Titel: | Ueber die Bestimmung der Entzündungstemperatur explosiver Stoffe; von Fillip Hess, Hauptmann des Generalstabes. |
Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 227 |
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Ueber die Bestimmung der Entzündungstemperatur
explosiver Stoffe; von Fillip Hess, Hauptmann des
Generalstabes.Mittheilungen aus dem Laboratorium des technischen und administrativen
Militär-Comités in Wien, vom Verfasser gefälligst eingesendet.D. Red.
Mit einer Abbildung auf Taf. VI [c.d/1).
Heß, über die Bestimmung der Entzündungstemperatur explosiver
Stoffe.
Das bisher ziemlich allgemein angewendete Verfahren, um die Temperatur zu ermitteln,
durch welche die Explosion detonirbarer Substanzen eingeleitet wird, besteht in der
Erhitzung solcher Körper in Proberöhrchen, welche in ein Metall- oder
Paraffinbad eingesetzt worden sind.
Von dem Augenblicke an, wo das Metall oder Paraffin sich verflüssigt hat, wird sowohl
ein Proberöhrchen, als auch ein Thermometer in das Bad eingesetzt und dieses dann
successive erwärmt. Schon die Temperatur, bei welcher nach solch allmäliger
Erhitzung ein Verpuffen eintritt, wird oft als Explosionstemperatur bezeichnet. Sie
kann gleichwohl bei den meisten Explosivstoffen nicht mehr als Entzündungstemperatur
des unveränderten Körpers angesehen werden, da dieser bei der langsam steigenden
Temperatur bereits eine Lockerung seines chemischen Gefüges erfahren hat.
Schon Abel hat einen solchen Unterschied in dem
Explosionsverhalten der Schießbaumwolle bemerkt und gefunden, daß dieser Körper, von
100° an langsam erhitzt, schon bei 180° explodire, während der
Explosionspunkt bei rascher Erwärmung auf ca. 250° steigt.
Ich habe ein ähnliches Verhalten bei einer ziemlichen Reihe von Substanzen bestätigt
gefunden, unter welchen ich nur das Kieselguhr-Dynamit, die reine
Schießbaumwolle und das Schultze'sche Pulver (Nitroholzzeug mit Chloraten und
Nitraten gemengt) hervorheben will.
Der Weg, welchen ich bei dieser Untersuchung einschlug, bestand darin, daß die zu
untersuchende Substanz schon von dem Schmelzpunkte des Paraffins (60° = e₀) an langsam erhitzt wurde, bis die exponirte
Probe bei einer Temperatur e₀¹ sich
entzündete.
Es wurde sofort eine zweite Probe in eine benachbart eingesenkte Eprouvette
eingesetzt, die Temperatur e₁, bei welcher dies
geschehen, notirt und
unter Beobachtung der verfließenden Zeit die Erhitzung fortgesetzt. Ich erhielt
hiernach eine zweite höher gelegene Temperatur e₁¹ und eine Explosionszeit t₁, nach welcher die Verpuffung erfolgt war. Durch Fortsetzung dieses
Verfahrens wurden die zu einander gehörigen Zahlen e₂, e₂¹, t₂, e₃, e₃¹, t₃
etc. ermittelt, bis endlich bei zwei auf einander folgenden Versuchen tn und tn + 1 gleich gefunden wurden. Diese Zeit tn war für das Präparat offenbar
erforderlich, um die Temperatur des Bades anzunehmen, und betrug meist nur wenige
Secunden. Als wahre Explosionstemperatur, d.h. als jene, bei welcher eine
detonirende Substanz sofort explodirt, konnte sonach mit genügender Genauigkeit die
Temperatur (en +
en¹)/2
angenommen werden, wenn die Zeit zwischen einer Explosion und dem Eintragen der
nächsten Probe stets so klein als möglich genommen war.
Ich erhielt so unter Anwendung eines Paraffinbades die folgenden Resultate.
Resultate
Reinste Schießwolle,in Hirtenberg
nachLenk's Verfahrenerzeugt
Kieselguhr-Dynamit.
Schultze's Pulver.
e
e¹
t
e
e¹
t
e
e¹
t
e₀, e₀¹
60
182
–
60
180
–
60
170
–
e₁, e₁¹, t₁
184
188
90''
182
185
75''
176
182
25''
e₂, e₂¹, t₂
204
207
25''
190
193
20''
184
188
20''
e₃, e₃¹, t₃
224
226
10''
205
207
15''
192
199
10''
e₄, e₄¹, t₄
229
230
8''
217
220
10''
200
205
8''
e₅, e₅¹, t₅
238
239
5''
227
228
8''
215
217
5''
e₆, e₆¹, t₆
249,5
250,5
2''
229
231
5''
219
220
2''
e₇, e₇¹, t₇
250,5
251
2''
231
231,5
5''
220
221,5
1''
e₈, e₈¹, t₈
–
–
–
–
–
–
222
222
1''
(en + en¹)/2
250
–
230
–
220,75
–
Die eben geschilderte Methode gibt nun zwar sehr genaue Resultate, erfordert aber
viel Zeit und mühsame Beobachtung. Bekanntlich wurde von Champion und L. Leygue (1872 203 303) das Verfahren von Despretz, die Wärmeleitungsfähigkeit der Metalle zu untersuchen, dazu
benützt, eine expeditivere Methode für die Bestimmung der Entzündungstemperaturen
explosiver Stoffe zu schaffen. Diese bekannte Untersuchungsmethode erfordert in der
durch die beiden Autoren benützten Anordnung: 1) wegen der starken Dimensionen des
Stabes eine Anfeuerung von großer Intensität an dem Ende, wo der Metallstab direct erhitzt werden
soll, damit die empirische Wärmescale nicht gar zu kurz ausfalle, und läßt 2) eine
Regulirung der Hitze an dem zu glühenden Ende des Stabes nicht sehr leicht zu,
wodurch die Wärmecurve des Stabes und damit die mit der Methode erlangten Resultate
leicht schwanken können.
Ich habe daher versucht, unter Aufrechthaltung des Princips die Versuchsmittel zu
vereinfachen, so daß derartige Bestimmungen in jedem Laboratorium vorgenommen werden
können, und unter Fortsetzung einer ein- für allemal bestimmten Wärmescale
die Wärmequelle stets derart zu reguliren, daß die fixe Scale jederzeit den
Wärmezustand des Stabes ausdrückt.
Nach meiner Modification bestünde der Apparat aus einer Platinlamelle, zu welcher ein
größerer Platinspatel, wie man ihn in jedem Laboratorium verwendet, adaptirt werden
kann, dann aus einem Löthrohrgebläse mit Gasfeuerung. Man spannt den Platinspatel an
seinem Griffe in horizontaler Lage fest ein, und markirt durch zwei sich kreuzende
Nadelritze nahe dem Spatelende einen Punkt in der Längenachse des Spatels, gegen
welchen man die Stichflamme des Löthrohrgebläses wirken läßt (vergl. Fig. 8).
Die Flamme f wirkt derart schief gegen den markirten
Punkt b daß eine Wärmestrahlung gegen den Griff des
Spatels möglichst vermieden wird; ein an dem Löthrohr anzusetzendes Schutzblech s hindert diese Wärmestrahlung vollends, und man hat es
nun durch Regulirung des Gas- und Lufthahnes am Gebläse in der Hand, dem
Punkte b beliebige Temperatur zu geben.
Man bestimmt nun für eine gegebene Hahnstellung jene Punkte an der Spatelachse, deren
Wärme den bekannten Explosionstemperaturen gewisser Substanzen (Schießwolle,
Schwarzpulver, Nitroglycerin, Mirbanöl, Knallzucker etc.) entspricht, und ebenso
jene Punkte, wo eben Wismuth, Cadmium, Zinn, Blei, Antimon etc. schmelzen. Man
erhält so eine empirische Scale, die man durch Nadelritze an der Spateloberfläche
markirt.
Um nun späterhin den Punkt b immer wieder derart zu
erwärmen, daß die Scalenpunkte mit den zugehörigen Explosions- oder
Schmelzeffecten thatsächlich zusammentreffen, genügt es, einen dieser Punkte, z.B.
den Schmelzpunkt eines Metalles oder den Explosionspunkt eines Körpers, in
Uebereinstimmung mit dem zugehörigen Punkte der Scale zu bringen. Man legt zu diesem
Ende z.B. ein Flöckchen Schießwolle von der Größe eines Stecknadelkopfes auf den
zugehörigen Explosionspunkt und steigert die Temperatur in b durch Regulirung der Hähne derart, bis das Flöckchen explodirt; man wiederholt den
Versuch und stellt die Hähne nunmehr schärfer und zwar derart ein, daß jedes
Schießwollflöckchen sofort explodirt, wenn es auf dem zugehörigen Scalenpunkt
niedergelegt wird.
Schließlich überzeugt man sich, ob nicht etwa auf einem von b entfernteren Achsenpunkte des Spatels die momentane Explosion der
Schießwolle eintritt, in welchem Falle b zu stark
erhitzt wäre.
Hat man so die thatsächliche Uebereinstimmung der factischen Wärmecurve des Stabes
mit der empirischen Scale erreicht, so erfolgt die Bestimmung des Explosionspunktes
eines neuen Sprengmittels einfach dadurch, daß man dieses Präparat längs der Achse
des Spatels dem Punkte b so lange nähert, bis die
Explosion erfolgt. Das Bewegen des Sprengmittels auf dem Spatel kann am besten mit
einem dünnen Platindraht vorgenommen werden.
Ist der Explosionspunkt vorläufig gefunden, so wird das Präparat wiederholt mit dem
Platindrahte direct auf diese oder, wenn nöthig, auf eine dem Punkte b nähere Stelle gebracht, wobei sich in der Regel zeigt,
daß bei directem Exponiren zur hohen Hitze die Explosionstemperatur etwas höher
liegt als jene, welche vorläufig durch langsames Vorschieben längs der Spatelachse
gefunden wurde.
Eine 10- bis 12malige Wiederholung des Versuches ist zur festen und genauen
Bestimmung der Explosionstemperatur unerläßlich.