Titel: | Die Fortschritte in der künstlichen Erzeugung von Kälte und Eis; von Dr. Heinrich Meidinger, Professor in Carlsruhe. |
Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 50 |
Download: | XML |
Die Fortschritte in der künstlichen Erzeugung von
Kälte und Eis; von Dr. Heinrich
Meidinger, Professor in Carlsruhe.
(Fortsetzung von S. 478 des vorhergehenden
Bandes.)
Meidinger, über die Fortschritte in der künstlichen Erzeugung von
Kälte und Eis.
II. Kälte durch freiwillige Verdampfung
(Verdunstung).
Flüssigkeiten, welche die Fähigkeit besitzen, Dämpfe zu bilden, bedürfen bekanntlich
zu ihrem Uebergange in den Dampf- oder Gaszustand bedeutender Wärmemengen (Verdampfungswärme), welche nothwendig sind, sie in
Gasform zu erhalten. Die Verdampfungswärme wird von dem Thermometer nicht angezeigt
und führt aus diesem Grunde häufig den Namen der gebundenen
Wärme, zur Unterscheidung von der auf das Thermometer einwirkenden, die
Temperatur bedingenden, oder sogen. freien Wärme. Die
gebundene Wärme verschiedener Flüssigkeiten ist übrigens sehr ungleich; die des
Wassers z.B. bei der Verdunstungstemperatur von 34° beträgt 583c, die eines gleichen Gewichtes Aether bei
derselben Temperatur (dem Siedpunkte des Aethers) nur 90c.
Beim Vorgange der Verdunstung sind die Flüssigkeiten genöthigt, ihren Bedarf an
Verdampfungswärme zunächst aus ihrem eigenen Vorrath von freier Wärme zu schöpfen.
In Folge dessen sinkt ihre Temperatur. Da jedoch einem jeden Körper, dessen
Temperatur niedriger ist als diejenige seiner Umgebung, Wärme von außen zufließt,
und da dieser Zufluß um so lebhafter erfolgt, ein je größerer Temperaturunterschied
sich zeigt, so kann die erwähnte Abkühlung nicht bis ins Unbegrenzte fortschreiten.
Es muß vielmehr schließlich immer ein Gleichgewichtszustand eintreten, sobald bei
einer gewissen Temperaturerniedrigung der durch Fortdauer der Dampfbildung
herbeigeführte Verlust an freier Wärme gleichzeitig durch Wärmezufuhr von außen
wieder ausgeglichen wird.
Der Eintritt, wie die Tiefe dieses niedrigsten Temperaturpunktes einer verdunstenden
Flüssigkeit ist mehr oder weniger von äußeren Einflüssen abhängig. Ersterer wird
aber in allen Fällen dadurch beschleunigt, daß bei sinkender Verdunstungstemperatur
die Spannkraft des gebildeten Dampfes, und mit dieser wieder die Dichtigkeit des
letzteren und seine Verdunstungsmenge abnimmt. Der Raum z.B. von 1cbm, welcher bei 34° sich mit 37g,25 gesättigten Wasserdampfes erfüllen
kann, vermag davon bei 0° nur 4g,76,
bei – 10° sogar nur 2g,29
aufzunehmen. Es ist hiernach vollkommen einleuchtend, daß von – 10° an
gerechnet, im Uebrigen unter gleichen Umständen, die Verdunstung viel langsamer
fortschreitet, folglich der Wärmezufluß von außen sich mehr geltend macht, als von
34° an gerechnet.
Aehnlich ist es bei anderen Flüssigkeiten – so jedoch, daß, allgemein
gesprochen, diejenige am raschesten verdunstet, welche bei einer gegebenen
Verdunstungstemperatur das größte Spannungsmaximum besitzt, oder, was dasselbe sagt,
deren Siedpunkt am niedrigsten liegt. So erhält man bei freiwilliger Verdampfung des
Aethers im Raume von 1cbm bei 34°
3750g, bei 0° 1515g, bei – 10° immer noch
654° Dampf, während das Wasser bei dieser niedrigen Temperatur nur 2g,29 liefert. Die weit geringere latente
Wärme des Aetherdampfes wird, wie man sieht, durch das ungleich größere Gewicht der
unter sonst gleichen Bedingungen verdunstenden Masse reichlich aufgehoben. So
versteht man leicht die allgemein bekannte stark abkühlende Wirkung des
verdunstenden Aethers.
Auffallender noch in dieser Hinsicht zeigen sich flüssige schweflige Säure und
flüssiges Ammoniak, deren Siedpunkte beziehungsweise bei – 10° und
– 33° liegen.
Die Stärke der Abkühlung einer verdunstenden Flüssigkeit wird wesentlich dadurch
gefördert, daß man den Wärmezufluß von außen möglichst zu hindern sucht. Dies
geschieht bekanntlich durch die Benützung schlecht leitender Umhüllungen.
Andererseits sucht man solche Einflüsse zu beseitigen, welche die Schnelligkeit der
Verdunstung stören. Dahin gehört zunächst Entfernung des äußeren Luftdruckes; denn
die Luft setzt, wenn auch nicht der Bildung, wohl aber der schnellen Ausbreitung des
von irgend welcher Flüssigkeit aufsteigenden Dampfes ein mechanisches Hinderniß
entgegen; so kommt es, daß ein gegebener Raum, zu dessen vollständiger Ausfüllung
mit gesättigtem Dampfe mehrere Minuten nicht ausreichen würden, sich nach Entfernung
der Luft fast augenblicklich damit sättigt.
Die Entfernung der Luft würde jedoch allein jedenfalls nicht genügen, um eine Wirkung
zu erzielen; es müssen durchaus auch die Dämpfe der Flüssigkeit und zwar dauernd
entfernt werden, da dieselben, sobald der vorhandene Raum mit ihnen gesättigt ist,
die weitere Verdunstung ja vollständig unterdrücken. Die Luft ist aus dem ganzen
Complex von Apparaten nur einmal zu entfernen, die Dämpfe aber unausgesetzt; es ist
also bei der Construction einer Eismaschine wesentlich dem letzteren Umstand
Rechnung zu tragen.
Die dauernde Entfernung der Dämpfe, die Herstellung eines möglichst leeren Raumes,
kann auf zweierlei Weise erreicht werden: entweder mechanisch mittels der Luftpumpe,
oder chemisch-physikalisch durch Auflösung (Absorption), sofern die Dämpfe
von Wasser oder anderen Flüssigkeiten aufgenommen werden. Da für diesen Proceß
jedoch nur Stoffe verwendbar sind, die technisch erst hergestellt werden müssen und
einen hohen Handelswerth besitzen, so handelt es sich bei der Eisfabrikation im
Großen ganz wesentlich um Zurückführung der entfernten Dämpfe in ihren
ursprünglichen Zustand der wieder verdampfbaren Flüssigkeit, so daß der gegebene
Stoff stets von Neuem verwendbar ist und sich nur in einem Kreislaufe befindet.
Diese Restituirung kann auch auf zweierlei Weise erfolgen, entweder mittels der
Luftpumpe durch Zusammendrücken der entzogenen Dämpfe und Abkühlen der stark erhitzten
verdichteten Dämpfe – oder durch Verdampfen der durch Wasser absorbirten
Dämpfe in einem Kessel bei höherer Temperatur, wobei die Dämpfe, unter starkem Druck
entwickelt, in ein Kühlgefäß eingeleitet werden und sich daselbst zu Flüssigkeit
condensiren. Die nach dem einen oder anderen Princip eingerichteten Eismaschinen
unterscheiden sich in Form und Wirkung in hohem Grad von einander; man könnte sie
mit Rücksicht auf die Restituirung des den Vorgang vermittelnden Stoffes als
mechanische oder als calorische bezeichnen. Die Aethermaschine und die
Ammoniakmaschine sind bis jetzt fast die einzigen Repräsentanten dieser beiden
Systeme, da die bei ihnen verwendeten Stoffe leicht und zu mäßigen Preisen zu
beziehen sind und den praktischen Anforderungen sehr gut genügen.
Die Aethermaschine. Dieselbe ist folgendermaßen
eingerichtet. Eine durch einen besonderen Motor (in der Regel Dampfmaschine)
betriebene doppeltwirkende Luftpumpe zieht unausgesetzt Aetherdampf aus einem mit
flüssigem Aether gefüllten Gefäß (Verdunstungsbehälter, Eisbildner); beim Rücklauf
des Kolbens wird der Dampf comprimirt und dann in ein durch Wasser gekühltes
Schlangenrohr getrieben; im Verhältniß, als der durch die Verdichtung heiß gewordene
Dampf sich hier abkühlt, condensirt er sich zu Flüssigkeit, welche in einem Gefäß
sich sammelt und von hier unter dem Druck des verdichteten Dampfes in den
Verdunstungsbehälter zurückgepreßt wird, woselbst sich das Spiel erneuert.
Das Princip der Aethermaschine wurde in England bereits im J. 1834 von Jac. Perkins
Die historischen Nachweise über die ersten Versuche zur Herstellung von
Eismaschinen, soweit in die technische Literatur darüber nichts eingegangen
ist, wurden dem Verfasser durch entgegenkommende Mittheilung der gedruckten
englischen Patentbeschreibungen Seitens des Patent
Office in London möglich gemacht, wofür an dieser Stelle öffentlich
Dank ausgesprochen wird. zu London patentirt (1834 64 46). Sein Apparat
enthält alle für eine continuirliche Functionirung erforlichen Organe:
Verdunstungsbehälter, Luftpumpe und Schlangenrohrcondensator. Der
Verdunstungsbehälter besteht nach der Zeichnung aus einem kesselartigen, aus zwei
Kugelabschnitten gebildeten Gefäß, welches rings von Wasser umgeben ist. Diese
Anordnung ist eine etwas unzweckmäßige, und darin mag der Grund liegen, daß man über
die Entwickelung des Apparates nichts weiter vernommen hat; vielleicht war aber auch
die Zeit damals noch nicht reif zur Verwerthung der Sache, resp. die Nachfrage nach
Eis noch nicht groß genug, um die künstliche Erzeugung desselben zu einem lohnenden
Geschäft zu machen. – Das nächste Patent auf eine Aether-Eismaschine wurde im
J. 1856 an John Harrison von Geelong in Victoria
ertheilt; im September 1857 erhielt derselbe ein Verbesserungspatent und nach dem
letzteren ist die Maschine folgendermaßen eingerichtet. Der Verdunstungsbehälter hat
die Form eines liegenden Röhrenkessels mit zahlreichen engen Röhren. Durch die
Röhren strömt unausgesetzt eine oben aufgepumpte concentrirte Kochsalzlösung und
zwar, da dieselben in drei Partien von oben nach unten getheilt sind, im Zickzackweg
nach unten. Die Aetherflüssigkeit strömt aus dem Condensator in den Kessel außerhalb
der Röhren oben zu. Die Kochsalzlösung gelangt aus dem Kessel in einen langen
Kasten, worin die zum Gefrieren eingehängten Gefäße mit Wasser (Eisbüchsen) sich
befinden, durchströmt denselben und wird durch die Pumpe in den Kessel
zurückgeschafft. Die Anordnung ist ganz rationell. Harrison gab in seiner Patentbeschreibung an, daß er mittels seiner
Maschine die Temperatur bis zu –29° habe bringen können; als
zweckmäßigste vom ökonomischen Standpunkt bezeichnet er jedoch eine solche von
–2° bis –5°; das Gefrieren geht zwar dann langsamer von
Statten, aber der Kraftaufwand der Maschine ist viel geringer und das Eis wird
durchsichtig wie das Natureis. Ende des J. 1859 wurde in Liverpool von Lawrence eine Fabrik zur Erzeugung künstlichen Eises
eingerichtet, welche das Pfund Eis zu 1/2 Penny verkaufte. Dullo (1860 158 115) und Grüneberg
Grüneberg, Polytechnisches Centralblatt, 1863 S.
656. haben (letzterer mit Abbildungen) Berichte über dieselben gegeben. Mit einer
Dampfmaschine von 15e sollen täglich 40 bis
60 Ctr. Eis hergestellt werden können. – Im J. 1860 beschrieb Laboulay
Laboulay, Bulletin de la
Société d'Encouragement, 1860 p. 129. eine Aether-Eismaschine von F. Carré in Paris. Bei derselben wirkte der verdunstende Aether
unmittelbar auf das zu gefrierende Wasser ein (1860 158
109). Dieselbe wurde übrigens von Carré bald
aufgegeben, nachdem derselbe zur Ausführung der viel wirksameren Ammoniakmaschine
gelangt war. – Im März des J. 1862 erhielt Dr.
Siebe in Lambeth (London) eine vervollkommnete
Construction der Eismaschine für England patentirt. Die allgemeine Anordnung ist die
gleiche wie bei Harrison. Statt des horizontalen wird
jedoch ein verticaler Röhrenkessel angewendet. Ferner finden sich Abänderungen an
Luftpumpe und Kühler, die jedoch das Princip nicht berühren; die Eisbüchsen sind
derartig eingerichtet, daß, wenn die zuerst gefrierende, welche der Einströmung der
kalten Lösung zunächst ist, herausgenommen wird, die ganze Reihe sich vorschiebt und
die mit frischem Wasser gefüllte Büchse sich hinten einsetzen läßt. – Von da an ist in der
Literatur Siebe's Name allein mit der fraglichen Maschine
verbunden, die übrigens wiederholt als nach Harrison's
Princip bezeichnet wird. Die Siebe'sche Maschine erschien auf der Londoner
Ausstellung 1862. Schmidt (1863 168 434) gab eine Beschreibung mit Zeichnung der zur Ausstellung
gebrachten Siebe'schen Maschine, wobei bemerkt wird, daß eine in Siebe's Eigenbesitz befindliche Maschine in 24 Stunden
mit einem Motor von 24e 5t Eis fertige; dies wären günstigen Falls
4k Eis auf 1k Kohle. Der Verdunstungsbehälter bei
dieser Maschine ist übrigens wieder ein Kessel mit horizontalen Röhren. Es wird
angegeben (1863 167 397), daß die Kosten für Fabrikation
des Eises 1 1/2 M. per Centner betrügen. – Eine weitere Nachricht über die
Siebe'sche Maschine brachte Engineering, November 1868
S. 483 (daraus in diesem Journal, 1869 191 189). Hiernach
befand sich eine solche in der Truman'schen Brauerei in London, mit einer Leistung
von 6t Eis in 24 Stunden, wofür eine
Hochdruckmaschine von 15e erforderlich war.
Mit 1 Ctr. Kohlen wurden 4 1/2 Ctr. Eis gefertigt. Die Kochsalzlösung soll hier eine
Temperatur zwischen –8° und –12° haben. Endlich erschien
noch im J. 1870 eine letzte Nachricht über die Siebe'sche Maschine (1870 195 522). Es wird hier eines neuen, sehr compacten
kleinen Apparates Erwähnung gethan, der mittels einer 5 bis 6 Pfund Kohlen stündlich
consumirenden 1pferdigen Dampfmaschine 12k,5 bis 15k Eis stündlich fertige,
d.h. also für 1k Kohlen 5k Eis. – Aus anderen Ländern und von
anderen Constructeuren ist über die Aether Eismaschine nichts bekannt geworden. In
Deutschland ist dieselbe unseres Wissens nicht in Gebrauch gekommen. Auf der Wiener
Weltausstellung war dieselbe übrigens in einem Exemplar (von Siebe und Gorman in London) vertreten (vergl.
1874 214 125). Auch auf die Blauerausstellung in Hagenau,
Herbst 1874, war eine Aethermaschine gesendet worden und zwar von Siddeley und Comp., durch Jolley und Comp. in Brüssel,
London und New-York. Nach deren Prospect waren an 49 verschiedene Firmen
diese Maschinen zum Theil in mehreren Exemplaren verkauft worden; die Abnehmer
befinden sich jedoch vorzugsweise in England, vom Continent sind keine namhaft
gemacht; 12 Maschinen gingen nach fremden Welttheilen. Unter den englischen
Abnehmern figuriren 11 Brauer und 8 Eisverkäufer. Die Maschinen werden in 12 Größen
gefertigt und zwar für eine Production von 127 bis 10150k in 24 Stunden; die Kosten des Eises für
100k sollen sich je nach der Größe der
Maschine auf 5,6 M. bis zu 60 Pf. herab belaufen.
Der Aether ist eine Flüssigkeit, welche unter gewöhnlichem Luftdruck bei 35° siedet; unter
anderen Umständen stehen Druck und Temperatur in folgender Beziehung:
Temperatur:
– 20
0
+20
40
60
90
120°
Druck:
0,09
0,24
0,6
1,2
2,3
5
10at.
Bei einer Verdampfung tief unter dem Gefrierpunkt des Wassers ist die Spannung der
Dämpfe sehr gering, vielleicht nur 0at,1,
und drückt deshalb die äußere Luft dauernd sehr stark auf das Verdunstungsgefäß,
sowie beim Ansaugen des Dampfes auf die Luftpumpe; die Verbindungen und Dichtungen
müssen daher mit großer Sorgfalt hergestellt werden, damit keine Spur von Luft
eindringe, welche sofort den schädlichsten Einfluß auf die Arbeit der Maschine,
resp. auf die Schnelligkeit der Verdampfung ausüben würde. Bei der Comprimirung des
Dampfes steigt dessen Druck auf mehrere Atmosphären; auch findet eine
Temperaturerhöhung statt, die gewiß mehr als 60° beträgt. Unter diesem Druck
abgekühlt, condensirt sich der Dampf zu Flüssigkeit. Nähere Angaben über die
Druck- und Temperaturverhältnisse des Aetherdampfes in der Eismaschine
konnten nicht gefunden werden. Die Basis für die Berechnung der theoretischen
Leistungsfähigkeit der Maschine ist übrigens die gleiche wie bei der später zu
besprechenden Luftmaschine, für welche die erforderlichen Daten vorliegen; es kann
deshalb auf letztere verwiesen werden. Aus der bekannten Größe von 90° für
die latente Wärme des Aetherdampfes kann abgeleitet werden, wie viel Aether für eine
bestimmte Menge Eis theoretisch verdunstet werden muß.
Ersatz des Aethyläthers durch Methyläther. Der
Methyläther, die durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Methylalkohol oder Holzgeist
gebildete, dem durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Weingeist erzeugten
gewöhnlichen Aether homologe Verbindung, unterscheidet sich von diesem durch viel
größere Flüchtigkeit. Der Methyläther ist bei gewöhnlicher Temperatur und
gewöhnlichem Atmosphärendruck gasförmig und läßt sich nur durch starke Abkühlung
oder Zusammendrückung zu einer Flüssigkeit verdichten. Diese siedet unter dem Druck
einer Atmosphäre schon bei –21°. Tellier in
Paris hat diese Substanz als Kälte erzeugendes Mittel in einer Eismaschine benützt,
welche im Uebrigen constructiv genau der zuvor beschriebenen Aethermaschine
entspricht (1872 203 191). Der Unterschied in der Wirkung
ist nur darin zu suchen, daß man eine viel niedrigere Temperatur herstellen kann,
und daß im Inneren des ganzen Maschinencomplexes stets ein starker Ueberdruck
herrscht, so daß der Dampf das Bestreben hat, an den Dichtungen herauszutreten und
der Luft der Eintritt damit verwehrt bleibt; auch kann die Luftpumpe von viel kleineren
Dimensionen sein, da sie dichteren Dampf zieht und comprimirt, wodurch die
Arbeitsverluste der Kolbenreibung beträchtlich vermindert werden. Wird übrigens in
Wirklichkeit bei größeren Temperaturdifferenzen wie in der gewöhnlichen
Aethermaschine gearbeitet, so muß der Motor eine größere Arbeit aufwenden, wie sich
aus der Theorie der Luftmaschine ergibt. Für gleiche Temperaturen bei der
Verdampfung und Verdichtung ist der theoretische Nutzeffect beider Maschinen der
gleiche. – Tellier hält von dem Methyläther immer
eine hinreichende Menge in gußeisernen Gefäßen, die einen Druck von 10at aushalten können, vorräthig; öffnet man
einen Hahn, so entströmt das Gas, die Flüssigkeit kühlt sich ab, und indem man das
Gefäß in Wasser stellt, kann man dieses bald zum Gefrieren bringen. Der Aether geht
dabei allerdings verloren. Gelegentlich wird man übrigens von diesem Mittel Gebrauch
machen können.
In der Bierbrauerei von Dörrendinger in Hagenau ist seit
Sommer 1874 eine große Tellier'sche Eismaschine zum Betrieb aufgestellt. Dieselbe
dient zum Kühlen der Lagerkeller, und zwar ist die Einrichtung getroffen, daß eine
von der Maschine gekühlte concentrirte Kochsalzlösung in niedrige Bassins von Blech
fließt, welche über den Fässern unmittelbar unter der Decke des Kellers angebracht
sind; die an den Flächen sich bildende kalte Luft sinkt nieder und kühlt dadurch den
Raum ziemlich gleichmäßig. Zugleich ist damit eine Austrocknung des Kellers
verbunden, da die Feuchtigkeit der Luft sich als Eis an die äußere Blechwand
niederschlägt. Aus den Bassins wird die bis zu einem gewissen Grad erwärmte
Kochsalzlösung in die Maschine zurückgeführt.
Noch andere Substanzen von niedrigem Siedepunkt lassen sich gleich den genannten
Aetherarten als Mittel zur Temperaturerniedrigung benützen, ohne daß von der
theoretischen Nutzleistung ein anderes Ergebniß zu erwarten wäre. So verwendet van der Weyde in New-York das Chymogen, einen
zwischen 0° und 16° verdampfenden Bestandtheil des natürlichen
Petroleums, von welchem 1l in den
Vereinigten Staaten nicht mehr als 14 bis 24 Pf. kostet.Wagner's Jahresbericht, 1869 S. 506.
Liénard und Hugon in
Paris sollen Schwefelkohlenstoff anwenden.Privatmittheilung. Ueber einen originellen Vorschlag (von Mort und
Nicolle), der als eine Combination des soeben
besprochenen mit dem folgenden System anzusehen ist, werden wir später zu berichten
haben.
Verwendung der Kohlensäure. Die Kohlensäure ist
wiederholt als Mittel zur Kälteerzeugung vorgeschlagen worden; so wurde im J. 1867 ein englisches Patent
auf dieselbe mit vorläufigem Schutz genommen, aber nicht weiter verfolgt. A priori kann man die Kohlensäure nicht für ein sehr
geeignetes Mittel zur Kälteerzeugung halten. Sie hat allerdings vor allen anderen
bis jetzt angewendeten Stoffen (mit Ausnahme der Luft) den Vorzug der Billigkeit
und, den Aetherarten gegenüber, der Unverbrennlichkeit und dadurch Ungefährlichkeit.
Der Druck der flüssigen Substanz ist jedoch ein enormer und darum müssen die Gefäße
sehr stark hergestellt werden und werden die Dichtungen Schwierigkeiten verursachen.
Temperatur und Druck der flüssigen Kohlensäure stehen nämlich im folgenden
Verhältniß.
Temperatur:
– 60
– 30
– 15
– 5
0
+ 10
+ 15
+ 30°
Druck:
4,5
16
25
33
38
46
51
73at.
Da die Temperatur, bei welcher die Kohlensäure in dem Kühler verdichtet wird, nicht
niedriger als + 10° sein kann, so steht sie also dann unter einem Druck von
46at, und die Verdunstung würde etwa
bei –30° unter einem Druck von 16at erfolgen. Die Compressionspumpe, allerdings sehr klein, hätte dann bei
einem Druck von 16 bis 46at zu
arbeiten.
Die Wiener Weltausstellung führte einen eigenthümlichen Versuch vor, die Kohlensäure
zugleich als Kraft und Kälte erzeugendes Mittel zu verwenden. Die betreffende
Maschine war von L. Seyboth in Wien aufgestellt und
folgendermaßen angeordnet. Die Kohlensäure wurde aus Spatheisenstein mit
Schwefelsäure hergestellt. Sie entwickelte sich in einem geschlossenen Raume unter
einem Druck von 4 bis 6at. Auf
Brunnenwasserwärme abgekühlt, strömte sie dann in eine Expansionskolbenmaschine, um
hier gleich dem Dampf Arbeit zu leisten. In Folge der starken Expansion kühlt sie
sich bedeutend ab (siehe weiter unten) – es sollen Temperaturen von 20 bis
30° unter Null erreicht worden sein – und kann aus der Maschine
austretend zum Abkühlen von Stoffen, zur Eiserzeugung etc. verwendet werden. Endlich
steht die Kohlensäure auch noch zur Herstellung von Sodawasser zur Benützung. Die
zur Ausstellung gebrachte Maschine leistete als Motor die Arbeit von 2e. Die Kosten des Gases sollen durch den
gebildeten Eisenvitriol gerade gedeckt werden; aus 1 Ctr. Schwefelsäure (5 fl. ö.
W.) und 1 Ctr. Spatheisenstein (1 fl. 50 kr., zusammen 6 fl. 50 kr.) erhält man 240
Pfd. Eisenvitriol (zu 3 fl. pr. Ctr., gibt 7 fl. 20 kr.). Der Gedanke dieser
Combination ist ohne Zweifel recht sinnreich, in einem einzelnen Falle mag sich auch
die Ausführung lohnend erweisen; eine allgemeine technische Verwerthung läßt sich
jedoch darauf nicht gründen. 1 Ctr. Spatheisenstein gibt ungefähr 20k Kohlensäure, entsprechend 2cbm
bei 5at. Auf 1at expandirt kann diese Menge theoretisch
höchstens 170000mk Arbeit leisten,
entsprechend 1e während etwa einer halben
Stunde. Durch die Expansion verliert das Gas ungefähr 200c, und höchstens der gleiche Betrag steht
für Eisbildung zur Verfügung; kaum 2c Eis
sind damit herzustellen. Es ergibt sich hieraus, daß außerordentlich große Mengen
Materials für den Proceß erforderlich sind, so daß sich für den gewonnenen
Eisenvitriol kaum genügende Verwendung finden dürfte. Auch die abziehende
Kohlensäure ließe sich nur zum kleineren Theile für Bereitung von kohlensaurem
Wasser nutzbar machen und müßte für diesen Zweck erst wieder comprimirt werden, so
daß es vortheilhafter erschiene, dieselbe gleich von Anfang an, wenn sie aus dem
Entwickler kommt, in das Wasser zu leiten. Wir können somit dem ausgeführten ApparatApprat kein günstiges Prognostiken stellen; viel rationeller würde die Verwendung
der Kohlensäure im Kreisproceß sein.
(Fortsetzung folgt.)