Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 219, Jahrgang 1876, Nr. , S. 177 |
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Miscellen.
Miscellen.
Huët's
Wasserlocomotive.
Freunde speculativer Technik seien schon jetzt auf das auf der Weltausstellung in
Philadelphia erscheinende Modell von Huët's Wasserlocomotive aufmerksam
gemacht. Das Wesen dieses nicht zum erstenmale auftauchenden Projectes besteht
darin, daß das Schiff, anstatt im Wasser zu schwimmen, auf radähnlichen hohlen
Trommeln ruht, welche mit Schaufeln versehen sind, und die mittels einer
Dampfmaschine in rotirende Bewegung versetzt werden. Hierdurch bewegen die Trommeln
das Schiff nach vorwärts und treten gleichzeitig um einen gewissen Betrag aus dem
Wasser hervor, und zwar um so mehr, je rascher die Umdrehungsgeschwindigkeit ist, so
daß ein „Schnellzugsschiff“, um die Analogie mit den
Locomotiven festzuhalten, gewissermaßen nur über die Wogen des Meeres, gleich auf
einer eisernen Bahn, dahinrollen würde.
Engineering D. A. Polytechnische Zeitung, 1875 S. 452 ff. enthält eine weitläufige
Kritik und Berechnung dieser Idee, worin die Hoffnung ausgesprochen wird, daß derart
construirte Schiffe die Schnelligkeit von Eilzugslocomotiven erreichen würden, und
somit die langen Seereisen bedeutend abkürzen könnten. Allerdings wäre der
Unterschied zwischen den 20km pro Stunde,
welche jetzt von den schnellsten Passagierdampfern zurückgelegt werden, und den in
Aussicht gestellten 80 bis 100km der
Wasserlocomotive ein nicht hoch genug zu schätzender Fortschritt, aber leider hat es
nicht den Anschein, als ob derselbe so bald realisirt werden könnte. Denn es ist
unzweifelhaft, daß die Reibung der Schaufeltrommeln am Wasser die Effectverluste des
Fortbewegungsmechanismus und die Reibungsverluste der mit enormen Zapfendrücken
arbeitenden Maschine in ihrer Gesammtheit einen größern Kraftaufwand erfordern, als
die Fortbewegung eines modernen Schraubenschiffes. Die Analogie mit den
Eisenbahnlocomotiven ist eben nur eine ganz oberflächliche; eher zu vergleichen wäre
dieser Mechanismus mit einer in fettem Lehmboden dahinfahrenden Straßenlocomotive,
und daß diese bis jetzt noch keine großen Geschwindigkeiten erlangen konnten, ist
wohlbekannt.
M-M.
Industrielle Verwendung der Sonnenwärme.
Der Gedanke, Sonnenwärme zum Heizen zu benützen, ist nicht neu (vgl. 1864 173 418). Ericsson versuchte
Sonnenmaschinen zubauen; es gelang ihm angeblich durch Concentration der auf eine
Fläche von 10 Quadratfuß (0qm,93) fallenden
Sonnenstrahlen eine bewegende Kraft von 1e
zu erhalten (Naturforscher, 1868 S. 426).
Mouchot (Comptes rendus, t. 81
p. 571) reflectirt die Sonnenstrahlen mittels eines
Spiegels aus 12 Sectoren von plattirtem Silber die von einem Eisengerippe getragen
werden. Der Durchmesser desselben beträgt 2m,6, die reflectirende Fläche 4qm. In der Mitte der Scheibe befindet sich der außen geschwärzte Kessel von
Kupferblech, der aus zwei concentrischen Hüllen in Form einer Glocke von 80cm Höhe und 28cm Durchmesser besteht. Derselbe ist mit
einer Glasglocke von 85cm Höhe, 40cm Durchmesser und 5cm Dicke bedeckt, welche die dunkeln
Wärmestrahlen zurückhalten soll. Der Apparat dreht sich pro Stunde 15°, um
dem Laufe der Sonne zu folgen.
Am 8. Mai wurden in Tours mittels dieses Apparates 20l Wasser in 40 Minuten so stark erwärmt,
daß der Dampfdruck 2at betrug, der bald auf
5at stieg. Am 22. Juli, bei
außergewöhnlicher Wärme, wurden in 1 Stunde 5l Wasser verdampft. 1qm des
Apparates verwerthet demnach für die Minute 3 bis 10c.
Colossale Centrifugalpumpe.
Die bekannte Maschinenfabrik von John und Henry Gwynne in
Hammersmith, London, hat kürzlich zwei Centrifugalpumpen nach Holland geliefert,
welche wohl die größten ihrer Art genannt werden können. Dieselben dienen zum
Auspumpen des Legmeer
bei Amsterdam, haben nur geringe Förderhöhe (5m), dafür aber die enorme Wassermenge von 75cbm Wasser pro Minute zu bewältigen,
arbeiten also unter Bedingungen, welche speciell günstig für die Anwendung von
Centrifugalpumpen sind. Die Ausströmöffnung des gehobenen Wassers beträgt 1m und ist für beide Pumpen
gemeinschaftlich; im übrigen sind dieselben getrennt und haben jede ihre eigene
verticale Antriebsmaschine, welche auf derselben Fundamentplatte mit der
Centrifugalpumpe befestigt ist und die Spindel derselben direct antreibt. Der
Cylinderdurchmesser beträgt 520mm, der Hub
455mm, der normale Füllungsgrad bei
Meyer'scher Doppelschiebersteuerung, 25 Proc.
Der Exhaustdampf wird in dem Maschinenständer condensirt, zu welchem Zwecke das
erforderliche Wasser aus dem Druckrohre genommen wird.
Ueber die Bestimmung der Heizkraft der Steinkohle.
L. Lintz glaubt, daß die Abhandlung von Gruner (1874 213 70. 242. 430)
von Seiten der Industrie nicht die Würdigung gefunden habe, welche sie verdiene. Da
weder die Elementaranalyse, noch die Reduction mit Bleiglätte zuverlässige
Anhaltspunkte zur richtigen Beurtheilung der Heizkraft bieten, so hat Verfasser die
Angaben der von Gruner vorgeschlagenen Immediatanalyse
mit dem Verhalten der Kohlen im praktischen Betriebe verglichen.
In einer Fabrik, deren täglicher Dampfverbrauch nur wenig wechselt, wurde jede der
untersuchten Kohlensorten 10 bis 14 Tage lang gebrannt und aus der in dieser Zeit
verwendeten Menge der Tagesdurchschnitt genommen. Zur Ausführung der Analyse wurde
ein Durchschnittsmuster der Kohle von 50 bis 100k gezogen und nach dem Zerkleinern und Mischen diesem erst das zur
Untersuchung bestimmte Quantum entnommen. In dieser Probe wurde zuerst das Wasser
bestimmt, dann eine Partie in einem geschlossenen, nur mit einer kleinen Oeffnung
zum Entweichen der Gase versehenen, hessischen Tiegel vercoakt und ein Theil dieses
Destillationsrückstandes verascht. Die so erhaltene Asche wurde bei der Berechnung
von dem Coak abgezogen.
Kohlensorte.
DurchschnittlicherTagesaufwand.
Gehalt der trockenenKohle an
aschenfreiemCoak.
Nr.
1
19000k
53 Proc.
„
2
18300
54 „
„
3
20050
49 „
„
4a
17650
59 „
„
4b
19800
50 „
„
5a
17800
58 „
„
5b
18900
53 „
Die Kohlen Nr. 4a und 4b
sowie 5a und 5b waren
angeblich aus derselben Grube.
Der tägliche Kohlenverbrauch verhielt sich also umgekehrt, der Brennwerth der Kohlen
somit direct wie der Coaksgehalt derselben.
Der Verf. hält diese Untersuchungsmethode der Steinkohlen demnach für das einfachste
und sicherste Mittel, die für den Betrieb vortheilhafteste, wenn auch nicht immer
dem Gewicht nach billigste Kohle auszuwählen. (Nach Kohlrausch's Organ des Vereins
für Rübenzuckerindustrie, 1875 S. 726.)
Füllmasse für Heizapparate.
Grimm und Corvin empfehlen zum
Füllen von Heizröhren, Backöfen, Kochapparaten u. dgl. eine Lösung von Chlorcalcium
in Glycerin, die erst bei 300 bis 330° siedet, Metalle nicht angreift und
nicht gefriert. (Bayerisches Industrie und Gewerbeblatt, 1875 S. 330.)
Amerikanische Eisenbahnstatistik.
Die in den verschiedenen Eisenbahncentren der Vereinigten Staaten von den
Landesregierungen erwählten Eisenbahncommissionen (board of
railroad commissioners) veröffentlichen alljährlich Berichte über ihre
Thätigkeit, die vieles Interessante bieten.
Außer der objectiven und vorurtheilslosen Art und Weise, wie hier über die
Schlichtung der verschiedenen Klagefälle seitens der Eisenbahnen und des Publicums
berichtet wird, zeichnen sich dieselben auch durch eine große Zahl wohlbegründeter
und tabellarisch geordneter Darstellungen aller Verhältnisse des Eisenbahnwesens
aus, sowohl was den geschäftlichen und technischen Betrieb derselben, Anlagespesen,
Erträgnisse u.s.f. betrifft, als auch über die Art und Mengen der verfrachteten
Güter.
Vor uns liegt ein derartiger Bericht (Sixth annual report of
the board of reilroad commissioners) der Eisenbahncommissäre in Boston
(Massachusetts), welcher folgende interessante Berechnung über die durchschnittliche
Betriebs- und Erhaltungsspesen der Bahnen dieses Staates für jede
durchlaufene Zugmeile enthält.
Der Durchschnittsbetrag von 1,182 Dollar pro englische Meile (= 3,16 M. pro
Kilometer) vertheilt sich folgendermaßen:
–
Dollar pro engl. Meile.
Mark pro Kilometer.
Reparatur der Schienenbettung
0,157
0,42
„
„ Brücken
021
0,05
„
„ Gebäude
037
0,10
Schienen-Erneuerung
080
0,21
Reparatur der Locomotiven
087
0,23
„
„ Personenwagen
114
0,30
„
„ Lastwagen
101
0,28
Gehalte und Löhne
319
0,86
Brennmaterial
174
0,47
Schmiermaterial
016
0,04
Diverse
076
0,20
––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Total
1,182
3,16
Zum Schlusse endlich werden die gesammten Resultate in folgendem charakteristischen
Satze resumirt.
Man zählt eine Locomotive auf je 3 Meilen (4km,8) Bahn, und einen Personenwagen auf je 2 1/2 Meilen (4km,0). Es werden je 378 Yards
Verschiebgleise, 5 Frachtwagen und 7 Personen verwendet auf jede Meile Bahnlänge
(resp. 215m 3 Frachtwagen und 5 Personen
pro Kilometer) und jährlich passiren über dieselbe 3262 Personen- und 3067
Lastzüge, welche 225000 Personen und 197000t Güter befördern. Jede Meile endlich wird von einer Fahrstraße gekreuzt und gibt alle 10 Jahre Veranlassung zum Tode
eines Menschen.
M.
Ueber die Bildung von Kesselstein.
H. Schäfer in Prag stellt (in Kohlrausch's Organ des
Centralvereins für Rübenzuckerindustrie, 1875 S. 724) über die Bildung und Verhütung
von Kesselstein folgende Theorie auf.
„Von jeher der Ansicht, daß Elektricität ein Hauptfactor der
physikalischen Erscheinungen Licht und Wärme sei, und in jedem Wärmepunkte eine
Erscheinung sehend, welche der Elektricität zuzuschreiben sei, behaupte ich, bis
man mich widerlegt (1868 im Praktischen Maschinen-Constructeur
geschrieben und bislang nicht geschehen), daß die Bildung des Kesselsteins
analog der Galvanoplastik, d.h. der elektromagnetischen Kraft, zuzuschreiben
sei. Es entwickelt sich nämlich im Kessel durch Berührung der Feuerluft mit der
Wandung des Kessels, in Folge der Wärme, wie bewiesen ist, Elektricität, welche
nun auf die im Wasser gelösten Salze, deren Radical Calcium, Magnesium,
Aluminium etc. ist, attractiv und galvanoplastisch ihre Einwirkung äußert, und
demnach das im Innern negativ gewordene Kesselmetall diese positiv elektrischen
Stoffe fest und wie im Naturzustande verbindet und auf die Wandungen des Kessels
niederschlägt.“
Verf. behauptet ferner, Wärme sei negativ, dagegen Kälte positiv elektrisch; werde
demnach Wärme dem Kessel zugeführt, also negative Elektricität, so scheide sich die
des Eisenbleches in positive und negative; da nun + und – Elektricität sich
verbinden, so werde die innere Fläche im Kessel demnach negativ werden. Das Wasser
dadurch auch elektrisch erregt, löse folglich die positiven Stoffe, wobei die Basen
und Säuren sich trennten. Da nun Aluminium, Magnesium und Calcium u.s.w. bei weitem
mehr positiv als Eisen seien, so legen sich dieselben an das negativ gewordene Eisen
fest und dauernd an, oft die schönsten Krystalle und Formen bildend. – Als
Beweis, daß wirklich die Wärme-Elektricität die Ursache der
Kesselsteinablagerung sei, glaubt Verf. die bekannte Erscheinung ansehen zu dürfen,
daß die größte Kesselsteinablagerung über der Feuerplatte stattfindet, sowie die
Analyse der verschiedenen Kesselsteinkrusten, welche sofort zeige, daß man es nur
mit positiven Körpern zu thun habe, die sich elektrisch niederschlugen.
Zweck dieser jeder ernsten Kritik sich entziehenden Auslassungen ist die Empfehlung
eines patentirten, „auf elektrischen Principien componirten
Anstriches“, welcher das Anheften des galvanoplastisch
niedergeschlagenen Kesselsteins verhüten soll.
F.
Reservesitze für Tramwaywagen.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß das Publicum, so lange ein Plätzchen eines
Tramwaywaggons noch frei ist, sich in denselben hineindrängt, um dann in allen
möglichen und unmöglichen, jedenfalls aber unbequemen Stellungen die erwünschte
Fahrt mitzumachen. Um nun den überzähligen Passagieren, welche sich, zwischen den
Füßen der Sitzenden stehend, an die herabhängenden Riemen anklammern müssen, eine
Erleichterung zu gewähren, gleichzeitig aber die übermäßige Ueberfüllung unmöglich
zu machen, ließ sich C. B. Sheldon (Scientific American, November 1875 S. 338) ein Patent
auf Reservesitze geben, welche für gewöhnlich unter den Sitzbänken verborgen, im
Bedürfnißfalle herausgeschlagen werden und den zwischen den Sitzreihen befindlichen
Passagieren einen Stützpunkt gewähren, außerdem aber das Eindrängen neuer Passagiere
unmöglich machen.
Zink-Kohlen-Batterie.
Eine eigenthümliche Form der Zink-Kohlen-Batterie beschreibt John J.
Blair im Scientific
American (Juli 1875 S. 68) und bezeichnet dieselbe als billig, dauerhaft
und kräftig. Ein in Canavas gehüllter Zinkstab wird in ein cylindrisches Zinngefäß
eingesetzt und der Zwischenraum zwischen dem Stabe und der Gefäßwandung darauf mit
kleinen Stücken einer Kohle aus hartem Holz dicht ausgefüllt. Jedes Element wird mit
einer gesättigten Lösung von Potasche in heißem Wasser gefüllt, und beim
Zusammenstellen zur Batterie wird das Zink des einen Elementes mit dem Zinn des
nächsten verbunden. Dabei werden die Zinngefäße natürlich auf isolirende Unterlagen
gestellt. Bei einer andern Form dieser Batterie laufen die Zinngefäße nach unten
spitz zu und werden in ihrem untern Theile 25 bis 5mm hoch mit Holzkohle angefüllt; über
letztern wird ein Stück Canavas gebreitet und eine Zinkplatte aufgelegt; auf die
Zinkplatte kommen zwei Holzklötze zu liegen, über welche hinweg ein Streifen der
Zinkplatte gebogen wird. Auf diesen Streifen wird dann das Zinngefäß des nächsten
Elementes gestellt. Beim Füllen dieser Elemente darf die Flüssigkeit des einen nicht
mit dem Zinn des nächsten in Berührung kommen, weil die Batterie sonst nur die
elektromotorische Kraft von einem Elemente haben würde. Die Flüssigkeit wird dadurch
concentrirt erhalten, daß man ein wenig Potasche auf die Zinkplatte jedes Elementes
legt. In beiden Formen entwickelt die Batterie keine unangenehmen Dünste.
E–e.
Vorherverkündigung der Erdbeben durch Galvanoskope in
Telegraphenleitungen.
Bei den in der Zeit vom 17. bis 21. September 1875 auf Martinique auftretenden
Erdbeben hatte Destieux, Vorsteher des Telegraphenamtes
in Fort-de-France, Gelegenheit zu beobachten, daß allen Erdstößen elektrische
Erscheinungen von beträchtlicher Stärke vorausgingen.
Am 17. wurde zuerst um 10 Uhr 53 Min. Morgens auf Martinique ein heftiger Stoß
verspürt. Um 10 Uhr 25 Min. bemerkte Destieux nach einer
unregelmäßigen Ablenkung der Galvanoskopnadel erst eine ganz abweichende Stellung
derselben, dann eine starke Anziehung derselben gegen die Erde. Die Klemmen und die
Umwicklung welche mit der Erde unmittelbar verbunden waren, zeigten sich bei
Berührung stark elektrisch, so daß sie, mit der Hand berührt, wirkliche Entladungen
lieferten. Gleich darauf kehrte die Nadel in ihre abermalige Stellung nach Norden
zurück.
Um 12 Uhr 17 Min. zeigte die Nadel neue, allmählig zunehmende Schwankungen; um 2 3/4
Uhr wurde die Ablenkung stärker und die Nadel wieder gegen die Erdleitung angezogen;
um 3 Uhr folgte ein „starker“ Stoß.
Um 4 Uhr begann die inzwischen in ihre richtige Stellung zurückgegangene Nadel ihre
unruhigen Bewegungen wieder und umlief den ganzen Theilkreis; um 6 Uhr Erdbeben.
Am 18. um 2 Uhr 25 Min. starke Anziehung gegen die Erde; um 3 Uhr Erdbeben. Um 4 Uhr
abweichende Stellung der Nadel, dieselbe ist wie „an die Erde
gelöthet“; um 5 Uhr 55 Min. starke Erschütterung.
Dieselben Erscheinungen zeigten sich bei den nachfolgenden Erschütterungen, jedoch
nur wenn das Galvanometer nicht isolirt war. Die Erdleitung, gebildet aus einem
Eisendrahte, einem Kupferdrahte und einem Zinkdrahte, endete an einem etwa 50k schweren und 2m tief in den Erdboden eingegrabenen
Eisenblocke. (Propagateur von Martinique durch Comptes rendus, 1875 t. 81
S. 693.)
E–e.
Anziehungs- und Abreißungszeit der
Elektromagnete.
Ein Relais in größerer Entfernung arbeitet bei schlechtem Wetter bedeutend langsamer
als dasselbe Relais im Laboratorium. Die Ursache dieser Verzögerung zu ermitteln,
bemühte sich Schneebeli. Früher hatte Hipp ähnliche Messungen angestellt und gefunden, daß die
Zeit, welche zwischen dem Herstellen des Stromes und der Anziehung des Ankers
verfließt, mit der Spannung der Feder zunimmt, und daß der Magnetismus im Relais
schneller erzeugt wird mit einem Strom von 12, als mit einem von 20 Elementen.
Schneebeli stellte seine Versuche unter Verhältnissen an,
welche denen bei Telegraphenleitungen möglichst gleichen. Der Morse-Apparat
wurde in eine Ableitung des Linienstromes eingeschaltet; zwei Rheostaten im
Stromkreise stellten die Telegraphenlinie vor, zwischen ihnen befand sich eine
Ableitung zur Erde durch einen dritten Rheostaten. So konnte der Ort sowohl wie der
Widerstand der Ableitung beliebig verändert werden. Die Zeit zwischen dem Schließen
des Stromes und dem Anziehen des Ankers am Morse-Apparat wurde mittels eines
elektrischen Chronoskops gemessen. Die Batterie bestand aus 30 kleinen Daniell'schen
Elementen.
Die Verzögerungen fielen bei gleicher Stromstärke um so größer aus, je weniger
Widerstand die Ableitungen bieten, und je näher sie der zweiten Station liegen.
Uebrigens fand Schneebeli durch seine Untersuchungen
folgende Sätze:
1. Die Ableitungen auf Telegraphenlinien verringern nicht nur die Stärke des nach der
andern Station gelangenden Stromes, sondern sie verzögern auch das Arbeiten des
Empfangsapparates.
2. Diese Verzögerungen werden durch die Extraströme hervorgerufen.
3. Die Verzögerungen in den Empfangsapparaten bei schlechtem Wetter rühren von der
Abnahme des Widerstandes her, welchen der Extrastrom zu überwinden hat.
4. Die Ableitungen sind für das Telegraphiren um so schädlicher, je weniger
Widerstand sie darbieten und je näher sie dem Empfangsapparate sind.
5. Der Extrastrom verzögert nicht nur die Anziehung der Armatur, sondern er verzögert
auch den Moment, wo der Anker von der Feder gehoben wird.
Man kann demnach in einer gegebenen Zeit nicht eine beliebige Anzahl Ströme durch den
Draht schicken, wenn dieselben auf der Empfangsstation deutliche Zeichen geben
sollen. (Durch „Naturforscher“ aus dem Bulletin de la société des sciences naturelles du
Neuchâtel, t. X cahier 1.)
E–e.
Ueber die Reinigung der Abfallwässer aus Tuchfabriken.
Im Aachener Bezirksverein deutscher Ingenieure (Bericht der Sitzung vom 13. October
1875) machte Schwamborn weitere Mittheilungen über die
Reinigung der Abwässer aus Tuchfabriken mittels Kalkmilch (vgl. 1875 216 517).
In einer Lenneper Tuchfabrik wurde die Beobachtung gemacht, daß Laugen, welche von
indigoblauen Tüchern herrührten, nur durch einen sehr großen Ueberschuß von
Kalkmilch gefällt wurden. Weitere Versuche zeigten, daß diese schwierige Fällung
durch die Gegenwart von Leimsubstanzen veranlaßt wurde. Wird dem leimhaltigen
Walkwasser dagegen eine gerbstoffhaltige Flüssigkeit (Abkochung von Knoppern, Sumach
u.s.w.) zugesetzt, so erfolgt der Niederschlag mit Kalkmilch in gewöhnlicher
Weise.
Verfahren, um Wolle und Tücher von vegetabilischen Stoffen zu
reinigen.
E. Lix in Bischweiler hat sich am 8. Januar 1874 in Bayern
folgendes Verfahren patentiren lassen.
Die zu reinigenden Stoffe, animalische Wolle oder Tuch, werden in ein Bad von 3 bis
6gradiger Schwefelsäure, dem je nach Beschaffenheit der Tücher ein gewisses Quantum
Alaun, Salz oder Borax beigefügt wird, gebracht; für gewöhnlich ist ausreichend auf
100l verdünnte Säure etwa 500g Alaun, 250g Salz und 50g Borax. In diesem Bade wird der Stoff 1
bis 2 Stunden gehaspelt, nachher mittels einer Centrifuge geschleudert und dann
durch eine Hitze von 100 bis 120° geführt. Die Entfernung der Säure ist
hierauf eine der wichtigsten Operationen und muß gut ausgeführt werden, wenn der
ganze Proceß nicht nachtheilig auf die Güte der Waare wirken soll. Zu diesem Zwecke
wird der Stoff während 1 1/2 Stunden in frischem Wasser gewaschen, dann 2 Stunden
lang mit Walkerde, Soda und Kalk behandelt, und schließlich wieder 2 Stunden in
frischem Wasser gewaschen. (Vgl. 1874 213 65 und
174.)
Schwefelsäure kann man aber nur bei weißen oder indigogefärbten Tüchern anwenden; um
daher auch farbige, d.h. stückfarbige, aufgesetzte und vielfarbige zu gleichem
Zwecke behandeln zu können, ohne die Farbe anzugreifen, wendet Lix Chlorzink und Chlormangan, auf 6° verdünnt, an und verfährt auf
gleiche Weise wie bei Anwendung eines Bades von Schwefelsäure, Alaun, Salz und
Borax.
Noch sei bemerkt, daß der sogen. Schlagstreifen (gewöhnlich aus Baumwolle, also
vegetabilischem Stoff) vor der Zerstörung dadurch geschützt wird, daß man denselben,
wenn das Tuch aus der Centrifuge kommt, mit einem Teig von syrupähnlicher Consistenz
bestreicht, welcher aus Walkerde und gleichen Theilen Soda und Salmiak besteht;
dadurch wird die Säure entfernt und der Schlag gegen Carbonisiren geschützt. (Nach
dem bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt, 1875 S. 296.)
Ueber neue Desinfectionsmittel.
Nach einer Untersuchung von Kletzinsky besteht die
Desinfectionsflüssigkeit von Valmagini im Wesentlichen
aus einer verdünnten Lösung von unterchlorigsaurem Magnesium und Chlormagnesium, die
offenbar durch Vermischen äquivalenter Mengen von Chlorkalk und Bittersalz und
Trennen der Lösung von dem ausgeschiedenen Gypse hergestellt wurde.
Der Verf. empfiehlt ein Gemisch von basisch schwefelsaurem Eisenoxyd, Magnesitmehl
und Phenol als sehr gutes Desinfectionsmittel (vgl. 1873 210 134).
Das schwedische Desinfectionsmittel Amyko's bestand aus 75
Proc. Wasser, 18 Proc. Borsäure, 2 Proc. Ammoniak und 5 Proc.
Gewürznelkenextract.
Ein zweites schwedisches Desinfectionsmittel, Aseptin
genannt, bestand aus 43 Proc. schwefelsaurer Thonerde, 33 Proc. Natronsalpeter und
24 Proc. Borsäure. (Jahresbericht der Wiedner Oberrealschule, Wien 1875.)
Der Desinfectionswerth dieser neuen Mittel ist, mit Ausnahme des phenolhaltigen, sehr
zweifelhaft.
F.
Platintiegel mit Goldüberzug.
Smith (Chemical News, v. 31
p. 55) empfiehlt für Schmelzungen mit Kali oder
Salpeter, Platintiegel mit einem dünnen Goldüberzuge anzuwenden. Zur Herstellung
derselben wird auf dickes Platinblech die erforderliche Menge Gold aufgeschmolzen,
dann ausgewalzt und zu Tiegeln und Schalen verarbeitet.
Lithiumcarbonat.
Methoden zur Darstellung des Lithiumcarbonats aus Lepidolith veröffentlichten schon
früher Müller (1855 138 303),
Hauer (1856 142 237), Lunglmayr (1864 171 293) und
Reichardt (1864 172
447).
Nach einer Mittheilung von A. W. Hofmann im amtlichen
Berichte über die Wiener Weltausstellung wird in der Fabrik von E. Schering in Berlin der Lepidolith mit Schwefelsäure
aufgeschlossen, die erkaltete Masse mit Wasser erschöpft und sodann die Lösung mit
Kalkmilch zur schwach alkalischen Reaction versetzt. Nach dem Filtriren fällt man
mit Kaliumcarbonat. Das sandige Pulver, welches so erhalten wird, ist im Handel
nicht beliebt; es wird daher in Salzsäure gelöst und nochmals mit Ammoniumcarbonat
gefällt, wodurch man ein sehr schönes, voluminöses Carbonat erhält. Die
Lithiumfabrikation ist im Zunehmen begriffen und wird von E. Schering auf 2000 bis 3000k
Carbonat geschätzt. Lithiumcarbonat, welches vor etwa 20 Jahren noch 240 M. pro
Pfund kostete, ist jetzt zu 18 bis 20 M. im Handel.
Die größten Mengen der vorzugsweise in Deutschland dargestellten Präparate gehen nach
England und Amerika, wo die Anwendung des Lithiumcarbonats bei der Behandlung von
Blasensteinen, besonders aber auch von Gicht, als Lösungsmittel für das in den
Gelenken abgesetzte harnsaure Calcium (das harnsaure Lithium ist leicht löslich)
sich mit jedem Jahre weiter verbreitet.
In beschränktem Maße haben das Lithiumbromid und Lithumjodid in der Photographie,
andere Lithiumverbindungen in der Feuerwerkerei Anwendung gefunden.
Zur Dextrinbildung.
Anthon (Kohlrausch's Organ für Rübenzuckerindustrie, 1875
S. 687) hat seine Versuche über die Darstellung von Dextrin mittels
Kieselfluorwasserstoffsäure (vgl. 1875 218 182)
fortgesetzt. Nach vielen mehr oder weniger ungünstig ausgefallenen Versuchen wurden
108 trockner Kartoffelstärke mit 6g,5
verdünnter Kieselfluorwasserstoffsäure (1 Th. Säure von 6° B. mit 7 Th.
Wasser) benetzt, bei 40 bis 50° getrocknet und dann in einer offenen
Glasröhre im Kochsalzbade 9 Stunden lang auf 108° erhitzt. Das Product war
weiß, pulverförmig und löste sich selbst im kalten Wasser schnell und vollständig zu
einer klaren Flüssigkeit auf. Beim Benetzen mit Wasser bildete die Probe glasige
Klumpen, ähnlich dem gepulverten arabischen Gummi. Das so dargestellte Dextrin
verhielt sich also wie das beste französische Gommeline
blanche.
Einfluß der Entblätterung auf den Zuckergehalt der
Rüben.
Violette berichtet über eine Reihe von Versuchen, aus
denen hervorgeht, daß das Entblättern der Zuckerrüben das Gewicht und den
Zuckergehalt derselben beträchtlich vermindert, den Gehalt des Saftes an Nichtzucker
aber vermehrt (Comptes rendus, 1875 t. 81 p. 594 und 974).
Weitere Mittheilungen über denselben Gegenstand werden von Cl. Bernard (A. a. O. p. 698), P. Duchartre (p. 915), Corenwinder (p. 1142), P. Champion und H. Pellet (p. 1212) gemacht, auf die näher einzugehen hier nicht
der Ort ist.
Ersatz für Epine vinnet in der
Gerberei; von Eitner.
Um blind gewordene schwarze Leder zu reinigen, und um überhaupt geschwärzten Ledern
einen erhöhten Glanz zu geben, werden dieselben in bestimmten Stadien der Zurichtung
mit Lappen gerieben, welch letztere man mit verschiedenen, gewöhnlich säuerlichen
Substanzen etwas anfeuchtet. Diese Operation des Ausreibens des geschwärzten Leders
stammt aus Frankreich, woher auch der zum Ausreiben resp. zum Befeuchten des Lappens
dienende Stoff, der jetzt in bessern Zurichtereien noch immer angewendet wird,
stammt. Es ist dies der Saft, welcher aus den reifen Früchten des Sauerdornes (Berberis vulgaris), in Oesterreich Weinscharl, in
Süddeutschland Sauerach, in Frankreich Epins vinnet
genannt, gepreßt und dann vergähren gelassen wurde; er enthält als wirksame
Bestandtheile Aepfelsäure, Bernsteinsäure und deren Aether, nebst einigen andern
Aetherarten und auch Alkohol. Alle Fabrikanten, welche von diesem Mittel je Gebrauch
gemacht, waren mit dessen Wirkung sehr zufrieden.
Der hohe Preis dieses Materials veranlaßte mich, auf Ersatz desselben zu sinnen, und
ich fand glücklicherweise einen solchen im reichlichen Maße in den Früchten des
Vogelbeerbaumes. Man sammelt die Vogelbeeren in unreifem Zustand, Ende August oder
Anfangs September, wenn dieselben roth zu werden beginnen, eigentlich wenn sie
hellroth sind, und preßt dieselben aus. Die Preßlinge werden mit etwas Wasser
angemacht und noch einmal ausgepreßt und der erhaltene Saft dem erstgewonnenen
beigefügt, worauf man demselben pro Eimer (56l) 2k,5 Traubenzucker zusetzt und
das ganze in offenen Gefäßen bei mäßig warmer Temperatur der Gährung überläßt,
welche bald eintritt. Gegen das Ende der Gährung, welches man an der verminderten
Schaumbildung erkennen kann, zieht man die nun weinig riechende Flüssigkeit von dem
Satze ab, füllt sie in reine verspundbare Gefäße und überläßt sie der Ruhe. Es wird
sich hier ein fernerer Bodensatz bilden, von welchem man die nun klar gewordene
Flüssigkeit abermals abzieht und für den Gebrauch in Flaschen füllt.
Dieser so erhaltene Vogelbeersaft ist eben so vorzüglich für die Zurichterei wie der
Berberitzensaft und auch viel ausgiebiger, weil dieser letztere im Zwischenhandel
häufig genug mit Wasser oder mit verdünnter Essigsäure oder verdünntem Essigäther
vermehrt wird. (Der Gerber, 1875 S. 244.)
Vergiftung durch Ziegenmilch.
Kürzlich traten zu Rom, im Borgo Rione massenhafte Erkrankungen auf, welche den
Charakter der Cholerine, zum Theil auch Cholera trugen und meist 4 bis 5 Tage bis
zur völligen Wiederherstellung dauerten. Die Heftigkeit der Anfälle stand im geraden
Verhältniß zur Menge der genossenen Milch, und es stellte sich bald heraus, daß
Erkrankungen nur in den Familien vorkamen, wo Ziegenmilch getrunken wurde. Die
Untersuchung der Ziegen durch Thierärzte ergab, daß jene sich in völligster
Gesundheit befanden. Als man nun das durch die Thiere gewöhnlich genossene Futter
prüfte, fand man in demselben verschiedene Giftpflanzen, u.a. Schierling und
Herbstzeitlose. Bekanntlich können Ziegen bedeutende Mengen Schierling und Tabak
ohne Schaden fressen, daß sie aber auch Herbstzeitlose ohne Gefahr zu sich nehmen
können (welche auf Kühe äußerst giftig wirkt) war bisher noch nicht bekannt. Prof.
Ratti, welcher sowohl die Milch der Thiere, als auch
die von den Patienten erbrochenen Massen einer chemischen Prüfung unterwarf, fand in
beiden Colchicin, ein höchst gefährliches Gift, welches ohne Zweifel von genossenen
Pflanzen in die Milch der Ziegen übergegangen war. (Ausland, 1875 S. 964.)