Titel: | Ueber Stahlbronze. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 122 |
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Ueber Stahlbronze.
Mit Abbildungen auf Taf.
II [c/1].
Ueber Stahlbronze.
Die Frage der sogen. Stahlbronze als Ersatz des Gußstahles
bei der Neubewaffnung der österreichischen Artillerie ist, nachdem sie lange ein
Gegenstand heftigen Streites in militärischen und publicistischen Kreisen gewesen,
nunmehr einer vorläufigen Entscheidung zugeführt worden. Das zur Erprobung des
neuen, von Generalmajor Ritter von Uchatius
vorgeschlagenen Materiales ernannte Comité hat sich nach ausführlichen
Versuchen mit 27 von 28 Stimmen für Annahme der Stahlbronze ausgesprochen, und wenn
hiernach auch die definitive und allgemeine Einführung derselben in der
österreichische Artillerie noch nicht entschieden ist, so steht doch fest, daß in
kurzem mit der Erzeugung dieser Geschütze in größerem Maßstabe begonnen werden soll
derart, daß heute schon bedeutende Bestellungen der dafür erforderlichen
Werkzeugmaschinen effectuirt sind.
Es wird somit auch die Leser dieses Journals interessiren, einiges Nähere über dieses
neue Material, sowie den unstreitig äußerst gelungenen Fabrikationsproceß desselben
zu erfahren, und wir benützen zu unserer Darstellung einen Vortrag, welchen
Generalmajor R. v. Uchatius schon im J. 1874 im
Artillerie-Arsenale gehalten hat und seitdem noch durch einige Mittheilungen
in Stummer's Ingenieur ergänzte. Zum Schluß möge auf
Grund der hier gemachten Bemerkungen und mit Bezug auf neuerdings bekannt gewordene
Versuchsresultate eine kurze Kritik über den Werth und die Originalität dieser
Erfindung, sowie die daran zu knüpfenden Erwartungen folgen.
Der Grundgedanke, auf welchem die Erzeugung der Stahlbronze beruht, ist die
Thatsache, daß die Metalle durch Beanspruchung über ihre
Elasticitätsgrenze, somit bei bleibender Formveränderung eine Erhöhung ihrer Härte
und Festigkeit erfahren.Man vergleiche hierüber die interessanten Beobachtungen von Prof. Thurston, welche im Schluß seiner Abhandlung
(Untersuchungen über Festigkeit und Elasticität der Constructionsmaterialien
– 1875 216 465 ff.) zusammengefaßt
sind.D. Ref.
Dieselbe ist je nach der Natur des Materiales mehr oder weniger beträchtlich und
hängt bei Legirungen wesentlich von der Zusammensetzung derselben ab.
Hier handelte es sich nun darum, auf diesen Erfahrungen weiterbauend, eine praktische
Anwendung derselben für die Geschütze zu finden, und es ist Uchatius' unleugbares Verdienst, diesen Schritt mit aller Umsicht und
Sorgfalt versucht und, wie der Erfolg lehrt, auch glücklich durchgeführt zu haben.
Gewöhnliche Kanonenbronze, deren Festigkeit vor der Behandlung nach Uchatius' Methode 22,6 betrug, leistete nach derselben
einer Spannung von 48k pro 1qmm Widerstand, ehe sie riß; gleichzeitig
aber behielt, neben dieser außerordentlichen Erhöhung der Festigkeit und Härte des
Kernes, der äußere Theil des Rohres bei geringerer Festigkeit seine volle Weichheit
und Zähigkeit und gewährte so alle die Vortheile, wie sie sonst nur beringten
Geschützen zukommen. Und hierin liegt eben die große Vollkommenheit und Sicherheit
der nach dieser Methode erzeugten Geschütze – Umstände, welche, wenn es
möglich ist, die Legirung stets vollkommen homogen zu erhalten und die Bildung von
Zinnflecken zu vermeiden, sie entschieden über die unberingten Stahlgeschütze
stellen.
Folgendes ist nun der Gang des von Uchatius
eingeschlagenen Verfahrens, soweit dasselbe aus den Eingangs erwähnten Publicationen
hervorgeht.
Zunächst ward constatirt, daß durch den Coquillenguß, in Folge der raschen Erstarrung
der Legirung, eine Homogenität der Bronze erzielbar war, die sonst nur durch
Compression des flüssigen Materiales, hier aber bei weitem schwieriger,
hervorgebracht werden konnte. Als erste Bedingung mußte somit eine dem Coquillenguß
ähnliche Herstellung der inneren Höhlung des zu gießenden Geschützrohres möglich gemacht werden. Ferner
aber zeigte diese in Coquillen gegossene Bronze im höchsten Grade die Fähigkeit,
durch den Proceß des Walzens im kalten Zustande an Härte und Festigkeit zuzunehmen.
Schon beim Kaltwalzen bis zu einer ganz geringen Längenstreckung erreichte die
Bronze die Festigkeit, Elasticität und Härte des Geschützstahles, wie aus der am
Schlusse beigefügten vergleichenden Tabelle in der Colonne
„Coquillenbronze gewalzt“ ersichtlich ist. Ungewalzt
erreicht dieselbe ihre Elasticitätsgrenze schon bei 4k pro 1qmm und läßt nur eine elastische Ausdehnung von 0,4 pro Mille zu, während,
wenn sie eine bleibende Streckung von 0,004 ihrer Länge erfahren hat, die
Elasticitätsgrenze auf 17k und die
elastische Streckung auf nahezu 2 pro Mille steigt.
Hieraus folgt, daß wenn man die Bohrung der neuen Feldgeschütze, welche 87mm beträgt, nur um 0,004 × 87 = 0mm,348 im kalten Zustande auftreibt, der
elastische Widerstand schon auf das Vierfache erhöht wird.
Nachdem dergestalt die zu erfüllenden Bedingungen aufgestellt und die zu erwartenden
Resultate bestimmt waren, ward nun mit den nöthigen Vorversuchen betreffs der für
den Coquillenguß passendsten Legirung begonnen. Bei denselben zeigte sich, daß die
12 proc. Bronze (nach der dem Kupfer beigefügten Zinnmenge classificirt) das
Kaltwalzen nicht aushielt, während die 10-, 8- und 6 proc. Bronze sich
im allgemeinen für die neue Methode als brauchbar erwiesen. Von denselben ward nach
Angabe des Erfinders bei weiteren Versuchen die 8 proc. Bronze als für den
Coquillenguß am passendsten erkannt und soll nunmehr ausschließlich angewendet
werden.
Die bis jetzt angestellten Versuche hatten stets nur mit dem der Coquille
angrenzenden Theile des Materiales stattgefunden; derselbe zeigte beim Gießen von
vollen Cylindern schöne goldfarbige Krystalle, welche sich ca. 40mm gegen innen zu erstreckten und dann
allmälig in eine graue feinkörnige Masse übergingen, welche den Kern des Cylinders
bildete. Die innere Masse ist nun zum Kaltwalzen durchaus nicht geeignet; es ist
somit klar, daß durch Ausbohren und Auftreiben derartig gegossener Cylinder keine
entsprechende Innenfläche des Geschützrohres zu erhalten wäre. Daher muß
selbstverständlich der Guß mit Innenkühlung stattfinden, und boten sich dazu
zunächst die verschiedenen zuerst bei Herstellung gußeiserner Rohre angewendeten
älteren Methoden dar.
Es ward versucht, die gewöhnliche Innenkühlung mittels eines mit Lehm umhüllten
Eisenrohres anzuwenden, durch welches während des Gusses Luft oder Wasser getrieben
wurde, ohne daß die entsprechende Qualität der Bronze erzielt werden konnte, da die Kühlung
zu gering war. Umgekehrt ward bei Anwendung eines ohne jede Umhüllung eingesetzten
Bronzerohres, durch welches Wasser circulirte, die Qualität des Materiales zwar
vortrefflich, aber in Folge zu starker Kühlung des inneren Theiles erhielt derselbe
bei der nur langsam nachfolgenden Contraction der äußeren Masse radiale Längenrisse,
wie dies in Fig.
43 dargestellt ist.
Weitere Versuche mit verschiedenen Kernröhren aus Bronze mißlangen gleichfalls, und
es blieb nur mehr eine Methode der Innenkühlung, welche in der Augsburger
Geschützgießerei theilweise in Anwendung steht, zu versuchen, nämlich das Einsetzen
eines massiven Bronzecylinders, der nach dem Gusse wieder ausgebohrt wird.
Dort wird nur ein kurzes, durch den Laderaum reichendes Stück eines Bronzekernes
eingesetzt, um an dieser Stelle der Bohrung die Zinnflecken und folglich das
Ausbrennen zu vermeiden; hier aber mußte ein durch die ganze Länge der Form
reichender Cylinder eingesetzt werden, um an der ganzen Bohrungsoberfläche veredelte
Bronze zu erzeugen.
Dieser Bronzecylinder hatte 66mm Durchmesser
und gab den gewünschten Erfolg in der vollkommen entsprechenden Qualität des inneren
Rohres; dagegen machten die stellenweise auftretenden Blasenlöcher, durch die vom
Kerne austretende Luft entstanden, das Gußstück zum Geschützrohre unbrauchbar.
Weitere Versuche mit Bronzekernen schwächerer Dimensionen ergaben ähnliche
Resultate; bei 50mm Durchmesser schmolz der
Bronzekern und gab so die Minimalgrenze an.
Nachdem aber, um die an dem Kerne auftretenden Blasen durch Ausbohren entfernen zu
können, möglichst geringe Dimensionen des Kernes nothwendig erschienen, so griff man
endlich statt Bronze zu gegossenem Kupfer, welches einen höheren Schmelzpunkt
besitzt.
Die Kerne waren 50mm stark und ergaben sehr
günstige Resultate, „aber erst als zur Innenkühlung Cylinder aus geschmiedetem Kupfer zu Gebote standen, trat jener
Grad von Sicherheit des Gelingens ein, der zu einem Antrage auf Ausdehnung der
Versuche im Großen berechtigte.“
In der neuesten Zeit wendet die Augsburger Geschützgießerei, nachdem kupferne
Kerne ohne Erfolg versucht worden waren, Kernstangen aus Schmiedeisen an und
hat mit denselben äußerst günstige Resultate erzielt. Die Eisenstange,
welche bis durch den Anguß hindurchgeht, wird vor dem Gusse mit Graphit oder
Petroleum bestrichen und nach dem Erkalten ausgebohrt.D. Ref.
Generalmajor R. v. Uchatius schlug damals die in Fig. 44
dargestellte Form zum Guß der Geschützrohre vor, und dieselbe dürfte wohl inzwischen
ziemlich unverändert beibehalten worden sein. In derselben
Typen der Geschützmetalle.
Textabbildung Bd. 217, S. 126–127
Last. k pro 1qmm; Gußeisen aus einem 9zöller;
Bronze; ordinäre aus einem 8pfünder; Coquillen-Guß; natürlich.; gewalzt.;
Schmiedeisen (steirisch) un dünnen Stäben; Krupp'scher Stahl aus einem 6pfünder;
Stahlbronze nächst der; Bohrung; Außenwand; Streckung in 0,00001 der Länge;
elast.; blieb; Absolute Festigkeit; Elasticitätsgrenze; Streckung in Proc. der
Länge; elast. beim Reißen; Querschnitt an der Rißstelle; Härte (Kerbenlänge);
Stäbchen von 0qc,5 Querschnitt bricht
bei Stößen von 1mk,2.
ist A die äußere, zweitheilige
Coquille aus Gußeisen, B der eingesetzte Kern aus
geschmiedetem Kupfer, C endlich ein mit Formsand
ausgekleideter Aufsatz zur Herstellung des entsprechenden Angusses.
Die auf diese Weise erzeugten RohreBei der Abhaltung seines Vortrages standen dem Erfinder nur kürzere
Probecylinder zu Gebote, welche auf die nachfolgend beschriebene Weise
behandelt wurden und die in der Tabelle (S. 126 u. 127) angegebenen Werthe
ergaben. Inzwischen ist aber bei den zahlreichen ausgeführten
Probegeschützen dasselbe Verfahren im Großen und mit vollkommenem Erfolge
ausgeführt worden.D. Ref. werden nun in entsprechender Weise außen abgedreht und innen ausgebohrt,
jedoch nicht auf die volle Bohrung von 87mm, sondern nur auf 80mm und hierauf
durch Stahlkolben, welche vorne etwas conisch zugedreht sind, auf den erforderlichen
Durchmesser ausgetrieben.
Zum Durchpressen werden starke hydraulische Pressen verwendet; die Stahlkolben sind
von sechs verschiedenen Größen, von denen der erste und zweite sich um 2mm unterscheiden, die beiden letzten
jedoch, in Folge des fortwährend wachsenden Widerstandes, nur mehr um 1/2mm differiren dürfen. Während sich hierbei
der innere Durchmesser um 7mm entspr. 8,75
Proc. erweitert, erfährt der äußere Durchmesser an der Mündung nur eine Ausdehnung
von 2 Proc., und der äußere Theil behält somit bei geringerer Härte und Festigkeit
die in so hohem Grade erwünschte normale Zähigkeit der natürlichen Bronze.
Auf diese Weise erhält das ganze Rohr – genau entsprechend dem Verhalten der
beringten Stahlgeschütze – eine nach außen successiv abnehmende elastische
Spannung um den inneren Kern, die sich auch sofort nach dem Durchpressen des letzten
Preßkolbens dadurch geltend macht, daß die Bohrung sich wieder um 4 pro Mille
verkleinert. Dasselbe Phänomen zeigt sich, wenn von dem äußeren Rande eines
gepreßten Cylinders ein schwacher Ring abgestochen wird. Noch ehe das Messer den
letzten dünnen Span weggenommen hat, springt der Ring von selbst herab und zeigt
einen kleineren Durchmesser als der Cylinder, von welchem
er abgestochen ist.
Die innere Bohrung des Rohres ist vollkommen glatt, hat die Härte des Geschützstahles
und bedarf nur mehr des Einschneidens der Züge.
Dieses ist in kurzer Schilderung – und soweit es bekannt gemacht wurde
– das Verfahren, nach welchem Uchatius das
Material der neuen österreichischen Geschütze herstellen will; die Resultate
bezüglich Härte, Elasticität und Festigkeit, welche die Stahlbronze im Vergleiche
mit anderen Materialien ergibt, hat der Erfinder nach seinen eigenen, gewiß mit der
grüßten Sorgfalt angestellten Versuchen in der vorstehenden Tabelle (S. 126 u. 127)
angegeben.
Diese Tabelle ist so klar zusammengestellt, daß wenige Worte zu ihrer Erläuterung
genügen.
Zunächst werden die Längendehnungen getrennt in bleibende und elastische bei
verschiedenen Belastungen von 1 bis 24k pro
1qmm; dabei ist die größte elastische
Dehnung, welche der Erreichung der Elasticitätsgrenze entspricht, durch fette
Ziffern hervorgehoben. Hier ist vor allem die außerordentliche Verschiedenheit der
Stahlbronze im Inneren und an der Außenwand (die beiden letzten Colonnen)
auffallend, ferner im Vergleiche mit Geschützstahl die große elastische Streckung der ersteren (0,11 gegen 0,034 Proc.) sowie die
geringe bleibende Deformation bis zum Bruche (2,5 gegen
21,4 Proc.).
Die Außenwand entwickelt dagegen bei geringerer Bruchfestigkeit eine kolossale
Zähigkeit, indem sie sich bis zum Bruche um 40 Proc. bleibend streckt.
Die Elasticitätsgrenze der inneren Stahlbronze ist dem obigen entsprechend
selbstverständlich viel höher als beim Gußstahl, die Bruchfestigkeit – 48 und
48 3/4 – bei beiden ziemlich gleich; ebenso die Härte, welche durch die
Kerbenlänge eines rund abgeschliffenen Meisels gemessen wird, der mit constanter
Federkraft wider das zu prüfende Material anschlägt.
Endlich ist noch die in der untersten Zeile dargestellte Festigkeit gegen Stöße zu
bemerken (gemessen durch die Anzahl der bis zum Bruche ausgehaltenen Stoßwirkungen
eines fallenden Gewichtes von der Intensität 1mk,2), welche gleichfalls mit 255 gegen 209 zu Gunsten der Stahlbronze
ausfällt.
Hiernach kommt Uchatius zu folgenden Schlußfolgerungen in
der Vergleichung zwischen Stahl und Bronze.
"1. Die auf diese Art erzeugten Bronzerohre sind bezüglich der
Haltbarkeit nur mit den beringten Stahlrohren zu vergleichen, da sie im Inneren
dieselbe Festigkeit, Homogenität und Härte besitzen, und in denselben ein der
Sprengwirkung des Pulvers mit Uebermaß entgegenwirkender, elastischer Druck von
Außen nach Innen im Vorhinein hergestellt ist.
2. Ist die Qualität des Metalles im Stahlbronzerohre in jeder
Schichte von der Bohrung gegen die Außenfläche zu eine andere, u. z. gerade so, wie
es der Zweck erfordert, nächst der Bohrung am meisten fest, hart und elastisch; dann
nehmen diese Eigenschaften ab und wächst die Zähigkeit. Die Elasticität im Inneren
und die Zähigkeit außen sind größer als beim Stahl.
3. Die elastische, der Sprengwirkung im Vorhinein entgegenwirkende
Spannung von Außen gegen Innen zu ist in Stahlbronzerohren continuirlich durch alle
Schichten hergestellt.
Die neutrale Schichte, wo sich der Druck von Innen nach Außen und
von Außen nach Innen das Gleichgewicht hält, liegt ganz nahe der Bohrung.
Soll ein Rohr aus Stahlbronze zerspringen, so müßte die
Elasticität der ganzen Wandstärke zugleich und endlich die ungeheure Zähigkeit der
äußeren Schichten, welche 40 Proc. Streckung ohne Riß ertragen, überwunden
werden.
Beim beringten Stahlgeschütze, wo die neutrale Schichte an der
Berührungsstelle des Kernes und der Ringe liegt, muß der Stoß der Sprengwirkung
beinahe ganz von den Ringen aufgefangen werden. Wird ihre Elasticitätsgrenze hierbei
nicht überschritten, so hält das Rohr aus; springt aber durch ein Uebermaß des
Pulverstoßes ein Ring ab, so werden die übrigen Theile wahrscheinlich
nachfolgen.
4. Was das Ausbrennen der Geschützrohre betrifft, so habe ich mir,
seitdem ich das (Tilghman'sche) Sandgebläse auf der
Wiener Weltausstellung gesehen habe, folgende Ansicht hierüber gebildet. Das
Ausbrennen der Rohre ist eine rein mechanische Arbeit, der Chemismus spielt dabei
gar keine Rolle. Die Erfahrung lehrt, daß spröde Metalle oder harte Stellen in
Bronzerohren sich am leichtesten ausbrennen; die Zündlochstollen müssen daher aus
dem weichsten Kupfer erzeugt werden. So wie das Sandgebläse die weichen Stoffe
verschont und die harten angreift, so frißt auch das hochgespannte, mit
unverbrannten Pulverresten gemischte Pulvergas, welches durch eine enge Oeffnung
ausbläst, die härtesten Stellen, welche es trifft, zuerst aus, und deshalb sind die
alten Bronzerohre dem Ausbrennen so stark unterworfen.
Die neuen Bronzerohre werden keine Zinnflecken haben; ihr Metall
ist auch nicht spröde, sie werden sich daher auch nicht mehr ausbrennen als die
Stahlrohre.
5. Ist die Bronze der Zerstörung durch atmosphärische Einflüsse
weniger unterworfen als der Stahl.
6. Die Kosten stellen sich nach Abrechnung des bleibenden
Metallwerthes folgendermaßen heraus.
Ein Stahlrohr nicht beringt, aus inländischem Stahl (8cm,7) und zwar
Martinstahl
990 fl. ö. W.
Tiegelstahl
1145 fl. ö. W.
und ein Rohr aus Stahlbronze
350 fl. ö. W.
Die Arsenalwerkstätten könnten bei täglich 14 Stunden Arbeitszeit
jährlich ausfertigen:
Stahlrohre nicht beringt, wozu die
geschmiedeten Blöcke geliefert
werden
150 Stücke
Stahlbronzerohre
1200 „
Ich weiß, daß man bei neuen Sachen, ungeachtet der größten
Vorsicht, stets auf Täuschungen gefaßt sein muß, und bin daher weit davon entfernt,
zu behaupten, die neuen Bronzerohre müssen reussiren, obwohl man im Vorhinein keinen
Grund angeben kann, warum sie es nicht sollten.
Das Schießen allein kann entscheiden."
Inzwischen haben, wie bekannt, ausgedehnte Schießversuche und Vergleiche zwischen Uchatius-Kanonen und einer Krupp'schen Halbbatterie neuester Construction stattgefunden, über welche
die widersprechendsten Gerüchte in die Oeffentlichkeit gelangt sind; –
nachdem es aber Thatsache ist, daß die aus den berufensten Persönlichkeiten
zusammengesetzte Commission das von Uchatius
vorgeschlagene Geschütz vorgezogen hat, so dürfte das Probeschießen doch wohl nicht
so sehr zu Ungunsten der
Uchatius-Kanone ausgefallen sein, als man von
mancher Seite aus glauben machen wollte.
Aber allerdings scheint es schwer glaublich, daß eine Legirung, und das bleibt auch
noch die Stahlbronze immer, die constante und verläßliche Homogenität aufweisen
sollte, welche dem wohlverarbeiteten und geschmiedeten Gußstahle eigen ist, und
hierin liegt entschieden der schwache Punkt des neuen Systems. Denn wenn es nicht
gelingen sollte, die durch Zinnflecken entstehenden Ausbrennungen, und diese haben
zugestandenermaßen auch bei einigen der Stahlbronzegeschütze stattgefunden, absolut
zu vermeiden, so dürften alle anderen mit Recht gerühmten Vorzüge derselben leicht
zu nichte werden.
Was die Frage der billigen Herstellung betrifft, so kann dieselbe nur dann zu Gunsten
der Stahlbronze ausfallen, wenn der übrigbleibende Materialwerth des Geschützes
selbst von den Herstellungskosten abgezogen wird, denn
sonst dürfte wohl, bei gleichem Gewichte, ein beringtes Stahlgeschütz, dessen
Rohmaterial mit 20 fl. auf dem Markte ist, trotz aller Bearbeitungskosten noch immer
billiger zu stehen kommen als ein Stahlbronzerohr, dessen Material schon von
vornherein den dreifachen Betrag pro Centner kostet.
Für die österreichische Regierung, deren Artilleriepark aus Bronzekanonen besteht,
tritt diese Frage selbstverständlich in den Hintergrund, und es mag daher gerne nach
den oben aufgeführten Sätzen von Uchatius angenommen
werden, daß die Stahlbronzegeschütze für Oesterreich den Krupp'schen Kanonen in ihrer jetzigen Gestalt vorzuziehen sind; aber man
sollte nicht vergessen, daß mit der Stahlbronze augenscheinlich die höchste
Vollendung des Bronzegusses erreicht ist, während der Geschützstahl entschieden noch
nicht an dieser Grenze angelangt ist. Denn wenn auch der weiche Stahl, den wir jetzt noch zu unseren Geschützen anwenden müssen,
mit seiner Festigkeit von 48 bis 50k pro
1qmm kaum die aufs äußerste gehärtete
Bronze überragt, so ist doch sehr wohl bekannt, daß die feinsten und besten
Stahlmarken für Feilen, Sägeblätter, Federn u.a. eine Festigkeit bis 100k pro 1qmm erreichen, und bester Werkzeugstahl Spannungen bis zu 110k aushält.
Ja die äußerst verdienstlichen Untersuchungen des Generalmajors Uchatius selbst weisen darauf hin, daß man mit Anwendung seines Verfahrens
auf weiche Stahlcylinder innen erhöhte Härte und Festigkeit bei größerer Zähigkeit
der äußeren Schichten auch bei Stahl erzielen kann, wie aus der auf S. 132
wiedergegebenen Tabelle ersichtlich ist.
Textabbildung Bd. 217, S. 132
Der Streckung unterzogene
Gegenstände; Absolute Festigkeit. k pro 1qc; Elasticitätsgrenze. k pro 1qc;
Streckung; beim Reißen; elastische; in Procent der Länge; Härtekerbenlänge. mm;
Stäbchen aus Krupp'schem Stahl, 75mm lang, 0qc,5 dick; Ein gleiches Stäbchen 24
Stunden lang mit 750k belastet, wobei es sich um 1,6
Proc. streckte; Frette aus demselben Stahle, mit zwei Kolben gepreßt;
Durchmesser: außen; innen; Vor dem Pressen; Nach dem Pressen; Cylinder aus sehr
weichem Neuberger Stahl, mit 7 Kolben gepreßt; Nächst der; Cylinder aus sehr
weichem Neuberger Stahl, mit 1 Kolben gepreßt; Außenwand; Bohrung; In der
Bohrung
Danach erscheint es unzweifelhaft, daß, während die Stahlbronze bereits an der Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist, dem Stahl noch ein weites Feld der
Vervollkommnung offen steht, so daß die Bronze in Folge dessen früher oder später
dennoch dem Stahl wird weichen müssen.
Darum kann dennoch in der Zwischenzeit die Umgestaltung der österreichischen
Artillerie, die so dringend erforderlich ist, daß keine weitere Verzögerung
gerechtfertigt wäre, nach dem System Uchatius als das
rationellste erscheinen, und wird auch gewiß unter der energischen und genialen
Leitung des Erfinders zu einem gedeihlichen Ende gelangen. Dabei ist der große
Vortheil nicht zu unterschätzen, welcher in der raschen und billigen Herstellung im
eigenen Lande begründet ist.
Was nun schließlich die neuerdings so brennend aufgetretene Frage nach der
Originalität der Uchatius-Kanone betrifft, so ist
zwischen dem Verschlußsystem und dem Geschützmateriale wohl zu unterscheiden.
Ersteren Punkt möchten wir hier, als ausschließlich das artilleristische Gebiet
berührend, kaum zu entscheiden wagen und dies um so weniger, als wir ja gerade jetzt
in der englischen Publicistik den Gußstahlkönig Krupp
selbst auf die heftigste und nicht ganz unbegründete Weise ob der Originalität
seiner Patente angegriffen sehen.
Das Material jedoch, die „Stahlbronze“, wird wohl stets mit dem
Namen Uchatius verknüpft bleiben und, wie wir glauben,
mit vollem Rechte. Denn wie bereitwillig auch der Erfinder selbst anerkennt, welche
Anregungen er zu seiner eigenthümlichen Anwendung des Coquillengusses empfangen hat,
und wie bekannt ferner jedem Techniker sein mag, daß schon Jahre lang kaltgewalzte
Transmissionswellen und Kolbenstangen in Amerika im ständigen Gebrauche sind, so
bleibt dennoch die richtige Vereinigung aller dieser Factoren zur Herstellung von
Geschützen sein unbestreitbares Verdienst.
Und wenn selbst der gleichzeitig mit den ersten Publicationen von Uchatius veröffentlichte Vorschlag des Italieners Rosset
Esperienze mechaniche sulla resistenza dei principali
metalli da boche da fuoco di G. Rosset,
colonello d'artigleria, direttore della fonderia di Torino.
1874. den Versuchen des ersteren vorausgegangen wäre (was jedoch nicht der Fall
ist), so könnte dies dennoch die Verdienste, welche sich Uchatius um die praktische und erschöpfende Untersuchung dieses Gebietes
erworben hat, nicht schmälern.
M.–M.