Titel: Ausbalancirung des Täufersteines, Patent W. Lüders und Comp.; von Civilingenieur H. Fischer in Hannover.
Fundstelle: Band 219, Jahrgang 1876, S. 498
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Ausbalancirung des Täufersteines, Patent W. Lüders und Comp.; von Civilingenieur H. Fischer in Hannover. Mit Abbildungen auf Taf. X [a/1]. Fischer, über Lüder's Ausbalancirung des Läufersteines. Eine wesentliche Vorbedingung jedes guten Mahlprocesses ist die genaue Innehaltung des Parallelismus der Mahlflächen. Früher wurde derselbe dadurch erreicht, daß man die Mühlspindel genau winkelrecht zur Mahlfläche mit dem Läuferstein fest verband. Da man indessen nicht im Stande war, die Schwerpunktslage des Läufers mit der nöthigen Genauigkeit zu bestimmen, so befand sich nicht selten der Schwerpunkt außerhalb der Drehachse, wodurch ein einseitiger Druck in dem ohnedies schwer in gutem Zustande zu erhaltenden Halslager der Spindel, der sogen. Steinbüchse, entstand. Liegt z.B. der Schwerpunkt eines 1000k wiegenden Läufersteines, welcher 120 Umdrehungen in der Minute macht, nur 20mm außerhalb der Drehachse, so resultirt schon eine Centrifugalkraft von 160k, welche von der Steinbüchse aufgehoben werden muß. Die Folge davon ist eine einseitige Abnützung der Mühlspindel, so daß dieselbe unrund wird, und ein starkes Ausschleifen der Steinbüchse, beides Erscheinungen, die eine gute Führung des Steines unmöglich machen. Man entschloß sich daher, die steife Verbindung aufzugeben und an ihre Stelle eine solche zu setzen, welche wohl die gemeinschaftliche Drehung bedingt, im Uebrigen aber die freie Beweglichkeit des Steines gegenüber der Spindel nicht hindert, indem der Stein auf der Mühlspindel balancirt. Das betreffende Verbindungsglied erhielt daher – im Gegensatz zu der ältern „festen Haue“ – den Namen „lose“ oder „Balancir-Haue.“ Sobald die Spindelachse nicht genau auf den Schwerpunkt trifft, zeigt sich dieser Fehler sofort durch Schiefhängen des Läufersteines, so daß eine entsprechende Richtigstellung ohne große Schwierigkeit erreicht werden kann. Die auf Steinbüchse und Spindel wirkende Centrifugalkraft wird damit vollständig beseitigt. Die Ausbalancirung geschieht indessen im Ruhezustande des Steines; sie ist deshalb nicht ohne weiteres giltig für den Bewegungszustand desselben. Jene Ausbalancirung ergibt nur eine Gleichheit der Momente zweier Steinhälften, welche gewonnen sind durch den Schnitt einer verticalen Ebene, in welcher der Aufhängepunkt liegt. Diese Momente werden gewonnen durch Multiplication der Gewichte mit den Abständen der Schwerpunkte von jener Ebene. Es ist deshalb sehr wohl möglich, daß die Verbindungslinie der beiden Schwerpunkte gegen die Horizontale geneigt ist. In diesem Falle wird die Centrifugalkraft – nach Inbetriebsetzung des Steines – sich bemühen, die genannte Verbindungslinie zu einer horizontalen zu machen. Hiedurch entsteht naturgemäß ein größerer Druck zwischen den Mahlflächen auf der Seite, deren Schwerpunkt am höchsten liegt, während auf der andern Seite eine entsprechende Druckverminderung eintritt. Ob dies der Fall ist, kann man erst erfahren, nachdem der Stein in entsprechende Drehung versetzt ist. Da nun das Material des Steines an sich verschieden, da der Stein überhaupt aus verschiedenen Materialien zusammengesetzt ist, so wird in der Regel eine nachträgliche Ausbalancirung des Steines nochwendig. Zum Zweck dieser Ausbalancirung werden z. Z. meistens gußeiserne Kästen in die Gypsdecke gesetzt, in welche nach Bedarf Beschwerungen gelegt werden, und zwar wird es vorgezogen, die Beschwerungen durch Eingießen von Blei hervorzubringen, um ein Verschieben derselben unmöglich zu machen. So leicht es auch ist, hierdurch die Ausbalancirung des Ruhezustandes zu bewirken, so umständlich und schwer wird es, die verticale Verschiebung der partiellen Schwerpunkte, welche für die Ausbalancirung der Bewegung allein maßgebend ist, herbeizuführen. Es fällt das um so mehr ins Gewicht, als in Folge der Abnützung des Steines eine fortwährende Verschiebung der Massenvertheilung stattfindet, so daß die Ausbalancirung wiederholt stattfinden muß. Dieses zu erleichtern, war der Zweck einer Einrichtung, welche ich gelegentlich der Ausstellung des Verbandes deutscher Müller und Mühlinteressenten in Leipzig 1869 kennen lernte. Man hatte die oben genannten Kästen wesentlich vergrößert und ein veränderliches Gewicht so an Schrauben gehängt, daß es in verticaler wie horizontaler Richtung verschoben werden konnte. Die Einrichtung fand des ihr zu Grunde liegenden Gedankens halber Beifall, sie hat sich aber, so viel mir bekannt ist, nicht einführen können. Um so mehr wird in betheiligten Kreisen eine Einrichtung begrüßt werden, welche die Ausbalancirung zu einer bequemen macht, und dabei allen Anforderungen an ihre Dauerhaftigkeit vollständig genügt. Es ist dies die in Fig. 11 bis 16 in 1/5 der wahren Größe dargestellte Einrichtung von W. Lüders und Comp. in Dresden. Vier entsprechend große Kästen A sind in die Gypsdecke des Steines eingelassen und mit einem gußeisernen Deckel B verschließbar. Sie schmiegen sich dem gebräuchlichen Eisenring C an, welcher den obern Theil des Läuferauges zu schützen bestimmt ist. In der schmälern Wand der Kästen befindet sich ein Lager D, welches eine gußeiserne, durchbohrte Kugel E umfaßt. Eine theils runde, theils quadratische Stange F schiebt sich mit ihrem einen Ende in dem Loch der Kugel E, während das andere vierkantige Ende in eins der 35 Löcher J in der breiten Kastenwand gesteckt ist. Auf der Stange F ist ein Gewicht H, welches zwei kastenartige Vertiefungen hat, verschiebbar, aber auch mittels einer Klemmschraube zu befestigen. Eine Spindelfeder schiebt die Stange immer der Pheripherie des Steines zu; sie gestattet aber eine Verschiebung von F in der Richtung gegen die Steinmitte, zu dem Zwecke, das vierkantige Ende der Stange F in ein anderes Loch J zu stecken. Die Figuren 14 bis 16 sind Seitenansichten, Figur 13 eine obere Ansicht von eisernen Gewichtsstücken, welche in die erwähnten Kästen des Gewichtes H gelegt werden können. Die Einrichtung kann also ihren Zwecken dienstbar gemacht werden: durch Einlegen der Gewichte, durch Verschieben des Gewichtes H auf der Stange F, durch Drehen der Stange F in horizontaler Richtung (Fig. 11), durch Drehen derselben in verticaler Richtung, also höher oder niedriger Stellen des Gewichtes H nebst eventuellen Inhalt (Fig. 12). Hieraus folgt zunächst, daß durch Combination jener Mittel jeder Stein, seien dessen Massen auch höchst unvortheilhaft vertheilt, vollständig regulirt bezieh, ausbalancirt werden kann. Ferner ist aber ohne weiteres ersichtlich, daß die erforderlichen Manipulationen mit großer Bequemlichkeit, Raschheit und Sicherheit auszuführen sind. Der Preis der Einrichtung (90 M. pro Läuferstein) fällt deshalb weniger ins Gewicht, als dieselbe keiner Abnützung unterworfen ist. Sie kann also viele Male verwendet werden. Die HH. W. Lüders und Comp. in Dresden haben in verschiedenen deutschen Staaten die beschriebene Balancir-Einrichtung patentirt erhalten. Sie ist u.a. von mir angewendet in der 13 gängigen städtischen Brückmühle in Hannover und in der 10gängigen Freiherrl. von Steinberg'schen Mühle in Brüggen bei Banteln.

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