Titel: | Zur Bestimmung des Säuregehaltes in fetten Oelen. Massanalytische und aräometrische Methode; von M. Burstyn, Chemiker im k. k. See-Arsenale Pola. |
Autor: | M. Burstyn |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 314 |
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Zur Bestimmung des Säuregehaltes in fetten Oelen.
Massanalytische und aräometrische Methode; von M. Burstyn, Chemiker im k. k. See-Arsenale
Pola.
Burstyn's Methode zur Bestimmung des Säuregehaltes in fetten
Oelen.
Obwohl mit viel sachlicher Berechtigung dahin gestrebt wird, die vegetabilischen und
animalischen Fette, soweit dieselben als Schmiermaterialien Verwendung finden, nach
und nach durch Mineralöle zu ersetzen, so beherrschen die ersteren doch noch ein
sehr ausgedehntes Gebiet und werden dasselbe für viele Maschinen wohl überall, in
ölreichen Gegenden aber ganz im Allgemeinen noch lange Zeit behaupten. Der Werth
eines fetten Oeles, namentlich des Olivenöles, als Schmiermateriale hängt aber
vorzugsweise von seinem Säuregehalte ab. Der Säuregehalt eines Oeles bestimmt den
Werth desselben als Schmiermateriale nicht aus dem Grunde allein, weil davon der
Grad der schädlichen Einwirkung auf Achsen und Lager abhängt, sondern es stehen mit
dem Säuregehalte eines Oeles auch andere Eigenschaften desselben, wie
Flüssigkeitsgrad, Haltbarkeit, Reinheit im Allgemeinen und das Schmiervermögen
überhaupt im Zusammenhange.
Das von mir angegebene Verfahren zur maßanalytischen
Bestimmung des Säuregehaltes in fetten Oelen (1873 208
151) ist nun seit mehreren Jahren im hiesigen Laboratorium in Anwendung, und ich
kann dasselbe jetzt nach reichlich gesammelten Erfahrungen als ganz zuverlässig zur
Beurtheilung der Qualität von fetten Oelen empfehlen, soferne es sich um die
Verwendung derselben als Schmiermateriale handelt. Bei Beurtheilung von Speiseölen
gewinnt man durch das Verfahren einen ziffermäßigen Ausdruck für den Grad des
„Ranzigseins“ derselben, wodurch eben auch ihre Qualität
gemessen wird. Es sei gestattet, das Verfahren, wie es im hiesigen Laboratorium in
Uebung ist, mit kurzen Worten hier nochmals zu beschreiben und die Wiederholung
damit zu entschuldigen, daß bei dieser Gelegenheit auf einige für die Genauigkeit
und Bequemlichkeit
des Verfahrens wesentliche Verbesserungen hingewiesen wird.
Ein mit Glasstöpsel verschließbarer Cylinder, welcher die Marken 100cc und 200cc trägt, wird bis zur Marke 100cc mit dem zu untersuchenden Oele und
hierauf bis zur Marke 200cc mit 88 bis 90
proc. Alkohol gefüllt. Der Cylinder wird geschlossen und der Inhalt tüchtig
durchgeschüttelt. Man kann auch statt mit 100cc mit beliebigen aber gleichen Volumen von Oel und Alkohol arbeiten, ohne
deshalb den weiteren Gang der Untersuchung abändern zu müssen. Nach 2 bis 3 Stunden
Ruhe scheidet sich der Alkohol über dem Oele klar ab, der nun die freien Säuren und
eine geringe Menge des Oeles gelöst enthält. Von der klaren alkoholischen Lösung
werden mit einer Pipette 25cc abgehoben,
mit einigen Tropfen eines alkoholischen Curcuma-Auszuges versetzt und hierauf
mit Normalkalilauge austitrirt. Der Uebergang von Gelb in Braunroth erfolgt mit
großer Schärfe.Lackmustinctur eignet sich hier als Indicator weniger gut, da der
Wassergehalt derselben eine theilweise Ausscheidung der gelösten Säuren
bewirkt. Dadurch wird die Verbindung derselben mit dem Kalihydrat verzögert,
und der Farbenübergang erfolgt nicht so präcise, wie es bei maßanalytischen
Methoden erforderlich ist. Ich muß hier auch bemerken, daß bei sehr
säurereichen Oelen durch eine einmalige Waschung nicht alle Säure in den
Alkohol übergeht. Sofern es sich jedoch nur um praktische Proben handelt,
genügt eine einmalige Waschung. Die Zahl der gebrauchten Cubikcentimeter Normalkalilauge, mit 4
multiplicirt, gibt an, wie viel Cubikcentimeter Normallauge erforderlich sind, um
die in 100cc des untersuchten Oeles
enthaltenen freien Säuren zu neutralisiren. Da man es hier nicht mit einem
chemischen Individuum, sondern mit einem variablen Gemische von Säuren zu thun hat,
so kann eine Umrechnung auf Gewichtsprocente füglich nicht vorgenommen werden. Die
oben gefundene Zahl der Cubikcentimeter Normallauge gibt jedoch an, welcher
Gewichtsmenge irgend einer beliebigen Säure die in 100cc des Oeles enthaltenen freien Säuren
gleichwerthig sind, und es erscheint daher natürlich, diese Zahl selbst als Ausdruck
für den Säuregehalt zu benützen und sie etwa als „Säuregrade“ anzusprechen. Ein Oel von 3 Grad Säuregehalt
z.B. wäre also ein solches, welches in 100cc so viel freie Säuren enthält, daß zur Neutralisation derselben 3cc Normallauge erforderlich sind, oder die
in 100cc Oel enthaltenen freien Säuren sind
gleichwerthig mit z.B. 3 × 36,5 = 109mg,5 Salzsäure u.s.w. Dadurch ist der Säuregehalt des Oeles in einer für
die Praxis maßgebenden Weise ausgedrückt.
Nimmt man an, daß die Oelsäure vorherrscht, was wohl zumeist gerechtfertigt ist, und
legt das Moleculargewicht derselben der Rechnung zu Grunde, so entspricht 1
Säuregrad beiläufig 0,28 Gew.-Proc. Oelsäure.
Es dürfte nicht ohne Interesse sein, wenn ich hier beifüge, daß die im Handel
vorkommenden Olivenöle einen Säuregehalt von 0,4 bis 12 Grad aufweisen. Die ersteren
gelten als sehr feine, sogen. „säurefreie“ Oele (Speiseöle),
während die letzteren schon durch Geruch und Geschmack als stark ranzig erkannt
werden. Oele mit 4 bis 6 Grad Säuregehalt eignen sich nach hierortigen Erfahrungen
als Schmiermaterialien noch ganz gut.
Um zu zeigen, in welchem Zusammenhange der Säuregehalt der Oele mit der schädlichen
Wirkung derselben auf Metalle steht, mag folgender Versuch aus einer größeren Reihe
von Experimenten, die noch ihres Abschlusses harren, mitgetheilt werden. Vier flache
Vasen aus Messingblech, welche eine Bodenfläche von je 40qc boten, wurden bis zu 2mm Höhe mit Oelen von verschiedenem
Säuregehalte gefüllt und bei gewöhnlicher Temperatur an der Luft stehen gelassen.
Die Vasen bedeckten sich bald mehr oder weniger mit grünen Fettsalzen, auch das Oel
nahm eine grüne Färbung an. Nur bei Vase und Oel Nr. I konnte eine Veränderung nicht
wahrgenommen werden. Nach 12 Tagen wurden die Vasen mit Aether gereinigt und wieder
gewogen. Die folgende Zusammenstellung zeigt den Grad der Einwirkung.
Vase Nr.
I,
gefüllt mit Oel von
0,8 Grad Säuregehalt, verlor
2mg
2mm
Gewicht
„ „
II,
„ „ „
„
4,6
„ „ „
15 „
„ „
III,
„ „ „
„
7,8
„ „ „
24 „
„ „
IV,
„ „ „
„
8,8
„ „ „
27 „
Die Menge des in der gleichen Zeit und unter gleichen Umständen zerstörten Metalles
wächst also mit dem Säuregrade des Oeles. Diese Versuche werden auf alle Nutzmetalle
und die gangbarsten Legirungen ausgedehnt werden und zwar innerhalb der
Temperaturen, wie sie an Lagern unter normalen Verhältnissen stattfinden.
So einfach die Ausführung maßanalytischer Bestimmungen ist, so setzt sie doch eine
gewisse Uebung in solchen Arbeiten voraus, die gerade bei denjenigen, welche zumeist
in die Lage kommen, Oele auf ihren Säuregehalt zu prüfen, verhältnißmäßig selten
angetroffen wird. Ich wurde daher von praktischen Maschinisten und ebenso von
Producenten hier mehrfach angegangen, der Methode eine solche Form zu geben, daß
auch der Nichtchemiker im Stande sei, den Säuregehalt eines Oeles zu bestimmen. Nach
längeren, vergeblichen Versuchen schien mir der Gedanke, daß der Alkohol in dem
Maße, als er Säuren aus dem Oele auflöst, auch specifisch schwerer werden müsse,
praktisch verwerthbar. Versuche bestätigten die Richtigkeit der Voraussetzung.
Daraufhin konnte eine aräometrische Methode zur
Bestimmung des Säuregehaltes in fetten Oelen begründet werden, welche in folgendem kurz
beschrieben werden mag.
Das Oel wird, wie Eingangs angegeben, mit Alkohol behandelt. Neben den Cylinder, in
welchem das Oel mit Alkohol gewaschen wurde, stellt man einen zweiten, möglichst
gleichen Cylinder, welcher mit demselben Alkohol gefüllt
ist, von dem eben zur Waschung des Oeles genommen wurde. Ist der Alkohol über dem
Oele geklärt, so senkt man das Aräometer zunächst in den reinen Alkohol und hierauf
nach gehöriger Abtrocknung in den Waschalkohol, wie er über dem Oele schwimmt. Je
größer der Unterschied in den specifischen Gewichten gefunden wird, desto größer ist
der Säuregehalt des untersuchten Oeles. Natürlich müssen Aräometer und Cylinder so
gewählt werden, daß ersteres im Waschalkohol schwimmen kann, ohne in das Oel zu
dringen oder dasselbe zu berühren. Dadurch, daß gleichzeitig Ablesungen im reinen
Alkohol und im Waschalkohol vorgenommen werden, entfallen auch alle Correcturen,
welche in Folge Temperaturänderungen u. dergl. nothwendig wären. Das Aräometer muß
sehr empfindlich sein und Differenzen in den specifischen Gewichten, welche 2
Einheiten der vierten Decimalstelle entsprechen, noch genau angeben. Die Scale
desselben braucht nur die specifischen Gewichte von 0,825 bis 0,850 zu
umfassen.Der bekannte Mechaniker L. J. Kappeller in Wien
hat mir ein solches Instrument verfertigt, welches bei großer Genauigkeit
auch eine solide Form besitzt. Um die Ablesungen so einfach als möglich zu machen, könnte man die Theilung
nach Graden vornehmen und den Grad entsprechend der mittleren Differenz der
specifischen Gewichte für einen Säuregrad gestalten. Dadurch würde aber nur wieder
eine neue Scale auf Kosten des allgemeinen Verständnisses geschaffen sein, und es
erscheint geeigneter, die Theilung an der Spindel wohl wie gewöhnlich nach
specifischen Gewichten fortschreiten zu lassen, aber doch nur die 2. und 3.
Decimalstelle an der Scale mit Ziffern zu notiren (die 4. Decimale an der Theilung
ablesbar), damit nicht vierstellige Decimalien abgelesen werden müssen, was dem
gewöhnlichen Praktiker doch immerhin einige Schwierigkeiten bereitet, namentlich
dann, wenn die einzelnen Stellen – wie es an der zarten Spindel immer der
Fall sein muß – von einander getrennt notirt sind.
Es wird kaum möglich werden, durch künstliche Zusätze zum Oele die Angaben des
Aräometers bezüglich des Säuregehaltes in günstigem Sinne zu beirren, da die
fragliche Substanz leichter als Alkohol und in diesem sowohl als im Oele löslich
sein müßte, ohne sich durch Geruch etc. im Voraus zu verrathen.
Die folgende Tabelle enthält eine Reihe von Aräometerablesungen, wie sie bei
Behandlung verschiedener Oele gemacht wurden. Sie zeigt, daß das specifische Gewicht
des Waschalkohols in dem Maße gegen das des reinen Alkohols steigt, als das
behandelte Oel mehr Säuregehalt aufweist.
Textabbildung Bd. 217, S. 318
Nummer des Oeles; I; II; III; IV;
V; VI; Durch Titrirung gefundener Säuregrad; Aräometer-Ablesungen in; dem
reinen Alkohol; dem betreffenden Waschalkohol:
Mit der Ermittelung einer ausführlichen Tabelle, welche nach beiden Argumenten (dem
specifischen Gewichte des reinen und des Wasch-Alkohols), in möglichst
kleinen Differenzen fortschreitend, sich von 0,5 bis 12 Säuregraden erstrecken und
für 88 bis 90proc. Alkohol bei den gewöhnlich herrschenden, mittleren Temperaturen
Giltigkeit haben wird, bin ich eben beschäftigt. Sobald die Tabelle vollendet sein
wird, werde ich sie in diesem Journal zur Mittheilung bringen. Die Natur der Sache
erfordert es, daß eine sehr große Zahl von wirklichen Ablesungen gewonnen und nur
wenig interpolirt werde. Deshalb und um auch bei möglichst verschiedenen
Temperaturen ablesen zu können, wird die Ermittelung der Tabelle wohl längere Zeit
beanspruchen.
Es steht zu erwarten, daß die aräometrische Methode zur Bestimmung des Säuregehaltes
in fetten Oelen bald Eingang in die Praxis finden werde. Sie wird nicht nur dem
Maschinenbesitzer wesentliche Dienste leisten, indem sie ihm über die Brauchbarkeit
des als Schmiermateriale zu verwendenden Oeles sicher und leicht Auskunft gewährt,
sondern sie wird ebenso dem Kaufmanne und Producenten nützlich sein können, indem
sie gestattet, ohne besondere Schwierigkeiten den Werth der Waare resp. den Fortgang
des Reinigungsprocesses auf einer sichereren Grundlage zu beurtheilen, als dies
bisher der Fall war.