Titel: | Stassfurter Kali-Industrie; von Dr. A. Frank in Stassfurt. |
Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 496 |
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Stassfurter Kali-Industrie; von Dr.
A. Frank in
Stassfurt.
(Fortsetzung von S. 400 dieses
Bandes.)
Frank, über die Staßfurter Kali-Industrie.
B. Schwefelsaures Magnesium (Kieserit,
Bittersalz).
KieseritDas angegebene Verfahren der Kieseritgewinnung ist zuerst von Clemm beschrieben: Brevet
d'invention, 6. October 1863. (Vergl. 1875 216 434.) und Steinsalz werden jetzt in der Weise getrennt, daß die auf einem Gefäß
mit (falschem) durchlöchertem Boden liegenden Löserückstände mit einem Strom kalten
Wassers behandelt werden, welcher den Kieserit mehlförmig fortschlämmt, während das
Steinsalz theils gelöst wird, theils in großen Stücken zurückbleibt und, nachdem es
abgespült und getrocknet ist, für Herstellung von Gewerbesalz oder Viehsalz
denaturirt und gemahlen werden kann. Das Wasser resp. die Kochsalzlösung mit dem
aufgeschlämmten Kieserit und den darin theilweise mit suspendirten anderen
unlöslichen Stoffen, Anhydrit, Mergel etc., wird durch eine Rinne auf ein
feinmaschiges Siehe geleitet, wie solche bei der Stärkefabrikation Anwendung finden.
Auf dem Siebe bleiben die gröberen Anhydritkrystalle, Steinsalzstückchen etc.
liegen, während Kieserit und die anderen feinen aufgeschlämmten Stoffe mit dem
Wasser durch das Sied in ein darunter befindliches flaches Gefäß gehen, in welchem
sich der Kieserit bei verlangsamter Geschwindigkeit des Wasserstromes in Folge
seines höheren Volumgewichtes rasch absetzt, die anderen mitgeschlämmten Stoffe
gehen mit dem abfließenden Wasser fort. Sobald sich das Kieseritmehl in dem
Absatzkasten etwas angesammelt hat, wird die breiige Masse mit Schaufeln
herausgestochen und in Formen geschlagen, in denen sie durch Bindung des noch
beigemischten Wassers nach Art von gebrannten Gyps bald zu festen Blöcken erstarrt,
welche je nach der angewendeten Blechform cylindrisch oder parallelopipedisch sind,
meist 25 bis 30k wiegen und in dieser Form
zur weiteren Verwendung bezieh. zum Versand kommen. Der Kieserit enthält
durchschnittlich:
55
bis
60
Proc.
Magnesiumsulfat,
8
„
10
„
Calciumsulfat (freie Anhydritkrystalle),
2
„
4
„
Natriumchlorid,
0
„
0,5
„
Magnesiumchlorid,
0
„
0,5
„
unlösliche Stoffe (Mergel, Boracit etc.),
Rest
Wasser,
läßt sich also als ein unreines Bittersalz mit 3 bis 3 1/2
Mol. Krystallwasser betrachten. Eine theilweise Entfernung dieses Wassergehaltes durch Glühen findet für
gewisse Verwendungszwecke statt, und wird auf diese Weise eine calcinirte Waare mit
einem durchschnittlichen Gehalt von 75 Proc. wasserfreiem schwefelsaurem Magnesium
(72 bis 80 Proc.) hergestellt. – Der Preis des rohen Kieserits ist zur Zeit
zwischen 0,3 bis 0,8 M. pr. 100k ab
Staßfurt, und da er bei einem Gehalt von 60 Proc. wasserfreiem schwefelsaurem
Magnesium 40 Proc. wasserfreier Schwefelsäure enthält, so bietet sich darin der
Technik wohl das billigste lösliche schwefelsaure Salz für zahlreiche
Fällungs- und Umsetzungsprocesse; auch ist selbstredend das jetzt in gewissen
Industriebranchen massenhaft gebrauchte Bittersalz aus keinem Rohstoff billiger
herzustellen als aus dem Kieserit, welcher bei einfachem Behandeln mit kaltem oder
besser heißem Wasser nach Aufnahme der ihm noch fehlenden Mengen Krystallwasser in
das leicht lösliche krystallisirte schwefelsaure Magnesium (MgSO₄ + 7 aq)
übergeht.
Die Fabrikation des Bittersalzes als Nebenartikel wird in Staßfurt selbst von
mehreren FirmenWüstenhagen und Comp.
Vereinigte chemische Fabriken zu Leopoldshall. betrieben; da indeß krystallisirtes Bittersalz bei einem Wassergehalt von 52
Proc. nur 48 Proc. schwefelsaures Magnesium enthält, gegen 55 bis 60 Proc. im
Kieserit, und außerdem kostspielige Emballage erfordert, um ungünstigen Einflüssen
während des Transportes widerstehen zu können, so wird von England, den Vereinigten
Staaten etc. nur roher Kieserit in Blöcken bezogen und dessen geklärte Lösung
entweder direct verbraucht, oder daraus an der Gebrauchsstelle selbst
krystallisirtes Bittersalz dargestellt, welches dann gar nicht getrocknet, sondern
durch bloßes Centrifugiren von anhängender Lauge befreit und in Säcken versendet
wird. Hauptsächlichste Verwendung findet das so gereinigte Salz zum Appretiren von
Baumwollstoffen, um dieselben, wie der Kunstausdruck beschönigend lautet,
„griffig“ zu machen, d.h. ihnen scheinbar Qualität und
Gewicht dichter stoffreicher Zeuge zu geben. Zu diesem Zwecke werden die Stoffe
durch concentrirte Bittersalzlösungen passirt und dann langsam getrocknet; die
nadelförmigen, weichen und seideglänzenden Bittersalzkrystalle vereinigen sich dabei
sehr fest mit der Gespinstfaser und ertheilen derselben einen erhöhten Lustre,
welcher den Laien, d.h. in diesem Falle das große Publicum täuscht.
Selbstverständlich wird das scheinbar so dichte, kräftige Zeug alsbald zu einem
losen unscheinbaren Lappen, wenn der Käufer die erste Wäsche damit vornimmtEs sind mir mit Bittersalz appretirte Stoffe zu Händen gekommen, welche durch
bloßes Auswaschen mit destillirtem Wasser 53 Proc. ihres Gewichtes verloren
und nur ca. 40 Proc. wirkliche Baumwolle enthielten; bei solcher
Zusammensetzung kann es nicht Wunder nehmen, wenn das
Kilogramm fertiger gewebter und appretirter Baumwollwaaren zur Zeit billiger
im Markte ist, als das gleiche Gewicht roher unversponnener Baumwolle! In
Deutschland ist diese Verwendung des Bittersalzes noch nicht so verbreitet
als in England, wo aber auch von den bedeutendsten Journalen (Times, 1869 p. 70,
71) gegen den Mißbrauch der Appreturzusätze eindringlichst gewarnt worden
ist.. Enthält das zur Appretur verwendete Bittersalz Chlor, namentlich als
Chlormagnesium, so werden die Stoffe nicht nur feucht, sondern auch beim Passiren
über die Trockenwalzen des Kalanders brüchig und mürbe in Folge der Bildung von
Salzsäure (MgCl₂ + H₂O = 2HCl + MgO).
Verwendung des Kieserits als Fällungsmittel. Es wurde
schon vorher darauf hingewiesen, daß der Kieserit als zur Zeit billigstes, in Wasser
lösliches schwefelsaures Salz die Schwefelsäure ersetzen könne; als hauptsächlichste
zum Theil schon praktisch durchgeführte Anwendungen desselben mögen hier erwähnt
werden:
a. Darstellung von Blanc
fixe (gefälltes schwefelsaures Barium) durch Fällung der Chlorbariumlösung
mit Kieserit anstatt mit Schwefelsäure. Bei diesem Proceß bleibt Chlormagnesium in
der Lösung, welches eventuell concentrirt und zur Gewinnung neuer Quantitäten von
Chlorbarium aus Schwerspath nach der von Godin und Hasenclever angegebenen Methode benützt werden kann.
Ebenso kann das bei Darstellung des in der Technik als Annaline (Perlweiß, Pearlhardening) bezeichneten gefällten schwefelsauren
Kalkes mittels Bittersalzes übrig bleibende Chlormagnesium durch Zerlegung mit
Aetzkalk zu Darstellung von neuem Chlorcalcium benützt und damit wiederholt
verwendet werden.
Als Ersatz und Verbesserung der Annaline, namentlich für Papierfabrikation, ist
endlich unter dem Namen Magnesiaweiß vom Verfasser ein Präparat erzeugt worden,
welches durch directe Fällung von schwefelsaurem Magnesium mit Aetzkalk oder
Aetzbarit gewonnen, ein Gemisch von Magnesiumhydrat und Blanc
fixe resp. Perlweiß darstellt und als Füllstoff für Papier etc. um so mehr
Beachtung finden dürfte, als die Fällung in der Papiermasse resp. auf der Zeugfaser
selbst erfolgen kann, sich also sehr leicht mit derselben vereinigt.
b. Auch die für die bei der Darstellung des Alaunes seit
lange bekannte Ausnützung der in den Rohalaunlaugen enthaltenen schwefelsauren Salze
des Magnesiums und Eisens behufs Zerlegung des Chlorkaliums bezieh. auch des
Chloraluminiums ist Kieserit mit Erfolg verwendet worden, indem man Gemische von 1
resp. 4 Mol. schwefelsaurem Magnesium im Kieserit mit 2 Mol. Chlorkalium der Lösung
von schwefelsaurer Thonerde bezieh. von Chloraluminium zusetzte; die ausgefällten
Laugen, welche namentlich bei Verarbeitung von salzsaurer Thonerde bedeutende Mengen (4 Mol. für 1
Mol. Alaun) Chlormagnesium enthalten, geben beim Glühen den größten Theil ihrer
Salzsäure ab, die zur Herstellung von neuen Chloraluminiumlösungen dienen kann. Für
die Verwerthung der neuerdings mehrfach in den Handel gebrachten natürlichen
Thonerdephosphate (Rodondophosphat etc.) sowie der nach Jacobi's interessanten Extractionsverfahren mittels schwefliger Säure
gewonnenen phosphorsauren Thonerde aus den Rasenerzen dürfte die obige vom Verfasser
in Deutschland, von Townsend in England angeregte Methode
Bedeutung gewinnen.
Eine andere technische Verwendung des Kieserits ist die von Dr. Grüneberg
1872 206 465. Wagner's
Jahresbericht, 1873 S. 519. in Anlehnung an die Scott'sche Cementbereitung
vorgeschlagene Herstellung künstlicher Steinmassen durch Zusatz von Kieserit zu
Aetzkalk bezieh. Kalkmörtel, über welche indeß bisher noch keine Erfahrungen aus der
Praxis vorliegen. Ebenso haben die namentlich in den letzten Jahren vielfach
wiederholten und erneuten Vorschläge, das Ammoniak aus den Gaswässern und
Cloakenwässern durch Gemische von saurem phosphorsaurem Calcium und schwefelsaurem
Magnesium zu präcipitiren, zu einem technisch brauchbaren Resultate noch nicht
geführt. Versuche, welche vom Verfasser bereits 1865 bis 1867 in dieser Beziehung
angestellt wurden,Die betreffenden Präparate waren schon in Paris 1867 ausgestellt. zeigten, daß die Fällung des Ammoniaks aus den Gaswässern als phosphorsaures
Ammonium-Magnesium nur eine sehr unvollständige war, und scheinen auch alle
späteren Vorschläge und zahlreich genommenen Patente diese Schwierigkeit nicht
gelöst zu haben, da das als Düngmittel namentlich für Cerealien sehr brauchbare
phosphorsaure Ammonium-Magnesium nirgends in den Handel gelangt ist.
C. Schwefelsaures Kaliummagnesium und schwefelsaures Kalium.
Schon bei Beschreibung der Staßfurter Mineralien resp. Rohsalze wurde des Kainits
Erwähnung gethan, welcher in seiner reinsten Form ein eigenthümliches Doppelsalz von
schwefelsaurem Kaliummagnesium und Chlormagnesium (K₂SO₄ .
MgSO₄ . MgCl₂ + 5 H₂O oder nach Rammelsberg MgSO₄ . KCl + 6 H₂O) ist und durch längeres
Lagern in feuchter Luft unter Verlust von 1 Mol. Chlormagnesium, welches als Lauge
abfließt, schwefelsaures Kaliummagnesium zurückläßt.Es ist dies die von Reichardt unter dem Namen
Schönit als besonderes Mineral bestimmte, an feuchten Stößen des
Anhaltischen Salzwerkes gefundene secundäre Bildung. Der Kainit kommt indeß in den Salzlagern nie in größeren Mengen rein vor,
ist vielmehr stets mit
Carnallit, Kochsalz und anderen Salzen derartig durchwaschen und zusammengelagert,
daß sein durchschnittlicher Gehalt an schwefelsaurem Kalium 22 bis 23 Proc. kaum
übersteigt. Ist aber schon bei dem seltenst vorkommenden reinen Kainit die
Zersetzung in feuchter Luft eine sehr langsame und nur an der Oberfläche
vorkommende, so liegt es auf der Hand, daß der rohe Kainit auf solche quasi spontane
Weise noch weniger zerlegt werden kann, da als Product ein Gemisch von
schwefelsaurem Kaliummagnesium mit den anderen Bestandtheilen des Rohkainits
verbleiben würde. Obgleich man daher nach der Auffindung des Kainits im J. 1864 wohl
erkannte, daß hierin ein Material für Darstellung von reinem schwefelsaurem
Kaliummagnesium gegeben sei, mußte man für dessen Gewinnung doch sofort complicirte
Lösungs- und Krystallisationsprocesse anwenden. Die absolute
Unzuverlässigkeit und Ungleichheit des Materiales, noch mehr die in den letzten
Jahren erfolgte bedeutende Preiserhöhung des auch für Darstellung von
Düngerpräparaten und Düngermischungen benützten Kainits haben indeß seine
ausgedehnte und lohnende Verarbeitung zu reinem schwefelsaurem Kaliummagnesium
(Picromerit) ganz unmöglich gemacht, und stellt man dasselbe deshalb auch durch
Zersetzung von Kieserit mit dem aus dem Carnallit gewonnenen Chlorkalium dar (2KCl +
2MgSO₄ + 5H₂O = K₂SO₄ . MgSO₄ + 5H₂O =
K₂SO₄ . MgSO₄ + 5H₂O + MgCl₂). Da sich nun die
Angaben französischer Chemiker, nach welchen sich aus dem schwefelsauren
Kaliummagnesium durch Zuschlag von Kalk und Kohle direct im Leblanc'schen Proceß
kohlensaures Kalium mit Vortheil gewinnen lassen sollte, bei angestellten Versuchen
als unrichtig ergaben, die anderen Verwendungsarten des schwefelsauren Kaliums für
Glas, chromsaures Kalium etc. aber ein möglichst magnesiumfreies Material erfordern,
so ging man einen Schritt weiter, indem man aus dem Kaliummagnesiumdoppelsalz reines
schwefelsaures Kalium darstellte. Als Grundlage hierfür diente:
a. Die Zerlegung des Doppelsalzes durch einfaches
Umkrystallisiren, wobei sich das schwer lösliche schwefelsaure Kalium etwa zur
Hälfte ausscheidet, während ein neues Doppelsalz von der ungefähren Zusammensetzung
K₂SO₄ . 2MgSO₄ in der Lösung bleibt.
b. Die Zerlegung des Doppelsalzes durch Hinzufügung von
4 Mol. resp. von 6 Mol. möglichst reinen Chlorkaliums, wobei sich aus
K₂SO₄ . 2MgSO₄ + 4KCl = 3K₂SO₄ + 2MgCl₂
oder vielmehr aus K₂SO₄ . 2MgSO₄ + 6KCl = 3K₂SO₄
+ 2MgCl₂ + 2KCl bilden.
Das schwefelsaure Kalium scheidet sich auch hierbei als feinkörnige Masse ab, während
der gleichzeitig gebildete Carnallit in Lösung bleibt, aus welcher durch Verdampfung
und Krystallisation das Chlorkalium wieder gewonnen werden muß. Das für die Doppelzersetzung
anzuwendende Chlorkalium muß möglichst rein, namentlich frei von Natriumsalzen sein,
da diese sonst ebenfalls, mit in den Proceß eintretend, das erhaltene Product
verunreinigen. Eine andere ebenfalls versuchte Methode zur Darstellung von
schwefelsaurem Kalium beruht auf der Zersetzbarkeit von schwefelsaurem Natrium mit
Chlorkalium; da aber diese Zersetzung keine vollständige ist, vielmehr stets ein nur
für Glashütten brauchbares Doppelsalz von 3 K₂SO₄ +
Na₂SO₄ hierbei entsteht, so hat man dieses Verfahren vollständig
aufgegeben.Für die neuerlichen Angaben von Sonstadt (American Chemist, 1873 p. 218), daß man das Kaliumnatriumdoppelsalz durch erneuten Zusatz
von Chlorkalium zerlegen könne, geben die hier gesammelten Erfahrungen
keinen rechten Anhaltepunkt.
Die Darstellung des schwefelsauren Kaliums hat die Zeit und Kraft der Techniker
vielfach in Anspruch genommen, es sind namentlich von den Firmen Vorster und Grüneberg sowie
Andrae und Grüneberg schon
vor Jahren ausgedehnte und kostspieligste Versuche darüber angestellt worden, welche
zwar sehr schöne Producte geliefert, aber zu keiner lohnenden und gleichmäßig
sicheren Fabrikation geführt haben. Neuerdings hatte die Firma Wünsche und Göring in Leopoldshall diese Fabrikation aufs Neue, aber auch
ohne günstigen Erfolg in Angriff genommen. – Nach der Ansicht des Verfassers
ist die Darstellung des schwefelsauren Kaliums unter Benützung des schwefelsauren
Magnesiums zwar chemisch ausführbar, wird aber, von dem für den Techniker allein
maßgebenden commerciellen Standpunkte betrachtet, in Staßfurt nie praktisch werden
können. Der Proceß erfordert zunächst ein sehr reines Chlorkalium, welches man in
einer Operation durch einfaches Uebergießen mit Schwefelsäure in dem gewöhnlichen
Sulfatofen ohne große Mühe und Substanzverlust in schwefelsaures Kalium convertiren
und dabei noch ein mehr oder minder werthvolles, aber doch stets brauchbares
Nebenproduct, die Salzsäure, erzielen kann. Auch das für Darstellung des
schwefelsauren Kaliums durch Doppelzersetzung erforderliche schwefelsaure Magnesium
muß erst durch complicirte Schlämmprocesse von den anderen Rückständen getrennt
werden.
Das Bestreben, mit Zuhilfenahme der sehr billigen Schwefelsäure der Kieserite ein
werthvolleres Kalisalz, als es das Chlorkalium ist, möglichst in einer Fabrikation
darzustellen, ist gewiß sehr erklärbar; wenn man indeß berücksichtigt, daß die
Schwefelsäure der Kieserite durch einen sehr einfachen, wenig Apparate erfordernden
Löse- und Ausfrierproceß für Darstellung von schwefelsaurem Natrium nutzbar
gemacht werden kann,
während die durch diese Art der Glaubersalzfabrikation im Gesammtgebiete der Technik
übrig gebliebene bezieh. frei gewordene Schwefelsäure in den gleichfalls zur
Benützung frei gewordenen Sulfatöfen mit demselben reinen Chlorkalium, welches zur
Darstellung von schwefelsaurem Kalium dient, in einfachster sicherster Weise zu
Kaliumsulfat vereinigt werden kann und hierbei nicht allein ein noch immerhin
werthvolles Nebenproduct, die Salzsäure, liefert, sondern auch die mit
Umkrystallisiren, Verdampfen etc. nothwendig verbundenen Substanzverluste erspart
werden, so liegt es auf der Hand, daß die Darstellung von schwefelsaurem Kalium auf
dem Wege der Doppelzersetzung mindestens so lange kaufmännisch undurchführbar sein
wird, bis der Kainit zu einem Preise von den Gruben abgegeben wird, welcher dem des
Carnallits gleich ist. Dagegen wird in Kalusz, wo das Kainitvorkommen ein sehr
mächtiges und reiches, und die Verwendung des Materiales für landwirthschaftliche
Zwecke eine unbedeutende ist, die Darstellung von schwefelsaurem Kalium mit Erfolg
durchführbar sein.
Der Verbrauch des schwefelsauren Kaliums in der Technik wird aber in demselben Maße
steigen wie seine Fabrikation, und wäre schon jetzt ein höherer, wenn nicht die
günstigen Sodaconjuncturen der letzten Jahre die Sodafabriken abgehalten hätten,
sich neuen Fabrikationszweigen zuzuwenden. Bei der Ausdehnung und Vermehrung, welche
die deutsche Soda-Industrie indeß neuerdings gefunden, wird sie sich dem ihr
ja am nächsten liegenden Rohstoffe für schwefelsaures Kalium und Potasche in um so
ausgiebigerem Maße zuwenden, als ihr durch erfolgte Reduction und erstrebte
Aufhebung der Sodazölle auf dem Gebiete der Natriumsalze eine steigende Concurrenz
von auswärts erwachsen muß. Die aus Staßfurter Chlorkalium bisher dargestellten
„deutschen Potaschen“ der chemischen Fabriken zu Altdamm
(Andrae und Grüneberg),
Pommerensdorf, Köpenick, Berlin (Kunheim und Comp.); Staßfurt, Schalke, Cöln und Barmen erfreuen sich
auf inländischen wie auswärtigen Märkten einer großen Beliebtheit und werden schon
wegen ihrer größeren Reinheit den russischen und amerikanischen Potaschen bei Weitem
vorgezogen. Als weiterer vortheilhafter Umstand für die vermehrte Production
künstlicher Potaschen muß aber noch hervorgehoben werden, daß mit dem Steigen der
Holzpreise die Potaschefabrikation aus Asche sich vermindert, wie denn z.B.
galizische, siebenbürgische und schwedische Potaschen schon jetzt kaum noch auf den
Markt kommenEs mag hier auch die Bemerkung am Orte sein, daß die Gewinnung von Kalisalzen
aus den Melasseschlempen nach zwei Richtungen sich vermindert; zunächst hat
man die Erfahrung gemacht, daß der Procentsatz an Kalisalzen in den
Rückständen der Melassen (der Schlempekohle) sich bei
fortgesetztem Rübenbau vermindert, während der Gehalt an Natronsalzen
zunimmt, und sodann hat man im Interesse einer rationellen Düngung in den
letzten Jahren an vielen Orten es auch kaufmännisch vortheilhafter gefunden,
die Melassenschlempe in unveränderter, oder durch Eindampfen concentrirter
Form den Feldern wieder zuzuführen und auf diese Weise auch deren Gehalt an
Stickstoff und Phosphorsäure, welcher bei der Schlempekohlenbereitung ganz
verloren geht, wieder zu nutzen. S. Frank:
Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie des deutschen Reiches, 1874
Bd. 24 S. 189.. Auf der
anderen Seite wird aber der Verbrauch der Potasche in der Technik, welcher bisher
mit Rücksicht auf die beschränkte Production möglichst eingeengt war, in Folge
Erschließung einer unlimitirten Fabrikation wesentlich steigen, und in vielen
Zweigen der Technik wird die Potasche wieder den Platz einnehmen, aus welchem sie
früher von der Soda als dem billigeren und stets in gleichmäßiger Qualität zu
erhaltenden Alkali verdrängt war; in anderen technischen Branchen, wie z.B. in der
Glasfabrikation, wird man die bedeutenden Vortheile, welche bei Zuhilfenahme des
Kalis als Sulfat oder Carbonat durch schnelleres Blankschmelzen, zumal an Farbe der
Masse etc. erwachsen, ebenfalls bald erkennen.
Wie schon bemerkt, existirt in Staßfurt bisher nur eine Potaschefabrik (Staßfurter Chemische Fabrik, vormals Vorster und Grüneberg,
Actiengesellschaft), welche Potasche aus im Sulfatofen mittels Schwefelsäure
dargestellten Kaliumsulfat herstellt; die meisten anderen Potaschefabriken sind mit
älteren Sodafabriken combinirt, welche für Bezug von Steinkohle, Schwefelkies etc.
eine günstigere Lage haben, als die auch wegen ihrer hohen Feldcultur für die
unvermeidlichen Salzsäureemanationen besonders ungeeignete Umgebung von
Staßfurt-Leopoldshall.
Das Quantum Potasche, welches aus Staßfurter Chlorkalium nach dem Leblanc'schen
Verfahren dargestellt wird, dürfte 150000 bis 200000 Ctr. betragen, läßt sich also
noch wesentlich erhöhen. Die für Sodagewinnung vorgeschlagenen neuen Methoden von
Schlösing-Solvay, und von Grousilliers sind, soweit dem Verfasser bekannt, für
Potaschedarstellung noch nicht angewendet, bezieh. wegen der leichteren Löslichkeit
des Kaliumbicarbonats nicht anwendbar.In dieser Abhandlung ist zu lesen:S. 390 Z. 4 v. u. „1873 „ 9047000 „
„ 32 „verarbeitet.“
S. 394 Z. 13 v. o. „ca. 0,12 M.“ statt
„ca. 1,12 M.“
S. 399 Z. 22 v. o. „95 bis 98 Proc.“
statt „95 bis 96 Proc.“
D. Red.
(Schluß folgt.)