Titel: | Ueber die Erkennung mit Traubenzucker gallisirter Weine; von C. Neubauer in Wiesbaden. |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, S. 146 |
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Ueber die Erkennung mit Traubenzucker gallisirter
Weine; von C. Neubauer in
Wiesbaden.
Neubauer, über die Erkennung mit Traubenzucker gallisirter
Weine.
Bei der Untersuchung einer größern Anzahl käuflicher Traubenzuckersorten, welche aus
verschiedenen Fabriken des In- und Auslandes bezogen waren, fand ich, daß
10proc. Lösungen dieser Präparate, welche durchschnittlich 18 Proc. Wasser
enthielten, eine stärkere Rechtsdrehung der Polarisationsebene zeigten, als wie sie
einer Lösung von reinem, trockenem Traubenzucker zukommt. Diese die
Polarisationsebene stärker als der reine Traubenzucker nach rechts drehende Substanz
ist kein Dextrin, sondern ein zwischen dem Dextrin und dem Zucker liegendes, zur
Zeit noch unbekanntes Zwischenglied, welches aber der Gährung widersteht und sich
auch nach beendeter Gährung durch eine starke Rechtsdrehung auszeichnet.
In der That, läßt man käuflichen Traubenzucker in 10proc. Lösung, nach Zusatz einer
genügenden Menge frischer Bierhefe, vollständig vergähren, filtrirt und dampft ein,
so resultirt schließlich eine nicht unbedeutende Menge eines braunen Syrups von
widerlichem Geschmack, der aber durch starke Rechtsdrehung ausgezeichnet ist. 50cc eines solchen Syrups auf 250cc verdünnt, zeigten nach der Behandlung
mit Thierkohle, in einer 100mm langen Röhre
mit dem Polaristrobometer von Wild untersucht, eine Rechtsdrehung von +
8,4°.
Nach meinen Untersuchungen enthalten die käuflichen Traubenzucker, wie sie
augenblicklich der Handel liefert, im Mittel von 13 verschiedenen Analysen, 18 bis
20 Proc. dieser der Gährung widerstehenden, die Polarisationsebene stark nach rechts
drehenden Substanz.
Hiernach lag die Vermuthung nahe, daß diese unvergährbaren Stoffe der käuflichen
Traubenzucker, da sie durch ihr optisches Verhalten genügend charakterisirt sind,
ein unzweideutiges Merkmal abgeben könnten, um einen Naturwein von einem mit
Traubenzucker gallisirten Wein mit Sicherheit zu unterscheiden. Diese Vermuthung hat
sich mir bis jetzt vollständig bestätigt.
Ich hebe zunächst hervor, daß von sämmtlichen Traubenmostsorten, die ich seit dem J.
1868 in Händen gehabt habe, und diese beziffern sich nach Hunderten, auch nicht eine
einzige die Polarisationsebene des Lichtes nach rechts drehte. Bei einem
Zuckergehalt von 14 bis 20 Proc. fand sich durchschnittlich, bei der Untersuchung im
Ventzke-Soleil'schen Apparat, eine Linksdrehung von 5 bis 7,8°, was
bekanntlich darin seinen Grund hat, daß in Traubenmost der Zucker zum Theil als
Dextrose, zum Theil als
Levulose enthalten ist, und letztere ja durch ein stärkeres
Moleculardrehungsvermögen, und zwar nach links, ausgezeichnet ist.
Läßt man solche Moste mittlerer Jahrgänge vergähren, so resultirt schließlich ein
Wein, dessen Drehungsvermögen nahezu 0 ist oder höchstens + 0,1 bis 0,3°
rechts beträgt.
Ganz anders stellt sich die Sache bei den Ausleseweinen vorzüglicher Jahrgänge wie
1858, 1861, 1862, 1868 etc. Auch hier zeigt der Most bei einem Zuckergehalt von 26
bis 28 Proc. eine starke Drehung der Polarisationsebene nach links, aber schließlich
resultirt nach beendeter Gährung ein Wein, welcher von der zum Theil unvergohren
gebliebenen Levulose stets eine starke Drehung nach links behält. Ich habe in dieser Richtung 15 verschiedene
Ausleseweine aus dem Rheingau und von der Haardt untersucht, die mit 15 bis 30 M.
pro Flasche bezahlt worden und zu den edelsten Gewächsen dieses Jahrhunderts
gehören, aber nicht ein einziger zeigte Rechtsdrehung; sämmtliche ohne Ausnahme
lenkten, mit einem Zuckergehalt (Levulose) von 4 bis 15 Proc., die
Polarisationsebene bei der Untersuchung mit dem Polaristrobometer von Wild in 100mm langer Röhre um – 2,4 bis
– 7° nach links ab.
Vergleicht man nun hiermit das optische Verhalten der mit käuflichem Traubenzucker
gallisirten Weine, so wird man in allen Fällen, gleichgiltig ob noch unvergohrener
Zucker vorhanden ist oder nicht, einen verhältnißmäßig hohen Extractgehalt finden,
und sämmtliche derartige Weine zeigen, in gleicher Weise untersucht, eine mehr oder
weniger starke Rechtsdrehung der Polarisationsebene, die
nicht selten bei 100mm langer Schicht 3 bis
5° beträgt und auf Rechnung jener unvergährbaren Substanzen der käuflichen
Traubenzucker zu setzen ist.
Ich habe sowohl bei selbst gallisirten Weinen als auch bei käuflichen Waaren diese
Methode bis jetzt als zuverlässig bewährt gefunden, lieb würde es mir aber sein,
wenn auch von anderer Seite Untersuchungen in angegebener Weise angestellt würden.
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1875 S. 1287.)