Titel: | Ueber die Entwicklung der Ultramarin-Fabrikation. |
Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 53 |
Download: | XML |
Ueber die Entwicklung der
Ultramarin-Fabrikation.
Ueber die Entwicklung der
Ultramarinfabrikation.
Dr. Reinhold Hoffmann gibt im Amtlichen Bericht über die Wiener
WeltausstellungAmtlicher Bericht über die Wiener Weltausstellung im J. 1873.
Erstattet von der Centralcommission des deutschen Reiches. Heft
20. Chemische Industrie von A. W. Hofmann. Pr. 13,2 M. (Braunschweig 1875. Fr. Vieweg u. Sohn.) einen Ueberblick der Entwicklung der
Ultramarinfabrikation von 1862 bis 1873, dem wir unter Ergänzung
der Literaturangaben Folgendes entnehmen.
Nach dem Bericht über die Weltausstellung in LondonA. W. Hofmann: Reports
by the Juries, London 1863 S. 71. wird
kieselreiches und kieselarmes Ultramarin unterschieden.
Kieselarmes Ultramarin (ausgezeichnet
durch hellen reinblauen Farbenton und leichte Zersetzlichkeit
durch Alaunlösung) wird dargestellt, indem reiner Thon mit
Glaubersalz und Kohle, oder auch mit Soda, Schwefel und Kohle,
oder auch mit einer entsprechenden Mischung aus beiden
Natronsalzen dem sogen. Rohbrennen des Ultramarins unterworfen
wird. An Stelle der Kohle werden zweckmäßig auch andere
Reductionsmittel angewendet, namentlich Kolophonium oder
Schwarzpech. Das erste Rohproduct ist grün gefärbt, und aus
demselben können durch Aussortiren und weitere Bearbeitung die
im Handel üblichen grünen Ultramarinsorten gewonnen werden.
Blaues Ultramarin entsteht durch das sogen. Feinbrennen des
grünen Ultramarins ohne vorausgegangenes Aussortiren. Die
zahlreichen Handelssorten werden erst durch nachfolgendes Mahlen
auf Naßmühlen, Abschlämmen etc. aus dem blau gebrannten
Ultramarin dargestellt, indem hiermit auch wohl ein
nachträgliches Aussortiren verbunden wird. Zur Gruppe der
kieselarmen Ultramarinverbindungen gehört noch das seit längerer
Zeit bekannte sogen. weiße Ultramarin, dessen Entstehung der
Bildung des grünen Ultramarins beim Rohbrennen regelmäßig
vorausgeht. Beim Erkalten geht es jedoch meistens in grünes
Ultramarin über und wird dadurch der Beobachtung leicht
entzogen.
Für kieselreiches Ultramarin erhält
der Thon einen Zusatz von Kieselerde, sei es durch Auswahl
kieselreicher Thonsorten, oder durch Zugabe von naßgemahlenem
Quarzsand oder von Infusorienerde. Letztere war früher nicht
ganz leicht in genügender Reinheit zu erhalten, kommt aber jetzt
als geschlämmtes Product allgemein im Handel vor und ist in
neuerer Zeit für oben genannten Zweck sehr beliebt geworden. Als
Natronsalz wird vorzugsweise Soda verwendet, welche indessen zum
Theil auch durch Glaubersalz ersetzt werden kann. Zur
vollständigen Mischung der nöthigen Materialien gehört dann noch
Schwefel und Kolophonium. Kohle als Reductionsmittel ist hier
wohl allgemein schon seit geraumer Zeit verlassen worden. Beim
Rohbrennen erhält man sogleich rohes blaues Ultramarin, dessen
weitere mechanische Bearbeitung im Wesentlichen dieselbe ist,
wie bei dem durch das Feinbrennen erhaltenen kieselarmen Blau.
Je nach der Menge der zugesetzten Kieselerde nimmt der röthliche
Farbenton und die Widerstandsfähigkeit des Productes gegen
Alaunlösung zu. Bezüglich der letztern Eigenschaft sind indessen
auch physikalische Eigenschaften des verwendeten Thones,
namentlich eine gewisse Dichtheit desselben von Einfluß. In
neuester Zeit sind aus der Gruppe des kieselreichen Ultramarins
Verbindungen von violetter, rother und gelberVgl. Scheffer 1874 211 137. Farbe bekannt geworden.
Diese Grundlagen der Fabrikationsmethoden sind seit der Londoner
Ausstellung unverändert geblieben, ebenso die Oefen. Tiegelöfen
werden namentlich für kieselarmes, Muffelöfen für kieselreiches
Ultramarin angewendet. Durch bessere Auswahl der Rohmaterialien,
und sorgfältigere Regelung des Glühprocesses jedoch, sowie durch
allgemeinere Einführung der Maschinenarbeit ist es namentlich in
Deutschland gelungen, durchweg höherwerthige
Ultramarinsorten zu produciren, und so ein wirksames
Gegengewicht gegen das fortwährende Fallen der Ultramarinpreise
bei gleichzeitigem Steigen der Preise der Rohmaterialien und der
Arbeitslöhne zu gewinnen.
Als Schwäche der Fabrikation erwähnt Verfasser den
unverhältnißmäßig großen Aufwand an Natronsalzen und Schwefel.
Während 100k Ultramarin nur etwa 34k Natriumcarbonat und 15k
Schwefel wirklich erfordern, müssen jetzt noch bis je 60k
Schwefel und Soda verwendet werden. Der größte Theil des
Schwefels verdampft und geht als schweflige Säure verloren, der
Ueberschuß von Soda bleibt zwar der Hauptmenge nach im
Rohultramarin als schwefelsaures Natrium zurück, wird aber nur
von wenigen Fabriken wiedergewonnen; ein geringer Theil von Soda
mag im Ofen verdampfen.
Die Constitution des Ultramarins ist
noch immer ungewiß. Es mag daher genügen, hier eine Uebersicht
der neuern Arbeiten über Ultramarin zu geben:
Benner 1854 132 277. (1874 214 248))
Braunschweiger 1871 201 177.
Büchner 1854 134 373. 1875 215 164.
Fürstenau 1861 159 63. 1871 201 176. 202 446. 1872 205 130. 1876 219 269. Ultramarinfabrikation
(Coburg 1864).
Gentele 1856 140 223. 141 116. 142
315. 1861 160 453.
Gmelin, Wagner's Jahresbericht, 1862
S. 286.
Grüneberg 1868 189 515.
R. Hoffmann 1875 215 167. Wagner's
Jahresbericht, 1873 S. 375.
Lichtenberger: Ultramarinfabrikation
(Weimar 1865).
Lüssy 1875 217 519.
Morgan 1873 207 216.
Schesfer 1874 211 137.
Stein 1871 200 299 und 308. Journal für praktische Chemie, 1871 Bd. 3
S. 39 und 137. Bd. 4 S. 281.
Unger 1872 206 371. 1874 212 224 und 301.
Vogelsang: Ultramarinverbindungen
(Bonn 1874).
Zuber, Bulletin
de Mulhouse, 1865 p. 97 und
115.
Von ältern in diesem Journal veröffentlichten Arbeiten sind zu
erwähnen:
Phillips 1823 12 433.
Gmelin 1828 28 165.
Guimet 1828 29 395. 1831 41 220. 1851 120 197.
Descharmes 1828 29 439.
Kuhlmann 1829 33 125.
Bussy 1830 37 134.
Robiquet 1833 50 298.
Ferrand 1838 68 236.
Elsner 1842 83 461.
v. Tiremon 1842 85 53.
Binder 1843 89 122.
Prückner 1844 94 388.
Barreswil 1853 127 137.
Habich 1856 139 28.
Stölzel 1856 140 210.
Breunlin 1856 140 210.
Notizen 1842 84 467. 1843 90 79. 1844 93 396.
Verfasser erwähnt sodann einer neuen analytischen Methode zur
quantitativen Bestimmung aller Schwefelverbindungen, welche bei
der Zersetzung des Ultramarins durch Säuren entstehen. Diese
Methode beruht im Wesentlichen auf folgenden Reactionen:
I. H2S + J2 = S +
2HJ.
II. 2(H2S2O3) +
J2 =
H2S4O6 + 2HJ.
III. H2SO3 +
H2O + J2 = H2SO4 +
2HJ.
Verfasser glaubt, durch diese Methode den Weg gebahnt zu haben,
um die Bindungsweise des Schwefels in allen
Ultramarinverbindungen genauer als seither kennen zu lernen und
wohl auch endliche Aufklärung über die immer noch unbekannte
Constitution des Ultramarins zu erlangen, sobald erst eine
größere Anzahl von Analysen nach derselben ausgeführt worden
sein wird. Zur Vergleichung theilt er folgende Analysen mit (S.
57 und 58).
Als einer besondern Neuheit aus der Reihe der
Ultramarinverbindungen wird noch des violetten Ultramarins gedacht, welches von der
„Nürnberger Ultramarinfabrik“ als neueste
Erfindung auf dem Gebiet der Ultramarinfarben in Wien
ausgestellt worden ist (vgl. Lüssy
1875 217 519). An Reinheit und
Lebhaftigkeit der Farbe bleibt das ausgestellte Präparat zwar
weit hinter den blauen Ultramarinsorten zurück; es würde aber
voreilig sein, hieraus auf die Bedeutungslosigkeit desselben für
technische Verwendungen schließen zu wollen. Nach erhaltenen
mündlichen Mittheilungen an den Verfasser entsteht das violette
aus fertigem blauen Ultramarin durch Einwirkung chemischer
Agentien, welche demselben bei erhöhter Temperatur Natrium zu
entziehen und gleichwerthige chemische Radicale an dessen Stelle
einzuführen im Stande sind. In diesem Sinne wurde das
ausgestellte Präparat als „hydroxylirtes Ultramarin“ bezeichnet und
angegeben, daß auch andere, selbst organische Radicale durch
ganz glatte Reactionen an die Stelle von Natrium in das blaue
Ultramarin eingeführt worden seien, und daß dadurch violette
Verbindungen von verschiedener Nüance und von größerm Feuer
erhalten werden könnten.
Gesammtanalysen.
Textabbildung Bd. 220, S. 57
Nr.; 100
Gew.-Th. Ultramarin enthalten (auf wasserfreie Substanz
berechnet):; Sogen. Thonrückstand.; SiO2; Al2O3; K2O; Na2O;
S; Summe.; Keiselarme.; Aus eigner Fabrikation.; Weißes
ultramarin; Zu 1 gehöriges Blau; Grünes ultramarin; Grünes
ultramarin; Blau aus 3; Blau aus 4; Blau, Durchschnitt der
Fabrikation; Blau reinstes der Fabrikation; Kieselreiche.; Grünblau, bei
Luftabschluß eigens im Laboratorium dargestellt; Blau,
Durchschnitt der eigenen Fabrikation; Blau reinstes der
eigenen Fabrikation (Tiegelbrand); Blau, reinstes von W. Büchner (Muffelbrand); Violett von
der Nürnberger ultramarinfabrik; Roth von W. Büchner, erste Probe
Alle Ultramarinverbindungen sind sehr hygroskopisch; der
Wassergehalt lufttrockner Proben beträgt bis zu 5 Proc.; für das
Nürnberger Violett wurden beim Glühen mit Kupferoxyd 4,7 Proc.
Wasser gefunden.
Vertheilung des
Schwefels.
Textabbildung Bd. 220, S. 57
Diese
Bestimmungen gingen verloren.
Nr.; 100
Gewichstheile ultramarin enthalten:; Schwefel; a; b; c;
d; e; Summe a bis e.; Total-Schwefel direct bestimmt.;
Kieselarme.; Wie oben weißes; Wie oben grünes; Wie oben
blaues; Kieselreiche.; Wie oben grünblau; Wie oben blau;
Obigem, Nr. 10 entsprechender Fabrikationsdurchschnitt,
blau; Wie oben violett; Wie oben roth, erste Probe; Wie oben
roth, zweite Probe
Unter a ist der
Theil des Schwefels zu verstehen, welcher bei Zersetzung des
Ultramarins mit Säuren ursprünglich
als H2S auftritt; also aus einem
einfachen oder aus einem mehrfachen Schwefelmetall herstammen
kann.
b ist der Theil, welcher als solcher
ursprünglich abgeschieden wird, also
auf ein Polysulfuret zurückzuführen ist.
c tritt als H2SO4 auf und kann vor der
Zersetzung durch Auswaschen etc nicht entfernt werden.
d ebenso als H2S2O3.
e ebenso als H2SO3.
Verfasser erwähnt ferner ein von W. Büchner erhaltenes rothes Ultramarin, dem Ansehen nach von
dem violetten Ultramarin sehr verschieden, intensiv roth, aber
weniger feurig als dieses gefärbt. Nach Büchner ersteht dasselbe bei dem Muffelbrand des
kieselreichen blauen Ultramarins, wenn die Glühoperation
frühzeitig unterbrochen wird (vgl. 1874 211 136) 1875 215 167). Bemerkenswerth ist noch, daß beim Zersetzen des
rothen Ultramarins mit Säuren nur schweflige Säure, kein
Schwefelwasserstoff entwickelt wird.
Zu den von früher her bekannten Verwendungen des Ultramarins ist
seit 1862 keine neue hinzugekommen; doch ist die zum Bläuen der
Wäsche (vgl. 1855 135 464) 136 467) in lebhafter Zunahme begriffen. So lieferte z. B.
die Fabrik Marienberg im J. 1872 40 Millionen Stück
Waschkugeln.
Die Zahl der Ultramarin-Fabriken hat sich seit 1862 in
Deutschland um sieben, in Oesterreich um eine vermehrt und ist
in Belgien und Frankreich unverändert geblieben. Die Production
hat sich im Verhältniß von 100: 240, Arbeiterzahl und
Betriebskraft ungefähr wie 100 : 200 vermehrt. Die Zunahme der
Production entfällt hauptsächlich auf die Fabriken, welche schon
1862 bestanden und unter diesen vorzugsweise auf die
deutschen.
Nach Ländern geordnet, vertheilen sich die Fabriken in folgender
Weise:
Textabbildung Bd. 220, S. 59
Land.; Im Jahre
1862; Im Jahre 1872; Zahr der Fabriken.; Arbeiterzahl.;
Betriebskraft.; Production.; Zahr der Fabriken.;
Arbeiterzahl.; Betriebskraft.; Production.; Deutschland; e; t;
e; t; Frankreich; Belgien; Oesterreich
Außerdem soll noch je eine Fabrik in England und Nordamerika
vorhanden sein.
Der durchschnittliche Verkaufspreis betrug für 100k
Ultramarin im J. 1862 121,5 M. gegen 111,6 M. im J. 1872, ist
also in diesem Jahrzehnt um etwa 10 Proc. gefallen. Dagegen
kosteten:
Kohlen an den Gruben
im
J.
1862
28,5
M.,
im
J.
1872
81
M.
Soda
im
J.
1862
13,5
M.,
im
J.
1872
19,5
M.
Arbeitslohn
im
J.
1862
1,5
M.,
im
J.
1872
2,7
M.
Der Gesammtwerth der Ultramarinproduction beträgt nach obigen
Durchschnittspreisen:
1862
für
3556t
4 320 000
M.
1872
für
8585t
9 582 000
M.
Auch in Beziehung auf den Export haben die deutschen Fabriken ihr
altes Uebergewicht (vgl. 1849 114
395) behauptet; fast
alle nehmen daran Theil, einzelne bis zu ⅔ oder ¾
ihrer ganzen Production. Der ganze Export aus Deutschland
verhält sich zu dem aller übrigen Productionsländer wie 5 : 1 im
J. 1862 und wie 4 : 1 im J. 1872. Von den sechs in Frankreich
bestehenden Fabriken exportirt nur eine der jüngsten in relativ
sehr bedeutender Menge; ähnlich die einzige Fabrik in Belgien
und eine der beiden österreichischen Fabriken.Im
Anschluß an den Bd. 219 S. 269 mitgetheilten Artikel bemerkte
Fürstenau über Ultramarinfabrikation
in Oesterreich, daß dieselbe im officiellen Ausstellungsbericht
(Heft 41 S. 11) von Dr. Lieben als „schwach“
bezeichnet, die Production für 1870 mit 8300 Ctr. angegeben sei.
Nach Vergrößerung der Fabriken Weitenegg und Neunkirchen mögen
jetzt ca. 13 000 Ctr. jährlich erzeugt werden. Leider hat auf
diese Fabrikation der zu leicht erzielte Verdienst keinen guten
Einfluß gehabt; der Eingangszoll, welcher bei den geringen
Sorten 25 bis 40 Proc. vom Verkaufspreis beträgt, hat die
Einfuhr derselben vom Ausland unmöglich gemacht, und hat sich so
die Fabrikation fast ganz auf Erzeugung geringer Farben
geworfen. Der Verbrauch in feinern Qualitäten, welcher in
Papierfabriken, Kattundruckereien, Appreturanstalten Tapeten-
und Buntpapierfabriken etc. in steter Zunahme begriffen ist,
wird größtentheils aus dem Auslande gedeckt, obschon in
Oesterreich, besonders in Böhmen, alle Bedingungen zu dieser
Fabrikation vereinigt sind, wie nirgends wieder. Die Kaoline aus
der Gegend zwischen Pilsen und Karlsbad werden durch ganz
Deutschland zur Ultramarinfabrikation verbraucht, es sind
überhaupt die hierzu geeignetsten in Europa; Stein- und
Braunkohlen liegen dort vor der Hand, Soda liefert Aussig,
Schwefel die Stark'schen Etablissements und ebenfalls Aussig,
— aber alle diese Vortheile werden bis jetzt nicht
benützt.
Von den Importländern für Ultramarin steht bekanntlich England
oben an.