Titel: | Verunreinigung der Atmosphäre durch Fabriken und Gewerbe. |
Autor: | F. |
Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 87 |
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Verunreinigung der Atmosphäre
durch Fabriken und Gewerbe.
Verunreinigung der Atmosphäre durch Fabriken
und Gewerbe.
Steinkohlenrauch. Nach einer
Zusammenstellung von F. Knapp
enthalten die Steinkohlen im Mittel von 238 Analysen 1,7 Proc.
Schwefel, von welchem wohl kaum mehr als 0,2 Proc. in der Asche
zurückbleiben. Beim Verbrennen von 1000t
Steinkohle entweichen demnach 15k Schwefel als Schwefeldioxyd in
die atmosphärische Luft, welches jedoch bald zu Schwefelsäure
oxydirt wird. Durch chemische Untersuchung der Atmosphäre ist
nachgewiesen, daß 1000cbm Londoner Luft 1g,67 Schwefelsäure enthält; in
Manchester steigt der Gehalt von 1000cbm
Luft sogar auf 2g,518 Schwefelsäure,
und das Regenwasser enthält hier selbst 0,001 Proc. Säure.
Ohne Frage kann Rauch im hohen Grade lästig werden; schädlich ist
der Steinkohlenrauch nach den bisherigen Erfahrungen nur durch
seinen Gehalt an Schwefeldioxyd.
A. SmithAmtlicher Bericht über die Wiener
Weltausstellung, Heft 20 S. 497. berichtet, daß
säurehaltige Luft auf schwächliche Personen einen unzweifelhaft
nachtheiligen Einfluß ausübt, und er glaubt, daß man auf die
eigenthümliche, die Geistesthätigkeit herabstimmende Wirkung
derselben bisher nicht genug Gewicht gelegt habe.
Weit empfindlicher als die Menschen sind die Pflanzen gegen die
im Steinkohlenrauch enthaltene schweflige Säure. So leiden in
London die Bäume, obgleich namentlich im Westen der Stadt der
Rauch nur verhältnißmäßig sehr gering ist und der
Gesundheitszustand der Bewohner sogar auffallend gut genannt
werden muß. im Vergleich zu kleinern Städten und Dörfern, wo
1000cbm Luft oft nur 0g,474
Schwefelsäure enthalten. In Manchester hört nach Smith die Vegetation überhaupt auf.
StöckhardtF. Fischer: Verwerthung der städtischen und
Industrie-Abfallstoffe, S. 126. berichtet, daß
Ziegeleien, mit Steinkohlen und auch mit Torf betrieben, für den
Pflanzenwuchs schädlich sind. Die strichweisen Beschädigungen
durch den, von zwei inmitten von Waldungen liegenden (mit Torf
betriebenen) Ziegeleien, entwickelten Rauch waren so stark, daß
der Fiscus, welchem die Waldungen gehörten, die Ziegeleien
ankaufte und eingehen ließ. Auch HeßGrunert
und Leo's Forstliche Blätter, 1874 S. 31. bespricht
die schädliche Einwirkung des Steinkohlenrauches auf Waldbäume.
Nach seinen Beobachtungen ist die Ulme am wenigsten empfindlich
gegen Rauch. Nach Stöckhardt sind
Nadelhölzer im allgemeinen weit empfindlicher als Laubhölzer,
namentlich leiden am ersten Tanne und Fichte, dann Kiefer und
Lärche. Bon den Laubhölzern sind Weißdorn, Weißbuche, Birke und
Obstbäume am empfindlichsten; ihnen folgen Haselnuß,
Roßkastanie, Eiche, Rothbuche, Esche, Linde und Ahorn; am
widerstandsfähigsten erwiesen sich Pappel, Erle und Eberesche.
In den durch Schwefligsäuregas corrodirten und getödteten
Pflanzentheilen läßt sich keine schweflige Säure nachweisen,
wohl aber eine größere Menge von Schwefelsäure, als in den
gleichen und gleichzeitig gesammelten Pflanzentheilen aus
rauchfreien Gegenden.
Schröder (1873 207 87) fand, daß
die Blattorgane die schweflige Säure aus einer Luft aufnehmen,
welche auch nur 0,0002 Vol. derselben enthält. A. Smith meint dagegen, daß der schädliche
Einfluß durch die in den feuchten Niederschlägen enthaltene
Säure ausgeübt werde; bei trockener Luft wären die Wirkungen der
in der Luft enthaltenen Säure kaum bemerklich.
Um den Rauch für die Vegetation möglichst unschädlich zu machen,
genügt nach Steinhart eine Entfernung
von 70 bis 125m für Feldziegelöfen oder Oefen
älterer Construction, 35 bis 50m für geschlossene Oefen mit 18m
hohem Schornsteine. Fikentscher
theilt mit, daß nach den in der Nähe von Zwickau gemachten
Erfahrungen eine Entfernung von 630m selbst die empfindlichste
Vegetation gegen die Wirkung gewaltiger Rauchmassen schützt. Am
schädlichsten ist im Allgemeinen der Rauch der Kokesöfen,
Dampfkesselfeuerungen (vgl. 1827 25
158) 1845 98 181) u. dgl., da dieser die meiste schweflige Säure
enthält; die schädliche Wirkung eines Kokesofens ließ sich
250m weit nachweisen. Weniger bedenklich ist der Rauch
aus Ziegeleien, da die Magnesia und der Kalk des Lehmes die
schweflige Säure zum Theil zurückhalten; Schwefelkies haltiger
Thon wird jedoch mehr Säure liefern (1865 178 296). —
Auch Kerl bestätigt die schädliche
Wirkung des Rauches aus Feldziegeleien.
Der Rauch aus Kalköfen soll namentlich den rothen Trauben
schädlich sein (1843 90 415). Für gewöhnlich ist er
weniger bedenklich, da hier fast aller Schwefel von dem Kalke
gebunden wird. — Tardieu
fordert für Kalköfen 150m Entfernung von jeder Wohnung und
einen Schornstein, welcher höher ist als die Dächer der
Wohnhäuser, Pappenheim nicht mehr
Vorsicht als für jede andere Feuerstelle.
Hüttenrauch. Kupferhütten entwickeln
nach Bivian (*1823 12 257) namentlich schweflige Säure, Schwefelsäure, Arsen-
und Fluorverbindungen, deren Beseitigung er ausführlich
bespricht.
Bei der Darstellung von Blei, namentlich in Flammenöfen,
verflüchtigen sich 10 Proc. und mehr Bleioxyd, welches selbst in
12km,8 langen Flugstaubkammern nicht völlig
niedergeschlageu wird; besser wird die Condensation nach BennetWagner's Jahresbericht, 1865 S.
207. unter Mitwirkung von zerstäubtem Wasser
erreicht. (Vgl. 1875 218 223.)
In der Nähe der Zinkhütten haben Pelzner und Vohl (1863 169 204) in Blättern und Baumrinden über 0,5 Proc. Bleioxyd
und Zinkoxyd nachgewiesen.
Schwefeldioxyd, Arsen- und Zinkverbindungen können auch bei den
heutigen Condensationsvorrichtungen in die Atmosphäre
entweichen, Pflanzen und die damit gefütterten Thiere vergiften.
Die Halsberger und Muldener Hütten bei Freiberg hatten nach
einem Bericht von Freitag (1873 208 235) im J. 1864 über 55 000 M., nach Einführung besserer
Condensation im J. 1870 nur noch 4783 M. Entschädigung zu
zahlen.
Nach einer Berechnung Leplay'sWagner's
Jahresbericht, 1864 S. 155. wurden allein von den
Hütten in Süd-Wales der Atmosphäre jährlich 92 000t
Schwefeldioxyd zugeführt. Die zerstörende Wirkung desselben ist
so groß, daß die benachbarten Hügel von allem Pflanzenwuchs
entblöst sind.
Schwefeldioxyd, meist schweflige Säure
genannt, ist, wie erwähnt, im Steinkohlenrauch enthalten und
entwickelt sich in großen Mengen beim Rösten der Kiese und
Blenden. Bei der Herstellung von 100k Ultramarin werden etwa 40k
Schwefel als Schwefeldioxyd in die Atmosphäre geschickt; eine
Fabrik, welche jährlich 200 000k Ultramarin liefert, läßt also 160
000k schweflige Säure unbenutzt entweichen.
Eine belgische Commission (1857 145
377) berichtet, daß aus
zwei Schwefelsäurefabriken täglich 400cbm
Schwefeldioxyd entwichen. Obgleich bei geregeltem Betriebe
dieser Verlust nicht so groß ist, wird eine geringe
Verunreinigung der Atmosphäre wohl nie völlig zu vermeiden sein.
Schwefeldioxyd wird ferner entwickelt bei der Herstellung des
Glases, wenn Glaubersalz verwendet wird, in geringerer Menge
beim Bleichen von Wolle und Stroh, beim Schwefeln der Weinfässer
u. dgl. Diese in chemischen Fabriken und in Gewerben entwickelte
schweflige Säure ist aber verhältnißmäßig unbedeutend gegen die
Massen, welche die Haus- und Fabrikschornsteine in die
Atmosphäre schicken. Nach v. Dechen
wurden im J. 1872 im deutschen Reiche 674 Millionen Ctr. oder 33
700 000t Steinkohlen gewonnen, welche beim Verbrennen also
etwa 1 000 000t Schwefeldioxyd lieferten.
Während dieses Gas, wie bereits erwähnt, für die Pflanzen sehr
schädlich ist, berichtet HirtHirt: Gasinhalationskrankheiten, S.
75, daß das Einathmen von Luft, welche 1, 2, 3, ja
selbst 4 Proc. Schwefeldioxyd enthält, keinen merkbaren
Nachtheil für die Gesundheit habe. Unter Umständen wird diese
schweflige Säure durch Desinfection (1873 210 137) der Luft
sogar einen günstigen Einfluß auf die öffentliche
Gesundheitspflege haben.
Eine industrielle Verwerthung der schwefligen Säure des
Steinkohlenrauches wird kaum möglich sein. Das Schwefeldioxyd,
welches bei der Ultramarinfabrikation entweicht, will Gentele (1856 140 223) zur
Darstellung von Schwefelsäure verwenden. Da dieses Gas aber sehr
unregelmäßig entwickelt wird und durch die Verbrennungsgase
verdünnt ist, so hat es noch nicht gelingen wollen, die
Schwierigkeiten, welche sich der Verwerthung desselben entgegen
stellen, zu überwinden.
Besonders wichtig ist die Verwerthung der beim Rösten der
schwefelhaltigen Erze entwickelten schwefligen Säure zur
Schwefelsäurefabrikation, um so mehr als durch den
Bleikammerproceß auch die großen Massen Arsen condensirt werden
(1874 213 25).
Reich will die schweflige Säure des
Hüttenrauches mittels Schwefelbarium verwerthen, Gerland zur Phosphorbereitung, und in der
Alaunfabrik bei Lüttich wird dieselbe zum Ausschließen des
Alaunschiefers verwendet.Wagner's Jahresbericht, 1858 S. 92.
1869 S. 223. 1866 S. 108.
R. Wagner (1875 215 70) macht auf
die Wichigkeit der Condensation des Schwefeldioxydes bei der
Fabrikation des Glaubersalzglases aufmerksam.
Schwefelwasserstoff entwickelt sich
namentlich bei der Verarbeitung der Sodarückstände; über die
schädliche Wirkung dieses Gases liegen noch keine zuverlässigen
Erfahrungen vor. Schwefelwasserstoff ist ferner ein Bestandtheil
der Fäulnißgase durch deren Entwicklung Schlachtereien,
Gerbereien, Leim- und Seifensiedereien die Nachbarschaft
zuweilen arg belästigen. Fäulnißgase entwickeln sich aber auch
aus Abortsgruben (1875 217 255), unreinen Straßengossen,
aus dem hochgradig verunreinigten Boden der Städte in solchen
Mengen, daß die aus gut geleiteten chemischen Fabriken in die
Atmosphäre entweichenden Gase und Dämpfe dagegen kaum in
Betracht kommen können.
Die Condensation der Salzsäure soll in einem spätern Referat
besprochen werden.
F.