Titel: P. Massing's Sicherheitskuppelung für Eisenbahnfahrzeuge.
Autor: Müller-Melchiors
Fundstelle: Band 218, Jahrgang 1875, S. 24
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P. Massing's Sicherheitskuppelung für Eisenbahnfahrzeuge. Mit Abbildungen auf Taf. I [c. d/3]. Massing's Sicherheitskuppelung für Eisenbahnfahrzeuge. Es ist bekannt, daß der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen, veranlaßt durch mehrfache, besonders beim Rangierdienste vorgefallene Unglücksfälle, einen Preis für die Erfindung einer neuen Kuppelungsmethode ausgeschrieben hat, welche das gefahrlose Aus- und Einkuppeln der Eisenbahnfahrzeuge von außen her ermöglichen soll. Dieser Preis ist nun schon mehrere Jahre lang eine Veranlassung zu außerordentlich vielen Projecten gewesen, ohne daß es jedoch gelungen wäre, den Bedingungen des Preisausschreibens (zu welchen auch die Clausel der Einführung und Empfehlung durch eine Vereinsbahn gehört) Genüge zu leisten. Und in der That leiden alle diese Vorschläge an den gemeinsamen Fehlern, entweder einer unpraktischen Manipulation oder übermäßiger Complicirtheit, so daß sich keine Bahn leicht zur allgemeinen Anwendung irgend eines derartigen Systemes entschließen dürfte. Wenn wir aber die vielfachen Bewegungen beobachten, welche der Arbeiter beim Einhängen und Spannen der Kuppelung thatsächlich verrichten muß, so wird einleuchtend, daß jede Vorrichtung, welche – und das ist ja die aufgestellte Grundbedingung – das gegenwärtig bestehende Kuppelungsprincip, nur mit irgend einer nach außen führenden Bewegungsübertragung versehen, beibehalten soll, nothwendig complicirt werden muß. Die Sicherheitskuppelungen werden daher auch nie aus freiem Antriebe der Bahnen in allgemeine Anwendung kommen, sondern nur dann, wenn die Staatsbehörden, welche im allgemeinen Interesse den Bahnen schon so viel kostspieligen Mechanismus aufgenöthigt haben, deren Anwendung obligatorisch machen. Wenn wir daher hier eine neue Sicherheitskuppelung (erfunden von P. Massing in Stadlau bei Wien) vorführen, so geschieht dies nicht in dem Gedanken, endlich damit „des Zirkels Viereck“ – und das ist die verlangte Verrichtung complicirter Bewegungen mit einfachen Mitteln – gefunden zu haben; wohl aber glauben wir, daß die hier zu besprechende Kuppelung die meisten der bis jetzt vorgebrachten in einfacher und bequemer Functionirung übertrifft und in Folge dessen Interesse verdient.Eine äußerlich ähnliche Kuppelung, deren Manipulation jedoch wesentlich complicirter erscheint, wurde vom Oberingenieur B. Curant versuchsweise auf der Westbahn in Wien eingeführt und in Heusinger's Organ, 1875 S. 120 beschrieben. Diese Kuppelung ist in Fig. 18 in der Draufsicht, Fig. 19 in der Seitenansicht vor dem Einhängen des Kuppelungsbügels und in Fig. 20 in äußerer Seitenansicht bei geradgestrecktem Bügel dargestellt. Die ganze Kuppelung ist in der jetzt gebräuchlichen Weise mittels eines Bügels D am Zughaken aufgehängt. In D ist die Schraubenspindel F gelagert, über der die Mutter g des Kuppelungsbügels G (welcher von der gewöhnlichen Kuppelung beibehalten ist) läuft. Auf demselben Bolzen m, welcher den Bügel D trägt, sind ferner noch zwei steife Blechrahmen b aufgesteckt, die an ihrem vorderen Ende die Mutter g in einem Langschlitze führen, in der Mitte aber die Hauptwelle H tragen, auf welche ein gezahntes Rad a aufgesteckt ist. Dieses Rad greift in ein kleines Getriebe s ein, und bewegt endlich mittels des Kegelrades t die Schraubenspindel F, so daß durch Drehung der Hauptwelle H mittels einer der außen aufgesteckten Kurbeln die Kuppel verlängert oder verkürzt werden kann. Sowie aber die Kuppel über eine gewisse Grenze aufgedreht wird, muß sich gleichzeitig der Kuppelungsbügel G um die Querachse der Schraubenmutter g nach aufwärts drehen, und gestattet dadurch in der aus Fig. 19 ersichtlichen Weise das Passiren des Kuppelhakens, sobald nur die Spindel T genügend aufgedreht ist. Beim Aufdrehen der Spindel F und dadurch veranlaßten Ausgange des Bügels G stößt nämlich eine Blechkappe l, welche mit G fest verbunden ist, mit ihrer Keilfläche i an einen Kloben h an (Fig. 19), welcher drehbar auf der Spindel F aufgesetzt ist, aber durch die Seitenflächen der Kappe l in fixer Stellung gehalten wird. Sobald aber die Fläche i den Anschlag h berührt hat, führt das weitere Aufdrehen der Spindel F mittels der Welle H keine weitere Streckung, sondern im Gegentheile eine immer steilere Stellung des Kuppelungsbügels G herbei. Nachdem in dieser Weise erklärt ist, wie sich der Kuppelungsbügel aus dem Zughaken ein- oder auslöst, erübrigt nur noch darzustellen, wie die Hebung und Senkung der ausgelösten Kuppelung erfolgt. Zu diesem Zweck dienen zwei Hebel C (in Fig. 20 horizontal schraffirt), welche – wie aus Fig. 18 ersichtlich – an beiden Seiten des Wagens auf einer durchgehenden Querwelle A aufgekeilt sind. Die ausgelöste Kuppelung liegt senkrecht herabhängend, mit der Hauptwelle H an diesen beiden Hebeln an (vergl. die untere Hälfte des Grundrisses Fig. 18). Zum Einlösen der Kuppelung werden die Hebel C gehoben, bis die Welle H in die in Figur 20 gezeichnete Lage kommt, in welcher sie oben an eine Verlängerung der die Welle A tragenden Ständer B anstößt, während sie unten durch die Hebel C getragen wird. In dieser Stellung können die Hebel C durch eine seitliche Verschiebung ihrer Welle A (mittels des Drückers d oder des Zuggriffes e) festgestellt werden, so daß die Hauptwelle H in dem durch Hebel C und Träger B gebildeten Schlitze ihr Lager findet. Dieser Schlitz ist vorn offen, um beim etwaigen Reißen der Kuppel die Welle H frei auslassen zu können; rückwärts dagegen liegt die Welle H an ein am Hebel C angebrachtes federndes Widerlager p an. In dieser Stellung der gehobenen Kuppelung kann dann durch entsprechende Drehung der Hauptwelle H die Spindel F heraus- oder hereingedreht werden, wodurch die oben angeführten Stellungen des Kuppelungsbügels entstehen. Die ganze Manipulation des Aus- und Einhängens ist somit sehr einfach und läßt sich in folgenden Hauptbewegungen zusammenfassen. Auslösung der gespannten Kuppelung. 1) Aufheben der Hebel C (von einer beliebigen Seite des Wagens) bis zur Berührung der Hauptwelle H und Arretirung in dieser Stellung durch seitliche Verschiebung der Welle A. 2) Drehung der Hauptwelle H mittels der Kurbel, bis sich der Bügel G aus dem Zughaken ausgehoben und nahezu senkrecht zur Spindel F gestellt hat. 3) Auslösung der Welle A, wodurch die Hebel C sammt der ganzen Kuppel in die vertical herabhängende Lage fallen. Einlösung der Kuppelung. 1) Aufheben der Welle H und hierdurch der ganzen Kuppel bis zum Anschlage B; hierauf Arretirung der Welle A. 2) Zudrehen der Schraubenspindel F (mittels der Welle H), bis zuerst der gestreckte Kuppelungsbügel G in den Haken einfällt und dann bei weiterer Drehung im selben Sinne entsprechend gespannt wird. 3) Auslösung der Welle A und Herablassen der Hebel C, damit die Kuppel sich bei etwa stattfindendem Nachdrucke einknicken kann, ohne Gefahr selbstthätig ausgelöst zu werden. Wie hieraus hervorgeht, ist die Functionirung dieser Kuppelung außerordentlich einfach und sicher und verdient die Beachtung aller in dieser Richtung wirkenden Fachgenossen. Müller-Melchiors.

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