Titel: | Japanischer Lack; von Dr. Wagner in Wien. |
Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 452 |
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Japanischer Lack; von Dr. Wagner in
Wien.
(Schluß von S. 367 dieses Bandes.)
Wagner, über japanischen Lack.
Nachdem der Gegenstand in einer der geschilderten Weisen lackirt ist, kommt es nun
darauf an, ihn zu decoriren, was in den meisten Fällen
durch Reliefmalereien in Gold und anderen Metallen oder auch durch Incrustiren mit
Perlmutter geschieht. Um das Relief hervorzubringen, werden die Zeichnungen mit
einer Mischung aus Eisenroth und Seshime-Lack aufgemalt, darüber wird sofort
feines Kohlenpulver geschüttet, welches in den noch frischen Lack einzieht und das
Relief erhöht. Ist der Lack hart geworden, so entfernt man das überflüssige
Kohlenpulver und schleift die Zeichnung mit zugespitzten Kohlenstücken ab. Durch
Wiederholung des Verfahrens kann man das Relief beliebig hoch machen.
Zuletzt wird noch mit der erwähnten Mischung von Seshime-Lack und Eisenroth
übermalt und nun das Goldpulver ganz trocken mit dem Pinsel aufgeschüttet, damit es
die Lackschichte möglichst durchdringe und die Goldzeichnung sich ordentlich poliren
oder fein schleifen lasse, ohne daß man riskirt, sie ganz abzureiben. Soll eine
ganze Fläche mit Gold matt überzogen werden, so wird das Pulver auf den frisches
Lack aufgesiebt, nachher, wenn die Schicht hart geworden, noch mit
Nashidji-Lack ganz dünn überrieben und nun abgeschliffen. Glänzende
Goldflächen erhält man auch durch das Auflegen von Goldblättchen auf den frischen
Lack, und es ist begreiflich, wie bei einem solchen Verfahren, das Gold in
Pulverform auf den frischen Lack aufzustreuen, oder in Form papierdicker Blättchen
aufzulegen, die reich decorirten Gegenstände oft einen beträchtlichen Goldwerth
repräsentiren, ganz abgesehen von der Arbeit.
Die Japaner besitzen eine Menge Gold- und anderer Metallpulver von
verschiedener Farbe, und es ist wirklich bewundernswerth, welche Wirkung sie durch
die verschiedene Färbung des Pulvers, durch Mattlassen oder Poliren der kleinsten
Oberflächen, z.B. in den Blättern und Blüthen der Pflanzen, durch das in den
zartesten Uebergängen aufgesiebte Pulver u.s.w. zu erreichen wissen. Natürlich muß
man, wie bei jedem Kunstwerke, erst sehen lernen, ehe man alle Vorzüge erkennt; aber
wer Gelegenheit hat, feine und gewöhnliche Lacksachen mit einander zu vergleichen,
der wird sehr bald merken, daß es hier dieselben Abstufungen gibt, wie zwischen
einem Bilderbogen für Kinder und einem von Meisterhand ausgeführten Miniaturgemälde,
und je öfter er ein wirklich schönes Stück japanischer Lackarbeit betrachtet, desto
mehr Freude wird er daran haben. Gleichzeitig mit der Malerei ist auch die
eigenthümliche Behandlung der Oberfläche, über die sich keine bestimmten Regeln
geben lassen und die wesentlich von der Erfindungsgabe des Lackirers abhängt, ein
Mittel zur Decorirung der Lacksachen. Es läßt sich in Lack alles Mögliche nachahmen,
und in dieser Beziehung leisten die Japaner ganz Erstaunliches. Davon zeugt eine
jetzt im Orientalischen Museum befindliche Mustertafel von der Wiener
Weltausstellung mit 84 verschieden behandelten Flächen, bei welcher der Künstler
seiner Phantasie freien Lauf gelassen und aufs täuschendste alles Erdenkliche,
verschiedene Holzarten, Baumrinden, Bambusrohr, abgefallene Blätter, Leder, alte
Bronzen, rauhes Eisen u.s.w. nachgeahmt hatte. Ueberhaupt ist es unglaublich, mit
welcher Sorgfalt die feineren Lacksachen bis ins kleinste Detail ausgeführt sind.
Natürlich gehört Zeit dazu; aber in dieser Beziehung wird viel gefabelt, namentlich
ist die Behauptung ganz falsch, daß der Lack seiner besonderen Eigenschaften,
hauptsächlich des langsamen Erhärtens wegen, kein schnelles Arbeiten gestatte. Der
Lack erhärtet gewöhnlich von einem Tag zum anderen, gewiß in zwei Tagen, wenn er so behandelt wird,
wie die Japaner es thun, und wenn er nicht durch eine verhältnißmäßige Menge
schlecht trocknenden Oeles verfälscht ist. Eine feine Lackmalerei erfordert aber
selbstverständlich viel Zeit, ebenso wie jedes andere Kunstwerk; ordinäre Sachen
werden schnell genug angefertigt, das beweisen schon die billigen Preise.
Der europäische Markt verlangt zum größten Theil billige Waare, so billig, daß die
Japaner gar nicht anders können, als das Verfahren, welches oben geschildert worden,
beträchtlich zu modificiren. Die Grundirung wird dabei viel flüchtiger behandelt;
anstatt Lack verwendet man Leim und Tripel oder bei Cartonnage-Arbeiten, die
lackirt werden sollen, ein Gemisch von Kleister und Kreide oder dergl.;
selbstverständlich sind die Lacke nicht von der besten Qualität und die Malereien
mit weniger Sorgfalt behandelt. Dennoch sind dergleichen Sachen den in Europa
angefertigten Nachahmungen an Dauerhaftigkeit und schönem Glanz weit überlegen, da
dieses eben specifische Eigenschaften des japanischen Lackes sind. Zwar hat die
europäische Nachfrage eine nicht unbedeutende Ausfuhr von Lackartikeln veranlaßt und
diesem Industriezweige Nahrung gegeben; im Allgemeinen läßt sich aber nicht
behaupten, daß sie auch auf die Qualität der Erzeugnisse einen günstigen Einfluß
ausgeübt habe. Dies wird mit der Zeit besser werden, wenn das Publicum in Europa
gute und mittelmäßige Waare besser von einander zu unterscheiden gelernt haben wird
und in Japan andererseits das Nöthige geschieht, den dortigen Kunstgewerben durch
Gründung von Museen, Zeichenschulen und derartige Maßregeln gute Muster und
Vorbilder zu schaffen.
Aehnlich wie die aus Holz gefertigten Gegenstände werden auch
Cartonnage-Arbeiten, wie Cigarrentaschen, vertiefte runde Schalen,
Theebüchsen u.s.w. lackirt und decorirt. Derartige Gegenstände sind aus über
einander geklebten Lagen des so sehr festen japanischen Papieres gefertigt, wobei
als Klebemittel ein aus Farrenkrautwurzeln bereiteter Kleister dient, welcher
sorgfältig mit dem shibu genannten Safte von unreifen
Kakis (Persimonen, japanische Feigenpflaumen, Diospyro
Kaki) vermischt wird. Diese Mischung, welche dem Papier eine kaffeebraune
Farbe gibt, verleiht den erwähnten Gegenständen eine außerordentliche Haltbarkeit
und macht sie gegen Feuchtigkeit diel weniger empfindlich. Solche
Cartonnage-Gegenstände werden natürlich auch ganz mit Lack überzogen, wobei
man übrigens, wenn die Oberfläche glatt genug ist, die aus Tripel und
Seshime-Lack gemischte Schicht ersparen kann, und welche dann in derselben
Art, wie oben beschrieben, mit Malereien verziert werden. Anders verhält es sich mit
Gegenständen aus kostbarerem und schönerem Material, wie Elfenbein oder Schildpatt,
wobei es sich natürlich nur darum handeln kann, dieselben mit schönen Malereien in
Gold oder gefärbtem Lack zu verzieren.
Porzellangegenstände von Hizen und Thonwaaren von Owasi werden ebenfalls wohl
lackirt; namentlich ist diese Industrie in Nangasaki zu Hause, woher die bekannten
lackirten Sachen stammen. Dabei werden die mit Lack zu überziehenden Stellen
gewöhnlich ohne Glasur gelassen, damit der Lack auf der rauheren Oberfläche besser
hafte, während die übrigen Stellen mit Hartfeuer- (Kobalt-) oder
Muffel-Farben decorirt sein können.
Außer der Reliefmalerei mit Gold- und anderen Pulvern dient noch das
Incrustiren mit Perlmutter zur Verzierung der Lackgegenstände. Hierin leisten die
Japaner Vorzügliches; es wird aber auch eine große Menge sehr gewöhnlicher und oft
höchst geschmackloser Waare angefertigt. Bei letzterer besteht die Verzierung
meistens aus landschaftlichen Gegenständen, blühenden Kirschbäumen u. dgl., deren
sämmtliche Theile aus
dünnen Perlmutterblättchen ausgeschnitten sind. Letztere werden auf der unteren
Seite mit entsprechenden Farben und Linien hintermalt, mit Papier oder Zinnfolie
beklebt, um den Lichtreflex zu erhöhen, und mit Leim oder Lack auf der betreffenden
grundirten Fläche befestigt. Dieselbe wird dann in gewöhnlicher Weise lackirt,
unbekümmert um die Perlmutterzeichnung, so daß diese ganz verschwindet. Durch
Abschleifen kommt sie wieder zum Vorschein, und es ist klar, daß bei diesem
Verfahren die Incrustationen mit dem Lack eine ununterbrochene Fläche bilden
müssen.
Bei feineren Gegenständen geschieht dagegen das Untermalen der Perlmutterblättchen
gar nicht oder nur äußerst sparsam; im Gegentheil sollen letztere durch ihr schönes,
natürliches Farbenspiel wirken, zu welchem Zwecke sie mit größter Sorgfalt
ausgesucht werden, und wobei namentlich die dunkleren und grün schillernden Stücke
von der angenehmsten Wirkung sind. Der Unterschied zwischen solchen Incrustationen
und den gewöhnlichen untermalten ist frappant, und es genügt, zwei dergleichen
Arbeiten einmal neben einander gesehen zu haben, um gute und gewöhnliche Sachen auf
den ersten Blick von einander zu unterscheiden. Im Allgemeinen kommt die Perlmutter
bei den feinsten Sachen nur mäßig zur Verwendung.
Eine von den Japanern hochgeschätzte, ursprünglich durch einen Chinesen importirte
Lackarbeit sind die in Europa unter dem Namen Peking-Lack bekannten
Gegenstände. Bei diesen werden mehrere Lagen rothen (mit Zinnober vermischten)
Lackes über einander aufgetragen, bis sie eine dicke Schichte bilden, in welche nur
Blumen und andere Figuren hinein ciselirt werden. Bei den chinesischen Sachen sind
es meistens kleine Landschaften mit Figuren, bei den japanischen dagegen Blumen,
namentlich Päonien; indessen ahmen die Japaner auch chinesische Sujets nach. Gute
Arbeiten dieser Art sind werthvoll und werden theuer bezahlt; selbstverständlich
gibt es auch hier billige Nachahmungen, indem die Zeichnung in Holz ausgeschnitzt
und mit rothem Lack überstrichen ist, anstatt in einer dicken Lackschicht
ausgeschnitzt zu sein.
Der Sohn des Chinesen, welcher die Anfertigung dieses rothen geschnitzten Lackes in
Japan einführte, erfand eine andere Art Lackarbeit, wobei mehrere Schichten
verschiedenfarbiger Lacke über einander aufgetragen werden; in der hierdurch
entstehenden dicken Schichte werden Arabesken tief eingravirt, aber mit schrägen
Böschungen, so daß auf diesen die verschiedenen Farben der Lackschichten in
parallelen Linien zum Vorschein kommen.
Ganz verschieden von den bis jetzt erwähnten Lackarbeiten, wobei also der Gegenstand
mit einer sehr dicken Lage mehrerer Lackschichten überzogen wird, welche das
Material total verdecken, ist das Lackiren mit dem sogen, Shunkei-urushi. Hier sollen die Adern des Holzes hervortreten;
dasselbe muß also zuerst nur mit einer ganz dünnen Lage von Seshime-Lack
oder, wenn es sehr große Poren hat, mit Seshime-Lack und Tripel überzogen und
dann wieder so weit abgeschliffen werden, daß die Holzadern abermals zum Vorschein
kommen.
Die erste Schichte hat nur den Zweck, die Poren vollständig auszufüllen; dann kann
man, wenn man will, dem Holze mit einer Gummiguttlösung oder einer Saflorabkochung
eine hübschere Farbe geben, um es nun mit Shunkei Lack zu überziehen. Dieser kann,
da er ziemlich viel Oel enthält, nicht geschliffen werden, und ist es nicht ganz
leicht, denselben so aufzutragen, daß die Oberfläche vollständig glänzend wird und
keine Pinselspuren zeigt.
Die schönen Marqueterie-Arbeiten auf der Wiener Ausstellung 1873 waren in
dieser Weise lackirt. Der Lack ist gelb durchscheinend und bringt eine ähnliche
Wirkung hervor wie unsere Politur, hat aber einen weit höheren Glanz und ist viel
dauerhafter.
Berühmt sind besonders die Arbeiten eines kleinen Ortes in der Provinz Akita wegen
der Sorgfalt in der Ausführung, wie auch wegen des unvergleichlich schönen Glanzes
und der goldigen Farbe des Lackes. Die dortigen Lackirer sollen, um auch das
kleinste Staubtheilchen zu vermeiden, ihre Arbeit auf hoher See an Bord der
Dschunken verrichten.
Ganz vorzüglich eignet sich der japanische Lack zum Vergolden, und wird hierzu eine besondere Sorte, Haku-shita-urushi d.h. Unterfolien-Lack, gebraucht;
damit werden die Gegenstände, Holz, Papier, Metall u.s.w. überzogen. Er bildet eine
schön glänzende Oberfläche von rothgelber Farbe. Diese wird mit einem in
Seshime- oder anderen Lack getauchten Ballen leicht überrieben und nun die
Goldfolie darauf gelegt, indem man sie mit Watte fest reibt. So werden auch z.B. die
vergoldeten Papierfäden gemacht, welche in der Weberei und Stickerei eine große
Rolle spielen. Solche versilberte oder vergoldete Papiere ersetzen unsere dünnen
gewalzten Bleche und dienen zur Anfertigung von Blumen, Blättern u. dgl. für den
Haarschmuck der Mädchen.
Bei der außerordentlichen Dauerhaftigkeit des japanischen Lackes, seiner Härte,
seiner Schönheit, der Möglichkeit, in allen Metallfarben erhabene Zeichnungen
herzustellen, welche den feinsten Ciselirungen gleichkommen und vor denselben noch
den Vortheil der verschiedenen Nüancen besitzen, ist es nicht zu verwundern, daß
derselbe in Japan eine große Rolle spielt. Nicht nur, daß er zur Herstellung
gewöhnlicher Hausgeräthe dient und gewissermaßen unser Metall, Glas oder Porzellan
ersetzt, sondern er gestattet auch die Anfertigung kostbarer Möbel, Eß- und
Trinkgeschirre, welche nicht nur wegen der darauf verwendeten Arbeit sehr werthvoll
sind, sondern auch ihres wirklichen Goldgehaltes wegen einen sehr reellen und
unvergänglichen Werth besitzen, unabhängig von dem reinen Kunstwerthe. Unter den
Geräthschaften, welche besonders für die Reichen angefertigt werden, erwähnen wir
die Eß- und Trinkgeschirre für festliche Gelage, Schreibzeuge, immer aus
einem größeren Papierkasten und einem kleineren für den Tuschreibstein und die
Pinsel bestehend, niedrige Tische, wie die Japaner sie gebrauchen, Etagèren
von seltsamer, aber höchst zierlicher Form, sogen. Cabinette mit Flügelthüren und
Schubladen, Räuchergefäße, Arzneibüchsen, große Schüsseln und Ziergeräthe aller Art.
Seit dem Verkehre mit Fremden werden natürlich auch viele Dinge, wie Cigarrenetuis,
Handschuhkästen, Näh- und andere Tische u.s.w. für den europäischen Markt
hergestellt. Unter den größeren Gegenständen sind besonders die Palankins der Großen
zu erwähnen, welche wie unsere Kutschen mit dem feinsten Lack überzogen und mit
herrlichen Goldmalereien verziert sind. Schwertscheiden, Reitsättel etc. gehören
ebenfalls zu den besseren und besten Lackarbeiten. Bei den Kriegsgeräthen, z.B. den
Rüstungen, welche aus einzelnen, mittels starker Seidenschnüre zusammengehaltenen
Leder- oder Metallstückchen bestehen, trägt der Lack auch wesentlich zur
Widerstandsfähigkeit bei. Uebrigens sind es nicht blos kleinere Gegenstände, wozu
der Lack gebraucht wird, sondern er spielt auch eine Rolle in der
Monumentalarchitektur, da, wo wir Marmor, Porphyr oder derartiges kostbares Material
verwenden würden.
In manchen Tempeln, wie namentlich in den Mausoleen der alten Taikuns in Schiba (in
Yeddo) sind die Wände, die Säulen, die Treppenstufen, Thüren, Geländer, Altäre
u.s.w. mit Lack, gewöhnlich rothem, überzogen. Die Decken, in viereckige kleine
Felder getheilt, sind ebenfalls mit Lackmalereien auf Goldgrund verziert, und ebenso
sind die großen Schreine, worin die Reliquien der Verstorbenen aufbewahrt werden,
wahre Muster feinster Lackarbeit. Das Ganze ist von reicher Wirkung und dabei hat sich der Lack
jahrhundertelang in seiner vollen Schönheit ohne alle Risse erhalten.
Unter den (in Wien 1873) ausgestellten Gegenständen waren die beiden schönsten
Etageren gegen 200 Jahre alt und einige kleinere Sachen sogar 700 Jahre.
Natürlich sind unter den oben nur kurz angedeuteten Verhältnissen die Japaner selbst
große Liebhaber feiner Lacksachen und wissen sie viel mehr zu schätzen als die
meisten Europäer, welche oft vor den hohen Preisen zurückschrecken. Wer aber sich
die Mühe nimmt, schöne Lacksachen genau anzusehen, wer ein Verständniß hat für
exquisite Arbeit und künstlerisches Gewerbe und dabei bedenkt, daß bei der früher
geschilderten Weise der Malerei mit Goldpulver gar nicht gespart werden kann, die
Gegenstände folglich schon ihres Goldgehaltes wegen einen beträchtlichen Werth
haben, der wird die Preise im Vergleich zu unseren Luxusartikeln sehr mäßig finden.
Das große Publicum wirft leider oft Gutes und Schlechtes in einen Topf, und man kann
nicht sagen, daß die Lackindustrie, als Kunstgewerbe betrachtet, durch den Export
nach dem Auslande gewonnen hat; die handwerksmäßige Erzeugung hat sich allerdings
einen größeren Markt geschaffen.
Die schönsten Lacksachen werden von altersher in den beiden Hauptstädten Kioto und
Tokio (Yeddo), besonders in letzterer, angefertigt. Billigere und gewöhnliche Sachen
kommen aus verschiedenen Provinzen, wie Yoshino, Yetoizen, Aidzu (sehr geschätzt und
billig) u.s.w. Die Provinz Aomori liefert eine besondere Art Lack, der ungefähr wie
bunter Marmor aussieht und eine in Grün, Roth, Gelb u.s.w. marmorirte Oberfläche
hat; er gilt für sehr hart und dauerhaft. Größere Händler übernehmen die
Bestellungen und lassen sie in den kleineren Werkstätten von 6 bis 10 Arbeitern
ausführen; der Arbeitslohn für gute Maler beträgt kaum mehr als 2 bis 3 M.
Die Lacke sind ziemlich theuer, wie auch kaum anders zu erwarten, da sie mühsam
eingesammelt werden und auch der Ertrag eines Baumes nicht sehr bedeutend ist; in
Yoshino wurde mir derselbe für einen gut gepflegten Baum zu etwa 375g angegeben; dort sollten auch folgende
Preise pro Kilogramm gelten:
Roher Lack, wie er vom Baume kommt (Ki-urushi)
6 bis 8 M.
Seshime-Lack zum Grundiren
5 1/3
Bester schwarzer Lack (Ro-iro-urushi)
10
Rother, mit Zinnober vermischter Lack
10 2/3
Nashidji-Lack für die mit Goldfolie besprengelten,
aventurinähnlichen Arbeiten
13 1/3
Vergolder-Lack (Hakush'to-urushi)
12
Was nun die Frage betrifft, ob die japanische Lackindustrie auch in Europa eingeführt
werden kann, so läßt sich diese gewiß nicht ohne weiters bejahen. Das Verfahren ist
langwieriger und unbequemer als bei unseren Firnissen, und würde es unseren
Arbeitern kaum möglich sein, mit den Japanern zu concurriren in der Billigkeit und
Güte der Arbeit. Auch ist der Umstand zu bedenken, daß das Arbeiten mit japanischen
Lacken keine gesunde Beschäftigung ist, wenn auch in dieser Beziehung manche
Uebertreibungen aufgetischt werden. Für unsere Möbel, deren Dimensionen beträchtlich
über die der japanischen hinausgehen, möchte das Verfahren viel zu theuer sein und
zu große Schwierigkeiten haben; in kleineren Sachen würde wieder die japanische
Concurrenz den Sieg davon tragen. Dagegen wäre es zu empfehlen, die japanischen
Lacke behufs ihrer Verwendung zum Schutze wissenschaftlicher Instrumente einer
näheren Prüfung zu unterziehen.