Titel: | Leuchtgas aus Fäcalien. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 425 |
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Leuchtgas aus Fäcalien.
Leuchtgas aus Fäcalien.
Schon im J. 1827 stellte Reimann in
Berlin Leuchtgas aus Fäcalien her; da dasselbe jedoch wesentlich theurer zu stehen
kam als aus Steinkohlen, so schlief die Sache bald wieder ein.
Hickey (1870 195 378) erhitzte
die Cloakenstoffe in Retorten. Sobald die Gasentwickelung aufgehört hatte, wurde
überhitzter Wasserdampf über den glühenden Retortenrückstand geleitet, und das
entwickelte Wasserstoffgas zur Beleuchtung oder Heizung, die Kohle zum Desodorisiren
neuer Cloakenmassen verwendet.
Nach Darvin (englisches Patent vom 12.
März 1873) wird der durch Vermengen von Kalk mit Cloakenflüssigkeit erhaltene
schlammige Niederschlag getrocknet, pulverisirt und mit Petroleum vermengt auf
Leuchtgas verarbeitet. Dem Retortenrückstand wird Ammoniumsulfat zugesetzt, und
derselbe dann als Dünger benützt.
Neuerdings stellt Sindermann in Breslau
ebenfalls Leuchtgas aus Fäcalmassen dar. Nach dem Berichte einer von der Breslauer
Stadtverordnetenversammlung zur Prüfung dieses Verfahrens niedergesetzten Kommission
werden die Fäcalien in kleinen Mengen, bei dem vorhandenen Apparate 2 bis 3k, alle 15 bis 20 Minuten in eine erhitzte
Retorte gebracht. 100k Fäcalien erfordern
50k Kohlen und liefern angeblich 7,8
bis 9cbm, bei Zusatz von 1k Eisendrehspänen aber 24cbm Gas. Außerdem sollen erhalten werden:
6k,66 Kohle, welche beim Düngen
Verwendung finden soll, 3k,33 Theer, 3k,33 Fett, welches zum Anstreichen der
Abfuhrtonnen gebraucht wird, und große Mengen Ammoniakwasser.
Troschel (Journal für Gasbeleuchtung, 1875 S. 510) hat
gefunden, daß die Qualität des Gases weit hinter dem Steinkohlengase zurücksteht.
Dasselbe ist doppelt so theuer als Kohlengas, da Fäcalgasanstalten bei gleicher
Leistungsfähigkeit doppelt so groß sein müssen, als bei Verwendung von Kohlen. Die
Reinigung des Gases ist sehr schwer und bei größerem Betriebe nicht
durchführbar.
Nach Gintl (1874 314 491) enthalten die Fäcalmassen im Durchschnitt 92,5 Proc. Wasser und
1,6 Proc. Asche; zur Gewinnung von 5k,9
organischer, zur Leuchtgasbereitung verwerthbarer Stoffe sind demnach 92k,5 Wasser zu verdampfen, welche wieder in
riesigen Kühlapparaten condensirt werden müssen. Während eine Steinkohlengasanstalt
kaum die Hälfte der aus den Kohlen gewonnenen Coaks verbraucht, müssen bei der
Verwendung von Fäcalstoffen sehr große Mengen Brennmaterial beschafft werden.
Die Gewinnung größerer Gasmengen bei Zusatz von Eisendrehspänen
kann, wenigstens der Hauptsache nach, nur auf der Zersetzung des Wassers durch
glühendes Eisen beruhen. Da
3Fe
+
4 H₂O
=
Fe₃O₄
+
4H₂
168
72
232
8
so geben 168k
Eisen 8k oder 83cbm,5 Wasserstoff, 1k Eisen also, selbst wenn dasselbe völlig
in Fe₃O₄ übergeführt würde (was hier aber nicht stattfinden wird), nur
0cbm,5. Die Behauptung Sindermann's durch Zusatz von 1 Proc. Eisendrehspänen die
Gasausbeute von 8 auf 24cbm erhöhen zu
können, kann demnach nur auf einem Irrthum beruhen.
Das Gaswasser wird in der Regel kaum 0,5 Proc. Ammoniak enthalten,
daher weit schwerer verwerthbar sein, als jenes aus Steinkohlen. Auch der als
Nebenproduct gewonnene
Theer und das angeblich erhaltene Fett (?) scheinen nur geringen Werth zu haben. Da
ferner die Bedienung der Apparate unverhältnißmäßig viel Arbeitskraft erfordert, so
ist an eine Rentabilität des Verfahrens nicht zu denken.
F.