Titel: | Präcisionswage mit einer Vorrichtung zum Umwechseln der Gewichte bei geschlossenem Wagekasten; von Prof. Arzberger. |
Autor: | Arzberger |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, S. 402 |
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Präcisionswage mit einer Vorrichtung zum
Umwechseln der Gewichte bei geschlossenem Wagekasten; von Prof. Arzberger.
Mit Abbildungen im Text und auf Taf. IX [a/1].
Arzberger's Präcisionswage.
Bei genauen Wägungen bringen kleine Temperaturdifferenzen in den beiden Armen des
Wagebalkens bedeutende Störungen hervor. Bedenkt man, daß bei einem messingenen
Wagebalken die Ausdehnung pro 1° 0,000019 der Gesammtlänge beträgt, so ist
bei einer Temperaturdifferenz von 1/10° in den zwei Armen eine Veränderung in
den Längen eingetreten, die sich nahezu wie 1 : 1,0000019 verhält, was beim
Auswiegen von 1k einer Differenz von 1mg,9 entspricht. Diese Größe hat bei
gewöhnlichen Wägungen keinen Belang, bei eigentlichen Präcisionswägungen aber können
noch viel kleinere Differenzen nicht mehr übergangen werden.
Sobald der Beobachter den Wagekasten öffnet, um die Gewichte zu verwechseln, oder ein
kleines Gewichtchen aufzulegen, werden durch dessen Körperwärme
Temperaturdifferenzen in den einzelnen Theilen des innern Wagekastenraumes
hervorgebracht, die allerdings sehr gering sind, aber eben deshalb sehr lange Zeit
zur völligen Ausgleichung brauchen. Dieser Umstand macht genaue Wägungen äußerst
zeitraubend und war die Veranlassung zur Construction einer Wage, bei welcher alle
beim Wägen vorkommenden Operationen vorgenommen werden können, ohne den Wagekasten
zu öffnen, das Umwechseln der Gewichte insbesondere aber von einer beliebig großen
Entfernung aus geschehen kann.
Figur 13
zeigt diese Wage in der Vorderansicht bei abgenommenem Wagekasten; Fig. 14 ist ein Grundriß
mit Hinweglassung der oberen Theile.
Die beiden Platten P und P',
welche durch die Ständer Q, Q verbunden sind, bilden das
Fußgestelle, welches auf drei Stellschrauben R steht. An
dem mittlern Zapfen A wird der Arretirungsschlüssel
angesteckt, durch dessen Umdrehung wie gewöhnlich die Balken-,
Schalen- und Gehängarretirung bewegt wird.
Am Schalengehänge ist ein um α drehbarer
gleicharmiger Hebel befestigt, an dessen Endpunkten mittels der kurzen Ketten β, β das Querstück γ aufgehängt ist. Die beiden steifen Drähte δ verbinden γ mit der
eigentlichen Wageschale S. Die beiden Drähte δ, das Querstück γ und der um α drehbare Hebel
liegen in einer Verticalebene, welche mit der Projectionsebene (Fig. 13) einen Winkel von
45° einschließt; dies ist übrigens auch aus dem Grundriß Fig. 14 zu ersehen, wo
die Drähte δ als schwarze Punkte erscheinen.
Diese Art der Schalenaufhängung gewährt die vollständige Gelenkigkeit zwischen
Gehänge und Schale, die zur gleichen Druckvertheilung auf die Endschneide des
Wagebalkens nöthig ist, verhindert aber eine Verdrehung der Schale um eine verticale
Achse, welche wie später näher ersichtlich werden wird, hier nicht zulässig ist.
Nachdem, wie noch gezeigt werden wird, die Masse der eigentlichen Wageschale nicht
gleichmäßig um ihren Mittelpunkt vertheilt ist, steckt in der Mitte des Querstückes
γ eine Schraube horizontal und senkrecht auf
die Hauptrichtung von γ mit einem Gewichtsknopfe,
welcher den Schwerpunkt der Schale in deren Mitte versetzt.
Die Schalenarretirung wird wie gewöhnlich von einem an A
befestigten Excenter bewirkt, bei dessen Drehung die mondförmigen Stücke m (Fig. 13) durch je zwei
verticale Stäbe g gehoben oder gesenkt werden. Unter
jeder Wageschale liegt ein solches Stück m horizontal,
kreisrund gebogen und über 2/3 des Kreisumfanges sich erstreckend, in dem die drei
Schrauben v stecken, auf welchen die arretirte Schale
aufruht (s. Fig.
13 und 14).
In Figur 17
ist ein Stück der Schale S sowie eine Schraube v und ein Stück von m (v und m im Durchschnitte) in
größerm Maßstabe dargestellt. Die Schale trägt unten drei Stiften μ, welche je in eine schwach conische Vertiefung
der Schrauben v hineinragen. Diese Einrichtung hat den
Zweck, die Schale beim Arretiren genau centrisch zu stellen, falls durch eine etwas
excentrische Stellung des Gewichtes ein Schiefhängen im nicht arretirten Zustande
eingetreten wäre. Man ersieht hieraus, daß jede der beiden Schalen nach erfolgter
Arretirung immer genau in dieselbe Position kommen muß.
Die Schalen 8 (Fig.
14) bestehen aus einem Dreiviertelkreise, von welchem vier radiale, um
90° von einander abstehende Stäbe gegen das Centrum hineinragen, ohne sich
jedoch im Mittelpunkt zu berühren. Zwischen diesen Stäben kann das Kreuz k (in Fig. 14 mit starken
Linien ausgezogen) vertical auf und ab bewegt werden. In seiner tiefsten Stellung
liegt das Kreuz k innerhalb des Mondes m, weshalb es in Figur 13 nicht sichtbar
ist.
Wird dieses Kreuz so hoch gehoben, daß es über die Ebene der Schale S heraustritt, so nimmt es ein auf der Schale stehendes
Gewicht von dieser ab und hebt es in die Höhe. Sobald nun das mit dem Gewichte
belastete Kreuz auf dem in Fig. 14 punktirt
gezeichneten Wege von seiner Lage über der Schale bis über den kreuzförmigen
Ausschnitt der Platte
d geführt und dann durch diesen Ausschnitt unter die
Platte versenkt wird, so bleibt schließlich das Gewicht mitten auf d stehen. Gleichzeitig wird ein zweites Gewicht mit
Hilfe eines zweiten Kreuzes von der andern Wageschale ebenso auf die Platte d' gesetzt.
Diese beiden Platten d und d'
sind gemeinschaftlich mit dem conischen Rade x' an einer
um die Mittelsäule der Wage drehbaren Hülse befestigt, und bilden so eine
Drehscheibe, welche durch das auf der Welle x
festsitzende conische Getriebe in Bewegung gesetzt werden kann. Diese Drehscheibe
ist mit zwei Anschlägen versehen, welche derselben blos eine Umdrehung um
180° gestatten, damit man immer leicht die richtige Endstellung trifft.
Sobald nun die auf die Drehscheibe gesetzten Gewichte mit dieser um 180°
umgedreht und mit den Kreuzen k gerade so auf die
Wageschalen übersetzt werden, wie dies früher bei der Uebertragung von den Schalen
auf die Drehscheibe geschehen ist, so hat man die Umwechslung der Gewichte
bewerkstelligt.
Das Kreuz k, welches, wie erwähnt, in Figur 13 nicht
ersichtlich ist, weil es sich mit m in einer
Horizontalebene befindet, ist an einem Hebel a
befestigt, welcher am obern Ende der cylindrischen Welle b festsitzt. Diese Welle paßt genau in die Bohrungen der Platten P und P', die vertical über
einander liegen; es ist somit möglich, k nach
auf- und abwärts zu bewegen, sowie auch in einem Kreise um die geometrische
Achse von b herum zu drehen. Das Gesagte wird durch
einen Blick auf den Querschnitt in Fig. 15 noch deutlicher
werden. Man sieht hier k von einem verticalen Stift
getragen, der am Mittelpunkt des Kreuzes einerseits und anderseits am Hebel a befestigt ist. Dieser Stift ist unter a bis σ verlängert
und geht durch eine Bohrung in der Platte P', so daß die
drehende Bewegung der Welle b so lange verhindert wird,
als σ in dieser Bohrung steckt; ist aber k mit a und b so weit gehoben, daß σ über die Platte P' gekommen ist, dann
ist eine Verdrehung möglich.
Außer dieser eben besprochenen Bohrung für σ,
welche genau unter dem Mittelpunkte der Schale S (Fig. 14)
angebracht ist, befindet sich noch eine zweite unter dem Mittelpunkte des
kreisförmigen Ausschnittes der Platte d, so daß auch an
dieser Stelle die Auf- und Abbewegung in derselben Weise stattfinden kann.
Die Verdrehung des Uebertragungshebels a darf aber nur
so weit erfolgen, daß nach Vollendung derselben der Stift σ über einer der früher erwähnten Bohrungen steht, damit das
Herabsenken an der richtigen Stelle stattfinden kann. Zur Begrenzung dieser
drehenden Bewegung nach beiden Seiten hin sind die in Fig. 16 schwarz
dargestellten Anschläge t, t' angebracht. Es ist hier a das Ende des Uebertragungshebels, k und σ haben die gleiche Bedeutung wie in den andern
Figuren. Hat sich k bis in die punktirte Stellung
erhoben, so wird σ frei, und es kann die
Verdrehung erfolgen, bis σ nach σ' gelangt ist, wo es an t' anstößt, während a und k sich nach a', k' bewegt
haben, wonach das Sinken von k', a' und σ' anstandslos erfolgen kann. Es ist
selbstverständlich, daß die eben besprochene Bewegung auch in umgekehrter Richtung
möglich ist.
Es soll nun gezeigt werden, wie der Uebertragungshebel von außen in Thätigkeit
gesetzt wird.
An der Welle y (Fig. 13) ist ein Getriebe
befestigt, welches in das Zahnrad z₁ eingreift;
durch die Bewegung von y werden somit die Zahnräder z, z₁, z₂ und
z₃ so gedreht, daß z und z₃ stets entgegengesetzte
Drehungsrichtung erhalten. Ein Anschlag an einem der vier Zahnräder gestattet diesen
nur eine einmalige Umdrehung um nahezu 360°.
Die Räder z und z₃
bethätigen je einen Uebertragungshebel in der Art, wie Fig. 15 zeigt. An der
Welle b ist das im Durchschnitt ersichtliche Ansatzstück
b' befestigt. Mit diesem ruht der Uebertragungshebel
mit seiner ganzen Last auf der Scheibe f, welche sammt
ihrem rohrförmigen Fortsatze f' lose auf b steckt. An ein und derselben Welle ist das Zahnrad z und die Herzscheibe e
befestigt, welche letztere die Scheibe f am Herabsinken
hindert. Die Gestalt der Herzscheibe ist in Figur 15 bei e' punktirt dargestellt; es ist hieraus ersichtlich, daß
der obere Bogen derselben excentrisch, der untere hingegen centrisch ist. Wird nun
die Herzscheibe e durch z
gedreht, so wird zunächst f gehoben; durch σ geführt, steigt der Uebertragungshebel vertical
hinauf, während f sich unterhalb b etwas verdreht. Hat sich die Herzscheibe so weit bewegt, daß sie das
Maximum der Hebung bewirkt hat, dann wird σ frei,
und es erfolgt die Drehung des Uebertragungshebels durch Friction, während der
centrische Theil von e sich auf f abwälzt – so lange, bis σ an
den Anschlag t' anstößt. Von nun an findet wieder ein
Gleiten zwischen f und b'
statt, welches so lange dauert, bis sich nach Vollendung der ganzen Umdrehung der
Herzscheibe die Scheibe f sammt der darauf ruhenden
Welle b und dem Uebertragungshebel gesenkt hat, wobei
σ abermals die Verticalführung bewirkt. Ganz
ebenso geht der Rücktransport des Gewichtes von Statten, wenn man z bezieh. e in umgekehrter
Richtung dreht.
Die Bewegung erfolgt durch eine an y angesteckte Kurbel,
so wie dies bei x der Fall ist. Da sich nun die Wellen
x und y beliebig
verlängern lassen, ein Gleiches auch beim Arretirungsschlüssel oder der Welle A möglich ist, so kann das Umwechseln und Auswägen der
Gewichte von beliebig
großer Entfernung aus geschehen. Es ist selbstverständlich, daß dieses Umwechseln,
nur bei arretirten Schalen und dann geschehen darf, wenn die Drehscheibe eine der
beiden Endstellungen einnimmt.
Die einmal an der Welle y begonnene Bewegung muß allemal
ganz zu Ende geführt werden. Wenn man hierbei herumspielt und etwas hin- und
wieder herdreht, kommt selbstverständlich die Frictionsbewegung in Unordnung.
Arbeitet man aber ruhig und führt, wie gesagt, jede eingeleitete Kurbelbewegung zu
Ende, bis der Anschlag anstößt, so kann nie ein Fehler vorkommen.
Bei der Vergleichung kleinerer Gewichte, welche zwischen den Radialstäben der
Wageschale durchfallen würden, legt man auf jede Wageschale eine möglichst leichte
durchbrochene Metallplatte, auf welcher jedes Gewicht gewogen und von einer Schale
auf die andere übertragen wird. Selbstverständlich muß auch eine
Gewichtsvergleichung dieser Metallplatten für sich erfolgen.
Es erübrigt nun noch zu zeigen, wie das Auf- und Ablegen von kleinen Gewichten
bei geschlossenem Wagekasten geschieht.
Größere Gewichte etwa von 20mg aufwärts
werden mit einer Pincette dirigirt, welche aus Figur 18 ersichtlich
ist.
Die vor eine runde Oeffnung im Wagekasten geschraubte Platte π ist aus zwei Theilen zusammen geschraubt, zwischen denen sich
eine Kugel gelenkartig nach allen Richtungen herumdrehen läßt. In einer centralen
Bohrung dieser Kugel läßt sich das Rohr ρ
aus- und einschieben, an welchem außen die Rolle ω, innen im Kasten das Stück ξ
befestigt ist. In dem Rohre ρ ist ein Stab
verschiebbar, der links den Knopf τ, rechts die
Kugel ζ trägt. Eine Spiralfeder zwischen τ und ω drückt
den Knopf τ aus dem Rohr hinaus, bis ζ an ξ
anstößt. An ξ ist die Stahllamelle 1
angeschraubt, welche Figur 19 in der
Seitenansicht zeigt. Mittels des Zwischenstückes 3 ist eine zweite Stahllamelle 2 an
1 zu einer Pincette zusammengenietet, welche sich durch ihre eigene Federkraft
schließt. An 2 ist die schiefe Ebene ε befestigt,
welche durch eine in 1 freigelassene Durchbrechung ohne Anstreifen hindurch geht.
Sobald man die Rolle ω zwischen Zeigefinger und
Mittelfinger faßt und mit dem Daumen auf τ
drückt, schiebt sich ζ vor, drückt auf die
schiefe Ebene ε und öffnet die Pincette; läßt man
mit dem Daumen los, so schließt sie sich. Durch Verschiebung des Rohres ρ in der Kugel der Länge nach, sowie durch die
Nachgiebigkeit des Kugelgelenkes, läßt sich innerhalb gewisser Grenzen jede
beliebige Bewegung mit der Pincette vornehmen; es lassen sich Gewichte auflegen,
abnehmen, auf die Drehscheibe legen und zur andern Wageschale befördern, wo sie mit einer zweiten
gleichen Zange abgenommen und auf die Wageschale gelegt werden können.
Das Aufhängen des Centigrammreiters auf dem Wagebalken ist bei wirklich scharfen
Wägungen nicht zulässig; man wiegt auf einzelne Milligramme aus und berechnet die
Bruchtheile aus den beobachteten Umkehrungspunkten der Schwingungen, die entweder an
der Zungenscale oder besser nach der Steinheil'schen Methode mit Spiegelablesung
bestimmt werden. Da nun Gewichte von 1,2 und 5mg schon sehr klein ausfallen und beim Anfassen mit der Pincette leicht
beschädigt werden, so habe ich meiner Wage Reitergewichte beigegeben, die aber nicht
auf den Wagebalken, sondern auf dem Querstück γ
(Fig. 13)
der Wageschale aufgehängt werden.
Diese Reitergewichte hängen in den Einschnitten des Armes h, der mittels der Säule h' an der Drehscheibe
befestigt ist und somit der einen oder andern Wageschale zugewendet werden kann. In
derselben Höhe mit h und γ befinden sich zwei Reiterhaken in Kugelgelenken am Wagekasten so
angebracht, daß jeder Haken eine Schale bedienen kann.
Textabbildung Bd. 219, S. 407
Die Reitergewichte wiegen 10, 11, 13, 16 und 20mg und sind, wie nebenstehend
dargestellt ist, so gebogen, daß man sie leicht von einander unterscheiden
kann.
Folgende Tabelle zeigt den Gebrauch derselben.
Gewicht.
Reitergewicht auf der Wageschale
links.
rechts.
mg
mg
mg
1
11
10
2
13
11
3
13
10
4
20
16
5
16
11
6
16
10
7
20
13
8
11 + 10
13
9
20
11
10
10
–
11
11
–
12
10 + 13
11
13
13
–
14
10 + 20
16
Gewicht.
Reitergewicht auf der Wageschale
links.
rechts.
mg
mg
mg
15
10 + 16
11
16
16
–
17
20 + 10
13
18
20 + 11
13
19
20 + 10
11
20
20
–
21
10 + 11
–
22
20 + 13
11
23
10 + 13
–
24
11 + 13
–
25
20 + 16
11
26
10 + 16
–
27
16 + 11
–
28
10 + 20 + 11
13
29
16 + 13
–
30
20 + 10
–
31
20 + 11
–
32
20 + 10 + 13
11
33
20 + 13
–
34
10 + 11 + 13
–
35
20 + 16 + 10
11
Diese Reitergewichte lassen sich bequem handhaben und erleiden beim Ueberhängen so
gut wie gar keine Abnützung, die beim Anfassen der Gewichte mit der Pincette
entschieden weit größer ist.
Eine solche nach meiner Angabe von Paul Böhme in Brünn
angefertigte Wage, welche ich in der Sitzung des naturforschenden Vereins in Brünn
am 21. December 1875 vorgezeigt habe, befindet sich gegenwärtig im Besitze der k. k.
Normal-Aichungs-Commission in Wien.