Titel: | Schwefelnatrium in der Gerberei; von Wilhelm Eitner. |
Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 509 |
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Schwefelnatrium in der Gerberei; von Wilhelm Eitner.
(Schluß von S. 443 dieses Bandes.)
Eitner, über Schwefelnatrium in der Gerberei.
Gewisse Kalke können Bestandtheile enthalten, welche das Schwefelnatrium ebenfalls
binden, und zwar in solchen Mengen, daß die Wirkung desselben vollständig aufgehoben
wird. Gesellt man zu diesen Umständen noch den sehr variablen Gehalt des
Schwefelnatriums selbst, welcher sich noch durch längeres Stehen, namentlich bei
schlechter Verpackung, in feuchten Räumen sehr verringert, so ist leicht einzusehen, daß sich für alle Fälle
keine absolut genauen Ziffern angeben lassen, und daß es der Einsicht und Erfahrung
des einzelnen Praktikers überlassen bleiben muß, die richtigen Quantitäten zu
nehmen.
Unter normalen Verhältnissen, d.h. mittlerer Waare, in Stärke, Größe und Weichheit,
mittelhartem Wasser (von 10 bis 20 deutschen Härtegraden), reinem Kalk und gutem
frischem Schwefelnatrium entfällt auf
ein Stück grüne
Rindshaut
105 bis 175g
„
„ trockene
„
123 „ 193
„
„ „
Kips
88 „ 123
„
„ „
Kalbfell
35
„ 53
Die angeschwödeten Felle werden in Kissen zusammengelegt, so daß die bestrichene
Fleischseite nach innen, die Haarseite nach außen kommt, in einem Bottich eng an
einander zusammengelegt und mit so viel Wasser übergossen, daß sie davon überdeckt
sind. Nach 12 bis 24 Stunden werden die Häute und Felle völlig reif zum Haaren sein.
Von diesem Momente an können nun für die weitere Verarbeitung zwei Wege und auch
diese mit einigen Modificationen eingeschlagen werden, von denen nach den
bestehenden Verhältnissen, manchmal besonderen Umständen und namentlich aber dem
üblichen Gerbesystem conform, entweder der eine oder der andere gewählt werden
muß.
Der erste unseren Verhältnissen und unserer gewöhnlichen Gerbeweise weniger
entsprechende ist folgender. Die Häute und Felle werden, sobald sie die Haare
vollständig lassen, etwas ausgewaschen und dann gehaart. Nach dem Haaren werden sie
gleich geschabt, was, da die Fleischseite der intensivsten Wirkung des
Schwefelnatriums ausgesetzt war, ganz gut von statten geht. Dann werden die Köpfe
ausgeschoren, Häute eventuell gefalzt.
An dieser Stelle schalte ich die Behandlung der Maschinenriemenleder ein, welche ein Mittelding zwischen Sohl- und
Oberleder sind. Die Häute werden, nachdem sie gehaart und geschoren sind, in weiches
Wasser gebracht, darin 2 bis 3 Tage wässern gelassen, dann nachgeputzt und
gestrichen. Nach dem Streichen werden sie wieder, aber nur kurze Zeit, gewässert,
worauf sie eingetrieben werden können.
Die Brühen dürfen sehr wenig sauer sein und können, sobald die Häute genügend
angefärbt sind, stärker als gewöhnlich gestellt werden. Die Anzahl der Farben darf
nie unter 8 sein; gut ist es, wenn man bis 12 geht, in welch letzterem Falle man
einen Satz ersparen kann.
Dem Sauerwerden der Farben beugt man vorkommenden Falls durch Zugabe von 250 bis 500g Natriumbicarbonat vor, oder man setzt 1/2
bis 1k Kochsalz zu, wodurch die Häute trotz
Säure nicht zu fest (für Riemenleder) werden. Nach den Farben erhalten die Häute je
nach der Stärke 1, 2 bis 3 Sätze.
Gehen wir nun zu den Oberledern zurück, welche wir geschabt und gefalzt verlassen
haben. Diese sind zwar durchaus nicht so prall aufgetrieben wie aus dem Kalkäscher,
keinesfalls aber auch noch nicht in dem Zustand, in welchem man Oberleder in die
Farben eintreiben kann; auch ist der Narben zwar glatt und kalkfrei, doch wird es
manche Stellen geben, welche des Nachputzens bedürfen.
Wie nach dem Kalkäscher muß demnach auch hier die Operation des Beizens oder Läuterns
eingeschaltet werden, doch hier in etwas veränderter Weise. Hauptzweck ist hier die
Felle gehörig verfallen zu machen und ihnen eine gesunde Mattigkeit zu geben; eine
Reinigung von Kalk ist eben hier nicht nothwendig. Zu dem alleinigen Zwecke des
Mattmachens eignet sich besonders die in manchen Gegenden übliche Haferstrohbeize.
In kochendes Wasser wird Haferstroh (auf 110l etwa 5k) gebracht, läßt es
etwas auskochen, dann abkühlen und fischt das Stroh aus. Man bringt nun die Felle in
diese Beize, tritt sie entweder und schlägt oft auf, oder treibt selbe im
Läuterfaß.
Da hier die Gefahr des Verderbens lange nicht so groß ist wie in der Hunde-
und Taubenkothbeize, kann man die Felle ohne Schaden darin länger behandeln, wonach
sie sich später durch besondere Milde und Feinheit des Narbens auszeichnen.
Wo ein Walkfaß oder auch eine Kurbelwalke zu Gebote steht, kann diese Operation darin
in viel kürzerer Zeit und mit sehr gutem Erfolg ausgeführt werden, indem man nämlich
die Felle mit der Haferstrohbeize einige Stunden walkt.
Ist man gezwungen, Vogelmist- oder gar Hundemistbeize anzuwenden, so muß
dieselbe frisch und zwar kalt angemacht sein, wonach auch die Felle in kalte Beize
gebracht werden. Warm angesetzt und warm geläutert darf nur dort werden, wo die
Operation im Walkfaß oder in der Kurbelwalke ausgeführt wird. In gewöhnlichen
Beizegeschirren muß oft getrieben oder aufgeschlagen und gehaspelt werden, da die
Beize hier länger wirken muß als auf gekalkte Felle; es ist hier je nach der
herrschenden Temperatur die doppelte, oft dreifache Zeit der gewöhnlichen
Läuterungen nothwendig, in welcher aber trotzdem die Felle nicht Schaden leiden,
wenn sie in kalte Beize gebracht wurden.
Ich habe nachzutragen, daß vor dem Beizen kein Glätten mit dem Stein stattzufinden hat, da, wie
bereits angegeben, der Narben ohnedem glatt und rein ist.
Nach dem Beizen wird Zug für Zug gestrichen und hier und da, wo es nothwendig ist,
nachgeputzt. Die Felle werden eingetrieben und angefärbt. In unseren gewöhnlichen
Oberlederfarben würden diese Häute etwas zu stark aufgehen und zu fest werden;
vorzüglich hingegen werden selbe gerben, wo mit Extracten gearbeitet wird, weshalb
auch nur dort die bis jetzt beschriebene Methode in Anwendung gebrach werden
kann.
Wo auf die gewöhnliche Weise in Farben mit Zugaben von Rinden gegerbt wird, muß in
etwas anderer Weise vorgegangen werden. Die auf oben angegebene Weise angeschwödeten
Felle werden bis zum Haaren ebenso wie früher behandelt. Nach dem Haaren nun muß den
Fellen noch eine Lockerung gegeben werden, in ähnlicher Weise wie beim Kalkäscher.
In demselben Bottich, in welchem die Felle nach dem Anschwöden gelegt wurden, und
worin sie auch vor dem Haaren ausgewaschen wurden, nachdem darin etwas Wasser
nachgefüllt wurde, bekommen die Felle auch den Schwelläscher. Durch das Auswaschen
in diesem Gefäße wird der größte Theil des noch immer wirksamen
Schwefelnatriumbreies wieder gewonnen und nun zur Schwellung benützt. Für frische
und leichte Kalbfelle genügt dieses vollkommen zum Schwellen, für Kuhhäute,
besonders aber für Kipse und überhaupt härtere Sorten muß noch etwas Schwefelnatrium
zugegeben werden. Als mittlere Mengen dürfte man 35 bis 88g per Rindshaut, 27 bis 5g per Kips- und 13 bis 22g per Kalbfell angeben können. Man löst das
Schwefelnatrium hier wieder zuerst im heißen Wasser auf und setzt es der Flüssigkeit
zu.
Die gehaarten Häute und Felle werden nun in den so gestalteten Aescher eingelassen
und je nach Befund derselben und den Grad der Aescherung, die man geben will, 3 bis
4 Tage, aber auch noch länger oder kürzer belassen und dabei öfters
aufgeschlagen.
Die weiteren Operationen sind mit Uebergehung des Glättens ganz conform jenen, welche
bei der Anwendung der Kalkäscher vorgenommen worden.
Damit habe ich nun die Wege allerdings nur in Umrissen vorgezeichnet, welche, richtig
und mit Verständniß eingeschlagen, zum günstigen Resultat führen, wobei es nebstdem
noch dem Praktiker unbenommen bleibt, manches seinen eigensten Verhältnissen
anzupassen.
Besonders wichtig ist die Verwendung des Schwefelnatriums in der Fabrikation der Wildoberleder und der Kipse.
Bekanntlich ist deren
Verarbeitung besonders schwierig; da die meisten Sorten derselben von Natur aus
massiger und auch gröber im Fasergewebe sind, kann nur mit besonderen Mitteln ein
gutes und geschmeidiges Leder erzielt werden. Erschwert wird dies noch in vielen
Fällen durch die sogen. Vertrocknung der Rohwaaren, durch Gypsbeschlag, durch
eingebranntes Fett und noch manche andere böse Eigenschaft, durch welche diese
Producte berüchtigt sind, aber in der Hand des verständigen Gerbers ein sehr
schätzenswerthes Material abgeben. Zwei Momente sind es hier besonders, welche vom
Gerber angestrebt werden. Richtige und vollständige Erweichung der Felle und, in
Anbetracht der vielen schadhaften Stellen dieser Ledersorten, möglichst rasche
Einbringung solcher Felle in die Lohe. Um dieses zu erreichen, muß sich der Gerber
sowohl chemischer wie mechanischer Hilfsmittel bedienen, da er hier mit seinen
gewöhnlichen Vorrichtungen nicht ausreicht. Letztere sind die Hämmerung in der
Kurbelwalke, erstere die angeschärften Aescher und sogen. Giftäscher.
Wo man kein gesundes fließendes Wasser für die Weiche solcher Häute und Felle hat (in
welchem man längere Zeit als im stehenden Wasser weichen kann und dadurch
aufweicht), muß man zu chemischen Hilfsmitteln die Zuflucht nehmen, indem man den
stehenden Weichen hier und da etwas Soda zusetzt. Viel besser eignet sich hierzu das
Schwefelnatrium, von dem man, je nach der Größe und Stärke der Häute und und dem
Grade der Vertrocknung, 17 bis 53g per Haut
zusetzt. Ist das Wasser, welches zur Weiche dient, hart, so macht man es weich durch
Zusatz von Natronlauge, welche man so lange in das harte Wasser gießt, als in
demselben beim Zugießen der ersteren ein weißer Niederschlag erfolgt.
In das auf diese Weise weich gemachte Wasser gibt man das Schwefelnatrium und weicht
die Häute ein. In viel rascherer Zeit, als dies gewöhnlich der Fall ist, sind die
Häute so weit erweicht, daß sie ohne Gefahr in der Kurbelwalke gewalkt und hierauf
gestreckt werden können. Von dem Strecken gilt hier besonders dasjenige, was davon
eingangs erwähnt wurde, nämlich daß es so vollkommen wie möglich zu erfolgen habe.
Nach einem ferneren Verbleiben in der angeschärften Weiche werden die Häute bald
vollständig erweicht sein und sind für den Enthaarungs- und Aescherproceß
reif.
Bei den meisten überseeischen Häuten und Fellen hat sich ein Aeschern mit bloßem Kalk
als unzulänglich erwiesen; man verschärfte mit rothem Arsenik und hatte so den
Giftäscher. Durch die Zugabe des rothen Arseniks (Realgar) oder des gelben Arseniks
(Auripigment) wird in dem Aescher durch Verbindung des Schwefels mit dem Kalke Schwefelcalcium
gebildet, welche Substanz eine ähnliche Wirkung wie das Schwefelnatrium auf die
Häute übt. Nur der Schwefel und nicht der Arsenik ist hier wirksam, letzterer ist
nur eine Beigabe, welche dieses Mittel theurer und außerdem gefährlich macht.
Nachdem also in dem Giftäscher ein dem Schwefelnatrium ähnlich wirkender Körper
seine gute Wirkung auf sehr harte Häute und Felle übt, ist dies von dem
Schwefelnatrium in noch weit günstigerer Weise zu erwarten.
Bei sehr harten und blechigen Häuten darf man ohne Furcht wegen Beschädigung das
doppelte Quantum Schwefelnatrium, wie es für normale Fälle nothwendig ist, anwenden,
wird aber dann auch von vorzüglichem Erfolge überrascht werden. Ueberhaupt kann bei
Wildledern eher etwas zu viel als zu wenig Schwefelnatrium mit Nutzen gegeben
werden, womit eben die von vornherein erwünschte gründliche Erweichung und Lockerung
der Häute und dies in viel kürzerer Zeit als gewöhnlich erreicht wird.
Bei der Roßlederfabrikation verhält sich ein Theil der
Roßhaut, nämlich der Spiegel, ungleich zäher als die übrigen Partien, welcher
Uebelstand sich jedoch beim Anschwöden mit Schwefelnatriumbrei leicht beheben läßt.
Es wird nämlich für das Anschwöden der Pferdehäute zweierlei Brei bereitet; für den
Vordertheil der gewöhnliche, oben angegebene, für den Hintertheil aber ein solcher,
welchem die doppelte Quantität oder noch mehr an Schwefelnatrium zugesetzt ist. Für
einen Roßvordertheil wird 70g für den
Hintertheil demnach 140g, im Ganzen also
210g per Haut Schwefelnatrium
nothwendig. Beim Anschwöden streicht ein Arbeiter aus dem Kübel mit schwächerem Brei
den Vordertheil, ein zweiter aus dem Kübel mit starkem Brei den Hintertheil an. Auf
diese Weise kann man eine gleichzeitig egal geäscherte Pferdehaut erhalten.
In der Roßlederfabrikation ist eine richtige Aescherung von höherem Belang als bei
irgend einem anderen Oberlederartikel; gewöhnlich wird hier zu viel des Guten
gethan, um dann später die nöthige Weichheit, wenn auch auf Kosten der Festigkeit
des Leders zu erhalten. Es ist demnach hier auch mehr als in anderen Fällen geboten,
die von Natur aus an Kern gebenden Substanzen ärmere Roßhaut so viel wie möglich zu
schonen, d.h. derselben obige Substanzen zu erhalten, was beim Kalkäscher sehr
schwer, leicht hingegen bei der für Oberleder angegebenen Behandlung mit
Schwefelnatrium ist, da man hier den Grad der Aescherung leicht reguliren kann, also
ganz in der Hand hat.
Auf eine solche Aescherung hat dann die Angerbung in guten, später gerbstoffreicheren
Brühen zu erfolgen, welche man vortheilhaft mit Extracten verstärken kann, besonders die letzten
Farben, wie überhaupt in der Roßlederfabrikation die Anwendung von Extracten
(natürlich mit richtigem Verständniß) sowohl in Bezug auf Qualität des Leders als
auch für richtige Ausnützung des Gerbmaterials die höchste Beachtung verdient.
Selbstverständlich hat hier die nachfolgende Gerbung in der Grube durchaus nicht zu
entfallen, wenn die Leder schon nach den Farben sich als gar erweisen sollten.
In die Oberledergerberei ist auch die Gerbung der Schweinshäute zu rechnen. Gewöhnlich sind diese sehr lappig und von losem
Kern, da sie meistens veräschert sind. Die größere Menge Fett, welches diesen Häuten
anhaftet, erschwert eine richtige Aescherung derselben ungemein, sowie auch die
durch Verbindung des Fettes mit Kalk entstehende unlösliche Kalkseife, welche nur
zum geringen Theil aus der Haut geschafft werden kann, der Gerbung sehr hinderlich
ist. Bei Zuhilfenahme von Schwefelnatrium wird das Fett in eine lösliche Seife
verwandelt, welche durch Wasser vollständig ausgewaschen und damit aus der Haut
entfernt werden kann. Daß daraus eine solidere Gerbung resultirt, ist
selbstverständlich; eben so nahe liegen die Vortheile, welche sich durch die hierbei
stattfindende Schonung des Narbens ergeben, besonders wenn die Leder
Sattlereizwecken dienen sollen.
In der großen Zahl von Specialitäten, in welche die Lederfabrikation abgetheilt
werden kann, hat man nirgends so viel und recht unangenehme Gelegenheit, die üble
Wirkung des Kalkes als Aeschersubstanz wahrzunehmen, als in der Saffianfabrikation, wo erst nach dem Färben der Leder
Fehler zum Vorschein kommen, welche sehr häufig so bedeutend sind, daß sie das Leder
zum Ausschuß machen, die man aber früher gar nicht ahnen konnte, und deren Ursachen
immer in dem Kalk zu suchen und zu finden sind. Aus diesem Grunde hingen die
Saffianfabrikanten durchaus nicht mit jener Liebe an dem Kalk, mit welcher manche
ihrer Collegen, die andere Ledersorten erzeugen, diesem zugethan sind, und
acceptirten sofort und freudig ein Mittel, welches sie der Plackereien des Kalkes
überhob. Nahezu alle deutschen Saffianfabriken verwenden nun schon das
Schwefelnatrium, und zwar in der Weise, wie ich selbe oben bei der Kalbfellgerbung
angegeben habe.
Das wäre interessant zu erfahren, wie die Tuchfabrikanten die hier gewonnene Wolle
finden, und ob hier die Uebelstände beim Färben derselben besonders auf gewisse
Farben, welche die mit Kalk behandelte Gerbewolle immer zeigt, behoben sind. Reiner
wird sich die Wolle hier jedenfalls waschen als gekälkte und wird besonders der
Fettschweiß schon dabei beseitigt, der sonst erst durch eine besondere Operation des Scheuerns mit Soda
entfernt wird.
Da schließlich für die Glacélederfabrikation die Manipulation mit
Schwefelnatrium bereits in Nro. 13 des „Gerber“ in dem Artikel
„Die-Anwendung des Schwefelnatriums in der
Glacé-, Zickel- und Lammleder-Gerberei“
vollständig behandelt worden ist, so ist hiermit die Schwefelnatriumfrage bis zum
gegenwärtigen Standpunkt für alle Branchen der Lederindustrie, in welchen dasselbe
mit Vortheil angewendet werden kann, vorläufig erledigt.
Allerdings konnte nicht jedem Industriellen für seinen Specialbedarf ein genaues
Recept gegeben werden, und kann man dies auch natürlich nicht verlangen. Ich würde
diesen Punkt nicht einmal berühren, wenn mir nicht leider häufig genug Fälle zur
Kenntniß gekommen wären, und zwar nicht etwa blos von kleineren Gerbern, sondern
auch von bedeutenderen Firmen, daß man vielleicht ein oder das andere Mal nach
meinen Normalangaben Versuche machte und bei natürlich nicht sofort vollständig
gutem Resultate das Kind mit dem Bade ausschüttete, die ganze Sache bei Seite legte
und ins Lager der Antischwefelnatrianer mit Sack und Pack überging, wie sich denn
wirklich bereits zwei Parteien in diesem Punkte gebildet haben.
Wie in vielen anderen Branchen, so ist es besonders bei uns der Fall, daß derjenige,
welcher eine neue Verbesserung in der Manipulation der Gerberei aufbringt,
eigentlich erst die halbe Arbeit gethan hat, und daß der Fabrikant, indem er durch
öftere und eingehende Versuche dieses neue Mittel seinen Zwecken anpaßt, außer dem
effectiven Nutzen, den er sich dadurch schafft, mit Recht und mit Stolz sich selbst
das andere halbe Verdienst einer solchen neuen Erfindung zuschreiben kann, da er ja
in selbstthätiger Weise dabei eingreift und es erst zu seinem wahren Eigenthum
macht.
Einen Umstand jedoch, der bisher am häufigsten dem Gelingen im Wege stand und steht,
nämlich die Qualität des in Rede stehenden Stoffes selbst, des Schwefelnatriums,
will ich noch zum Schlusse besprechen.
Das Schwefelnatrium erscheint im reinen Zustande in hellen durchscheinenden
Krystallen; die Handelsware ist bald weniger, bald mehr gefärbt, zuweilen dunkel
schmutzig grün. Obzwar die Farbe des Productes durchaus nicht maßgebend für die Güte
desselben ist, da ganz dunkle Waare ohne anderweitige Nachtheile zu Gerbereizwecken
verwendbar sein kann, so ist doch im Allgemeinen anzunehmen, daß je weniger feucht
und je mehr hell und dabei durchscheinend dieselbe ist, desto mehr Werth sie besitzt; daß aber
lichte, weißliche und dabei undurchsichtige oder sehr wenig durchscheinende Waare
als theilweise verdorben angesehen werden muß. Ganz chemisch reines Schwefelnatrium
ist für Gerbereizwecke nicht nothwendig.
Der Gehalt an wirksamer Substanz ist bei den mancherlei Sorten äußerst variabel; ich
fand bei den verschiedenen Untersuchungen, welche ich damit vornahm, Differenzen von
über 30 Proc. Diese Unterschiede sind theils in der leichten Zersetzbarkeit und
Veränderlichkeit des Schwefelnatriums, aber auch in der Fabrikation selbst
begründet.
Ich sowohl, als Professor Dr. J. Moser, Leiter der landwirthschaftlichen Versuchsstation, welchem
Schwefelnatrium aus einer deutschen Fabrik behufs zollamtlicher Classification zur
Untersuchung vorgelegt wurde, fanden dasselbe zum größten Theile aus Aetznatron
bestehend. Dieses Aetznatron zieht aus der Luft Feuchtigkeit und Kohlensäure an,
zerfließt zuerst, wird aber dann wieder fest, und ist damit in gewöhnliche Soda
umgewandelt. Diese erscheint dann als weißer Beschlag, macht die Masse
undurchscheinend und hat natürlich nicht mehr die Wirkung des Schwefelnatriums.
Von diesem Umstand ist die Annahme vieler Praktiker, besonders in Deutschland,
herzuleiten, daß Schwefelnatrium ohne Kalkzusatz wirkungslos sei. Diese Herren
hatten es bei ihren Versuchen sicherlich mit einem Product zu thun, welches, wenn es
schon längere Zeit liegen gelassen war, zum großen Theil nur mehr aus Soda bestand,
die für sich allein von sehr schwacher Wirkung ist. Wurde nun Kalk zugesetzt, so
bildete sich wieder Aetznatron, das allerdings energischer wirkte und das
eigentliche Schwefelnatrium ersetzen mußte, freilich in sehr unvollkommener
Weise.
Nächst der Fabrikation ist die Art und Weise der Aufbewahrung des Schwefelnatriums
von größtem Belang für dessen Leistungsfähigkeit. Es soll Pflicht des Erzeugers
sein, schon zu seinem eigenen Vortheil, sein Product nur in gut schließenden dichten
Gefäßen zu versenden, so größere Partien in Petroleumfässern, kleine Mengen in
Steingutgeschirren. Erst unlängst kam mir die Klage eines bedeutenden Fabrikanten
über das schlechte Gewicht einer Sendung Schwefelnatriums zu, während es sich
herausstellte, daß nur durch das schlecht schließende Faß die feuchte Luft
eingedrungen war und einen Theil des Schwefelnatriums aufgelöst hatte, welcher nun
ausrann. In den Fabriken selbst soll es immer verschlossen (gut zugedeckt) in
trockenen Localen aufbewahrt werden. Auch aus dieser Ursache sind viele Versuche
ungünstig ausgefallen. Nachdem nämlich dieser Artikel anfänglich langsam abging,
blieb er länger am Lager
liegen, und je älter er wird, desto schlechter wird er naturgemäß. Daher soll auch
der Lederfabrikant, sobald das Schwefelnatrium angelangt ist, darauf sehen, daß es
so rasch als möglich verbraucht werde.
Für erste Versuche würde ich rathen, sich das Schwefelnatrium selbst zu erzeugen, was
auf folgende Weise geschieht.
In einem eisernen (ja nicht kupfernen) Kessel werden 3k Kalk gethan und abgelöscht. Ist dieses
geschehen, so gibt man 55l Wasser nebst
6k krystallisirter Soda zu und bringt
die Masse unter Rühren ins Kochen. Sobald das Kochen beginnt, rührt man 1k Schwefelblüthe ein und läßt solange
kochen, bis die Flüssigkeit oben tief goldgelb wird und keine Schwefelklümpchen mehr
oben schwimmen. Man läßt erkalten und kann mit dieser Masse, welche man eventuell
noch mit etwas Kalk verdickt, direct arbeiten.
Ich empfehle diese Selbstbereitung des Schwefelnatriums für erste Versuche darum,
weil man diese Versuche stets im Kleinen ausführt und kleine Mengen von
Schwefelnatrium gewöhnlich in Folge schlechter Emballage theilweise verdorben, also
von schlechter Qualität ankommen und so zu ungünstigen Resultaten führen.