Titel: | Automattaster für Eisenbahn-Läutewerke; von Ludwig Kohlfürst. |
Autor: | Ludwig Kohlfürst |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, S. 134 |
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Automattaster für Eisenbahn-Läutewerke;
von Ludwig
Kohlfürst.
Mit Abbildungen auf Taf.
IV [c.d/1].
Automattaster für Eisenbahn-Läutewerke.
Die österreichische Eisenbahn-Signalvorschrift enthält bekanntlich eine Reihe
obligatorischer Glockensignale (durchlaufende
Läutewerkssignale), welche vom Bahnwärter aus zu geben sind. Es haben
deshalb die österreichisch-ungarischen Eisenbahnen ihre Läutewerkslinien fast
ausnahmslos auf Ruhestrom geschaltet.
Um das Abgeben dieser Signale, welche nicht nur durch eine bestimmte Zahl der
Glockenschläge, sondern auch durch die rythmische Folge der Gruppen strenge
charakterisirt sein müssen, zu erleichtern, sind bei vielen der österreichischen
Bahnen die Läutewerke mit automatischem Schlüssel (Signalgeber) ausgerüstet, welche es dem signalgebenden Bahnwärter oder
Zugführer ermöglichen, trotz seiner etwaigen Aufregung oder Ungeübtheit das
gewünschte, oder vielmehr nothwendige Glockensignal ganz leicht und präcise
abzugeben, da derselbe nur den im genannten Apparate vorhandenen Index auf die
Nummer des betreffenden Signals richtig einzustellen und dann das Uhrwerk des
Automattasters in Gang zu setzen braucht.
Es erfüllen diese Apparate ihre unstreitig höchst wichtige Aufgabe selbstredend nur
dann vollkommen, wenn sie so construirt und gearbeitet sind, daß sie ganz sicher
functioniren. Jene Bahnen, bei welchen derlei präcise arbeitende, freilich etwas
kostspielige Signalgeber im Gebrauche stehen, haben reichlich Gelegenheit,
Erfahrungen zu sammeln, welche den großen Werth dieser Einrichtung für den Verkehr und dessen
Sicherung auffällig darthun.
Es ist natürlich, daß der Werth der Automattaster ein um so höherer für solche
Strecken wird, auf welchen in Folge der vorhandenen Gefällsverhältnisse die Gefahr
des Entrollens von Fahrbetriebsmitteln nahe liegt und die Möglichkeit einer
augenblicklichen Alarmirung von höchster Wichtigkeit ist. In dieser Richtung hat die
Buschtiehrader Eisenbahn, welche die Glockensignalposten auf den meisten ihrer
Strecken mit solchen automatischen Tastern versehen ließ, weil die vorhandenen
Gefällsverhältnisse fast durchwegs die Aufwendung vermehrter Vorsichtsmaßregeln
bedingen, eine sehr praktische und bereits wiederholt bewährte Anordnung
getroffen.
Bekanntermaßen sind die automatischen Taster stets unter einer Sperre, welche nur im
Bedarfsfalle und unter strenger Rechtfertigung beseitigt werden darf. Gewöhnlich ist
das Nummerntableau mit seinem stellbaren Zeiger und der Hebel oder die Schnur zum
Uhrwerke des Signalgebers mit einem Deckel oder Thürchen verschlossen und außerdem
plombirt, oder mit Bindfaden und Siegel gegen ungerechtfertigtes Oeffnen
versichert.
Soll der Bahnwärter ein Signal geben, so muß er daher erst den Verschluß beseitigen,
das Thürchen oder den Deckel öffnen, ferner den Zeiger auf die Nummer des zu
gebenden Signals einstellen und endlich das Uhrwerk in Gang setzen. Durch die
Ausführung dieser Handlungen wird jedenfalls eine Verzögerung der Signalabgabe
bedingt, welche in dem Falle, wo es sich um Avisirung entrollter Fahrzeuge handelt,
von den nachtheiligsten Folgen sein kann. Deshalb sperrt die Buschtiehrader
Eisenbahn die vom Bahnwärter zu gebenden Signale bis auf das Signal „Durchgegangene Wagen“ in der gewöhnlichen,
oben angedeuteten Weise, läßt letzteres aber zur augenblicklichen Benützung frei,
d.h. die Schnur, durch deren Anziehen das Uhrwerk des Signalgebers in Bewegung
gesetzt wird, hängt außerhalb des Apparatthürchens und ist zur Abwehr gegen
unbefugte Benützung nur mittels einer wasserdichten, leicht zerreißbaren
Verschlußmarke (Siegelmarke) an der Holzwand des
Läutewerkes festgeklebt, für die Verletzung dieser Marke aber ist der Bahnwärter
ebenso streng verantwortlich, wie für die des Thürverschlusses selbst.
Dementsprechend ist der Zeiger des Automattasters normal auf das Signal
„Durchgegangene Wagen“ zu stellen. Soll dagegen ein
Bahnwärter ein anderes Signal geben, so muß er in der
schon früher angegebenen Weise verfahren, nämlich den Thürverschluß des Signalgebers
entfernen, das
Thürchen öffnen, den Zeiger einstellen und dann die Schnur anziehen; nach erfolgter
Gebrauchsnahme seines Automattasters muß er jedoch den Zeiger unbedingt wieder auf das Signal „Durchgegangene
Wagen“
zurückstellen.
Jede solche Signalabgabe muß vom Bahnwärter schleunigst dem Bahnaufseher
(Bahnmeister) gemeldet werden, welch letzterer außer den betreffenden Controlorganen
allein die Berechtigung und Verpflichtung hat, den Verschluß ohne Verzögerung wieder
herzustellen, nachdem er sich die Ueberzeugung verschaffte, daß der Zeiger richtig
auf „Durchgegangene Wagen“ eingestellt ist.
Tritt also für einen Bahnwärter die Nothwendigkeit ein, entrollende
Fahrbetriebsmittel zu avisiren, so braucht er nur zu seinem Läutewerksapparat zu
eilen und die niederhängende Signalgeberschnur anzuziehen, um seinen Zweck so zu
sagen augenblicklich zu erreichen.
Wie bereits angeführt, hat sich diese Einrichtung praktisch bewährt und zwar ganz
auffällig in einem Falle, wo ein durch Sturmwind von der Station auf die 1 zu 100
fallende Strecke getriebener Güterwagen nach einem Laufe von 4km,12 ohne Unfall aufgehalten werden
konnte, obwohl das Signal erst durch den 1km,923 vom Aushaltungspunkte entfernten Bahnwärter gegeben wurde, als der
entlaufene Wagen seinen Posten passirte. Ein zweitesmal gelang es, einen durch die
Unvorsichtigkeit der Bahnarbeiter ins Rollen gekommenen Bahnwagen, der auf einem
Gefälle von 1 zu 50 gegen die Station lief, wo eben ein Zug zur Abfahrt bereit
stand, noch durch Umwerfen des Wechsels und Einlegen eines Zemann'schen Bremsschuhes
unschädlich zu machen, trotzdem erst der letzte nur 1km,271 vom Bahnhofe entfernte
Streckenwächter in der Lage war, die Gefahr zu signalisiren.
Die Buschtiehrader Eisenbahn hat ferner bei allen Weichen- und
Streckenwächtern, welche entweder noch nicht mit Automatisier ausgerüstet waren,
oder in Strecken mit besonders schwierigen Gefällsverhältnissen postirt sind, eigene
kleine Signalgeber, die nur das eine Signal
„Durchgegangene Wagen“ enthalten, an der zugängigsten,
handsamsten Stelle des Wächterhauses oder der Signalbude anbringen und in die
Läutewerkslinie einschalten lassen.
Dieser in Fig.
14 und 15 dargestellte Apparat ist zweckentsprechend, compendiös und billig.
Ein kleines Uhrwerk ist mit seinen beiden Ständern E und
D auf dem aus hartem Holze hergestellten, in Oel
ausgesottenen Fußbretchen P befestigt. An der die
Uhrfeder bergenden Trommel T ist gleichzeitig die an
ihrem Ende mit einem Klöppel K versehene Schnur
aufgewunden, durch deren
Anziehen die Uhrfeder aufgezogen wird. Die Scheibe L ist
mit der Federtrommel in fixer Verbindung und sind an derselben die 12 Stifte S eingesetzt, deren Gruppirung dem verlangten
Signale
.... .... ....
entspricht. Auf dem einen Uhrwerksständer D ist der durch Hartgummi isolirte Contactambos C befestigt, an welchen das eine Ende der
Läutewerksleitung bei der Schraube A (Fig. 15) geführt
wird.
Das zweite Leitungsende wird bei der Anschlußklemme A'
befestigt, mit welcher wieder die Contactfeder F in
metallischer Verbindung steht. Diese Feder drückt gegen C und stellt also für gewöhnlich einen ununterbrochenen Stromweg von A nach A' her.
In einem gabelförmigen Schlitze der Feder F ist ein
winkelförmiger Stahlzahn Z auf der Achse o drehbar befestigt. Wie aus der Zeichnung ersichtlich
ist, läßt sich der Zahn Z an seinen spitzen, dem Uhrwerk
zugekehrten Schenkel H niederdrücken, ohne daß dadurch
die Feder F aus ihrer Lage gebracht wird. Der auf diese
Weise niedergedrückte Zahn Z fällt aber in Folge des vom
lappenförmigen, nach unten gekehrten Schenkel R
ausgeübten Uebergewichtes sogleich wieder in seine normale Lage zurück, sobald er
losgelassen wird.
Soll der Apparat in Thätigkeit gesetzt werden, ist die Schnur anzuziehen so lange,
bis der Anschlag des Uhrwerkes hemmt, dann wieder frei zu lassen. Durch das Anziehen
und dadurch bewirkte Abwickeln der Schnur wird die Feder in der Trommel aufgezogen.
Dabei dreht sich die letztere in einem Sinne, daß die Stifte S den Zahn Z bei H
im Vorübergehen niederdrücken. Der Stromweg wird hierdurch nicht unterbrochen.
Sobald jedoch die Schnur losgelassen und die Kraft der Uhrfeder zur Wirkung kommt,
dreht sich die Federtrommel T sammt der daran
befestigten Scheibe L nach entgegengesetzter Richtung,
und jeder der Stifte S drückt nun den Zahnschenkel H im Vorbeigehen seitlich nach aufwärts und damit also
auch die Feder F vom Ambosse C weg, wodurch die Läutewerkslinie so lange unterbrochen wird, bis der
Stahlstift S an der Schräge H des Zahnes vorbei geglitten ist, worauf Feder und Zahn sich wieder in
die normale Lage zurück begibt und in derselben verbleibt, bis der nächste
Stahlstift S an die Reihe kommt. Jeder Stift S veranlaßt also eine Unterbrechung der Läutewerkslinie,
und jede Unterbrechung bewirkt eine Auslösung des Läutewerkes und gibt einen Glockenschlag.
Der ganze Apparat ist zum Schutze gegen Witterungseinflüsse in einem Zinkblechgehäuse
G geborgen und mittels des Bügels B und drei Schrauben oder Nägel an der Wand der
Signalbude befestigt. Gegen das unbefugte Abheben des Gehäuses ist dasselbe durch eine
der vorerwähnten wasserdichten Verschlußmarken geschützt, welche über die Schraube
M geklebt wird. Ebenso ist die Benützung der Schnur
durch eine ähnliche Verschlußmarke controlirt, welche an der untern Fläche des
Fußbretchens ihren Platz findet.
Zu diesem Behufe hängt die Schnur, so lange der Signalgeber nicht gebraucht wird,
über einen Haken W derart, wie dies mit gestrichelten
Linien in der Zeichnung angedeutet ist, und wird mit der vorgedachten Marke an das
Fußbretchen festgeklebt.
Es kann sonach das Anziehen der Schnur d. i. die Benützung des Signalgebers nie
erfolgen, ohne daß die Verschlußmarke mit abgerissen würde.
Der ganze Apparat kostet, wie ihn die Allgemeine österreichische
Telegraphenbaugesellschaft in Wien und Prag liefert, an Ort und Stelle sammt
Anbringung und Einschaltung ca. 10 M.