Titel: | Ueber Kämm-Maschinen, System Noble; nach A. Lohren. |
Autor: | A. Lohren |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 481 |
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Ueber Kämm-Maschinen, System Noble; nach A.
Lohren.
Mit Abbildungen auf Taf.
VII und IX.
(Schluß von S. 417 dieses Bandes.)
Lohren, über Kämm-Maschinen, System Noble.
Neueste Verbesserungen an der
Noble'schen Kämm-Maschine. Nacteursysteme.
Fragt man nach der zweckmäßigsten Einrichtung einer Kämmerei mit Noble'schen Maschinen, so ist ein besserer Plan als der
von Holden angegebene (und a. a. O. Taf. VI gezeichnete) nicht wohl herzustellen. Nur muß
man nach der Krempel drei Passagen Nadelstabstrecken und eine Bandwickelmaschine
anwenden. Diese Strecken sind ein nothwendiges Uebel der älteren Maschine Noble's und bezwecken ein Parallellegen der Fasern und
die Herstellung eines Bandes von egalem und starkem Querschnitt. Man macht die
Bänder so dick, als die Einschlagbürsten erlauben; erst wenn das Band von der Bürste
nicht mehr ordentlich in die Nadeln der Kammringe eingeschlagen wird, muß man das
Wickelband dünner nehmen.
Es ist bereits bemerkt worden, daß die Leistungsfähigkeit der Noble'schen Maschinen sich durch rascheren Gang und gute Bürsten ganz
erheblich steigern läßt. Doch steigert sich dabei in noch höherem Maße der Verbrauch
an Bürsten, und zwar zu einer so enormen Ausgabe, daß die Kämmerei von Amédée Prouvost und Comp. in Roubaix
aus diesem Grunde eine Anzahl von alten Noble'schen
Maschinen aus ihrem Etablissement entfernt und durch die höchst ökonomischen Holden'schen Maschinen ersetzt hat.
Der kostspielige Bürstenverbrauchist ist jedoch nur eines der Hauptübel der Noble'schen Maschine alter Construction; das andere, bei
Weitem größere, ist die Unvollkommenheit der Arbeit bei schwierigem Material. Von
den im Eingänge (a. a. O. S. 4 und 5) entwickelten vier Fundamentalbedingungen des
Reinkämmens werden in den Noble'schen Maschinen nur die
drei ersten: das Speisen, das Kämmen der Faserenden α und das Ausziehen oder das Kämmen der Faserenden γ erfüllt; die vierte aber, das Nachkämmen der
Fasermitten β, bleibt unerfüllt. So scharf man
auch die tangirenden Nadelkränze an einander arbeiten und so schnell man die Bürste
einschlagen läßt, immer wird die Faserstrecke, welche in dem Raum zwischen beiden
Kammringen zu liegen kommt, weder von den Nadeln des großen, noch von denen des
kleinen Kammringes gekämmt. Auch beim Ausziehen bleibt diese kleine Strecke β
unberührt, und so ist
es erklärlich, daß sehr unreine Fasern von den älteren Noble'schen Maschinen ebensowenig absolut reingekämmt werden können, wie
in den alten Maschinen Cartwright's, Ramsbotham's oder
Rawson's.
Fast zwanzig Jahre lang haben die Patent-Inhaber, die Maschinenfabrikanten und
die vielen Kämmer, welche in England und Frankreich die Kämm-Maschine
benützen, darüber nachgedacht, wie diesen Mängeln abzuhelfen sei. Eine ganz
außerordentliche Zahl von Patenten für Verbesserungen wurde genommen und namentlich
versucht, das Reinkämmen der Fasermitten β durch
Einschaltung von Nacteurkämmen zu erreichen. Vier dieser
Constructionen sollen hier kurz erwähnt werden, und zwar diejenige von Thuillier-Gellée 1868, Whitehead 1869, Lohren 1874 und Bradley 1871. In den beiden ersten Patenten wurde nur
Rücksicht genommen auf die beiden inneren Kammringe, welche erfahrungsmäßig den
unreinsten Zug liefern. Die dritte Anordnung dagegen bezieht sich auf die Noble'schen Maschinen mit nur einem inneren Kammring und
erlaubt die Anwendung von Nacteurkämmen, sowohl für den äußeren, wie für den inneren
Nadelkranz.
Wie aus Fig. 1
bis 4
Tafel IX zu ersehen ist, läßt Thuillier-Gellée den Nacteur N von
unten in das hervorhängende Faserende des kleinen Kammringes C eintreten; derselbe ist deshalb unter einem spitzen Winkel zur
Horizontalebene gestellt, so daß er am Berührungspunkt beider Kammringe A und C unterhalb dieser
Ringe liegt, an den Ausziehwalzen E,E dagegen seine höchste Lage einnimmt. w,w sind Supports für den
Kammring des Nacteurs. D ist eine Cylinderbürste zum
Eindrücken der Fasern in die Zähne des Nacteurs.
Whitehead läßt den Nacteur in der gewöhnlichen Weise von
oben in den Faserbart einstechen. Um hierbei den Raum für die Einschlagbürste q freizulassen, ist eine sehr schräge Stellung des
Nacteurkranzes nothwendig, wodurch die genaue Führung erschwert und der ganzen
Einrichtung etwas Gezwungenes verliehen wird. Ein Blick auf Fig. 5
Taf. IX genügt, um ein Bild von Whitehead's Construction zu erlangen. Der Nacteurring N ist mit einem äußeren Zahnkranz x versehen und gleitet auf der gehobelten Fläche des Ringes x1, welcher fest an
die Säule x2
angeschraubt ist. Zur schnelleren Bewegung der Bürste q
ist noch eine Schnur q3 zwischen der Riemenscheibenwelle d und der
Kurbelstange q1
eingeschaltet.
Die von Lohren vorgeschlagene Anordnung der Nacteurringe
ist in Fig. 6
und 7 auf Taf. IX abgebildet. Beide Nacteurs bestehen hier aus
Segmenten, welche einestheils den Vortheil bieten, leicht herausgenommen, reparirt und ersetzt
werden zu können, anderentheils die Möglichkeit gewähren, an jeder beliebigen Stelle
in den Faserbart niedergestoßen und aus demselben hochgehoben zu werden.
Die bereits bekannten Theile sind in den Figuren mit denselben Buchstaben bezeichnet,
wie in der Maschine von Tavernier-Donisthorpe.
Jedes Nacteursegment ist mit einem Schieber N versehen,
und diese Schieber erhalten ihre Führung in gehobelten Bahnen der rotirenden
Trommeln b1,b2. Die Trommel b1 ist durch Ständer
b4 concentrisch
mit dem rotirenden Zahnringe a verbunden, die Trommel
b2 dagegen auf der
Welle b3 aufgesteckt,
welche eine gleichförmige Rotation erhält und welche die Achse des kleinen
Kammringes C bildet. An jeden: Schieber ist eine
Laufrolle c1
angebracht, welche auf einer festen Leitcurve d1 läuft. Diese Curven sind so geformt, daß die
Segmente am Berührungspunkt beider Kammringe ihre höchste Lage einnehmen und Raum
genug lassen, um der von unten betriebenen Einschlagbürste q das Einschlagen der Fasern zu gestatten.
Die Nacteursegmente für den inneren Kammring senken sich gleich hinter der Bürste q in die Fasern ein, während die des großen Kammringes
erst nach vollständiger Trennung der Fasern niederfallen.
Beim Vorübergange an den Abzugcylindern E und E1 verbleiben die
Nacteursegmente in ihrer tiefsten Lage und gehen dann allmälig hoch, um die
Kammringe A. und C
freizulegen und im inneren Kammring das Ausstoßen der Kämmlinge, im äußeren das
Speisen eines frischen Faserbartes zu gestatten.
Bei dieser Einrichtung genügt es, die Nadelkränze mit nur wenigen Reihen Nadeln zu
versehen, ohne daß die Reinheit des Productes dadurch beeinträchtigt wird. Der
Nadelkranz des Nacteurs erhält zwei Reihen, der des inneren Kammringes zwei bis drei
Reihen und der des äußeren Ringes drei bis vier Reihen Nadeln. Es vereinigen sich
hierdurch billige und solide Construction mit befriedigender Arbeit.
Alle diese Verbesserungen, ja alle Erfindungen, welche in den letzten zehn Jahren in
der Kämmerei gemacht worden sind, werden überragt von der glücklichen Erfindung,
welche der Kammsetzer Christopher Bradley in Bradford
1871 zur Hebung besagter Unvollkommenheit der Maschine Noble's gemacht hat. Obgleich diese Erfindung auf den ersten Blick als
eine Modification in der Anwendung der alten Nacteursegmente erscheint, ist sie doch
im Principe von Allem verschieden, was nach dieser Richtung vorher bekannt war. Die
Erfindung Bradley's ist für das System tangirender
Kammringmaschinen fast bedeutender als Noble's Grundidee
selbst und steht auf gleicher Höhe mit den Erfindungen der Heilmann'schen Zange und des Hübner'schen Zangenringes. Isaac Holden kaufte das Patentrecht für Frankreich um den Preis
von 150 000 Fr. und schlug damit einen neuen, sehr beachtenswerthen Feind seiner
monopolisirenden Bestrebungen auf 15 Jahre aus dem Felde.
Bradley's Erfindung ist namentlich deshalb von
überraschender Originalität, weil durch dieselbe die Fasermitten β früher gekämmt werden als die Faserenden α und γ, und
also die letzte Kämmoperation vor der ersten erfolgt; sie ist nicht minder
überraschend durch die einfachen Mittel, welche zur Erzielung dieses Resultates
ersonnen sind.
Wer mit den älteren Noble'schen Maschinen gearbeitet hat
und die vielen erfolglosen Versuche kennt, die Fehler dieser Maschine zu beseitigen
und ein vollkommenes Reinkämmen zu bewirken, steht staunend da, wenn er Bradley's Erfindung zum ersten Male in Wirksamkeit sieht.
Unwillkürlich drängt sich dabei die Frage auf, warum eine so einfache Vorrichtung
nicht längst vorher erfunden wurde, warum nicht hundert Andere auf denselben
Gedanken gekommen sind.
So ist es in der Regel mit der Entdeckung neuer, einfacher Mechanismen gewesen. Was
hinterher als einfach und selbstverständlich erkannt wird, bedurfte meistentheils
einer langen, unausgesetzten Geistesarbeit. So auch hier. Diese schöne Erfindung ist
keineswegs wie ein Blitzstrahl glanzvoll und rein aus dem Haupte des Engländers
hervorgegangen, sondern sie ist das Resultat einer langen Reihe von mühevollen
Versuchen und Constructionen. Smith und Bradley schöpften diesen glücklichen Gedanken aus einer
Bemerkung in dem Patente von Mirfield und Scott 1870 — eines der vielen Patente dieser
Erfinder, in welchen sich dieselben bestreben, die Kämm-Maschine des
Amerikaners Cullen Whipple umzubauen. Letztere Maschine
ist wiederum nichts anderes, als eine Modification der Heilmann'schen Fundamental-Mechanismen, und sind es namentlich die
Organe des Speiseapparates und deren Bewegungen, welche Mirfield und Scott verbesserten. Dabei stellte
sich heraus, daß man in ähnlicher Art auch den Speiseapparat von Donisthorpe und Tavernier
zweckmäßig verbessern könne. Smith und Bradley erkannten die große Bedeutung dieses Gedankens
für das System Noble sofort mit der größten Klarheit und
wurden so die Inhaber eines der wichtigsten Patente der neueren Zeit.
Bradley theilt den großen Nadelkranz in zwei concentrische
Theile, schneidet den äußeren Theil in kleinere Segmente und gibt diesen Segmenten
eine besondere radiale Verschiebung, vermöge welcher sie sich von der anderen
Ringhälfte entfernen und sich derselben wieder nähern können. Die radiale Bewegung
dient zum Kämmen einer kleinen Strecke β
innerhalb der Wollbänder, welche im Kammring eingeschlagen sind, und die Segmente
sind so eingestellt, daß diese gereinigte Strecke β genau über die Berührungslinie der beiden Kammringe eingeschlagen
wird.
Eine genaue Betrachtung der Figuren 8,9,10 (Taf. IX) genügt, um die höchst einfache Art und Weise
erkennen zulassen, wie Bradley diese Arbeit ausführt. Der
große Kammring A ist so getheilt, daß sechs Nadelreihen
für die innere und sechs oder mehr Nadelreihen für die äußere Hälfte verbleiben.
Letztere Hälfte wird in so viele Segmente geschnitten, als Bandwickel zur Speisung
dienen, bei der gewöhnlichen Construction mithin 18 Stück. Die Segmente A1 erhalten nicht nur
eine rotirende Bewegung mit dem Zahnkranze a, sondern
zudem eine radiale Verschiebung in der Platte dieses Zahnkranzes, welche durch die
Führungsschienen e1
und f1 hervorgebracht
wird. In Fig.
10 sind diese Schienen besonders dargestellt; dieselben sind an dem
Maschinengerüst durch Schrauben befestigt. Jedes Kammsegment A1 ist unterhalb mit einem Ansatz g1 versehen, welcher
in dem radialen Schlitz h1 der Ringplatte a verschiebbar ist. Unten an
diesem Ansatz sitzt ein Zapfen g2 (Fig. 9), welcher bei der
Drehung des Kammringes von der Leitschiene e1 nach außen gedrückt wird und so die radiale
Entfernung des Segmentes A1 von den inneren Nadelreihen A bewirkt.
Sobald dieser Zapfen g2 das Ende der Leitschiene e1 erreicht hat, wird er von der Leitschiene f1 an der
entgegengesetzten Seite gefaßt und wieder nach dem Mittelpunkte gedrückt, bis er den
Nadelring A berührt. Diese Rückbewegung des Segmentes
ist offenbar nur dann möglich, wenn alle Nadeln frei von Fasern sind, also nach dem
Ausheben der Bandenden, unmittelbar vor dem Einschlagen der Fasern in die
tangirenden Kammringe. Von diesem Punkte ab bilden die Segmente A1 mit dem Nadelkränz
A ein geschlossenes Ganze, wie in der alten
Construction, und verbleiben in dieser Lage bis nach beendigtem Ausziehen des
Zugbandes. Hinter den Abzugwalzen E beginnt darauf die
radiale Entfernung der Segmente von Neuem, nachdem vorher noch alle die Fasern,
welche beim Ausziehen etwa hoch gegangen waren, durch eine besondere Bürste K1 eingedrückt worden
sind.
Sobald die radiale Bewegung vollendet und eine neue Faserstrecke β hierdurch gereinigt ist, erfolgt das Ausheben
der Bandenden aus den Nadeln genau in derselben Weise wie in den älteren
Constructionen, ungefähr an der mit i1 bezeichneten Stelle. Die Segmente beginnen ihren
Rückgang, und dasselbe Spiel des Einschlagens wiederholt sich von Neuem.
Es ist bemerkenswerth, daß die Vortheile dieser Verbesserung sich nicht nur darin
zeigen, daß der Zug viel reiner und schöner wird, sondern daß durch die zarte
vorbereitende Arbeit, welche die Segmente ausüben, auch das Rendement an Zug größer
und der Bürstenverbrauch vermindert wird.
So werthvoll die Verbesserung aber auch ist, bleiben die Noble'schen Maschinen gewöhnlicher Construction, auch mit Bradley's Patent, immer noch in Bezug auf Oekonomie in
den Unterhaltungskosten hinter den Holden'schen
zurück.
Amédée Prouvost hat versucht, den großen Bürstenverbrauch
dadurch zu vermeiden, daß er statt der Bürsten rotirende Blechscheiben anwendet,
welche die Fasern an der Berührungsstelle der Kammringe in die Nadeln eindrücken.
Die Anordnung dieser Pressionsscheiben ist aus Fig. 14 (Taf. IX) ersichtlich. Dieselben sind mit a bis e bezeichnet und an
ihrem Umfange sägeartig ausgeschnitten, f und g sind zwei polirte Schienen, welche so eingestellt
sind, daß sie die Fasern vor dem Eintritt in die Berührungslinie bis zur Nadelspitze
niederdrücken und die Arbeit der Kreisscheiben erleichtern.
Tavernier hat diese Idee der Pressionsscheiben weiter
verfolgt und denselben noch eine Cylinderbürste h (Fig. 13
Tafel IX) zugefügt, ohne jedoch auch hiermit
praktischen Erfolg erzielt zu haben.
Nächst dem Verbrauch an Bürsten ist derjenige an Lederbändern eine beständige Ouelle
von Arbeit und von Reparaturkosten. Zur Verminderung dieses Lederverbrauches hat Whitehead im J. 1872 die in Fig. 7
Taf VII angegebenen Einrichtung Patentiren
lassen.
In den älteren Maschinen erhielten die endlosen Leder eine langsame Auf- und
Niederbewegung durch excentrische Scheiben, deren Betrieb ganz oberhalb der großen
Lagerplatte U angebracht war. Es dienten hierzu
Schnecken und Schneckenräder, welche von den Kämmlingwalzen aus betrieben wurden.
Diese Wellen und Räder waren namentlich deshalb von Uebel, weil sehr leicht Wolle
und Kämmlinge in dieselben fallen und Schaden anrichten konnten. Whitehead läßt deshalb die Excenter von dem rotirenden
Zahnkranze a aus bewegen, so daß die Platte U fast ganz frei bleibt, b
ist die Leitrolle für das Lederband, welches zu den Abzugwalzen des großen
Kammringes gehört; c die für das Lederband am kleinen
Kammring. Senkrecht unter diesen Leitrollen lagert die Excenterwelle d, welche am einen Ende das Excenter e zur Aufund Niederbewegung der Schieberstange f, in der Mitte das Excenter g für die Schieberstange h und am anderen Ende
das Schneckenrad k trägt.
Die Bewegung erfolgt nun von der Zahnplatte a. aus durch
eingeschraubte Stifte l, welche bei ihrem Vorübergange
in die Zähne des Sperrrädchens m eingreifen und
hierdurch eine ruckweise Vorwärtsbewegung erzeugen, welche mittels der Schnecke n und des Schneckenrades k
an die Excenterwelle übertragen wird. Die Excenter theilen diese Bewegung den
Schieberstangen f und h mit,
auf denen die Leitrollen b und c angebracht sind. So oft also ein Stift l an
dem Sperrrädchen vorübergeht, werden die Lederbänder um einen kleinen Betrag gehoben
oder gesenkt, so daß beim Abziehen der Zugbänder die ganze Lederbreite nach und nach
benützt und eine größere Dauerhaftigkeit der Leder erzielt wird.
Kämm-Maschine von A.
Lohren.
Obgleich die obigen Verbesserungen in mancher Hinsicht sehr wesentliche
Vervollkommnungen der älteren Maschinen bilden, so ist doch damit allen
Anforderungen noch nicht genügt, weil keine die Wurzel eines anderen Uebels trifft,
aus welchem viele Schwierigkeiten und Fehler hervorgehen. Dieses Grundübel aber
besteht darin, daß man bei der Sucht, eine Maschine von größter Productionsfähigkeit
zu erfinden, sich nicht begnügt hat, eine einfache Maschine mit großem innerem
Kammring und großer Berührungslinie herzustellen, sondern statt dessen zwei kleine
Kammringe mit kurzer Berührungslinie angeordnet hat. Dadurch ist die Qualität der
Arbeit zu Gunsten der Quantität beeinträchtigt worden. Nichts kann verwerflicher
sein als ein solches Verfahren. Der Werth eines vorzüglich gekämmten Zuges ist so
sehr viel größer als der des unreineren Zuges, daß nicht nur die Zinsen, sondern
sogar die ganze Kämm-Maschinenanlage alljährlich von dieser Werthdifferenz
gedeckt werden kann. Nur solche, die den höheren Werth eines schönen Kammzuges nicht
gebührend zu beurtheilen vermögen, fragen zuerst nach der täglichen Leistung der
Maschinen; für den Fachmann steht diese Frage in zweiter Linie, er sieht vor Allem
auf die Schönheit des Productes, auf das Verhältniß zwischen Zug und Kämmling, auf
die Regelmäßigkeit des Ganges, auf die Leichtigkeit der Bedienung und dann erst auf
die Productionsfähigkeit. Drei einfache Lister'sche
Maschinen sind für schwieriges Material besser und vortheilhafter, als zwei
doppelköpfige; das ist eine alte Erfahrung, die auch für die übrigen
Kämm-Maschinensysteme gilt. Die doppelte Anordnung der Kämmapparate sollte
überall vermieden werden, wo nicht ganz besondere Gründe dafür vorliegen, wie z. V.
bei der Chappe-Kämmerei, wo das einfache Seidenband mitunter so dünn ist und
so wenig Halt besitzt, daß mehrere Bänder zusammengelegt werden müssen, um das zu häufige Zerreißen
des Bandes zu vermeiden. Für die Noble' schen
Wollkämm-Maschinen liegen dergleichen Gründe nicht vor, sondern die
einköpfige Anordnung besitzt nur Vorzüge über die doppelte, und ihre
Leistungsfähigkeit steht der letzteren nicht so weit nach, daß selbst Lohnkämmereien
einen fühlbaren Unterschied finden. Dazu kommt, daß ein Mädchen sehr wohl zwei
einfache Maschinen übersehen kann, nicht aber zwei doppelköpfige, ohne die größte
Gefahr für die Nadelkränze.
Auf Grund dieser Erwägungen hat der Verfasser im J. 1874 mehrere Verbesserungen an
den Kämmmaschinen des Noble'schen Systemes Patentiren
lassen, von welchen einzelne in Fig. 11 und 12
Taf. IX skizzirt sind, andere in diesem Journal nur
andeutungsweise erwähnt werden sollen.
Zunächst bringt Lohren die Niemenscheibenwelle unten in
der Maschine an, um alle Theile leichter zugänglich zu machen und namentlich die
Nadelkränze bequemer herausnehmen und wieder einlegen zu können. Ferner wird der
innere Kammring, nach Fig. 6, 7, 11 und 12 wesentlich größer
genommen als in den alten Maschinen; sein Durchmesser beträgt ½ bis ⅔
von dem des großen Kammringes. Dadurch wird die Berührungslinie beider Kammringe A und C so groß, daß die
Bürste q; (Fig. 6) selbst bei mäßiger
Geschwindigkeit die Fasern regelrecht in die Nadeln einschlagen kann. Der
Bürstenverbrauch wird dadurch erheblich geringer.
Der Abzugapparat für den kleinen Kammring C wird bei sehr
kurzen Fasern nach Fig. 6 und 7 mit horizontalen Walzen
E1,E1 eingerichtet. Der
große Vorzug dieser Walzen vor den senkrechten besteht darin, daß nicht alle Fasern
zur selben Zeit und an einer einzigen Stelle der Walzen ausgezogen werden müssen,
sondern die langen zuerst, dann die minderlangen und schließlich aus größter Nähe
die kürzesten Fasern. Hierdurch erfolgt das Ausziehen gleichförmiger, und die
Abnützung der Lederbänder wird vermindert.
Die Zugbänder vom inneren und äußeren Kammringe werden durch einen rotirenden
Trichter r (Fig. 6) zu den
Ableitungswalzen s,s geführt
und entweder in eine Kanne oder auf Wickel gebracht.
Für die verticalen Abzugwalzen E des großen Kammringes
wird ein selbstthätiger Ausrückmechanismus einfacher Construction mitgetheilt,
welcher die Maschine in Stillstand versetzt, sobald der unbelederte Cylinder von
Fasern umwickelt wird.
Von besonderer Originalität ist die in Fig. 11 und 12 angedeutete
Abzugvorrichtung. Eine Hübner'sche Kreiszange x1,x2 ist zwischen den Abzugwalzen E1,E1 und dem
Kämmlingapparat F,F
eingeschaltet, um alle langen Fasern, welche von den Abzugwalzen nicht herausgezogen
worden sind, zu erfassen und in ein besonderes Zugband zu vereinigen.
Es ist bekanntlich bis jetzt nicht gelungen, alle guten, zu Kammgarn verwendbaren
Fasern aus den Nadelkränzen auszuziehen. Wie nahe man auch die Abzugwalzen an den
Kammring stellen mag, so bleiben doch immer diejenigen Fasern in den Nadeln zurück,
deren Enden nicht bis zur gemeinschaftlichen Berührungslinie beider Abzugwalzen
reichen. Aus technischen Gründen kann man aber die Durchmesser dieser Walzen nicht
zu klein nehmen, ohne den ruhigen Gang zu beeinträchtigen; ebensowenig darf man aus
Rücksicht auf den Nadelbruch beim Zerreißen der Bänder diese Walzen sehr dicht an
den Kammring stellen. So kommt es, daß die Kämmlinge noch eine große Menge langer
Fasern enthalten, weil manchmal ein Faserbart von 5 bis 10mm Länge aus dem Nadelkranz hervorragt,
ohne ergriffen zu werden. Mit Hilfe einer Kreiszange lassen sich aber diese guten
Fasern mit Leichtigkeit dicht an den Nadeln erfassen, ausziehen und entweder als ein
besonderes Zugband für sich, oder mit den beiden anderen Zugbändern vereinigt
aufwickeln. In Fig.
11 und 12 ist diejenige Einrichtung getroffen, welche ein Vereinigen der sehr
kurzen Fasern mit dem Bande des kleinen Kammringes ermöglicht. Das Lederband der
Cylinder E2,E2 ist so geführt, daß
es in Berührung kommt mit dem Band für die Abzugwalzen E1,E1 so daß die kurzen Fasern mit dem kräftigen
Zugband vereinigt und gemeinsam dem Trichter zugeführt werden. Das Band des großen
Kammringes A wird direct zum Trichter geleitet. —
Diese Anordnung bietet den großen Vorzug, daß selbst dann keine Stockung entsteht,
wenn eines der beiden Bänder E1,E2 stellenweise ganz dünn ist, oder gar ein kleines
Stückchen eines Bandes fehlt, wie dies bei dem Einlegen neuer Speisebänder öfters
vorkommt.
Das Vereinigen des Kreiszangenbandes mit den Zugbändern der Kammringe ist im
Allgemeinen nicht rathsam, weil kurze und lange Fasern gemischt kein gleichförmiges
Garn geben. Für Etablissements, welche ihren eigenen Zug kämmen und spinnen, ist
deshalb vorzuziehen, die kurzen Fasern ganz getrennt zu lassen und für sich in ein
Band zu verwandeln, um dasselbe für gröbere Garne zu verwenden. Für Lohnkämmereien
dagegen ist diefe Vereinigung aller Bänder und das dadurch erzielte höhere Rendement
von größter Wichtigkeit. Nur muß man darauf sehen, daß diese kurzen Fasern
vollkommen reingekämmt werden. Dies wird erreicht, wenn man mit der Kreiszange auch
den Hübner'schen Nacteur N1 verbindet und die Fasern durch die Nadeln
desselben ausziehen läßt.
Schließlich sei noch erwähnt, daß statt der bis jetzt gebräuchlichen 72 Speisebänder
eine wesentlich größere Zahl angeordnet wird. In Fig. 7 (Taf. IX) sind 24 Wickel à
4 Bänder gewählt. Bei Umänderung von alten Maschinen kann man die Einschlagcanäle
durch eine Mittelwand theilen und solcher Art die doppelte Zahl der Bänder
einführen.