Titel: | Die Natronsalpeterindustrie in Südamerika; von M. V. L'Olivier. |
Autor: | M. V. L'Olivier |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, S. 171 |
Download: | XML |
Die Natronsalpeterindustrie in Südamerika; von
M. V. L'Olivier.
L'Olivier, über die Natronsalpeterindustrie in
Südamerika.
Auf die Existenz von Natronsalpeterlagern in Südamerika hat zuerst Mariano de Rivero im J. 1821 aufmerksam gemacht; die Ausbeutung
derselben für industrielle Zwecke entwickelte sich jedoch erst 10 Jahre später. Das
natürliche salpetersaure Natron (le caliche) findet sich
in unregelmäßigen und isolirten Haufen, mit Ablagerungen von Chlornatrium und
borsaurem Kalk wechselnd, in einer Meereshöhe von ungefähr 100m, zerstreut in der Pampa, welche sich
längs der Ufer des stillen Oceans von 19° bis 23,3° südlicher Breite
hinzieht. Lange Zeit kannte man nur die Lager der Provinz von Tarapaca (Peru), aber
vor einigen Jahren hat man solche auch in Bolivia, und zwar im Süden die von
Antofagasta und im Norden diejenigen des Loa-Beckens entdeckt. Die
Bildungsepoche dieser unermeßlichen Lager alkalinischer Nitrate läßt sich nicht
bestimmen, aber nach der vom Verfasser (Comptes rendus,
1875 t. 81 p. 730)
angestellten Untersuchung läßt sich ihre Entstehung der Verdunstung von Salzseen
zuschreiben. Ein langsamer Verdunstungsproceß konnte die Ablagerung complexer
Schichten auf der Grundlage des salpetersauren Natrons zur Folge haben. Während
dieser Ablagerung wurden die Wässer allmälig ärmer an salpetersaurem Salz, während
sich Salzkrusten, reich an Chlornatrium, bildeten, welche in der Flüssigkeit
suspendirt blieben. Irgend eine unterirdische Bewegung, welche den wellenförmigen
Charakter des Bodens modificirte, bewirkte die Austrocknung dieser Seen und die
Trennung der Mutterlauge von den Sedimenten (calicheras). Die Salzkrusten, welche sich an den Hindernissen, denen sie
begegneten, anhäuften, gestalteten sich zu aufgetriebenen Gebilden (salares) von geringer Widerstandsfähigkeit. Die in
andern Einsenkungen zurückgehaltenen Mutterlaugen verdunsteten und gaben Anlaß zur
Entstehung anderer compacterer und salzreicherer Gebilde als die vorhergehenden.
Später bedeckten die von den Anden herabfließenden Gewässer die ersten Ablagerungen
mit alluvialen Schichten. Ueberall, wo sie die Salzstoffe erreichten, sättigten sich diese
Alluvialmassen mit denselben, wobei sie eine ausnahmsweise Härte erlangten und die
„costra“ bildeten, welche
den größten Theil der Natronsalpeterlager bedeckt.
Westlich von den „calicheras“ kommen
die „salares“ in überreichem Maße
vor. So fand Verfasser öfters, hauptsächlich an der Mündung des Loa, Haufen beinahe
reinen Salzes. Oestlich davon, in einer größern Höhe finden sich jene Lager von
borsaurem Kalk und Boronatrocalcit, welche die Industrie heut zu Tage zur Erzeugung
des Borax zu verwerthen weiß. Die relative Mächtigkeit der Natronsalpeterlager und
der „costra“ wechselt in den
verschiedenen Districten. In der Provinz Tarapaca übersteigt die Mächtigkeit der
„costra“ öfters 1m und 1m,50, während sie in den Becken des Loa, wo die mittlere Dicke 0m,4 beträgt, öfters bis auf 0m,05 und 0m,10 herabsinkt. Die Mächtigkeit des
eigentlichen Natronsalpeterlagers wechselt von 0m,3 bis 2m.
Außer den erdigen Substanzen schließt der natürliche Natronsalpeter noch verschiedene
Salze in sich, wie folgende Analyse von Proben aus dem Loa-Becken zeigen.
I
II
III
Salpetersaures Natrium
51,50
49,05
18,60
Schwefelsaures Natrium
8,99
9,02
16,64
Chlornatrium
22,08
28,95
33,80
Chlorkalium
8,55
4,57
2,44
Chlormagnesium
0,43
1,25
1,62
Kohlensaures Calcium
0,12
0,15
0,09
Kieselsäure und Eisenoxyd
0,90
2,80
3,00
Jodnatrium
–
Spuren
–
Unlösliche Stoffe
6,00
3,18
20,10
Die Probe III, welche man als Natronsalpeter der geringsten Sorte classificiren kann,
ist in Wirklichkeit nichts anderes, als die erwähnte „costra“ (mit Salzen geschwängertes
Alluvium). Der Gehalt an salpetersaurem Natron ist veränderlich; gewisse Lager
enthalten 60 und 70 Proc., und einigemal traf Verf. krystallisirten Natronsalpeter
an.
Der natürliche Natronsalpeter wird zerstoßen, einem Reinigungsproceß durch Auflösung
unterworfen und als 95 bis 96proc. Chilisalpeter in den Handel gebracht. An die
Stelle der alten „paradas“ sind
heut zu Tage große Apparate, die „maquinas“ getreten, welche innerhalb 24 Stunden 100t Salpeter liefern können. Der rohe
Salpeter wird unter Zusatz schwacher, durch das Auswaschen der Rückstände erhaltener
Wässer der Einwirkung von Dämpfen ausgesetzt und die concentrirte Lösung alsdann in
die Krystallisirbehälter geschafft. In der Salpeterfabrik der Compagnie von Tarapaca
zu La Noria wird die aus dieser Operation hervorgehende Mutterlauge eingedampft und
die dadurch gewonnene Salzmasse, wie der natürliche Salpeter in einer „maquina“ von kleinern Dimensionen
behandelt. In den meisten Salpeterfabriken unterliegen die aus den letzten
Operationen resultirenden Mutterlaugen, da sie reich an Jodat sind, noch einer
weitern Behandlung, um das Jod zu gewinnen, – eine Procedur, die jedoch
geheim gehalten wird. Die Fabrik der Compagnie von Tarapaca allein erzeugt jährlich
1000 Ctr. Der Preis des Natronsalpeters variirt von 90 bis 130 Franken pro Tonne,
und der des Jod von 3,25 bis 4,50 Fr. pro Kilogramm.
Man zählte im verflossenen Jahre in Peru 131 Fabriken, wovon 59 mit neuen Apparaten
versehen sind. In vollständiger Thätigkeit hätten sie jährlich 780000t Natronsalpeter liefern können; die
Production hat jedoch nie 300000t
überstiegen. Von diesem
Quantum importirte im J. 1874 Frankreich 47873t, während der Import in den ersten 8 Monaten von 1875 bereits 44840t erreichte. Der Ausfuhrzoll, womit die
Perudianische Regierung den Natronsalpeter belegt hat, um zu verhüten, daß derselbe
dem Guano Concurrenz mache, führt eine Krise herbei, welche diese Industrie schwer
überwinden wird, und bald werden die Salpeterlager des Loa-Beckens in Bolivia
allein den wachsenden Bedürfnissen des europäischen Marktes genügen können.
Es dürfte schließlich von Interesse sein, die Analyse des Wassers des Rio Loa
mitzutheilen, dessen Zusammensetzung sich wenig von derjenigen der unterirdischen
Wassersammlung der Pampa unterscheidet, welche das für die Bedürfnisse der Arbeiter
und der Tränkung des Viehes nöthige Wasser liefert.
In 100000 Theilen fanden sich:
Chlornatrium
228,3
Th.
Chlorkalium
22,0
Chlormagnesium
29,6
Calcium
12,7
Kohlensaures Magnesium
4,5
Schwefelsaures Calcium
77,0
Kieselsäure und Eisenoxyd
16,0
Salpetersaures Natrium
Spuren
–––––––––––
Im Ganzen
390,1
Th.
Es befindet sich also im Liter 3g,901 fester Rückstand.
P.