Anwendung
ihres Systemes auf die Beförderung der Züge vor. Bei dieser Anwendung kommt es,
wegen der nöthigen Rücksicht auf die ökonomische Seite der Sache, auf die
Beantwortung der Frage an, ist das Zink oder die Kohle als Brennmaterial
theurer?
Die Benützung des Elektromagnetismus zum Bremsen hat Amberger auch 1851 in Vorschlag gebracht; es sollten platte Elektromagnete
im gegebenen
Momente auf die Schienen wirken. Dies würde eine bloße Abnützung der Schienen und
eine vortheilhafte Schonung der Radreifen beim Bremsen im Gefolge gehabt haben; doch
kam es im Großen nicht zur Verwendung. Den ersten ernstlichen Versuch mit einer
elektro-magnetifchen Bremse machte Achard, welcher
seine Versuche damit auch jetzt noch fortsetzt und auf baldige Einführung desselben
auf den Eisenbahnen hofft.
Die Vermehrung des Druckes der Räder der Locomotive gegen die Schienen würde die
Wirkung der Reibung unterstützen, der mittlere Reibungscoefficient 0,17 sinkt unter
Umständen auf 0,1 herab; die Zugkraft der Locomotive kann aber bekanntlich die
Reibung ihrer Räder auf den Schienen nicht übersteigen. Eine Erhöhung der Zugkraft
kann daher vorwiegend nur durch Vergrößerung des Gewichtes der Locomotiven erreicht
werden; eine solche Vergrößerung des todten Gewichtes erweist sich aber besonders
auf Steigungen als nachtheilig, um so mehr als das Gewicht der Locomotive nach der
größten vorkommenden Steigung berechnet werden muß. Vielfach hat man deshalb
versucht, die Reibung durch Elektromagnetismus zu unterstützen, bisher jedoch ohne ganz befriedigenden Erfolg. Zur Zeit wird ein
neuer, von dem Schweizer Ingenieur Bürgin dazu gemachter
Vorschlag auf der Schweizer Nordostbahn im Großen geprüft und soll, nach einem
kurzen geschichtlichen Ueberblick, hier beschrieben werden.
Die erste Idee zur Anwendung des Elektromagnetismus für diesen Zweck konnte ein
Vorlesungsversuch des Prof. Eisenlohr in Carlsruhe geben,
welcher aus einer hufeisenförmigen Locomotivachse durch Umwickelung mit 500m Kupferdraht von 4mm,5 Dicke einen
Elektromagnet herstellte, welcher durch den Strom von 20 Grove'schen Elementen 5000k tragen konnte; eine nach ihm geworfene
Eisenkugel verfehlte nie ihr Ziel. 1846 schlug Dr. Right (1846 99 394) vor, die
Räder der Locomotiven magnetisch zu machen, und berechnete, daß man jedem Rade eine
Anziehung von 1000k
auf die Schienen geben könne; auch bemerkte er, daß die Stärke dieser Anziehung, den
Umständen angemessen, veränderlich gemacht werden könne. Ueber eine Verwirklichung
seines Vorschlages ist nichts bekannt. Als 1851 Niklès
vom Ingenieur Amberger und dem Kaufmann Cassal über die physikalischen Hilfsmittel zur Erhöhung
des Druckes der Locomotivräder gegen die Schienen befragt wurde, kam er auf die
Anwendung des Elektromagnetismus. Sein erster Vorschlag ist in Fig. 42 abgebildet; der
Locomotivrahmen trägt zwischen den Rädern einen Hufeisen-Elektromagnet a, dessen Pole etwa 4mm von den Schienen abstehen; ein Modell
im Kleinen zeigte auf einer geneigten Ebene eine gute Wirkung; die Zugkraft wurde bei
diesen Versuchen durch eine um die Vorderachse gewickelte Schnur geliefert, welche
über eine Rolle am oberen Ende der geneigten Ebene lief; als Last diente ein Gewicht
an einer Schnur, welche über eine Rolle am unteren Ende der Ebene gelegt war. Bald
ersetzte Niklès diesen Elektromagnet nach Fig. 43 für jedes
Räderpaar durch zwei am Rahmen befestigte, den unteren Theil jedes Rades bis nahe an
die Schienen umgebende Spulen, jede aus 250m Kupferdraht; auch mit dieser
Einrichtung wurden Versuche im Kleinen auf einer verstellbaren geneigten Ebene
angestellt und fielen ebenso befriedigend aus. Darauf wurden auf einer Steigung von
20 Proc. mit einem Paar Locomotivrädern von 1m,10 Durchmesser und mit 16
Batterieelementen ähnliche Versuche angestellt; bei trockenem Wetter betrug die
Reibung 350k, das
Anhaften durch den Elektromagnetismus 450k, also bei Annahme des
Anhaftcoefficienten 0,1 4500k; bei nebeligem Wetter sank die Reibung auf 100k, das
elektromagnetische Anhaften schwächte sich nur um 50k; eine dicke Schicht Talg auf den Rädern
zog das magnetische Anhaften auf 400k herab. Man könnte demnach das
magnetische Anhaften für jedes Räderpaar auf auf etwa 1000k schätzen; der Aufwand an Säure und Zink
belief sich für 10 Stunden ununterbrochenem Dienst auf 11,2 M. Man glaubte auch aus
den Versuchen schließen zu dürfen, daß die Umlaufsgeschwindigkeit der Räder die
magnetische Wirkung nicht beeinträchtigen würden; bei den auf der Bahn von Paris
nach Lyon im Großem angestellten Versuchen stellte sich aber das Gegentheil heraus;
denn bei dem 119t
schweren Zuge, welcher sich auf einer Steigung von 10 auf 1000 mit geringer
Geschwindigkeit bewegte, erhielt man kaum 9 Proc. Zuwachs im Anhaften. Niklès und Amberger gaben es
daher auf, die Räder mit solchen Spulen zu magnetisiren.
Die Ursache des Mißlingens liegt bei der Anordnung nach Fig. 42 in der Entfernung
des Magnetes von seinem Anker, bei der Anordnung nach Fig. 43 darin, daß die
Lage der Pole im Rade sich nicht schnell genug zu ändern vermag; außerdem
verbreitern die Spulen die Locomotiven in der unteren Partie. Während der Versuche
auf der Lyoner Bahn ward Niklès darauf geführt, die
Magnetisirung des ganzen Radumfanges anzustreben. Wie dies etwa geschehen könnte, um
Zahnräder zu ersetzen, zeigt Fig. 44 Die mittels der
Riemenscheibe e einer auf der Achse b sitzenden Scheibe a
mitgetheilte Bewegung soll von letzterer auf die Walze d
übertragen und von dieser mittels der Scheibe f noch
weiter fortgepflanzt werden. Sobald der Widerstand, welchen die Walze d der Bewegung entgegensetzt, eine gewisse (immer
ziemlich kleine) Größe
überschreitet, kann die Scheibe a die Walze d nur mitnehmen, wenn beide gegen einander gepreßt
werden. Zu diesem Behufe sind in zwei Nuthen der Scheibe a zwei am Gestell befestigte Spulen c, c gelegt (eine Nuth mit einer Spule würde gleichen
Dienst leisten), in denen sich die Scheibe frei dreht; sendet man einen Strom durch
die Spulen, so werden die drei Abtheilungen der Scheibe a auf ihrem ganzen Umfange magnetisch und ziehen die Walze an sich. Dieser
„scheibenförmige Elektromagnet mit festen Polen“ wurde in
einem Versuchsapparate ausgeführt und zwar bei 110mm Länge und 130mm Durchmesser der Scheibe, 49mm der Nabe, 50mm Durchmesser der
Walze; der 1mm dicke
Leitungsdraht war 250m
lang und bildete 464 auf beide Spulen vertheilte Windungen. Hatte der Strom in
beiden Spulen verschiedene Richtung, so erhielt man einen Magnet mit Folgepunkt, und
die mittlere Abtheilung der Scheibe a besaß die stärkste
Anziehung; bei gleicher Stromrichtung in beiden Spulen lagen die Pole an den Enden
der Scheibe a, und die Gesammtanziehung war in diesem
Falle größer. Zwischen 10 und 2000 Umläufen blieb die Anziehung unverändert, nämlich
15k. Wie Niklès dies auf Eisenbahnräder anwenden wollte, ist nicht
bekannt; die Versuche wurden nur in sehr kleinem Maßstabe ausgeführt und eine
Anwendung für Eisenbahnen wohl nie versucht.
1859 machte Serrel in Amerika mit der in Fig. 45 abgebildeten
Anordnung Versuche; die Spule bildet einen Kreisbogen, dessen mittlerer Halbmesser
dem Raddurchmesser (1m,37) glich, während jedes Rad etwa 500k wog; jede Spule enthielt 823m Kupferdraht Nr. 8 in
288 Windungen; die Batterie bestand aus 16 Grove'schen
Elementen, welche zu je zweien verbunden waren, und hatte eine Zinkoberfläche von
etwa 1935qc. Der
Dampfdruck konnte, ohne daß die Räder auf den sehr glatten Schienen rutschten, auf
8k,6 steigen, auf
15k,9 dagegen bei
Magnetisirung der Räder; bei gut erhaltenen Schienen dagegen beziehungsweise auf
22,7 und 40k. —
Aehnliche Versuche wie die Vorgenannten, machte auch Blacke ebenfalls i. J. 1859.
Im J. 1865 kam die in Fig. 46 abgebildete
Anordnung auf der Centralbahn in New-Jersey in Amerika zur Anwendung; die
Kupferdrahtspulen an den Radkränzen machen dabei die beiden Räder derselben Achse zu
Polen eines einzigen Magnetes. Die länger als ein Jahr angestellten Versuche ergaben
eine Erhöhung des Anhaftens um 40 Proc. Ohne Zweifel wurden diese amerikanischen
Versuche nur aufgegeben, weil man damals noch nicht mittels einer
dynamo-elektrischen Maschine mit Aufwand einer verhältnißmäßig kleinen
mechanischen Leistung sehr kräftige elektrische Ströme zu erzeugen verstand.
Auch Bürgin verwandelt die ganze Achse mit ihren Rädern in
einen einzigen Magnet mit fest liegenden Polen; doch umwickelt er die Achse selbst
mit dem Drahte, und zwar mit zunehmender Dicke der Umwickelung nach den Rädern hin
(Fig. 47)
bei Locomotiven mit äußeren Achslagern, mit überall gleicher Dicke (Fig. 48) bei Locomotiven
mit inneren Achslagern. Bei gekuppelten Rädern sorgt man durch die Umwickelung für
einen Polwechsel nach Anleitung der Fig. 49, damit das
Schienenstück zwischen je zwei Polen als geschlossener Anker wirke. Diese Art der
Umwickelung gestattet eine Vergrößerung der Anzahl der Windungen und dadurch eine
stärkere Magnetisirung. Bei Locomotiven mit inneren Achslagern (Fig. 48) treten jedoch
die Windungen nicht bis unmittelbar an die Räder heran, daher ist hier die Wirkung
bei gleicher Anzahl der Windungen etwas schwächer als bei der Anordnung in Fig. 47. Ein
in 1/10 ausgeführtes Locomotivmodell (jedoch ohne Maschine und Kessel) mit 3 Paar
Rädern und inneren Achslagern wurde auf eine Ebene mit 30 Proc. Steigung gesetzt und
die Spulen durch lange Zuleitungsdrähte und Umschalter mit 5 Bunsen'schen Elementen verbunden. Die Triebkraft lieferte ein Gewicht von
12k, dessen Schnur
um die drei Achsen geschlungen war; die Räder des 8k,5 schweren Modelles rutschen auf der
Stelle, wenn man das Gewicht ablaufen ließ, ohne den elektrischen Strom zu
schließen; bei geschlossenem Strome dagegen lief das Modell auf der Ebene empor.
Wurde die am Modell vorhandene Bremse angezogen, so blieb dasselbe bei geschlossenem
Strome auf der schiefen Ebene überall stehen; bei Unterbrechung des Stromes aber
begannen die Räder sofort zu rutschen und die Locomotive glitt beschleunigt abwärts;
wurde der Strom wieder geschlossen, so blieb sie trotz der erlangten Geschwindigkeit
auf der Stelle stehen. Auf einer Ebene von 100 Proc. Steigung erhielt sich die
Locomotive nur bei geschlossenem Strome und angezogener Bremse. An der Unterseite
einer horizontalen Bahn hängend, hielt sie sich durch die magnetische Anziehung,
lief hin und her und durfte selbst noch mit 7k belastet werden; die Gesammtanziehung
betrug also 15k,5. Auf
horizontaler Bahn, mit noch 15k,5 belastet, wurde sie bei angezogener Bremse durch ein über
eine Rolle gelegtes Gewicht von 7k,5 fortbewegt; der Reibungscoefficient war also F1 = 7,5 : 24 = 0,312.
Nach Beseitigung der 15k,5 Ladung wurde sie bei Magnetisirung und angezogener Bremse erst
durch 10k fortbewegt,
der Reibungscoefficient war also F2 = 10 : 24 = 0,416. Das Verhältniß beider war F1 : F2 = 312 : 416 und blieb
auch bei feuchten Schienen dasselbe. (Nach der Revue industrielle, 1875 S. 38.)
E—e.