Titel: | Die Fabrikation des essigsauren Natron und der reinen Essigsäure aus Holzessig; von Ernst Dollfus. |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, S. 423 |
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Die Fabrikation des essigsauren Natron und der
reinen Essigsäure aus Holzessig; von Ernst Dollfus.
(Schluß von S. 363 dieses Bandes.)
Dollfuß, über die Fabrikation des essigsauren Natron und der reinen
Essigsäure aus Holzessig.
Zur fabrikmäßigen Darstellung der Essigsäure verwendet man
eiserne Kessel mit kupfernem Helm und Kühlschlange, bringt zuerst das krystallisirte
essigsaure Natron in den Kessel und gießt dann schnell unter Umrühren die
Schwefelsäure hinzu. Hierauf setzt man den Helm des Destillationgefäßes auf, lutirt
ihn sorgfältig mit Lehm oder Thon und verbindet ihn mit der Kühlvorrichtung. Man
überläßt den Kessel einige Zeit der Ruhe, damit die Schwefelsäure die Salzmasse
möglichst durchdringe, und heizt hierauf an. Zuerst destillirt die concentrirteste
Essigsäure, aber nach und nach wird das Destillat immer verdünnter, bis zuletzt nur
noch Wasser abläuft. Man unterbricht jetzt die Destillation, nimmt den Helm des
Kessels ab und kann dann bei offenem Feuer den Inhalt desselben, das saure
schwefelsaure Natron, soweit einkochen, daß dasselbe beim nachherigen Ausschöpfen
und Füllen in bleierne Pfannen im Erkalten fest wird und so verkauft werden kann.
Dasselbe findet bekanntlich neuerdings in der Färberei und Druckerei als sogen.
Weinsteinpräparat vielfache Verwendung und ist jedenfalls eben so vortheilhaft und
leicht zu placiren, wie das Glaubersalz, welches man erhalten würde, wenn man nur 1
Aequ. Schwefelsäure in Anwendung gebracht hätte. Die Schwefelsäure, welche hierbei
angewendet wird, kann englische von 66° sein; da dieselbe aber
verhältnißmäßig immer etwas theurer kommt als eine schwächere Schwefelsäure, so kann
man ohne Nachtheil auch 60gradige verwenden.
Die so erhaltene Essigsäure ist noch nicht vollständig rein; sie enthält selbst bei
sorgfältigstem Operiren stets geringe Mengen schwefliger Säure, empyreumatische
Stoffe, Spuren von Kupfer und Eisen, von den Destillationsgefäßen herrührend, und,
wenn man mit essigsaurem Natron gearbeitet hat, welches aus Soda dargestellt worden,
etwas Salzsäure, herrührend von dem Kochsalzgehalte der calcinirten Soda. Um die
Säure von dem Gehalte an schwefliger Säure zu befreien, digerirt man sie einige Zeit
mit etwas Braunstein- oder Mennigepulver und unterwirft sie sodann der
Rectification. Diese Operation kann man bei kleinerm Betrieb in Glasretorten mit
gläsernen Kühlapparaten vornehmen, bei einigermaßen größerer Production empfiehlt es
sich indessen, statt dieselben metallene Destillationsgefäße zu verwenden, und zwar
kupferne Kessel mit
silbernem Helm und Kühlschlange. Letztere sind zwar immerhin ziemlich kostspielig,
machen sich aber dadurch, daß sie es ermöglichen, eine von Metallsalzen absolut
freie Essigsäure zu gewinnen, und daß sie von der Säure so gut wie gar nicht
angegriffen werden, somit bei weitem länger halten als kupferne Apparate, mit der
Zeit recht wohl bezahlt. Man füllt den Kessel mit der Essigsäure an und fügt ein
kleines Quantum krystallisirtes essigsaures Natron hinzu, wodurch man die etwa
vorhandene Salzsäure bindet, setzt hierauf den Helm auf, den man gut lutirt, und
verbindet ihn mit der Kühlschlange. Alsdann heizt man den Kessel an und fängt das
zuerst übergehende Destillat für sich auf (dasselbe ist eine ganz schwache
Essigsäure, die noch immer etwas Empyreuma enthält), um es anderweitig zu
verwerthen. Sobald man am Geruch der destillirenden Säure erkennt, daß keine
flüchtigen Theerkörper mehr vorhanden sind, kann man mit Sicherheit annehmen, daß
das Destillat nunmehr vollständig rein ist; man destillirt daher weiter und erhält
nun eine mehr und mehr concentrirte Säure. Da Essigsäure einen höhern Siedepunkt als
Wasser besitzt, so ist es erklärlich, daß beim Rectificiren das zuerst übergehende
Destillat wasserhaltiger ist als das zuletzt erhaltene; dadurch, daß man von Zeit zu
Zeit eine Probe des Destillats mit dem Aräometer abwiegt, erfährt man den Grad der
Concentration und kann dadurch, daß man die verschiedenen Destillate getrennt
auffängt, Essigsäure von 6 bis 11° B. erhalten. Handelt es sich nur um
Gewinnung einer reinen wasserhaltigen Essigsäure, so vereinigt man sämmtliche
Destillate und erzielt dadurch ein Product, welches im Durchschnitt 8° B.
hat, entsprechend einem Gehalt von 50 Proc. reinem Essigsäurehydrat; will man
dagegen Eisessig darstellen, so muß man die Destillate getrennt auffangen, und zwar
den Vorlauf von dem später Fließenden so lange trennen, bis derselbe 8° B.
zeigt. Man erhält auf diese Weise zwei Portionen: den Vorlauf, der ca. 7° B.
hält, entsprechend einem Gehalte von 40 Proc. Essigsäurehydrat, und ein stärkeres
Product von etwa 9 1/2° B., welches, um daraus Eisessig zu erhalten, weiter
verarbeitet werden muß.
Eine sehr verbreitete Anwendung findet seit längerer Zeit das reine Hydrat der
Essigsäure, der sogen. Eisessig. Die frühern Vorschriften zur Herstellung dieses
Körpers lauteten allgemein dahin, daß man ein entwässertes reines essigsaures Salz
mit 66° Schwefelsäure destilliren sollte; diese Methoden mögen, im Kleinen
ausgeführt, sehr brauchbare Resultate ergeben, für fabrikmäßigen Betrieb bieten sie
indessen vielfache Uebelstände; denn vor Allem wird es durch den Umstand, daß das
zur Anwendung gebrachte essigsaure Salz, sowie die englische Schwefelsäure nie ganz wasserfrei
sind, nie oder nur schwierig gelingen, ein absolutes Hydrat zu erhalten. Alsdann
treten bei Verwendung gleicher Aequivalente essigsaures Salz und Schwefelsäure
dieselben Uebelstände auf, die bei Bereitung der verdünnten Essigsäure aufgeführt
wurden, und endlich erhitzt sich beim Mischen eines wasserfreien essigsauren Salzes
mit Schwefelsäure die Mischung sehr bedeutend, so daß viel Essigsäure verdampft und
dadurch vielfacher Verlust entsteht, während die mit der Operation betrauten
Arbeiter von den sauren Dämpfen ungemein belästigt werden. Alles dieses sind die
Gründe, welche es erklärlich machen, daß man in letzter Zeit zur fabrikmäßigen
Darstellung der Essigsäure ein anderes Verfahren anwendet, welches vielleicht
umständlicher ist, aber die Garantie bietet, ein ausgezeichnetes Product zu liefern;
es ist das Verfahren von Melsens (vgl. 1844 94 315).
Zur praktischen Verwendung des Melsens'schen Verfahrens operirt man, wie folgt. Man
bereitet zuerst wasserfreies, geschmolzenes essigsaures Kali, indem man reine
Essigsäure mit Potasche sättigt und die Lauge zur Trockne eindampft, um sie alsdann
zu schmelzen. Das Schmelzen geschieht in ähnlicher Weise wie beim essigsauren
Natron, denn entwässertes essigsaures Kali schmilzt gleichfalls bei einer Temperatur
von + 300°. Sobald das Salz gleichmäßig im Fluß ist, wird es ausgeschöpft und
in Dämpfern zur Abkühlung gegeben, worauf man es durch Zerklopfen möglichst
zerkleinert und in einen kupfernen Destillationskessel bringt. Das Zerkleinern muß
möglichst schnell erfolgen, weil das geschmolzene Salz sehr hygroskopisch ist und
beim Liegen an der Luft Feuchtigkeit sehr begierig aufsaugt. Im Kessel übergießt man
dann das zerkleinerte Salz mit der nöthigen Menge reiner Essigsäure von 9
1/2° B. Die hierzu verwendete Säure ist diejenige, welche, wie vorher
beschrieben, bei Rectification der durch Zersetzung von krystallisirtem essigsauren
Natron mit 2 Aequ. Schwefelsäure gewonnenen concentrirten Essigsäure erhalten wird,
indem man den empyreumatischen Vorlauf, sowie den darauf fließenden schwächern Theil
des Destillats von dem spätern concentirtern getrennt hat. Das Gemenge im
Destillationskessel rührt man wiederholt gut um, damit sich das Doppelsalz von
zweifach essigsaurem Natron bilde, und setzt hierauf den Destillationsapparat in
Stand, indem man den Helm aufsetzt, lutirt und mit der Kühlvorrichtung verbindet.
Helm und Kühlapparat müssen hierbei auf alle Fälle von Silber sein. Alsdann erhitzt
man den Kessel und fängt die Destillate unter sorgfältiger Prüfung derselben
getrennt auf. Das zuerst überdestillirende ist ganz wässerige Essigsäure, welche
jedoch in dem Maße, wie die Temperatur steigt und die Zersetzung des Doppelsalzes
eintritt, mehr und mehr
concentrirt wird. Dadurch, daß man von Zeit zu Zeit eine Probe des Destillats in ein
Probirröhrchen füllt und dasselbe in kaltes Wasser hält, ersieht man, ob reines
Essigsäurehydrat destillirt, denn sobald dies geschieht, wird beim Abkühlen der
Probe dieselbe zu einer eisartigen Masse erstarren, da reines Essigsäurehydrat bei +
15° fest wird. Sobald man diesen Umstand constatirt, fängt man das Destillat
getrennt auf und destillirt so lange, bis das Destillat anfängt, schwach zu fließen;
dies ist ein Zeichen, daß nunmehr ziemlich alle Essigsäure, die an das essigsaure
Kali gebunden war, übergegangen ist; man unterbricht daher die Destillation, indem
man das Feuer herauszieht, und läßt das Destillationsgefäß abkühlen, um dasselbe
alsdann wieder mit wässeriger Essigsäure aufzufüllen und aufs Neue Eisessig zu
gewinnen.
Mit derselben Menge essigsaurem Kali kann man bei sorgfältigem Arbeiten eine ganz
unbeschränkte Anzahl Destillationen vornehmen; nur muß man sich hüten, zuletzt die
Erhitzung nicht zu weit zu treiben, weil dann sonst Zersetzung des essigsauren Kali
eintreten würde, wodurch nicht allein das Salz zerstört wird, sondern sich auch
brenzliche Körper bilden, welche sich in Helm und Schlange festsetzen und das
Destillat später verunreinigen. Der auf die beschriebene Weise gewonnene Eisessig
ist meist nicht absolut wasserfrei; um ein absolutes Hydrat zu erhalten, muß man die
Säure nochmals über etwas frischgeschmolzenem essigsauren Kali rectificiren und den
Vorlauf, der wasserhaltig ist, getrennt auffangen. Statt dieses Mittels benützen
manche Fabrikanten ein anderes, indem sie den Eisessig in Glasflaschen von ca. 15l Inhalt füllen und dieselben an einem
kühlen Ort einige Zeit stehen lassen; hierdurch wird die wasserfreie Essigsäure
fest, während das wasserhaltige Product flüssig bleibt und dann durch vorsichtiges
Abgießen entfernt werden kann.
Zum Schluß sei hier noch das Verfahren zur Herstellung von verdünnter reiner
Essigsäure nach dem Verfahren von Mollerat erwähnt.
In solchen Ländern, wo die Steuer auf Spiritus und alle weingeisthaltigen
Flüssigkeiten eine abnorm hohe ist (es sind dies hauptsächlich England und
Frankreich), wodurch die Bereitung von Essig nach dem Schnellessigverfahren sich als
nicht lohnend erweist, ist es unter Umständen rentabel, Speiseessig aus Holzessig zu
fabriciren, indem man denselben in reine Essigsäure überführt und diese mit Wasser
verdünnt. Indessen hat die durch Destillation und Rectification auf die vorher
beschriebene Weise erhaltene Essigsäure stets in verdünntem Zustande einen etwas
brenzlichen Geschmack, den man zwar durch Zusatz von etwas Essigäther einigermaßen
zu maskiren sucht, welcher jedoch beim Genusse meist noch zu erkennen ist. Dieser
unangenehme Geschmack rührt jedenfalls daher, daß bei der Destillation die Essigsäure, auch bei
sorgfältigster Leitung der Operation, durch Ueberhitzung immer etwas verbrannt wird
und die Bildung flüchtiger brenzlicher Körper stattfindet. Um diesen Uebelstand zu
vermeiden, haben die Gebrüder Mollerat die Herstellung
von reiner Essigsäure ohne Destillation in Anwendung gebracht, und gelingt es mit
deren Verfahren, eine Essigsäure zu erhalten, welche nach dem Verdünnen mit Wasser
einen rein sauren Geschmack zeigt, vollständig frei von brenzlichem Beigeschmack.
Das fragliche Verfahren beruht in Folgendem.
Reinstes krystallisirtes essigsaures Natron wird in einem hölzernen Bottich mit der
äquivalenten Menge Schwefelsäure von 60° gemischt und unter Umrühren
sorgfältig gemengt; hierbei bildet sich Glaubersalz und die Essigsäure wird frei.
Nachdem wiederholt gut durchgerührt worden ist und man mit Sicherheit annehmen kann,
daß die Zersetzung vollständig erfolgt ist, bringt man das Gemenge, welches eine
dickliche Flüssigkeit bildet, auf Filter von Filztuch, wobei die freigewordene
Essigsäure abfiltrirt wird und wasserfreies Glaubersalz auf dem Filter zurückbleibt,
welches letztere indessen noch ziemliche Mengen Essigsäure in sich eingeschlossen
enthält. Dadurch, daß man die Filter wiederholt mit möglichst kaltem Wasser
übergießt, gelingt es, ziemlich alle Essigsäure auszuwaschen und im Filtrat zu
gewinnen. Die Filtrate fängt man sorgfältig auf und vereinigt sie in einem
Standgefäß. Sie bestehen im Wesentlichen aus reiner Essigsäure, die nur wenig
Glaubersalz gelöst hält, weil das wasserfreie schwefelsaure Natron in der Kälte in
Essigsäure nur schwierig löslich ist. Um sie von dem Glaubersalzgehalte möglichst zu
befreien, füllt man die Essigsäure vorerst in große thönerne Töpfe, welche man an
einen möglichst kühlen Ort bringt, worin man sie mehrere Tage stehen läßt. Nach 8
bis 10 Tagen hat sich der bei weitem größte Theil des Glaubersalzes krystallinisch
ausgeschieden, und man gießt die Essigsäure vorsichtig von den Krystallen ab;
indessen enthält sie jetzt noch immer ein Quantum Glaubersalz in Lösung, welches
geeignet ist, bei ihrer Verwendung als Speisemittel laxirende Wirkungen auszuüben.
Um die Essigsäure vollständig von ihrem Glaubersalzgehalt zu befreien, behandelt man
sie daher mit einer Lösung von reinem essigsauren Kalk. Man löst Kalkhydrat oder
Marmor in verdünnter reiner Essigsäure auf und stellt sich somit eine Lösung von
reinem essigsauren Kalk dar; von dieser Lösung setzt man der Essigsäure unter
Umrühren portionenweise so viel zu, bis alle vorhandene Schwefelsäure des
Glaubersalzes als schwefelsaurer Kalk ausgefällt worden ist, indem man Sorge trägt,
ja keinen Ueberschuß an essigsaurer Kalklösung zuzufügen. Auf diese Weise gelingt es, das
Glaubersalz zu entfernen, indem sich dasselbe mit dem essigsauren Kalk in
unlöslichen schwefelsauren Kalk und essigsaures Natron in bekannter Weise umsetzt.
Letzteres bleibt allerdings in der Essigsäure in Lösung und ist daraus nicht zu
entfernen, ist aber bei deren Verwendung als Genußmittel von keinerlei schädlichem
Einfluß. Nachdem sich die Essigsäure geklärt hat, zieht man sie ab, verdünnt sie mit
der nöthigen Menge Wasser und bringt sie als Speiseessig in den Handel.
Nach diesem Verfahren wird neuerdings in England und Frankreich in ziemlich großem
Maßstab aus Holzessig Speiseessig fabrikmäßig bereitet; doch tritt hierbei der
Nachtheil ein, daß diese Fabrikation in den Sommermonaten nur schwierig oder gar
nicht ausführbar ist, weil während der heißen Jahreszeit die Temperatur nicht genug
herabsinkt, um eine reichliche Ausscheidung des in der Essigsäure gelösten
Glaubersalzes zu erzielen. Indessen hilft man sich in manchen Fabriken damit, daß
man die Thongefäße, in denen die Ausscheidung des Glaubersalzes erfolgen soll, in
hölzerne Wannen stellt, durch die man einen Strom möglichst kalten fließenden
Wassers streichen läßt, und erreicht hierdurch auch während der warmen Jahreszeit
die Auskrystallisirung des gelösten Glaubersalzes und somit ein brauchbares
Fabrikat.