Titel: | Ueber die Titration sauer reagirender Salze, in denen der Wasserstoff der zugehörigen Säuren vollständig durch Metalle substituirt ist; von Dr. C. Willgerodt. |
Autor: | C. Willgerodt |
Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 49 |
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Ueber die Titration sauer
reagirender Salze, in denen der Wasserstoff der zugehörigen Säuren
vollständig durch Metalle substituirt ist; von Dr. C.
Willgerodt.
Willgerodt, über die Titration sauer
reagirender Salze.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß es salze gibt, welche,
wenngleich der sämmtliche Wasserstoff ihrer Säuren durch Metalle
ersetzt ist, sauer reagiren. Es liegt mir fern, in diesem
Aufsatze die Gründe klar zu legen, welche gedachte Erscheinung
bedingen; ich habe mir vielmehr die Aufgabe gestellt, den Nutzen
näher zu beleuchten, der aus dieser Eigenschaft der Salze für
die Praxis resultirt.
Ich habe gefunden, daß sich die sauer reagirenden Salze, in denen
der Wasserstoff der zugehörigen Säuren vollständig durch Metalle substituirt ist, durch ein
Alkali titriren lassen. Näher studirt habe ich bis jetzt einige
der sauer reagirenden Aluminiumsalze, Chromalaun, sowie das
sauer reagirende Zinnsalz Sn Cl2 +
2H2O.
Titration der Aluminiumsalze. Löst man
die sauer reagirenden Aluminiumsalze mit destillirtem Wasser auf
und fügt der Lösung Lackmus hinzu, so wird dieselbe roth
gefärbt; versetzt man die so gefärbte Flüssigkeit mit der Lösung
eines Alkalis, so erhält man bald einen weißen
Niederschlag, der nur dann verschwindet, wenn ein Ueberschuß des
Fällungsmittels gegeben wird; außerdem verändert sich der rothe
Farbton, indem er einen Stich ins Blaue annimmt. Mit dem Zusatz
der alkalischen Lösung nimmt die Bläuung zu; es ist aber bis zur
Zersetzung des letzten Molecüls des Aluminiumsalzes für ein
scharfes Auge ein rother Ton nicht zu verkennen, der erst bei
der vollständigen Zersetzung verschwindet.
Der Niederschlag, welcher bei der Beendigung der Operation
jedenfalls aus Aluminiumhydrat Al2 (OH)6 besteht, beeinflußt
die Farbenveränderung und zwar um so mehr, in je größerem
Maßstabe derselbe vorhanden ist. Hieraus folgt nun, daß die
quantitative Bestimmung aller hierher gehörenden Salze dann
genauer ausfallen wird, wenn man nicht zu viel davon in Arbeit
nimmt. Verwendet man zu viel eines Salzes zur Analyse, so ist
man nicht im Stande, das Ende der Titration mit Schärfe
anzugeben; man kann sich vielmehr derart täuschen, daß man eine
Differenz von 5 bis 10 Proc. des Salzes erhält. In dem Falle
aber, in welchem man wenig genug von dem Salze zur Bestimmung
verwendet, sieht man das Verschwinden des letzten Roth in der
Flüssigkeit ziemlich deutlich, und der oben angedeutete Fehler
verschwindet in dem Maße, daß die Analyse für die Praxis wohl zu
verwenden ist. Bei den hierher gehörigen Titrationen machte ich
noch die Beobachtung, daß man vom färbenden Index nicht zu viel
verwenden darf; niemals sei die Färbung der Flüssigkeit durch
Lackmus dunkelroth; die Farbe der zu titrirenden Flüssigkeit
werde vielmehr immer blaß rosenroth gehalten.
Hat man einmal zu viel Lackmus einlaufen lassen, so regulire man
die Färbung der Flüssigkeit durch Verdünnung mit destillirtem
Wasser.
Zum Titriren wurde von mir Normal- und 1/10 Normallösung irgend
eines Alkalis verwendet; ich habe bei diesen Arbeiten die
Erfahrung gemacht, daß ich das Ende der Titration dann am
schärfsten beurtheilen konnte, wenn ich Normal- (nicht 1/10
Normalalkali-) Lösung verwendete. Es ist sehr gut, wenn man das
Alkali aus engen Büretten zulaufen läßt, bei denen wo möglich
noch 0cc,05 verzeichnet sind, damit man diese mit
Sicherheit ablesen, und 0cc,025 noch ziemlich genau
abschätzen kann.
Um Kaliumaluminiumalaun zu analysiren,
waren 2g,97 dieses Salzes abgewogen und zu 100cc
gelöst worden. Die Titration wurde in diesem Falle, sowie bei
allen hier noch aufzuführenden Salzen, mit Normalkalilauge
ausgeführt. Die Umsetzung zwischen dem Alaun und dem Kali geht
nach folgender Gleichung von statten:
K2Al2 (SO4)4
24H2O + 6 KHO = 4 K2 SO4 + Al2 (OH)6 +
24 H2O.
Um die kleinsten Zahlen beim Rechnen zu erhalten, nehmen wir für
den Kalialaun das alte Aequivalentgewicht 474,4 an; dieser Zahl
würde alsdann für das zu erwartende Kalihydrat die Zahl 3
× 56,1 entsprechen.
Nennen wir dem entsprechend die abgewogene Menge des Alauns a, die zur Titration von a verwendeten Cubikcentimeter des
Alkalis b, so finden wir den
Procentgehalt des Alauns nach der Formel:
Textabbildung Bd. 220, S. 51
Soll das Aluminiumoxyd (Al2 O3), worauf es ja gewöhnlich ankommt,
bestimmt werden, so berechnen wir dies nach der Formel b/a ×
5,14/3.
Von der vorhin gedachten Alaunlösung (2g,97
in 100cc) wurden 10cc zur Titration verwendet;
dieselben erforderten 1cc,86 Normalkalilösung, 100cc
mithin 18cc,6. Setzen wir diese Werthe in unsere Formel ein,
so erhalten wir, wenn wir den Procentgehalt des Alauns berechnen
wollen, 99Proc. — Bei der Titration einer Lösung, die in
100cc2g,1694 Alaun enthielt, wurden 98,3
und 99,6 Proc. Alaun gefunden. Berechnen wir die Analysen auf
Thonerde (Al2 O3), so finden wir, daß die Fehler
gering sind.
Es wurden ferner mehrere Sorten schwefelsaurer Thonerde zunächst bestimmt mittels meiner
Titrirmethode; alsdann wurden von denselben Salzen
Gewichtsanalysen ausgeführt, um durch einen Vergleich die Güte
der neuen Bestimmungsmethode zu prüfen; das Resultat fiel
befriedigend für dieselbe aus.
Ein Stück schwefelsaure Thonerde hatte eine lange Zeit
uneingeschlossen in einem trockenen Raume aufbewahrt gelegen;
für dieses Salz wurde durch die Titration die theoretisch
berechnete Menge von Aluminiumsesquioxyd (Al2 O3) gefunden.
Frische Sendungen von schwefelsaurer Thonerde, die ich früher in
einer Rothfärberei auf ihren Gehalt an Al2 O3 untersuchte, zeigten
bei der Titration immer weniger Thonerde als die theoretisch
berechnete Menge. Da die schwefelsaure Thonerde jetzt säurefrei
in den Handel kommt, so ist es für Fabrikbesitzer von großem
Werth, ein Mittel an der Hand zu haben, durch das sie rasch den
Gehalt dieser Waare prüfen können, um bei ihren Arbeiten
(Mordanciren etc.) stets constante Mengen von Al2 O3 zu
verwenden.
Der Procentgehalt der schwefelsauren Thonerde an Thonerde läßt
sich rasch berechnen nach folgender Formel: b/a ×
5,14/3.
Aus diesen Beispielen wird man entnehmen können, wie man andere
Aluminiumsalze titriren und berechnen muß. Da überall bei der
vollständigen Umsetzung des Salzes durch das Alkali
Aluminiumhydrat Al2 (OH)6 niedergeschlagen
wird, so muß auch stets darauf gesehen werden, daß nicht zu
große Mengen des Salzes zur Analyse verwendet werden, weil
dadurch, wie schon erwähnt, die Erkennung der Beendigung der
Titration erschwert wird.
Titration sauer reagirender
Chromsalze. Von den hierher gehörenden Salzen habe ich bis
jetzt nur den Chromalaun titrirt. Es wurden 1g,679
Chromalaun zu 100cc aufgelöst. Die gelöste
Flüssigkeit ist grünblau; nach dem Zusatz von Lackmus nimmt sie
eine trübrothe Farbe an. Zur Titration wurden 10cc der
eben beschriebenen Lösung verwendet, dieselben mit destillirtem
Wasser verdünnt, mit Lackmus versetzt und darauf mit
Normalkalilösung titrirt. Beim Zusatz der letztern entsteht ein
blaugrüner Niederschlag, welcher das Erkennen der Beendigung der
Titration etwas erschwert. Hält man jedoch die Flüssigkeit gegen
das Licht, so kann man deutlich wahrnehmen, ob sie noch einen
rothen Ton hat oder nicht. Man titrirt, bis das letzte Roth
verschwunden ist. Die Berechnung des Chromalauns geschieht nach
der Formel: b/a × 49,97/3.
Die in Arbeit genommenen 10cc der Alaunlösung erforderten 1cc,0089 (berechnet) Normalkalilösung, mithin 1g,6790
des Alauns 10cc,089 Normalkali. Setzen wir diese Werthe in die
letzte Formel ein, so erhalten wir 100,8 Proc.
Titration sauer reagirender Zinnsalze.
Es ist vorzüglich das für die Färbereien so wichtige
„Zinnsalz“ (Sn
Cl2
+ 2H2O) nach meiner Methode
bestimmt worden. Bis jetzt hatte man immer nöthig, wenn man das
Zinnchlorür mit Chamäleon titrirte, daß man dem Salz
Eisenchlorid zusetzen mußte, wenn man bei dieser Bestimmung
überhaupt ein brauchbares Resultat erhalten wollte. Da nun das
Zinnsalz auch sauer reagirt, so
versuchte ich dasselbe mit Normalkali zu titriren. Die Titrirung
ging mit außerordentlicher Schärfe von statten. Man erhält bei
der Bestimmung dieses Salzes nach meiner Methode in kurzer Zeit
ein sehr genaues Resultat.
Zur Bestimmung des Zinnsalzes wiegt man eine kleine Menge ab,
schüttet dasselbe in ein Kölbchen, setzt etwas Wasser und
Lackmustinctur hinzu und titrirt mit Normalkalilösung. Der weiße
Niederschlag, der sofort beim Zulaufen der Normalflüssigkeit
entsteht, stört sehr wenig bei der Arbeit. Es wird titrirt bis
zur vollkommenen Bläuung. Sollte für manchen der
Niederschlag störend wirken, so lasse man das Gefäß, worin die
Titration ausgeführt wird, eine kurze Zeit stehen; der
Niederschlag setzt sich rasch zu Boden, und man kann die oben
darüber stehende Flüssigkeit auf ihre Färbung genau taxiren.
Das Wirksame des Zinnsalzes (Sn Cl2)
wird berechnet nach der Formel: b/a × 9,45.
Von einer Zinnsalzprobe, die noch etwas feucht war, wurden 0g,1956
in Arbeit genommen; dieselben erforderten 1cc,6833 Normalalkali (berechnet aus einer nicht ganz
normalen Lösung, die verwendet wurde). Diese Werthe, in obige
Formel eingesetzt, ergeben 81,3 Proc. Das krystallisirte
Zinnchlorür Sn Cl2 +
2H2O enthält 84 Proc. Sn Cl2.
Das Salz, von welchem die eben bestimmte Probe genommen war,
wurde nun getrocknet und hierauf gute Krystalle zu einer
folgenden Analyse verwendet. 0g,1568 Zinnsalz erforderten 1cc,393
Normallösung. Setzen wir diese Werthe in die letzte Formel ein,
so erhalten wir 83,9 Proc.
Freiburg i. B.,
Februar 1876.