Titel: Die Gasfeuerung bei Heizung der Retortenöfen zur Herstellung von Leuchtgas (System Müller und Eichelbrenner); von Ferdinand Steinmann, Civilingenieur in Dresden.
Fundstelle: Band 218, Jahrgang 1875, S. 406
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Die Gasfeuerung bei Heizung der Retortenöfen zur Herstellung von Leuchtgas (System Müller und Eichelbrenner)Nach Armengaud, Publication industrielle, v. 22 p. 279 und L. Ramdohr: Die Gasfeuerung oder die rationelle Construction industrieller Feuerungsanlagen. (G. Knapp. Halle 1875.); von Ferdinand Steinmann, Civilingenieur in Dresden. Mit Abbildungen auf Taf. IX [d/2]. Steinmann, über Müller und Eichelbrenner's Gasretortenöfen. Die Anwendung des Regenerativsystems zur Heizung von Gasretorten-Oefen datirt meines Wissens bereits aus dem J. 1863, und zwar wurde dasselbe in London, darauf in Paris bei einigen Oefen zur Ausführung gebracht, weshalb es auch unstreitig als die Basis der später construirten directen Gasfeuerung für diesen Zweck zu betrachten ist. Ich habe aber selbst in der 2. Auflage meines „Compendium der Gasfeuerung“ Engelhardt'sche Buchhandlung (M. Isensee). Freiberg 1876. geflissentlich diese Art der Regenerativöfen unerwähnt gelassen, weil dieselben meiner Ueberzeugung nach für die Praxis nie eine größere Bedeutung erlangen können. Denn abgesehen von der an sich schon complicirten Einrichtung eines einfachen Retortenofens und der höheren Anforderung, welche man an die Bedienung eines solchen im Interesse der constanten guten Leuchtgasbereitung zu stellen genöthigt ist, so kommt gegenüber dem Nutzen, welchen das Regenerativsystem bringen soll, doch hier ganz speciell der Kostenpunkt in Frage. Die Regeneration ist nun überhaupt nur denkbar für mindestens zwei gekuppelte Achteröfen, absorbirt aber dabei an Baucapital mindestens ebensoviel als diese; dazu erfordert sie für sich allein einen Mann zur Bedienung, so daß der Nutzen selbst bei wenig mehr als zwei Achteröfen als illusorisch zu betrachten ist. Nur bei Gasfabriken ersten Ranges, wo, wie dies thatsächlich in London und Paris der Fall ist, ganze Batterien unausgesetzt von einem Regenerativapparat bedient werden, kann damit ein wenn auch immerhin nur mäßiger Nutzen gegenüber der directen Heizung zu erzielen sein. Dagegen bietet der Gasretortenofen für die directe Gasfeuerung darum schon ein vortheilhaftes Object, weil die vielfache Berührungsfläche, welche er den Generatorgasen darbietet, deren völlige Verbrennung im hohen Grade begünstigt, wenn die Zuführung der Verbrennungsluft in geschickter Weise erfolgt. Dieses Problem haben aber Müller und Eichelbrenner durch ihre in Frankreich mehrfach ausgeführte Construction in bester Weise gelöst, und hat L. Ramdohr die erste Abhandlung darüber in deutscher Sprache in seinem erwähnten Werke veröffentlicht. Es mag hierbei gleich erwähnt sein, daß dieses Werk, welches ganz speciell die directe Gasfeuerung behandelt und von welchem vorläufig der erste Theil erschienen ist, den Vorzug großer Gründlichkeit besitzt. Es beschreibt insbesondere die einzelnen Gegenstände in ihrer stufenweisen Entwicklung und ist mit einem bedeutenden Materials authentischer Zahlen und Tabellen über angestellte Versuche und Beobachtungen ausgerüstet. Um zunächst die Hauptvortheile zu erwähnen, welche die Müller und Eichelbrenner'sche Construction auszeichnet, so ist der wichtigste ihre Einfachheit und zugleich die Möglichkeit, sie ohne sehr bedeutende Kosten bei jedem großen Retortenofen anzulegen, wenn nur der nöthige Platz für einen Generator vorhanden ist. Bezüglich der Brennmaterialersparniß ist ferner zu bemerken, daß gegenüber der directen Feuerung, welche nach dem System der Pariser Gesellschaft auf 100k destillirter Steinkohlen 24k,5 Coaks beansprucht, hier entsprechend nur 17k,5 gebraucht werden (den Destillationsverlust der Steinkohle zu 30 Proc. und die Coaksproduction zu 70 Proc. vorausgesetzt)Neue Oefen mit Siemens'scher Regenerativfeuerung, wie sie die Pariser Compagnie als Achteröfen in Batterien gruppirt, betreibt, ohne erhebliche Abkühlung, verbrauchen angeblich 18 bis 19k Coaks auf 100k destillirte Kohle.. Ramdohr referirt nun des Weiteren folgendermaßen: „Bei den Oefen mit Rostfeuerung häufen die Heizer aus Bequemlichkeit möglichst viel Brennstoff auf dem Roste an, um so selten als möglich nach dem Feuer sehen zu müssen, und es ist geradezu unmöglich, ihnen begreiflich zu machen, daß die erzielte Hitze durchaus nicht immer proportional dem auf den Rost geworfenen Brennmaterial ist. Bei dieser gewöhnlichen und fast unvermeidlichen Art der Rostbeschickung wird stets eine unvollständige Verbrennung bewirkt, besonders aber sehr viel Kohlenoxydgas erzeugt, dem es an der genügenden Menge von Sauerstoff und an Gelegenheit, sich ganz innig mit demselben zu mischen, fehlt, und welches daher als reiner Verlust durch den Schornstein in die Luft gejagt wird. Andererseits halten die Heizer aber häufig den Rost auch wieder nur zu schwach oder gar nicht mit Brennmaterial bedeckt und kühlen dadurch nicht nur die Flamme, sondern den ganzen Ofen in der nachtheiligsten Weise durch die in großen Ueberschuß einströmende atmosphärische Luft ab. In beiden Fällen wird natürlich auch der Destillationsproceß ein mangelhafter sein müssen. Freilich gibt es auch hier, wie überall, eine goldene Mittelstraße und eine Stärke der Brennmaterialschicht, welche einen guten Betrieb sichert; indeß wird es stets – theils aus Mangel an genügender Controle, theils aus anderen Gründen – selten sein, normal bediente Feuerungen zu finden. Außerdem verlangt die richtige Bedienung der Rostfeuerung aufmerksame und intelligente Arbeiter.Wohl mehr ersteres als letzteres.St. Das Brennmaterial muß oft aufgegeben und gleichmäßig ausgebreitet werden; dadurch aber wird ein häufiges Oeffnen der Feuerthür bedingt, wobei die äußere kalte Luft mit Vehemenz einströmt, häufig ein Springen der Retorten und in jedem Falle eine starke Abkühlung verursacht. Beim Abschlacken des Rostes wird Asche aufgewirbelt, die sich auf den Retorten ablagert und die Durchheizung derselben erschwert, wenn nicht rechtzeitig für ihre Entfernung Sorge getragen wird. Die Anwendung der Gasfeuerung beseitigt alle diese Uebelstände. Da die Stärke der von der Luft durchstrichenen Brennmaterialschicht constant ist, so hat man den Schieber auch nur ein Mal für alle zu reguliren, um eine ganz gleichmäßige Gasproduction zu erzielen; durch Regulirung des Luftschiebers erreicht man eine durchaus vollständige Gasverbrennung ohne Luftüberschuß und damit in den Ofen selbst eine durchaus gleichmäßige Hitze. Bei dem Ofen von Müller und Eichelbrenner sind die Ausströmungsöffnungen für das Gas auf die ganze Länge des Ofens vertheilt und regulirbar, und es wird durch diese Einrichtung eine so gleichmäßige Hitze im ganzen Ofen erzielt, wie es bei Anwendung von Rostfeuerung unmöglich ist. – Man hat weder Feuerthüren zu öffnen, die stets kalte Luft unnöthig einströmen lassen und dadurch die Retorten zerstören, noch hat man Flugasche zu entfernen, welche die Wärmeleitung durch die Retortenwände beeinträchtigt. Bei der Gasfeuerung wird außerdem sehr viel an Handarbeit erspart, da der Brennstoff nur etwa alle 8 bis 12 Stunden nachgefüllt zu werden braucht; es lassen sich deshalb auch die einfachsten Arbeiter in wenig Tagen zu guten Heizern ausbilden.Das kann, wie ich aus eigener Erfahrung versichere, sich höchstens auf das Gasschüren mit Coaks beziehen, jedes andere Brennmaterial erfordert eine ziemliche Uebung.St. Eine Vergeudung von Brennstoff ist durchaus unmöglich, da der Heizer eben nicht mehr Brennstoff in den Rumpf des Generators schütten kann, als dieser aufzunehmen vermag. Es sind also die einfache Bedienung und verminderte Controle, erhebliche Kohlenersparniß etc. eine Reihe von Vortheilen, denen nicht ein einziger Nachtheil entgegensteht. Aus der durch die Figuren veranschaulichten Einrichtung der Gaserzeuger und der Retortenöfen ist die Bestätigung des eben Gesagten sofort ersichtlich. Die Figuren 31 bis 34 geben zwei combinirte Oefen zu 7 Retorten, mit einem hinter denselben und in der Verlängerung der Achse der zwischen beiden Oefen befindlichen Scheidewand aufgestellten Gaserzeugungsofen, welcher gestattet, daß sowohl jeder der beiden Oefen für sich allein, als auch beide gleichzeitig von ihm mit Gas gespeist werden können. Der GaserzeugungsofenDieser Generator ist, wie auch erwähnt, speciell nur für Steinkohlencoaks. Gasfabriken, welche mit anderen Brennstoffen arbeiten als Steinkohlen, finden für diesen Zweck in meinem „Compendium der Gasfeuerung“ ein ganzes Sortiment approbirter Gaserzeuger.St., von welchem Fig. 34 einen senkrechten Durchschnitt gibt, besteht aus einem Rumpfe A von der Höhe des Ofens und von solchen Dimensionen im Querschnitt, daß er das für 24 Stunden erforderliche Heizgas zu produciren vermag. Ein im unteren Theile angebrachter Treppenrost B dient zur Luftzuführung und verhindert gleichzeitig das Herausfallen des Brennmaterials. Der Rumpf ist stets mit Coak gefüllt. Der letztere brennt im unteren Theile und zwar in der ganzen Höhe vom Treppenrost B bis zu den Gasabzugsöffnungen h. Die Dicke der Brennmaterialschicht ist so bedeutend, daß die ursprünglich resp. in den untersten Lagen derselben in der Form von Kohlensäure auftretende Sauerstoffverbindung wieder zu dem brennbaren Kohlenoxyd reducirt wird,Wenn ich diesen Satz wörtlich nach dem Urtext wiedergebe, so will ich doch nicht unterlassen, hierdurch seinen hypothetischen Charakter besonders zu betonen und verweise dabei auf den Abschnitt: Bildung der Generatorgase im „Compendium der Gasfeuerung“.St. welches durch die Abzugsöffnungen h in den Sammelcanal S tritt. Ein in dem Zutrittscanal befindlicher Schieber dient zur Regulirung der Gaszuführung. Der Canal S', welcher sich unterhalb des Ofens und in der ganzen Länge des letzteren hinzieht, ist in seinem oberen Theile mit einer entsprechenden Anzahl von Oeffnungen versehen, durch welche das Regeneratorgas in den Retortenofen tritt. Zu beiden Seiten dieser Gasausströmungsschlitze tritt aus schrägstehenden Schlitzen die, durch die auf beiden Seiten gelegenen Luftcanäle zugeführte, heiße atmosphärische Luft in den Ofen, mischt sich innig mit den aus dem Canale S strömenden Gasen und bewirkt so eine vollständige Verbrennung derselben. Die Flamme steigt nicht senkrecht bis zur Mittelretorte in die Höhe, sondern wird durch einen Chamotteschirm nach beiden Seiten ausgebreitet, wodurch die vorzeitige Zerstörung der Mittelretorte verhütet, gleichzeitig aber auch bewirkt wird, daß die zu beiden Seiten gelegenen unteren Retorten mehr und gleichmäßigeres Feuer erhalten, als dies bei den meisten Oefen älterer Construction der Fall ist. Die Flamme steigt, nachdem sie die unteren Seiten der Retorten passirt hat, bis zum Scheitel des Ofengewölbes auf und fällt dann von da aus, nach allen Seiten sich ausbreitend, in die unterhalb der unteren Retorten gelegenen Züge f, von wo aus sie in den Schornstein gelangt. Die zur Verbrennung der Gase erforderliche atmosphärische Luft tritt durch die mit Regulirungsschiebern versehene Züge a ein und circulirt in dem heißen Mauerwerk oder in eisernen, durch die Rauchcanäle f geheizten Röhren, so daß sie sehr stark vorgewärmt aus den Düsen tritt. Der Rumpf des Gaserzeugers besteht aus Mauersteinen mit eingesetztem Chamottefutter und wird durch eine gußeiserne Platte geschlossen, die entweder mit etwas Erde oder Lehm, besser aber durch einen ordentlichen Sandverschluß gedichtet wird. Die Arbeit des Heizers besteht nur darin, im Verlaufe von 24 Stunden den Rumpf 2 bis 3mal nachzufüllen und einmal täglich den Rost zu reinigen.Kann sich nur auf eine bestimmte, gewiß auch nur die beste Qualität Coaks beziehen.St. Seine Arbeit ist also so gering wie nur möglich. Mit Hilfe der Gas- und Luftschieber wird die Menge der beiden zur Verbrennung erforderlichen Gase so geregelt, daß die Verbrennung so vollständig wie nur möglich erfolgt und weder von dem einen noch dem anderen Gase zuviel eintritt. Mit dem Schornsteinregister dagegen wird die Temperatur im Ofen, also die Lebhaftigkeit des Verbrennungsprocesses geregelt. So lange der Ofen im Betriebe ist, hat man, nachdem die Zuströmung des Gases und der Luft, sowie der Zug des Schornsteines geregelt ist, nie wieder an den Registern zu stellen. In der Regel geht also der Betrieb ganz ununterbrochen fort, bis die Retorten umgelegt werden müssen, mithin mindestens 1 Jahr lang und darüber. Es ist leicht erklärlich, daß bei einem solchen Ofen die Retorten von weit längerer Dauer sein müssen als bei einem Ofen mit Rostfeuerung, wo bei jedesmaligem Oeffnen der Feuerthür kalte Luft in den Ofen strömt. Ebenso ist es leicht begreiflich, daß, da der Rumpf stets verschlossen ist, und nur beim Nachfüllen von Coaks geöffnet wird, der Heizer aber außerdem täglich nur einmal am Feuer zu stören hatKann sich nur auf eine bestimmte, gewiß auch nur die beste Qualität Coaks beziehen.St., eine Vergeudung von Brennstoff geradezu unmöglich ist. Der Gasofen verbrennt in gleichen Zeiträumen stets die gleiche Menge Material, und eine Vermehrung oder Verminderung dieser Menge läßt sich nur durch veränderte Schieberstellung bewirken. Was die Herstellungskosten der Retortenöfen nach dem System von Müller und Eichelbrenner anlangt, so variiren dieselben natürlich mit den Preisen der Baumaterialien und Arbeitslöhne. Sie sind aber von denen der gewöhnlichen Oefen mit Rostfeuerung nicht wesentlich verschieden, da die innere Einrichtung in der Hauptsache dieselbe ist, und nur die Kosten für die aus besonderen Chamottefaçonstücken bestehenden Gasausströmungsschlitze, die sogen. Gasbrenner, hinzutreten. Nach Fichet beträgt das Gewicht dieser, sowie sämmtlicher übrigen, zu den Gas- und Luftcanälen erforderlichen Chamottefaçonstücke nicht über 2000k. In dem Gasofenrumpfe sind 4 bis 6cbm Mauerwerk vorhanden. Die Figuren 35 bis 38 stellen zwei gekuppelte kleinere Retortenöfen jeder zu 3 Retorten dar, die sich sehr wohl für solche Etablissements eignen, welche ihr Leuchtgas selbst fabriciren. Auch hier genügt ein Generator für beide Oefen; es ist durchaus nicht erforderlich, daß er die in der Zeichnung ihm angewiesene Stelle einnehme, vielmehr hängt der ihm zugewiesene Platz gänzlich von dem disponiblen Raume und von localen Verhältnissen ab. Mit diesem einen Generator können ferner, wie in dem vorhergehenden Falle, entweder beide Retortenöfen oder nur einer derselben betrieben werden. Wie in den vorigen Figuren 31 bis 34, so bezeichnen auch hier A den Rumpf des Generators, B den Treppenrost, h die Gasleitungscanäle, r den Schieber, S den Gashauptcanal, d die Luft- und f die Rauchzüge.“

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