Titel: | Ueber die Abfallwässer in den Turchfabriken; von Engelbert Schwamborn in Aachen. |
Autor: | Engelbert Schwamborn |
Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 517 |
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Ueber die Abfallwässer in den Turchfabriken; von
Engelbert Schwamborn in
Aachen.
Nach dem Sitzungsbericht des
Aachener Bezirksvereins deutscher
Ingenieure.
Mit Abbildungen.
Schwamborn, über die Abfallwässer in den Tuchfabriken.
Die Abfallwässer der Tuchwalken beschmutzen bekanntlich die sie aufnehmenden Bäche
und sind deshalb vielfach die Ursache großer Unbequemlichkeiten, öfters ein Hemmniß
für die Tuchindustrie. Es ist dies besonders in flachen Gegenden, wie in unseren
östlichen Provinzen oder Holland der Fall, wo z. B. in Tillburg die Anstrengungen
zur Fortschaffung der stagnirenden Abfallwässer — hier noch besonders aus
Sanitätsrücksichten — außerordentlich sind. Indeß auch die preußische
Regierung hat der Sache ihre besondere Aufmerksamkeit nicht versagt, indem sie die
Professoren Landolt und Stahlschmidt beauftragt hat, Auskunft zu geben über die Mittel, welche in
unserer Gegend und in Belgien angewendet werden, um die Abfallwässer der
Tuchfabriken und Wollwäschereien unschädlich zu machen (vergl. den Bericht, 1875 215 214).
Versuche der Klärung durch Kies- oder Schlackenfilter, in sogen. Klärteichen,
scheitern, wenn sie auch bezüglich der festen, suspendirten Verunreinigungen Erfolg
haben mögen, an der mechanisch unausführbaren Abscheidung der Seifensubstanz. Diese
ist jedoch auf chemischem Wege zu bewerkstelligen, wodurch nicht allein die Wässer
geklärt, sondern auch die darin enthaltenen Fettstoffe wieder gewonnen werden.
Vielfach veröffentlichte Methoden, die Fettstoffe durch Behandlung mit Säuren wieder
zu gewinnen, lasse ich außer Betracht, weil dabei der Zweck, die ablaufenden Wässer
zu klären, nicht erfüllt wird, und beschränke meine Mittheilung auf die Behandlung
mit Kalk, bezw. auf die Herstellung einer Kalkseife und die Verwendung dieses
Productes zu verschiedenen Zwecken, indem ich noch vorausschicke, daß dieses
Verfahren auf die Gewinnung des Wollfettes aus den Abgängen der Wollwäschereien in
gleicher Weise Anwendung zu finden hat.
Unter den Abfallwässern sind die zum Walken und Spülen der Tuche gebrauchten Wässer
zu verstehen. Sie sind hellgrau bis dunkelblau je nach der Farbe der gewalkten
Tuche. Dieselben enthalten Oel aus der Spinnerei bis zu 15 Proc. des Garngewichtes
und zum Walken verbrauchte Seife bis zu 30 Proc. des Tuchgewichtes, außerdem den zum
Stärken der Ketten angewendeten Leim, sowie gelöste Farbstoffe und Wollfaser.
Die Klärung dieser Walkabgänge beruht auf der Zersetzung derselben durch Kalkmilch,
und das Verfahren ist das folgende. Zunächst befinden sich an den Walk- oder
Spülmaschinen zwei Abzugscanäle, der eine zur Leitung der zuerst dicken, allmälig
sich verdünnenden Brühe in ein Sammelbassin, der andere zur directen Abführung des
nachfolgenden, zum Fortlaufen in die Bäche geeigneten klaren Wassers.
Textabbildung Bd. 216, S. 518
Textabbildung Bd. 216, S. 518
Textabbildung Bd. 216, S. 518
Ist das Sammelbassin a (Holzschnitt I) — zu 150cbm Inhalt angenommen — gefüllt,
was bei einem Verbrauch von etwa 1000k Seife, die im Mittel zu 25 Proc. einem
Quantum von 4000k
damit gewalkter roher Tuchwaare entsprechen, in circa 14 Tagen der Fall ist, so wird
sein Inhalt durch einen am Boden desselben befindlichen Canal in einen tiefer
liegenden, gleich großen Behälter, das Zersetzungsbassin b, abgelassen, gleichzeitig aber zum Zwecke innigster Mischung aus einem
höher stehenden Gefäße c, z. B. einer mit einem Zapfen
versehen Bütte, ein dünner Strahl Kalkmilch der Abflußrinne zugeführt. Ein
abschüssiges Terrain ist der Ausführung günstig und muß, wo es mangelt, durch Pumpen
ersetzt werden. Der Boden des Zersetzungsbassins b ist
aus drei Lagen Ziegelsteinen gebildet; die unterste liegt flach, darauf hochkantig
die mittlere Lage, mit so großen Zwischenräumen, als es die oberste wieder glatte
Lage, welche mit Mörtel verbunden ist, gestattet. Dieses Canalsystem hat Neigung
nach einer Ecke des Bassins und Verbindung mit einem daselbst fest eingepaßten, über
einem Abflußcanal angebrachten prismatischen Holztrichter d (Holzschn. I bis III), der bis zur Höhe des Bassins reicht und mit einer schräg
aufsteigenden Reihe von Löchern, welche beim Einlassen der Brühe durch Holzzapfen
verschlossen sind, versehen ist.
Die Zersetzung findet (wie im oben citirten Bericht schon angeführt ist)
augenblicklich nach dem Einströmen in das Bassin statt. Die Kalkseife scheidet sich
in flockigem Zustande aus, hüllt hierbei die festen suspendirten Substanzen,
Farbstoffe, Wollfaser etc. ein, sinkt mit diesen allmälig zu Boden und verdichtet
sich schließlich zu einem dickschlammigen Niederschlage. Bereits nach wenigen
Minuten ist die oberste Schicht der Flüssigkeit von der flockigen Ausscheidung
befreit und nicht allein klar, sondern farblos. Diese sich sowohl auf die
suspendirten als auch auf die gelösten Farbstoffe erstreckende Klärung ist
erfahrungsmäßig so energisch, daß sie gestattet, dem seifenhaltigen Abfallwasser
noch bedeutende Mengen von anderen Farbwässern zuzuführen, um dieselben mit zu
klären. Die charakteristische Erscheinung der Flocken im freien Wasser ist der
Anhaltspunkt für den genügenden Zusatz von Kalk. Ein Ueberschuß desselben ist indeß
dem Klärungsproceß nicht hinderlich. Annähernd, jedoch immerhin wechselnd nach dem
Seifengehalt des Wassers, ist auf 150cbm Brühe circa 3/10cbm, d. i. 1/5 Proc.
des Volums derselben, an Kalkbrei, wie er sich in den Löschgruben befindet, zu
rechnen.
Das geklärte Wasser wird durch Ziehen der an dem Trichter d angebrachten Holzzapfen von oben nach unten abgelassen, bis an den
Punkt, wo die dickschlammige Kalkseife sich abgelagert befindet; zur besseren
Hantirung ist dabei
eine quer vor dem Trichter bis zur Mitte der Bassinhöhe anzubringende Breterwand e (Holzschnitt II), welche
ebenfalls mit Zapfen versehen ist, noch empfehlenswerth.
Das weitere Entwässern geschieht theils in Folge der Verdunstung, welche durch das
Rissigwerden und Aufklaffen des Schlammes unterstützt wird, theils durch Filtration
in das Canalsystem des Bodens. Eine Bestätigung dieser Annahme gibt nach mehreren
Tagen im Großen das Bild des am Boden liegenden, angetrockneten, ganz zerklüfteten
Stoffes. Dieser Teig wird zu seiner ferneren Trocknung auf den Rand des Behälters
ausgeworfen und dort möglichst ausgebreitet. Im Winter findet das Trocknen, je nach
den örtlich klimatischen Verhältnissen, zuletzt unter Dach, auf geeigneten Stellagen
seine Erledigung. Gestattet die Oertlichkeit die Anlage noch eines zweiten
Zersetzungsbassins, so wird die Trocknung wegen der dadurch gewonnenen doppelten
Zeit sehr erleichtert.
Die Kalkseife hält die letzten Antheile an Feuchtigkeit längere Zeit zurück, während
sie vermöge ihrer fettigen Beschaffenheit, resp. des Mangels an Adhäsion neu
hinzutretendes Wasser, z. B. bei Regengüssen nicht wieder aufnimmt. Ein
lufttrockenes Stück kann sogar Tage lang unverändert unter Wasser liegen ohne irgend
erhebliche Zunahme seines Gewichtes. Der ganz trockene Bodensatz eines 1½m hohen Bassins ist
ca. 60mm hoch, gleich
4 Proc. der Flüssigkeitssäule.
Aus statistischen Nachweisen läßt sich das jährlich in Europa zur Walke gelangende
Tuchquantum auf circa 10 Mill. Centner bemessen. 4000k davon entsprechen, wie oben gesagt,
150cbm
Abfallwasser, resp. 1000k Seife und einschließlich 400k Oel aus der Spinnerei, im Mittel zu 10
Proc. vom Tuchquantum gerechnet, werden im Durchschnitt ca. 800k Kalkseife gewonnen.
Die Walkwässer Europas von einem Jahr entsprechen demnach ca. 2 Mill. Centner
Kalkseife. Diese sind nun entsprungen aus 2 500 000 Ctr. Seife,
darunter 45 Proc.
=
1 125 000 Ctr. Fettsäure,
dem Oel aus der Spinnerei,
zu 10 Proc. des Wollgewichtes
=
1 000 000 Ctr. Fettsäure,
––––––––––––––––––––––––
in Summa aus
2 125 000 Ctr. Fettstoffen,
welche jährlich bei der europäischen Tuchindustrie zur
Verwendung gelangen. [Die Zusammensetzung derselben wurde bereits (1875 215 220) mitgetheilt.]
Durch Zersetzung der Kalkseife mit Säure und darauf folgende heiße Wasserbäder
gewinnt man eine direct zur Destillation verwendbare Fettsubstanz. Es gibt noch
andere Methoden, das Product nutzbar zu machen, z. B. als Zuschlag zum
Brennmaterial. Bis dahin hat sich aber in der Praxis die Verarbeitung auf Leuchtgas als die
vortheilhafteste Ausnützung ergeben.
Die Vergasung der Kalkseife kann, wie die der Mineralöle, allein für sich, wozu
kleinere Einrichtungen genügen, oder in Mischung mit Steinkohle in den gewöhnlichen
Gasanstalten stattfinden. Zur Feststellung der Lichtmenge des Leuchtgases aus
Kalkseife und zum Vergleiche derselben mit Steinkohlen- oder Oelgas, bezieh.
der daraus resultirenden Werthobjecte wurden nun im verflossenen Winter, im Verlaufe
von zwei Monaten, an 22 Abenden, unter meiner Theilnahme und unter Leitung des
Gewerbeschul-Lehrers Hrn. Desclabissac genaue
Beobachtungen angestellt.
Die zur Gaserzeugung angewendeten Materialien waren: Gaskohlen von der Zeche
„Consolidation“ bei Gelsenkirchen, das auf dem Wege des
Säureverfahrens aus den Abgängen der Wollwäsche gewonnene Wollfett, Stearintheer und
Kalkseife. Die Materialien wurden jedesmal abgewogen und das daraus erzeugte
Gasquantum beim Durchgange durch die große Gasuhr gemessen. Die Bestimmung der
Lichtstärke wurde mit einem, in einem schwarz behangenen Raume aufgestellten Bunsen'schen Photometer ausgeführt.
Das Gas wurde durch einen Viercubikfuß-Schnittbrenner verbrannt, und der
Gasverbrauch durch einen sehr genauen Gasmesser, der in 1 Minute den stündlichen
Consum anzeigt, regulirt. Zur Vergleichung der Lichtstärke diente die Flamme einer
Wallrathkerze, der englischen Parlamentskerze. — Die Beobachtungen fanden
Abends statt, wenn alle aus der Gasanstalt gespeisten Flammen brannten.
Zuerst wurde das Leuchtgas aus gemischtem Material, Steinkohle mit Kalkseife, an 5
Abenden der Untersuchung unterworfen. Bezüglich des Quantums waren dabei die
Resultate leicht zu gewinnen, eine Beschickung von 53k,25 Kalkseife und 322k,25 Steinkohle in
Mischung ergab durchschnittlich 80cbm oder 10cbm,7 Leuchtgas per Centner. Leider
blieben aber die Erfolge betreffs der Lichtstärke irregulär, da man nicht in der
Lage war, gemischtes Leuchtgas aus dem Gasometer nehmen zu können, sondern darauf
angewiesen war, das Gas während seiner Entwickelung unmittelbar nach dem Austritt
aus den Reinigungsapparaten der Beobachtung zu unterziehen. Beim Beginn der
Gasentwickelung ergab der Viercubikfuß-Schnittbrenner bei einem Consum von
2½ engl. Cubikfuß pro Stunde eine Lichtstärke von 25 1/6 Kerzen. Diese sank
dann fortwährend und betrug nach 3 Stunden nur noch 14⅓ Kerzen.
Augenscheinlich war daher das den Retorten entströmende Gas nicht fortwährend von
derselben Beschaffenheit resp. Mischung.
Die hierauf folgenden Versuche mit Leuchtgas aus unvermischten Materialien ergaben
die in nachfolgender Tabelle zusammengestellten Resultate.
Textabbildung Bd. 216, S. 522
Rohproducte; Gemicht der
Beschickung. k; Gasmenge aus der Beschickung. cbm; Gasmenge aus 1 Centner. cbm; Verhältniß der Gasmenge aus gleichen Gemichten, Gaskohle als
Einheit; Lichtstärke bei stündl. Consum von 2½ C.-F. in
Parlamentskerzen; Verhältniß der Lichtstärke, Steinkohlengas als Einheit;
Lichtmenge a. gleichem Gemicht des Rohproductes, Steinkohle als Einheit;
Steinkohle; Wollfett; Stearintheer; Kalkseife; Obige Mischung
Es darf hier darauf aufmerksam gemacht werden, daß außer den Steinkohlen auch die
anderen ungemischten Fettmaterialien in den vorhandenen großen Retorten vergast
worden sind, deren Unzweckmäßigkeit hierzu schon daraus hervorgeht, daß sie wegen zu
rascher Gasentwickelung nur mit viel geringeren Quantitäten dieser anderen
Materialien beschickt werden durften. Kleinere Retorten würden unzweifelhaft mehr
Gas erzeugt haben. Ferner verdient bemerkt zu werden, daß das Gas aus Kalkseife im
Verlaufe der Destillation in der Lichtstärke eine ausgezeichnete Beständigkeit
zeigte, so zu sagen constant blieb, während die anderen Gase eine stetige Abnahme,
bezieh. von 12 bis 20 Proc. der anfänglichen Lichtstärke wahrnehmen ließen. Es hat
demnach den Anschein, als sei die Kalkseife ein recht naturgemäßes Material zur
Gaserzeugung.
In der Fortsetzung meiner Mittheilungen stelle ich die Kaltseife behufs ihrer
Werthbestimmung nur der Kohle als dem Hauptmaterial zur Gaserzeugung gegenüber. Die
relativen Werthe des Wollfettes und des Stearintheers sind übrigens aus den obigen
Beobachtungsresultaten ebenso leicht zu ermitteln.
Bei gleichem Gewichte geben also an Leuchtgas:
die Steinkohledie Kalkseife
11,61
Theile.
Bei Verbrennung eines gleichen Quantums Leuchtgas ist die
Lichtmenge:
bei Steinkohlebei Kalkseife
13,59
Theile.
Bei gleichem Gewichte des Rohproductes ergeben an
Lichtmenge:
die Steinkohledie Kalkseife
15,78
Theile.
Bei Erzeugung des ungemischten Kalkseife-Gases mittels der bereits gedachten,
mehr dazu geeigneten subtileren Oelgas-Apparate, statt der großen
Steinkohlengas-Retorten, die uns nur zur Verfügung standen, würden sich
unzweifelhaft auch günstigere Lichteffecte ergeben haben, denn durch das einmalige
Einfüllen des ganzen zur Vergasung bestimmten Quantums war die Gasentwickelung im
Verhältniß zu der des Steinkohlengases äußerst stürmisch und das Gas durchlief zu
rasch die Kalkreiniger.
1 Ctr. Kalkseife ersetzt also in der Lichtmenge 5,78 Ctr. bester Gaskohle, welche zu
dem Preise von 1,05 M. pro Centner gerechnet, 6,07 M. kosten. Ihre Benützung ist
aber im Vergleich zur Kohle mit mannigfachen Vortheilen verknüpft, wie sich aus
folgendem ergibt.
1. Da man von 1 Ctr. Kalkseife so viel Licht erhält, wie von 5,78 Ctr. Steinkohle,
und da außerdem erstere leichter destillirt als letztere, so hat man zur Gewinnung
derselben Lichtstärke bei der Kalkjeife im Vergleich zur Steinkohle voraussichtlich
weniger als den sechsten Theil an Brennmaterial zu verwenden.
2. Da ferner
cbm
1 Ctr. Kalkseife
15,3 Leuchtgas
5,78 Ctr. Steinkohle à 9,5
54,9 Leuchtgas
liefern, so verhalten sich die Gasvolumen, welche gleich viel
Licht repräsentiren, wie folgt:
Kalkseifegas: Steinkohlengas = 15,3 : 54,9 = 1 : 3,59.
Bei Anwendung der Kalkseife hat man also im Durchschnitt, dem Volumen nach, etwa
3⅝ mal weniger Gas zu erzeugen.
Aus 1 und 2 folgt, daß bei Destillation von Kalkseife die Apparate der Anstalt alle
bedeutend kleiner sein können und das Anlagecapital bei weitem geringer sein
kann.
Aus 1 folgt ferner, daß die Gasdestillation aus Kalkseife fast 6mal weniger Zeit
erfordert, was in gleichem Verhältniß eine Ersparniß an Brennmaterial und
Arbeitslohn und eine längere Dauer der Retorten zur Folge hat.
3 Endlich werden die Frachtverhältnisse je nach der Oertlichkeit noch in höherem
Grade der Kalkseife das Wort reden.
Es ist indessen zu berücksichtigen, daß bei Verarbeitung von ungemischter Kalkseife
keine Coaksrückstände bleiben, welche bei der Gasbereitung aus Steinkohle den Bedarf
an Brennmaterial mehr als decken. Wie hoch sich die Ausgaben für die Heizung
belaufen würden, läßt sich auf ungefähr in folgender Weise berechnen. Die
Coaks-Ausbeute aus den Steinkohlen variirt zwischen 50 und 75 Proc., und es
reichen erfahrungsmäßig bei Kohlenbetrieb ⅔ der zurückbleibenden Coaks aus,
um den ganzen Bedarf der Anstalt an Heizmaterial zu decken. Im Mittel genommen,
würde also der Centner Steinkohlen ca. 30k Coaks liefern, wovon ⅔ also
20k verbraucht
würden, um einen weiteren Centner Steinkohlen abzudestilliren. Bei dem viel
rascheren, fast stürmischen Uebergange der Gase bei der Destillation der Kalkseife darf,
gestützt auf die Beobachtung, mindestens ¼ weniger, also 15k gerechnet werden.
Bei den rheinischen Brennmaterialpreisen würde demnach die Destillation von 1 Ctr.
Kalkseife eine Ausgabe von 18 Pf. verursachen.
Die für die Kalkseife nachgewiesenen Vortheile genießt man bei Anwendung von
gemischtem Material, natürlich im Verhältniß der Menge der genommenen Kalkseife. In
diesem Falle lassen sich auch die Extra-Ausgaben für den Ankauf von Coaks
vermeiden. Eine Beschickung, wie bereits erwähnt, von 53k,25 Kalkseife (à 6,07 M. pro Centner) auf 322k,25 Steinkohle (à 1,05 M. pro Centner) liefert den ganzen Bedarf an Coaks.
Für ein solches Mischgas mag nun folgende Berechnung gelten.
Eine Beschickung von
k
cbm
53,25
Kalkseife
kostet
6,46
M.
und ergibt
16,30 Gas
322,25
Steinkohle
kostet
6,77
M
und ergibt
61,32 Gas
–––––––––––––––
––––––––––
–––––––––
375,50
Mischung
kostet
13,23
M.
und ergibt
77,52 Gas.
Dieses Mischgas würde in 2½ engl. C.-F. enthalten:
0,53 C.-F.
Kalkseifegas
à
32,3
Kerzen in 2½ C.-F. per Stunde =
6,85
Kerzen
1,97 C.-F.
Steinkohlengas
à
9,0
Kerzen in 2½ C.-F. per Stunde =
7,09
Kerzen
––––––––
––––––––––––
2,50 C.-F.
Milchgas enthält
13,94
Kerzen.
Eine Beschickung von
375k,5 Steinkohle kostet 7,89 M. und ergibt 71cbm,34 Gas.
Dieses Steinkohlengas enthält laut Beobachtung in 2½
C.-F. 9 Kerzen.
Textabbildung Bd. 216, S. 524
Rohproducte; Gemicht der
Beschickung. k; Werth der ganzen Beschickung in
Mart; Gasmenge. cbm; Gasmenge in engl. C.-F;
Zeit des Verbrennens beistündlichem Consum von 2½ C.-F. In
Stunden; Lichtstärke bei stündl. Confum von 2½ C.-F. in
Parlamentskerzen; Kerzenzahl von gleicher Lichtstärke in 1 Std; Berhältniß der
Kerzenzahl; Preis von 1 Kerzenlicht pro Stunde. Pf; Obige Mischung;
Steinkohle
Hier, wo nur 1/7 Kalkseife in Anwendung gebracht ist, springen die bereits
angeführten Vortheile für dieselbe in die Augen. Bei gleichem Gewicht des
Rohproductes ergibt die Mischung 15 264, dagegen die Steinkohle nur 9072 Kerzen
gleicher Lichtstärke und gleichen Preises, ein Verhältniß von 1,68: 1, welches also
der Ersparniß an Brennmaterial, Arbeitslohn, längerer Dauer der Retorten,
Frachtkosten und Anlagecapital zu gute kommt und sich vergrößert, je nachdem der Zusatz
an Kalkseife bei entsprechender Einrichtung für die Gaserzeugung vermehrt wird.
Es ist hier zu bemerken, daß obige Mischberechnung — wobei die aus
ungemischter Kalkseife gewonnenen Resultate, deren Mängel als von den zu großen
Retorten herrührend bereits besprochen wurden, zu Grunde gelegt sind — nur
77cbm,52 Gas
ergeben hat, während bei den aus 5 Abenden resultirenden Beobachtungen des
Mischgases 80cbm
constatirt wurden, daß also das zum Vergleich benutzte Quantum von 77cbm,52 wohl zu gering
angenommen ist.
Es läßt sich erwarten, daß der Kalkseife, zur Leuchtgaserzeugung, immer größere
Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Bei den großen städtischen Anstalten mag deren
Einführung zwar vorerst noch Widerstand finden, da dieselben vertragsmäßig nur eine
bestimmte, nach dem Bedürfniß festgestellte Lichtmenge zu liefern haben und eine
Erhöhung derselben nicht bezahlt wird. Das Aequivalent ist aber in der Verkleinerung
sämmtlicher Brenner gegeben. Dieser wohl nicht gar kostspieligen Umänderung stehen
dann die obengenannten dauernden Vortheile gegenüber, und diese dürften auch wohl
mit der Zeit den Sieg davon tragen. In Privatgasanstalten dagegen, wo die Production
und die Consumtion sich über der vortheilhaftesten Lichtquelle die Hand reichen, hat
dieselbe rascheren Eingang gefunden, und somit wird das Product einstweilen wohl in
dieser Verwendung verharren, bis vielleicht einmal die Fettextraction noch eine
vortheilhaftere hervorruft. Daß die Kalkseife wegen ihrer physischen Beschaffenheit
ebenso bequem wie die Steinkohle zu handhaben ist, möchte ich den anderen zur
Vergasung gelangenden Producten, wie Wollfett und Stearintheer, gegenüber nicht
unerwähnt lassen und zum Schluß spreche ich noch die Ansicht aus, daß die Gewinnung
des Productes in volkswirthschaftlicher Beziehung ernste Beachtung verdient.