Titel: | Das chemische Holzstoff-Verfahren von Albert Ungerer in Simmering bei Wien. |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, S. 367 |
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Das chemische Holzstoff-Verfahren von
Albert Ungerer in
Simmering bei Wien.
Ungerer, über das chemische Holzstoff-Verfahren.
Seit der Einführung der Holzschleiferei durch H. Voelter
in Heidenheim und ursprünglich auf dessen Veranlassung beschäftigte sich Ungerer eingehend mit der Verwendung des Holzes zur
Papierfabrikation, und wurde von jahrelangen vergeblichen Versuchen, das
geschliffene Holz auf eine nicht zu kostspielige, fabrikmäßig ausführbare Weise
schön weiß zu bleichen, auf Versuche geführt, das Holz auf chemischem Wege in seine
Zellen zu zerlegen, resp. Cellulose darzustellen. Diese Versuche wurden allerdings
oft längere Zeit unterbrochen, bis endlich Ungerer sich
im J. 1869 ganz speciell und ausschließlich der Ausführung einer fabrikmäßig
ausführbaren und ebenso billigen als vollkommen rationellen Methode der
Cellulosedarstellung sich widmete, welche ihm auch im hohen Grade gelungen ist, wie
dies die im fabrikmäßigen Betrieb gemachte Erfahrung bewiesen hat (vgl. 1871 201 157. 1872 204 341).
Dieses Verfahren unterscheidet sich von allen andern und besteht im Allgemeinen
darin, daß man das klein zerschnittene Holz in einer Reihe von stehenden
cylindrischen Kochern mit Aetznatronlösung, welche in einem besondern Kessel erhitzt
wird, in der Weise behandelt, daß die Lauge durch das Holz von einem Kocher der
Reihe nach zum andern fließt, und zwar unter den nöthigen Druck- und
Temperaturverhältnissen, welche aber einen Druck von 6at nicht überschreiten, und schließlich
abgeleitet wird, um in einen besonders construirten Apparat, der sich durch
vorzügliche Leistung bei billigen Anlagekosten und wenig Raumerforderniß
auszeichnet, eingedampft und wieder auf Aetznatron weiter verarbeitet zu werden.
Dieses Kochen, richtiger Extraction des Holzes unter erhöhtem Druck und bei
steigender Temperatur, als auch das darauf erfolgende Auswaschen geschieht der Reihe
der Kocher nach im Kreislauf und stellt eine ganz gleichförmige, sichere und
continuirliche Fabrikation dar, wobei in regelmäßigen Zeitintervallen je ein Kocher
voll fertiger und ausgewaschener Holzstoffe aus dem Apparate genommen und eine
Partie rohes Holz an dessen Stelle eingefüllt wird.
Die Incrustationen und Intercellularsubstanzen des Holzes sind verschieden löslich
und zeigen ein ungleiches Verhalten gegen die Lauge. Während einzelne Bestandtheile
schon in reinem Wasser oder einer sehr schwachen Lauge bei 100° und darunter
löslich sind, werden andere erst bei 120 bis 130° und in stärkerer Lauge in
Lösung gebracht, und wieder andere erst bei noch höhern Temperaturen. Ebenso sind
diese Stoffe zum Theil auch in sauren, andere in neutralen und in mehr oder weniger
alkalischen Laugen löslich, bezieh. werden solche durch die chemische Einwirkung in
lösliche Verbindungen verwandelt.
Bei diesem Verfahren wird nur das frischeste Holz, das noch die am leichtesten
löslichen Verbindungen und Bestandtheile enthält, mit der an freiem Natron
schwächsten und an schon gelöstem Extract reichsten Lauge behandelt, wodurch das
Natron vollends vollständig gesättigt und ausgenützt wird, und in dem Maße, als das
Holz von Incrustationen freier wird und nur noch schwerer lösliche Substanzen
enthält, wirkt auch eine an freiem Natron stets zu- und an Extractgehalt
stets abnehmende Lauge auf dasselbe ein, so daß der mehr extrahirte Holzstoff, und
je mehr er sich der reinen Cellulose nähert, auch mit um so concentrirterer und
reinerer Lauge zusammen kommt.
Der vollkommen von Incrustationen befreite Holzstoff wird, ohne denselben aus den
Kochern zu nehmen, nach Entfernung der Lauge nach demselben Princip mit Wasser
behandelt, um auch von der noch anhängenden Lauge vollständig befreit zu werden.
Durch eine eigenthümliche Construction des Apparates, und vermöge besonderer
Einrichtung wird auch dieser Rest von Lauge in wenig verdünntem Zustande vollständig
wieder gewonnen und sofort zur Extraction des Holzes weiter verwendet, so daß gar
keine verdünnten Waschwässer und damit verbundener Sodaverlust
entstehen, wie solches bei andern Verfahren unvermeidlich ist, und es wird der Stoff
auch weit sorgfältiger und intensiver ausgewaschen, als dies im Holländer oder sonst
einem complicirten Apparat der Fall ist; zudem ist bei dieser Waschmethode ein
Stoffverlust absolut nicht möglich. Dieser Behandlung zufolge gewinnt man aus einem
bestimmten Quantum Holz auch mehr reine Cellulose, als sonst möglich ist.
Bei einer Production von täglich mindestens 80 bis 100 Ctr. trocken gedachten Stoffes
und nicht zu hohen Auslagen für Arbeitslöhne und Kohlen läßt sich nach dieser
Methode der schönste, leicht bleichbare Holzstoff aus Fichtenholz zu nur 11 bis 12
M. pro 50k herstellen, und braucht dieser
nur ungefähr 6 Proc. guten Chlorkalk, um gebleicht zu werden, wie er für
gewöhnliches Druckpapier nöthig ist.