Titel: | Ueber eine eigenthümliche Art von Dampfkesselerosion; von Prof. V. Wartha in Budapest. |
Autor: | V. Wartha |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, S. 253 |
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Ueber eine eigenthümliche Art von
Dampfkesselerosion; von Prof. V.
Wartha in Budapest.
Wartha, über eine eigenthümliche Art von
Dampfkesselerosion.
In einer oberungarischen Fabrik bemerkte man kurze Zeit nach Eröffnung des Betriebes,
daß die zu dem Dampfkessel gehörigen Vorwärmer bedenklich zu lecken anfingen, welche
Erscheinung dermaßen zunahm, daß zur Auswechslung des fast ganz neuen Vorwärmers
geschritten werden
mußte. Es ergab sich hierbei, daß das 7mm
starke, aus sehnigem Eisen hergestellte Kesselblech stellenweise ganz durchlöchert
war, während andere Stellen bis auf 4mm
Tiefe zerfressen, sonst aber die innere Kesselwand ganz intact und mit einer kaum
merklichen Schicht von kohlensaurem Kalk etc. überzogen war.
Ein Stück dieses Bleches wurde mir zur Untersuchung übergeben. Die angefressenen
Stellen waren mit einer braunen fettigen Substanz ausgefüllt, die zunächst einer
genauen Untersuchung unterworfen wurde. Die Masse enthielt größtentheils Eisenoxyd,
dann bedeutende Quantitäten fettige Substanz, etwas Kohle und mineralische
Substanzen, wie dieselben in jedem Kesselstein vorkommen. Ich beschränkte mich nun
auf die Untersuchung jener fettigen Substanz, weil ich gleich anfangs überzeugt war,
darin den Schlüssel zur Lösung der angeregten Frage zu finden. Mit Aether
übergossen, löste sich ein dunkelbrauner fetter Körper auf, der nach Verjagung des
Aethers als schmierige, braune, in Wasser unlösliche Masse zurückblieb und sich als
ölsaures Eisenoxyd zu erkennen gab. Mit Barit verseift, konnte ich die Gegenwart von
Oelsäure constatiren; Glycerin wurde keines gefunden, also war kein Neutralfett
vorhanden. Ich machte nun sogleich einen synthetischen Versuch mit freier Oelsäure,
die durch längere Zeit durch Stehen an der Luft braungelb gefärbt war. Brachte ich
einige Cubikcentimeter von dieser Fettsäure mit Wasser und Eisenfeilspänen zusammen,
so entwickelte sich beim Erhitzen stürmisch Wasserstoffgas, während eine braune,
klebrige, in Aether mit dunkelbrauner Farbe lösliche
Fettsäure-Eisenoxydverbindung entstand, die 11 Proc. Eisenoxyd enthielt und
sich in Nichts von der von mir im Vorwärmer gefundenen Masse unterschied. Die
Erklärung der oben skizzirten Erscheinung ist nun einfach.
In der erwähnten Fabrik wurde Retourdampf zum Vorwärmen verwendet, wodurch freie
Fettsäure resp. Oelsäure (durch den Wasserdampf und Druck im Dampfcylinder zersetzt)
mitgerissen in den Vorwärmer gelangte. Hier blieben nun die condensirten
Oelsäuretropfen als klebrige Massen an der Kesselwand hängen, und, gefördert durch
den herrschenden Druck, wurde das Eisen zunächst der Berührungsstelle angegriffen;
die fettsaure Eisenverbindung aber vertheilte sich in dem ganzen Fetttropfen, so daß
nun das unter Druck befindliche warme Wasser in directe Berührung mit der
Eisenverbindung gelangte und dieselbe an der Berührungsstelle in Eisenoxyd und freie
Fettsäure zerlegte, wodurch nun die wieder frei gewordene Säure neue Mengen von
Eisen löste und der Tropfen tiefer in die Kesselwand eindrang; nach einiger Zeit war
die Kesselwand durchfressen und der Kessel leckte. So erklärt es sich, wie es kommen konnte, daß
eine relativ kleine Menge von Oelsäure im Stande ist, ein 7mm dickes Kesselblech zu durchbohren.
Gelangt Oelsäure in den Hauptkessel, so würden sich dort diejenigen Erscheinungen
beobachten lassen, die seinerzeit von Bolley (1861 162 164), Birnbaum (1874 213 488) u.a. beschrieben wurden. Meines Wissens ist die
von mir beobachtete Erscheinung noch nicht veröffentlicht worden, und ich empfehle
darauf bezügliche Beobachtungen dringend der Aufmerksamkeit der Praktiker.