Titel: Zwillings-Hängezeug für Grubenaufnahmen; Patent R. Schneider und Wilhelm Kraft.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 226
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Zwillings-Hängezeug für Grubenaufnahmen; Patent R. Schneider und Wilhelm Kraft. Mit Abbildungen auf Taf. V [b.c/4]. Schneider's Zwillings-Hängezeug für Grubenaufnahmen. Bis jetzt wurden bei den meisten Bergbauen die Gruben- und mitunter auch Tagvermessungen mittels gespannten Schnüren, dem Hängecompasse und Gradbogen vollzogen. Es ist zur Genüge bekannt, daß der Hängecompaß als Horizontal-Winkelmeßinstrument in Folge der variablen Magnetnadel-Declination, sowie der in den Grubenräumen vorkommenden Eisenbestandtheile, magnetischen Gesteine etc. zu Grubenvermessungen einestheils nicht vollkommen verläßlich, anderntheils sehr zeitraubend und umständlich ist. Durch das von Rudolf Schneider erfundene und von E. Kraft und Sohn in Wien ausgeführte Hängezeug wird die Magnetnadel sammt den daran hängenden Mängeln bei Grubenvermessungen vollkommen beseitigt, minutengenaue Ablesung der aufzunehmenden Schnurwinkel erzielt, und weiters bei einfacher Handhabung des Instrumentes die Aufnahmsarbeit sehr gefördert. Laut dem Protocolle über eine Vermessung, welche Fachmänner des Rossitzer Reviers (Mähren) vornahmen, wurde mit diesem Zwillings-Hängezeuge ein Schlußzug von 6 Seiten bei nahezu horizontal gespannten Zügen in 9 Minuten aufgenommen, mithin betrug der Zeitaufwand per Winkel 1 1/2 Minute. Bei stark steigenden und fallenden Zügen, mit Benützung der Verticalführung der Instrumente, nahm derselbe Schlußzug von 6 Winkeln 11 Minuten in Anspruch, somit pro Winkel 1,8 Minuten. Einen Beweis für die mit diesem Instrumente erreichbare Genauigkeit liefert die Aufnahme der Bergzöglinge der Przibramer Bergakademie, welche unter Führung ihrer Professoren schon nach der ersten Erklärung des Instrumentes im Stande waren, eine Schlußaufnahme von 6 Zügen auf eine Minute genau vorzunehmen. Nimmt man die bei diesen Versuchen constatirte geringe Abweichung von 1 Minute und die rasche Arbeit in Betracht, so werden jedem Fachmanne die mit diesem Instrumente zu erreichenden Vortheile unzweifelhaft erscheinen. Das besprochene Zwillings-Hängezeug besteht aus zwei vollkommen gleich construirten Hängezeugen, wovon das eine auf die rechte, das andere auf die linke Winkelschnur zu hängen kommt. Das einfache Hängezeug (Fig. 21 bis 23) besteht aus einem Limbus a, welcher vom Achspunkt der Hängehaken, resp. der Schnurrichtung aus, nach rechts und links in vier Mal 90 Grade und halbe Grade eingetheilt ist, ferner aus einem Hängebügel b, welcher mit dem Limbus a derart verbunden ist, daß die Höhenachse desselben genau im rechten Winkel zum Horizont des Gradringes steht. Der Hängebügel d endet oben in einer gut eingeschliffenen Verticalführung c, um längs der Leitstangen d durch das in Verzahnung eingreifende Getriebe e auf- und abwärts bewegt werden zu können. Die Klemmschraube f dient dann zur Fixirung des Hängebügels auf der Leitstange in beliebiger Stellung. An dem obern Ende der Leitstange d ist der Scharnirkopf g festgeschraubt, in welchem sich der Hängebalken h mit den Hängehaken ii bewegt. Oberhalb dem Centrum des Limbus a ist in dem Hängebügel b das verstellbare Stahllagerstück k eingesetzt, welches mittels der Stellschraube l zu heben und zu senken ist. Die bis jetzt genannten Bestandtheile des Instrumentes, von a bis l mit einander verschraubt, bilden den einen Haupttheil des Hängezeuges. Der zweite Haupttheil desselben, der sich im erstern centrisch bewegt, besteht aus einer verticalen Spindel m, welche sich nach oben in der Stahllagerschraube k und nach unten im genauen Centrum dem Limbus a in Spitzen bewegt. An der verticalen Spindel m ist eine den ganzen Limbus überdeckende Metallscheibe n befestigt, die an ihrer äußern Peripherie zwei Kreisausschnitte hat, in welchen die das Ablesen der Winkel nach Minuten ermöglichenden Nonien o angebracht und sichtbar sind. Oberhalb des Limbusdeckels oder der Alhidadenscheibe n ist die Verbindungsschiene p auf der Spindel m drehbar aufgesteckt, welche mittels der Stellschraube q und einer Gegenfeder in horizontaler Richtung verstellt werden kann und so zur Justirung des Instrumentes dient, worüber noch später Erwähnung geschehen wird. Die Verbindungsschiene des einen Hängezeuges ist am Ende mit einer Stahlplatte r versehen, während die Verbindungsschiene des andern Instrumentes an derselben Stelle einen Hufeisenmagnet s besitzt. An den andern Enden der Verbindungsschienen sind bogenförmige Stücke t zur Herstellung des centrischen Gleichgewichtes derselben befestigt. In den Abbildungen sind die beiden Hängezeuge beispielsweise auf zwei genau einen rechten Winkel einschließenden Schnüren aufgehängt dargestellt, durch die Berührung des Hufeisenmagnetes s der einen Verbindungsschiene p mit der Stahlplatte r der andern Verbindungsschiene p' werden die Verbindungslinien der gegenüberliegenden Nonien (Nullpunkte der beiden Hängezeuge) vollkommen parallel. Denke man sich im Scheitel des rechten Schnurwinkels zu diesen beiden Parallelen eine dritte gezogen, so ist der Winkel α, welcher auf dem einen Instrumente von der Schnurrichtung resp. dem Nullpunkt des Gradringes weg abgelesen werden kann, gleich dem Winkel β, der Winkel γ vom andern Instrument gleich dem Winkel δ; daher α + γ gleich dem von den Schnüren eingeschlossenen Winkel β + δ. Um sich von der Genauigkeit der beiden Hängezeuge betreffs richtigen Ablesens der Winkel vollkommen zu überzeugen, hänge man dieselben auf eine und dieselbe Schnur, stelle die Verbindung der Stahlplatte r mit dem Magnete s in der besprochenen Weise her und untersuche dann, ob das Resultat der zwei abzulesenden Winkel genau zwei Rechte beträgt, die jede gerade Linie in sich einschließt. Sollten hierbei Differenzen sichtbar sein, so läßt sich mit Hilfe der früher besprochenen Stellschraube q durch Vor- oder Rückschrauben die Verbindungsschiene p gegen die Alhidadenscheibe n verdrehen, um den vorhandenen Fehler zu beseitigen und das Instrument genau zu justiren, welches Verfahren jeder zu vollziehenden Vermessung vorangehen soll. Bei den ersten Versuchen mit diesen Instrumenten zeigte sich trotz ihrer vollkommenen Ausführung ein variabler Fehler von einigen Minuten bei Aufnahmen von Schlußzügen. Nach reiflicher Ueberlegung fand sich, daß dieser Fehler allein in dem bisher angewendeten directen Aufhängen der Hängezeuge an die Schnur gelegen ist. Wie groß dieser Schnurfehler werden kann, veranschaulichen folgende Zahlen: Bei Minutenablesung erhält man bekanntlich den 21600. Theil eines Kreises; bei der Halbgradeintheilung des Compaßstundenringes kann man bestimmt den 720. Theil, und schätzungsweise 1/10° oder den 3600. Theil eines Kreises reich oder arm ablesen; somit ist ein Ablesefehler unter 3 bis 4 Minuten per Winkel beim Compasse unsichtbar. Bei Entfernung der Hängehaken von 165mm, welches Maß der natürlichen Größe der Instrumente, sowie auch beiläufig jener des Compasses entspricht, beträgt eine einseitige Schnurverstärkung von 0mm,023 schon die Differenz einer Minute am Limbus. Um nun der sechsfachen Genauigkeit der Minutenablesung, gegenüber dem Compasse, auch beim Aufhängen dieser Instrumente gleichzukommen, somit den Schnurfehler demgemäß zu beseitigen, bediente man sich zweier 1m langer Hilfshängeschienen. Die Hilfshängeschiene, gleichfalls in Fig. 21 und 22 dargestellt, ist, um die größtmöglichste Steifheit und Leichtigkeit derselben zu erreichen, aus einem Metallrohre u angefertigt. Die an beiden Enden derselben befestigten Hängehaken v, v kommen direct auf die Schnüre zu hängen. An einem Ende dieser Schienen u sind nach unten die Ansätze w, w angebracht, in welchen sich die zwei Stellschrauben x, x befinden, mit denen der 1mm starke Hängedraht y festgespannt werden kann. Die Länge dieses möglichst feinen Hängedrahtes entspricht genau der Entfernung der Hängehaken i, i, damit das Instrument stets auf eine und dieselbe Stelle zu hängen kommt. Würde man die aufzunehmenden Schnurwinkel nicht in Minuten, sondern nur nach 1/10° ablesen, wie dies beim Compaß gewöhnlich zu geschehen pflegt, wo ein Fehler unter 3 Minuten pro Winkel nicht mehr sichtbar ist, so wäre der Gebrauch dieser Hilfshängeschiene u nicht nöthig, um dieselbe Genauigkeit zu erreichen, welche der Compaß beim Ablesen der Winkel bietet. Um aber beim Zwillings-Hängezeuge die Genauigkeit einer Minute der Winkelangabe thatsächlich zu erhalten, wurde gerade die Hilfsschiene zur Anwendung gebracht. Bei der 1m großen Entfernung der Aufhängehaken der Hilfshängeschiene u beträgt zwar immer noch eine einseitige Schnurverstärkung von 0mm,145 eine Differenz von einer Minute, aber trotzdem konnte beim Gebrauch derselben das Endresultat verschiedener Schlußzüge auf eine bis zwei Minuten, ja zumeist ganz genau erreicht werden, so daß jene Schienenlänge genügend ist. Hierin noch weiter vorzugehen, erscheint für die vorliegenden Zwecke unnöthig; den ein factischer Winkelfehler von einer Minute entspricht bei einem 10m langen Zuge einer Richtungsabweichung von nur 1mm,45; solche unbedeutend kleine Fehler compensiren sich zumeist gegenseitig und stören die Richtigkeit der Vermessung ganz unbemerkbar. Das Aufschreiben der abgelesenen Schnurwinkel ins Zugbuch geschieht in der Meise, daß man dieselben in der Richtung, in der sich die Vermessung vollzieht, mit Τ (rechts) und l (links) bezeichnet, je nachdem wechselweise die Winkel vorkommen, und folgendes notirt: Zug 1 + 2 Winkel 1 = 147° 53' r 2 + 3 2 = 134° 16' l 3 + 4 3 =   84° 20' l etc. Da bei Grubenvermessungen auch stumpfe Winkel zur Aufnahme kommen, so muß man schon beim Spannen der Schnüre im Vorhinein darauf Bedacht nehmen, daß die Aufnahme des spitzigen Gegenwinkels durch die beiden Hängezeuge räumlich ermöglicht ist. Durch die einfache Subtraction dieses Gegenwinkels von 360° erhält man den in Rechnung zu stellenden stumpfen Winkel, welcher zu messen gewesen wäre. Das trigonometrische Berechnen der Winkel und Züge bleibt sich selbstverständlich dem frühern Verfahren nahezu gleich. Das mechanische Zulegen der Winkel in der Markscheiderei wird mittels eines Regeltransporteurs, welcher Minuten anzeigt, sicher und schnell bewerkstelligt. Dieses Verfahren erfordert gegen das übliche Zulegen mit dem Compasse weder die ängstliche Entfernung alles Eisens aus der Markscheiderei, noch den genau horizontal gestellten Tisch etc., ist somit in jedem lichten Raum und auf jedem Zeichentisch durchführbar. Um vorzunehmende Vermessungen mit dem Zwillings-Hängezeuge auch gleichzeitig der Mittagslinie nach zu fixiren, bestimmt man sich obertags die Mittagslinie mit zwei fixen Punkten in der Nähe des Schachtes oder Stollens oder, wo es zulässig ist, eine solche fixe Linie in der Grube, deren Streichungsrichtung zur Mittagslinie bereits bekannt ist, beginnt jede Vermessung mit einer derartig bereits bekannten Linie, und man hat sodann auch die ganze Vermessung der Weltlage nach bekannt. Selbstverständlich müssen bei fortzusetzenden Vermessungen zwei Fixpunkte zurückgelassen werden, um immer den letzten Zug zur weitern Fortsetzung der Vermessung erneuern zu können. (Nach der österreichischen Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1875 S. 471.)

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