Titel: | Der Werth von Petroleum und Steinkohlentheer zur Gaserzeugung; von Prof. A. Wagner. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 64 |
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Der Werth von Petroleum und Steinkohlentheer zur
Gaserzeugung; von Prof. A. Wagner.Als Fortsetzung der Abhandlung (1875 216 250 ff.)
desselben Verfassers nach dem bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt,
1875 S. 43 ff. im Auszug mitgetheilt.
Wagner, über den Werth von Petroleum und Steinkohlentheer zur
Gaserzeugung.
Wie bereits erwähnt, wurde raffinirtes Petroleum, frei von unter 150°
siedenden Bestandtheilen, in einer Retorte zum Sieden gebracht, der Dampf durch eine
glühende mit Bimssteinstücken gefüllte Porzellanröhre geleitet, wobei sich ein Theil
condensirte und gesammelt wurde und der andere sich in Gase verwandelte. Als der
Rückstand in der Retorte den Siedepunkt 288° zeigte, wurde der Versuch
unterbrochen. Es war hiebei 1/3 in der Retorte zurückgeblieben, 1/3 condensirt und
1/3 in Gas verwandelt. Das hierzu verwendete Petroleum war somit keine gute Sorte
von Lampenöl, indem es zu viel erst bei höherer Temperatur siedende Bestandtheile
enthielt. Die Untersuchung gab folgende Resultate:
Specif.Gewicht.
Siedepunkt.
KohlenstoffProc.
WasserstoffProc.
Angewendetes Petroleum
0,789
150 bis weitüber 360°.
85,7
14,3
Rückstand in der Retorte
0,830
238 bis weitüber 360°.
85,2
14,8
Condensationsproduct
0,780
110 bis 190°.
83,0
17,0
Die Elementarzusammensetzung des Petroleums mit 85,7 Proc. Kohlenstoff entspricht
genau der procentischen Zusammensetzung des hell-leuchtenden schweren
Kohlenwasserstoffgases C₂H₄, welchem ein Kohlenstoffgehalt von 85,7
Proc. und ein Wasserstoffgehalt von 14,3 Proc. zukömmt.
Der Rückstand in der Retorte, mit hohem Paraffingehalt, entspricht bei 85,2 Proc.
Kohlenstoffgehalt der Zusammensetzung nach einem Gemenge von Petroleum mit Paraffin,
welchem letzteren, aus rohem Petroleum gewonnen, nach Anderson ein Gehalt von 85,15 Proc. Kohlenstoff entspricht.
Die Zusammensetzung des zwischen 110 und 150° siedenden Theiles des
Condensationsproductes mit 83,0 Proc. Kohlenstoffgehalt nähert sich der des
Petroleumäthers, für welchen Verf. 83,3 Proc. Kohlenstoff fand, und steht am
nächsten dem von Schorlemmer aus rohem Pennsylvanischen
Petroleum isolirten
Kohlenwasserstoff: Pentan C₅H₁₂,
welchem ein Kohlenstoffgehalt von 83,3 Proc. zukömmt.
Da, wie schon erwähnt, vom angewendeten Petroleum 1/3 vergaste, 1/3 sich condensirte
und 1/3 als Rückstand blieb, so muß, da Condensationsproduct und Rückstand einen
niederen Kohlenstoffgehalt zeigt als das angewendete Petroleum, vor Allem der an
Kohlenstoff reichste Theil des Petroleums sich in Gas verwandelt haben. Dieser
Kohlenstoffgehalt ist aber keineswegs völlig in das Leuchtgas gelangt, welches in
diesem Fall mindestens den Kohlenstoffreichthum des schweren Kohlenwasserstoffgases
besitzen müßte, sondern es hat sich ein bedeutender Theil unter Ausscheidung von
Kohlenstoff zersetzt.
So enthielt nach Reim das im Hirzel'schen Apparat aus Petroleumrückständen erhaltene Gas 17,4 Proc.
schweres Kohlenwasserstoffgas, 58,3 Proc. leichtes Kohlenwasserstoffgas und 24,3
Proc. Wasserstoffgas. Dasselbe enthält also, da schweres Kohlenwasserstoff 85,7
Proc. und leichtes Kohlenwasserstoff 75 Proc. Kohlenstoff besitzt, einen weit
geringeren Kohlenstoffgehalt und hierdurch einen weit höheren Wasserstoffgehalt, als
den Petroleumrückständen mit mindestens 85 Proc. Kohlenstoff zukömmt.
Nach Kolbe besteht das Hirzel'sche Petroleumgas hauptsächlichst aus Acetylen C₂H₂,
welches 92,3 Proc. Kohlenstoff enthält.
Verf. hat gleichfalls eine Analyse des Petroleumgases vorgenommen. Dasselbe war
dargestellt durch Leiten von Petroleumdämpfen durch eine 762mm lange, mit Bimsstein gefüllte
schmiedeiserne Röhre, welche ihrer ganzen Länge nach bis zur hellen Rothglühhitze
erhitzt war. Das erhaltene Gas gab mit einer ammoniakalischen Kupferchlorürlösung
sofort den bekannten rothbraunen Niederschlag von Acetylenkupfer, sowie mit einer
ammoniakalischen Silbernitratlösung den weißgrauen Niederschlag von Acetylensilber.
Eine quantitative Bestimmung ergab: 5,0 Vol.-Proc. Acetylen und 35,96
Vol.-Proc. schweres Kohlenwasserstoffgas. Die übrigen 59 Vol.-Proc.
bestanden weitaus zum größten Theil aus leichtem Kohlenwasserstoffgas und brannten
mit dessen mäßig leuchtender, gelb-blauer Flamme.
Am wahrscheinlichsten verwandelt sich das Petroleum in der Hitze zunächst in schweres
Kohlenwasserstoffgas, mit welchem es die gleiche procentische Zusammensetzung
besitzt, und dann zersetzt sich ein Theil des schweren Kohlenwasserstoffes nach der
Gleichung C₂H₄ = CH₄ + C in leichtes Kohlenwasserstoffgas unter
Abscheidung von Kohle und ferner ein Theil dieses leichten Kohlenwasserstoffes bei
höherer Temperatur nach der Gleichung: (CH₄) = C₂H₂ + H₆
in Acetylen und Wasserstoffgas.
Würde Petroleum direct in schweres Kohlenwasserstoffgas übergehen, ohne weitere
Zersetzung zu erleiden, so müßte aus 1g
Petroleum 0l,80 schweres
Kohlenwasserstoffgas erhalten werden. Da Verf. aber aus 1g,375 Petroleum 1l,205 Gas, sowie aus 0g,330 Petroleum 0l,290 Gas erhielt, so liefert in
Wirklichkeit nach diesen zwei übereinstimmenden Versuchen 1g
Petroleum: 0l,876 Gas, d. i. also eine höhere Zahl, als resultiren könnte, wenn Petroleum
nur in schweres Kohlenwasserstoff übergehen würde.
Würde sich Petroleum oder das hieraus gebildete schwere Kohlenwasserstoffgas total
zersetzen nach der Gleichung: C₂H₂ = CH₄ + C in leichten
Kohlenwasserstoff unter Ausscheidung von Kohle, so müßte 1g Petroleum: 0l,792 leichten Kohlenwasserstoff und 0g,428 abgeschiedenen Kohlenstoff liefern.
Bekanntermaßen ist aber die Zersetzung des schweren Kohlenwasserstoffes beim
Durchleiten durch glühende Röhren weit complicirter; es bilden sich unter
Ausscheidung von Kohle neben leichtem Kohlenwasserstoff noch Acetylengas, Naphtalin,
Wasserstoff etc. Acetylen selbst zerfällt in höherer Temperatur in Benzol, Styrol,
Naphtalin etc. Ginge die Zersetzung des Petroleums oder des hieraus gebildeten
schweren Kohlenwasserstoffes in einfachst denkbarer Form nach der Gleichung:
C₂H₂ = C₂H₂ + H₂ in Acetylen und Wasserstoff vor
sich, so müßte 1g Petroleum liefern: 0l,798 Acetylengas und 0l,797 Wasserstoffgas, also in Summe 1l,595 Gase.
Würde es sich zersetzen nach der wahrscheinlicheren Gleichung:
(C₂H₄)₂ = 2(CH₄ + C) = C₂ +C₂H₂ +
H₆, so müßte 1g Petroleum bei
totaler Zersetzung nach der angegebenen Gleichung liefern: 0l,398 Acetylengas und 1l,194 Wasserstoffgas, also in Summe: 1l,592 Gas nebst 0g,428 ausgeschiedener Kohle.
Nach dieser letzten Gleichung erklärt es sich, warum Petroleum bei der Zersetzung in
der Hitze ein größeres Volum Gase liefert, als es bei bloßer Zersetzung in schweres
und leichtes Kohlenwasserstoffgas bilden könnte.
Die wahrscheinlichste, den Versuchen entsprechendste Annahme ist also, daß das
Petroleum in der Hitze zerfallen muß unter Abscheidung von Kohle in ein Gasgemenge
von schwerem Kohlenwasserstoff, leichtem Kohlenwasserstoff, Acetylen und
Wasserstoff. Ein bloßes Zerfallen des Petroleums in Acetylen und Wasserstoff ist
nicht gut annehmbar, indem hierbei ein weit größeres Gasvolum auftreten müßte, als
bei allen directen Versuchen erhalten werden konnte.
Verf. hat auch noch Petroleumäther auf seine Fähigkeit in
der Hitze permanente Gase zu liefern untersucht. Der hierzu verwendete Petroleumäther vom spec. Gew.
0,676 enthielt Kohlenwasserstoffe, welche bereits bei 30° zu sieden anfingen,
aber auch nicht unbedeutende Mengen schwerer flüchtiger, bei welchen der Siedepunkt
selbst bis auf 100° stieg.
Die Elementaranalyse ergab für diesen Petroleumäther einen Kohlenstoffgehalt von 83,3
Proc. und einen Wasserstoffgehalt von 16,7 Proc. Derselbe enthielt also
kohlenstoffärmere Kohlenwasserstoffe als raffinirtes Petroleum und
Petroleumrückstände, und entspricht seiner Zusammensetzung nach dem von Schorlemmer aus Pennsylvanischem Petroleum abgeschiedenen
Kohlenwasserstoff Pentan C₅H₁₂,
welchem 83,33 Proc. Kohlenstoff zukömmt.
Um die Vergasungsfähigkeit dieses Petroleumäthers zu ersehen, wurden die Dämpfe
desselben durch eine 762mm lange, mit
Bimssteinstücken gefüllte schmiedeiserne Röhre, welche bis zur starken Rothglut
erhitzt war, geleitet; das erhaltene Gas mußte ein durch Schnee gekühltes
Condensationsgefäß passiren und wurde über Wasser von 0° in graduirtem
Glascylinder aufgefangen, welcher gleichfalls mit Schnee umgeben wurde. Nachdem das
Gas die Temperatur von 0° angenommen hatte, wurde das Volum abgelesen; es
ergaben hierbei 1g,920 Petroleumäther: 1l,76 Gas, also 1 Ctr. Petroleumäther: 1619
C.-F. Gas. Es lieferte also Petroleumäther ein bemerkenswerth größeres
Gasquantum als raffinirtes Petroleum, und zwar ein Gas von vorzüglichster
Leuchtkraft.
Da Petroleumäther, welcher auch Petroleumnaphta genannt wird, zu weit billigeren
Preisen in den Handel kommt als raffinirtes Petroleum, so ist derselbe zur
Leuchtgasgewinnung bei seiner sehr leichten Vergasungsfähigkeit sicher mit Vortheil
zu verwenden; nur müßte bei der großen Flüchtigkeit und hierdurch bedingten
Feuer- und Explosionsgefahr der Naphta die nöthigen Vorsichtsmaßregeln bei
Construction und Handhabung der hierzu dienenden Vergasungsapparate angewendet
werden.
Verf. bespricht dann den Werth von Steinkohlentheer zur
Erzeugung permanenter Gase. Da Saarbrücker Steinkohle bei der Gasbereitung
etwa 15 Proc. Gase und 5 Proc. Theer (bestehend aus 2 bis 10 Proc. leichtem, 15 bis
30 Proc. schwerem Steinkohlentheeröl und Goudron) gibt, so ging schon seit langer
Zeit das Streben der Gasfachmänner dahin, die Vergasung des Theers, also die
Verwandlung flüssiger Kohlenwasserstoffe in permanente Gase, zu ermöglichen. Da sich
der Theer an und für sich hierzu zu wenig befähigt zeigte, so gingen die Versuche
hauptsächlich dahin, denselben mit Wasserdampf allein oder unter Zusatz von Kalk zu
vergasen.
So leitete schon 1823 Vere und Crane einen Dampfstrahl in die Retorte, wo Kohlen, Theer, Theeröle etc.
destillirt wurden; 1843 leitete Malam Dampf mit Theerdämpfen zusammen; 1861
destillirte Prince Theer mit Wasserdampf über glühende
Kohlen; 1862 Cormack Theer, Petroleum, Oel etc. mit
Wasserdampf; ebenso 1867 Salmon. Außer diesen erwähnten
sind noch zahlreiche ähnliche Versuche ausgeführt. Alle diese Versuche sind bis
jetzt bekanntlich von keinem günstigen Erfolg gewesen.
Um den Werth von Theer und Theerölen in Betreff ihrer Vergasungsfähigkeit unter
verschiedenen Verhältnissen vergleichen zu können, stellte Verf. mehrere hierauf
bezügliche Versuche an, deren Resultate in folgender Tabelle zusammengestellt
sind.
Zur Vergasungangewendetes Material.
Gasausbeute aus1 Ctr. Theer
oderTheerbestandtheilen.
Eigenschaften deserhaltenen Gases.Dasselbe
brannte:
Steinkohlentheer allein
143 C.-F.
schwach leuchtend wie
leichter Kohlenwasserstoff.
Leichtes
Steinkohlentheeröl. 130°
Siedepunkt
131 C.-F.
ziemlich gut leuchtend,
wie geringwertiges Leuchtgas.
Schweres
Steinkohlentheeröl, über 160°
Siedp.
342 C.-F.
hellleuchtend.
Goudron (Asphalt) frei
von unter 230°
siedenden Bestandtheilen
229 C.-F.
weniger leuchtend, als
leichter Kohlenwasserstoff.
Steinkohlentheer
m. Wasserdampf
301 C.-F.
weniger leuchtend, als
leichter Kohlenwasserstoff.
Steinkohlentheer
mit gelöschtem Kalk
u. Wasserdampf
1519 C.-F.
ohne Leuchtkraft.
Steinkohlentheer
mit gelöschtem Kalk
217 C.-F.
blau, nichtleuchtend.
Betrachtet man diese Resultate, so ergibt sich, daß keine Methode existirt, nach
welcher man mit Vortheil aus Theer oder seinen Bestandtheilen Leuchtgas erzeugen
kann. Am geeignetsten erweist sich noch das schwere Steinkohlentheeröl; leichtes
Steinkohlentheeröl, welches vor Allem Benzin (Benzol) enthält, eignet sich am
wenigsten hierzu – ein Umstand, der allerdings so gut wie selbstverständlich
ist, indem ja Benzol sich bei sehr hoher Temperatur bildet, und deshalb in höchster
Temperatur völlig unzersetzbar sein muß. Während die Kohlenwasserstoffe des rohen
Petroleums, deren Kohlenstoffgehalt zwischen 83 und 86 Proc. liegt, sich so leicht
in permanente Gase (im Sinne der Gastechniker gesprochen) zerlegen lassen, zerfallen die
der Benzolreihe mit 92,3 Proc. Kohlenstoff in der Hitze nicht in solche.
Umgekehrt können alle Bestandtheile des Leuchtgases – gleichgiltig ob aus
Steinkohle, Petroleum oder irgend einem anderen Material gewonnen – nämlich
leichter und schwerer Kohlenwasserstoff, Acetylen und Kohlenoxyd bei sehr hoher
Temperatur Benzol bilden. Der schwere Kohlenwasserstoff zersetzt sich unter
Ausscheidung von Kohle in leichten Kohlenwasserstoff, letzterer unter Bildung von
Wasserstoff in Acetylen; ebenso liefert Kohlenoxyd und leichter Kohlenwasserstoff in
der Hitze Acetylen unter Bildung von Wasser; das Acetylen bildet nun bei sehr hoher
Temperatur Benzol. Jedenfalls muß also auch bei der Vergasung des Petroleums eine
gewisse Menge von Benzin sich bilden.