Titel: | Geradführung von M. Tschebycheff in St. Petersburg. |
Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 21 |
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Geradführung von M.
Tschebycheff in St.
Petersburg.
Mit Abbildungen im Text und
auf Taf. I [a/1].
Tschebycheff's Geradführung.
Auf einer in Wien 1873 exponirten stehenden Dampfmaschine war
eine neue Lenkergeradführung von M. Tschebycheff (Fig. 1 und
2) angebracht, welche die Schubstange wegfallen macht,
und wobei die Kurbelwelle nur wenig hoch über den feststehenden
Cylinder zu liegen kommt.
Nach Professor Radinger's officiellem
Ausstellungsbericht (Die
Motoren, S. 84) ist diese Geradführung aus
folgenden zwei Einzelführungen combinirt.
Werden die zwei Enden einer steifen Stange längs zwei auf
einander senkrecht stehenden Linien geführt, so beschreibt ein
Punkt in der halben Stangenlänge genau einen Kreis. Wird daher
umgekehrt eine steife Stange an einem Ende (z. B. horizontal)
gerade und mit ihrer Mitte (z. B. durch die Treibkurbel der
Dampfmaschine) in einem Kreise geführt, so muß das andere Ende
(welches z. B. in den Kreuzkopf eingehängt ist) gleichfalls eine
gerade Bahn beschreiben, welche auf die erstere normal (hier
also senkrecht) bleibt. Die horizontale Geradführung jenes
äußern Stangenendes geschieht nun von der Mitte einer einem
Gelenkviereck angehörigen Stange aus, deren beide in der
mittlern Lage symmetrisch gekreuzt stehenden Steilseiten
(Lenker) in festen Drehpunkten am Cylinderdeckel schwingen. Bei
bestimmten Verhältnissen beschreibt der mittlere Punkt der obern
Vierecksseite höchst angenähert eine gerade Linie und dieser ist
zur Horizontalführung des einen Endes jener steifen Stange
benützt, deren anderes Ende am Kreuzkopf hängt, während ihre
Mitte den Kurbelzapfen aufnimmt.
Textabbildung Bd. 220, S. 22
In der Ausführung dreht sich der Treibzapfen in der Scheibe
selbst, und geht in das doppelt gekröpfte Stück D E über, welches bis zu E, wo der Kreuzkopf wirkt, an der
Kurbelscheibe anliegt. Auf der Vorderseite desselben biegt sich
nun das Schmiedestück als Gegenkurbel zurück, wo es genau in der
Wellenhöhe mit einem Stirnzapfen D
endet, welcher von der vorne schwingenden Geradführung ergriffen
wird. Die geradführende Schlußseite des Vierecks wurde an ihren
beiden Enden von den Lenkern erfaßt, doch stand einer der Zapfen
auf der Vorder-, der andere auf der Hinterseite, und die Lenker
selbst waren hakenförmig geformt und gingen von den ungleichen
Stirnen ihrer Naben aus, um sich bei der Begegnung (wobei sich
die Projection ihrer Bahnen scheidet) auszuweichen.
Der Hub des ausgestellten Maschinenmodelles betrug 200mm und
das Viereck maß 230mm zwischen den festen Fußpunkten,
300mm an den beiden Lenkern und 100mm in
der obern Schlußseite. Der Kurbelhalbmesser betrug 50mm,
¼ des Kolbenhubes.
Bei der Arbeit wirken die Kräfte häufig unter ungünstigen
Winkeln, was in Verbindung mit der schwierigen Einhaltung der
absolut bemessenen Stangenlängen leicht eine zerrende Bewegung
einführen dürfte.
(Nach Dr.
Grothe's Mittheilung in der Polytechn. Zeitung, 1876 S.
127 gebührt für den oben beschriebenen Mechanismus die
Priorität der Erfindung dem Colonel Peaucellier, von welchem eine vollkommen correcte
Geradführung in diesem Journal, 1875 217 362 beschrieben und abgebildet ist.)