Titel: | Zur Geschichte der condensirten Milch; von E. A. Horsford. |
Autor: | E. A. Horsford |
Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 539 |
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Zur Geschichte der
condensirten Milch; von E. A. Horsford.
Horsford, zur Geschichte der condensirten
Milch.
Als ich im I. 1849 die Untersuchung über Conservirung der Milch
begann, war mir Nichts, was sich auf den Gegenstand bezog,
bekannt, mit Ausnahme des Versuches von Gay-Lussac, welchen Liebig in
seiner Vorlesung erwähnte, durch täglich wiederholtes Erhitzen
zum Sieden, die Milch mehr als 100 Tage lang, wenn ich mich
recht erinnere, süß zu erhalten. Denn damals waren mir wenige
von den wissenschaftlichen oder technischen Zeitschriften
Europas leicht zugänglich; die frühern Bände der Annales de Chimie et de Physique, von
Dingler's polytechnischem Journal, von dem pharmaceutischen
Centralblatt, von Buchner's Repertorium, sowie die Berichte des
franzöfischen und englischen Patentamtes standen mir nicht zur
Verfügung. Selbstverständlich war mir die Anwendung des Zuckers
und des Syrups zu dem Einmachen der Früchte bekannt, ebenso das
Verfahren von Appert, die Luft
abzuschließen und das Gefäß bei Siedehitze zu verlöthen. Ich
ging bei meinen Versuchen von dem Gedanken aus, daß, wenn ich
die Molecularbewegung der Bestandtheile der Milch zu verhüten im
Stande wäre, deren Zersetzung verhütet und sie süß erhalten
werden könnte. So einfach als dies erscheint, so verging doch
viel Zeit, ehe es mir gelang, in Form einer Paste, oder als ein
trocknes, nicht hygroskopisches Pulver oder als eine
zusammenhängende feste Masse ein Präparat darzustellen, welches
den an ein Handelsproduct gestellten Anforderungen wirklich
entsprach. Eines der ersten Ergebnisse meiner Untersuchung war
die Erkenntniß der Nothwendigkeit der Verdampfung bei niedriger
Temperatur, deren Grund leicht einzusehen ist. Wird nämlich das
Wasser bei einer so hohen Temperatur aus der Milch ausgetrieben,
daß Dampfblasen auf dem Boden des Abdampfgefäßes entstehen, so
bleibt das Caseïn an dem Boden haften und die beginnende
trockene Destillation verleiht der concentrirten Flüssigkeit
einen nachtheiligen, wenn auch unbedeutenden brenzlichen Geruch.
Bei Zusatz von Zucker und der allmälig fortschreitenden
Verdampfung des Wassers kann jeder gewünschte Grad von Zähigkeit
erreicht und das Product als ein Teig, oder als ein körniges
Pulver oder als eine zusammenhängende Masse erhalten werden.
Nach Feststellung der zwei hauptsächlichsten Erfordernisse, der
Verdampfung bei niedriger Temperatur, und der als Zusatz
erforderlichen Zuckermenge, überließ ich die Erfindung meinem
Assistenten Dalson, der bald darauf
seine Stelle aufgab und sich der Ausbildung des Verfahrens zu
einem fabrikmäßigen Betriebe zuwendete. Er construirte einen
Abdampfapparat, bei welchem ein Luftstrom die Oberfläche der
fortwährend umgerührten Flüssigkeit traf und ein Dampfmantel den
Inhalt erhitzte. Nach mehrjährigen Versuchen trat Dalson mit den HH. Blatchford und Harris zu
New-York in Verbindung, welche meines Wissens schon damals sich
mit der Milchcondensirung befaßten und eine größere Fabrik in
einem der Milchdistricte in der Nähe von New-York anlegten. Dalson hatte sich seinen Apparat im J.
1854 patentiren lassen und Blatchford
und Harris machten von ihm Gebrauch.
Sie zahlten die gebräuchliche Summe für das Unternehmen, eine
wissenschaftliche Erfindung für den praktischen Gebrauch und den
Fabrikbetrieb nutzbar zu machen; sie büßten zwar einen
bedeutenden Geldbetrag ein, erzeugten aber unter andern
bedeutende Mengen 300k feste condensirte Milch für Dr. Kane's
Nordpolexpedition. In sehr hervorragender Weise trug dieselbe
nach dem Zeugniß von Dr. Kane zu dem sehr erfreulichen Ergebniß
bei, daß die Gesundheit der Officiere und Mannschaften bei dem
kühnen Unternehmen zur Erreichung des Nordpols erhalten blieb.
Glücklicher Weise wurde von dieser Masse eine kleine Probe von
Blatchford aufbewahrt; sie zeigt sich
noch vollkommen gut erhalten, obgleich sie nur in ein loses
Papier eingewickelt ist, und liegt mir jetzt, 20 Jahre nach
ihrer Bereitung, vor.
Blatchford verbesserte den
Abdampfapparat, indem er dabei die Vacuumpfanne in Anwendung
brachte und Richter Blatchfort,
gegenwärtig Mitglied des United States
Supreme District Court, entwarf die vorläufige Beschreibung
behufs der Erwerbung eines Patentes, aber Mangel an Mittel
verhinderten die weitere Ausbeutung des Unternehmens.
In demselben Jahre (am 19. August 1856) erhielt Gail Borden ein Patent für die besondere
Anwendung der Vacuumpfanne zur Bereitung von condensirter Milch
ohne Zusatz von Zucker. Bald darauf
stellte Borden dieses Präparat dar
und zwar Jahre lang, sowie in großen Mengen in Form einer
verdickten halbflüssigen Masse. Dasselbe war für einen
verhältnißmäßig baldigen Gebrauch bestimmt, wurde nicht in
verlötheten Büchsen, sondern in offenen Kannen verschickt und
wie die gewöhnliche Milch an die Abnehmer vertheilt. Erst in
einer spätern Zeit lieferte Borden
unter Zusatz von Zucker bereitete condensirte Milch in
verlötheten Büchsen für Seereisen und als allgemeinen
Handelsartikel in sehr ansehnlichen Mengen.
Bei der Discussion der Jury, IV.
Gruppe der Wiener Ausstellung 1873 über die Verleihung des
Ehren-Diploms an die Anglo Swiss
Condensed Milk Company zu Cham im Canton Zug sind meine
Angaben, welche ich behufs der Begründung der Ansprüche Amerikas
auf die Ehre, das erste Land gewesen zu sein, welches
condensirte Milch als einen wichtigen Handelsartikel einführte,
vorbrachte, theilweise mißverstanden worden, namentlich in Bezug
auf Dalson und Borden. Der erstere war mein Assistent, der letztere
dagegen ist es nie gewesen, wie irrthümlich (in Thiel's Bericht) angegeben wird. Dalson übergab ich die Ergebnisse meiner
Versuche zur Darstellung von condensirter Milch mit Hilfe eines
Zusatzes von Zucker und der Verdampfung bei niedriger Temperatur
unter beständigem Umrühren und bei Luftzutritt. Derselbe erfand
einen Abdampfapparat zur fabrikmäßigen Bereitung des Präparats
für den Handel. Gail Borden dagegen
hat das Verdienst, den Vacuumapparat zuerst mit Erfolg
angewendet und in größerm Maßstabe condensirte Milch ohne
Zuckerzusatz behufs des leichtern Transportes und zum
unmittelbaren Gebrauch, aber ohne Verpackung in verlötheten
Büchsen dargestellt zu haben. Wie schon erwähnt, setzte er erst
später Zucker zu und verlieh dem Präparat durch Aufbewahren in
verlötheten Blechbüchsen eine fast unbegrenzte Haltbarkeit.
Mir selbst darf ich wohl das Verdienst zuschreiben, als
selbstständiger Forscher die Bedingungen und Mengenverhältnisse
der Substanzen festgestellt zu haben, unter welchen es durch
meinen Assistenten Dalson und den HH.
Blatchford und Harris glückte, die erste condensirte Milch mit Erfolg in
den Handel zu bringen. Mir ist nicht bekannt, daß zur Zeit
meiner Versuche irgend ein derartiges Product, welches sich
vollkommen haltbar erwiesen hatte, im Handel vorkam, oder einige
halbe Dutzend Jahre später ein solches, welches nicht auf meinen
Versuchen beruhte. Das Präparat von De
Lignac scheint wegen mancher Gründe keinen Erfolg gehabt zu
haben, obgleich es nach Einsicht der betreffenden Abhandlung
nicht leicht ist, sie anzugeben, etwa dies ausgenommen, daß die
Zeit zu seiner Einführung noch nicht reif war. Seitdem ich das
Interesse, mit welchem die Sache verfolgt wird, kennen lernte,
habe ich die mir jetzt zur Verfügung stehenden Zeitschriften
durchgesehen und finde, daß schon vor Aufnahme meiner
Versuche im Allgemeinen eine große Anzahl von Erfindungen und
Untersuchungen bezüglich der Condensirung und Haltbarmachung der
Milch vorlagen.
Ich will nun im Nachstehenden eine Uebersicht derselben geben und
beginne mit der Anglo Swiss Condensed
Milk Company zu Cham in der Schweiz (vgl. 1867 185 85) 1868 189 322). Nach den Angaben des
schweizerischen Katalogs der Wiener Ausstellung 1873 war
dieselbe das erste Etablissement zur Fabrikation von
condensirter Milch in Europa und wurde 1866 gegründet.
Gail Borden erhielt nach den Berichten
des Patentamtes der Vereinigten Staaten sein Patent am 19.
August 1856 für eine Verbesserung bei der Concentration der
Milch. Die Berichte sagen:
„Das Wesen dieser Erfindung besteht darin, daß die süße
Milch in einem luftleeren Gefäße C,
vor der Einwirkung der Atmosphäre geschützt, aufbewahrt wird und
ihre Concentration in einem Vacuumapparat B erfolgt, um die beginnende Zersetzung ihrer
Bestandtheile während des Verdampfens zu
verhüten.“…
„Mir ist sehr wohl bekannt, daß Zucker und verschiedene
Extracte in einer Vacuumpfanne bei niedriger Temperatur
concentrirt wurden oder jetzt noch werden, um ihre Färbung und
ihr Anbrennen zu vermeiden. Ebenso ist mir bekannt, daß die
Milch, um ihre Haltbarkeit zu erhöhen, schon seit langer Zeit
aufgekocht und dann in luftdicht verlötheten Gefäßen aufbewahrt
wird. Auf beide Verfahren erhebe ich keinen Anspruch. Auch weiß
ich, daß William Newton und Andere
Patente in Betreff der Concentrirung der Milch durch
verschiedene Abdampfverfahren und in Verbindung mit einen Zusatz
von Zucker, um sie löslich und haltbar zu machen, erhalten
haben. Auch dies beanspruche ich nicht als meine Entdeckung oder
Erfindung. Aber ich stelle das Gesuch auf die Bereitung von
concentrirter Milch durch Verdampfen im Vacuumapparat im
Wesentlichen, wie beschrieben, ohne Zusatz von Zucker oder
andern fremdartigen Stoffen.“
Das Patent wurde auch in England genommen unter dem Titel:
„Verbesserungen in der Concentration der Milch und der
Bereitung von starken Extracten aus Thee, Kaffee und
Chocolade.“ Das unmittelbar vorhergehende Patent
wurde von meinem Assistenten Dalson
genommen und lautet, wie folgt:
„Patentamt der Vereinigten Staaten, 1854 S. 458 Nr. 11
193. August F. Dalson. Apparat zum
Austrocknen von Nahrungsmitteln, patentirt am 27. Juni 1854.
Dieser Apparat besteht aus einer runden flachen Pfanne A A. Die zu verarbeitende Substanz
befindet sich in der kreisförmigen, mit einem Rand versehenen
Vertiefung, und ein Rührer t und
eine Walze r erzeugen beständig eine
neue Oberfläche auf der Flüssigkeit, so lange die Verdampfung
dauert. Gleichzeitig und später wird beständig ein Luftstrom
über die Oberfläche der Flüssigkeit angezogen oder gepreßt
zwischen der Pfanne A A und dem
Deckel C C hindurch nach der
Mittelröhre P. Das Erhitzen wird
entweder durch den Dampfmantel B B
oder durch Dampfröhren p oder in
einer andern Weise bewerkstelligt.
Anspruch der Neuheit: auf die Verbindung der flachen Pfanne A mit einem starken Luftstrom, unterhalb
des Deckels C ein- und durch die in
der Mitte befindliche Abzugsröhre P
austretend, im Verein mit dem Apparat zum beständigen Umrühren
mittels des sich drehenden Deckels C
und seines Zubehörs t, r, wesentlich
wie beschrieben.“
Mittels dieses patentirten Apparates wurde 1856 durch Blatchford und Harris condensirte Milch in festen Klumpen für die
Nordpolexpedition von Dr. Kane, wie bereits erwähnt,
dargestellt.
Das nächst vorhergehende Patent wurde in England an Felix Louis am 6. Mai 1848 verliehen. Derselbe
stellte feste Kuchen von condensirter Milch dar, er 1/40 Zucker
zusetzte und bei einer Temperatur von 80 bis 90°
verdampfte. (Vgl. * 1849 111 438.)
Am 13. November 1847 erhielt Thomas Shipp Grimwate für England ein Verfahren patentirt, welches
darin besteht, daß die Milch im Vacuum bei einer niedrigen
Temperatur von dem größten Theil des Wassers, nach Zusatz einer
kleinen Menge Salpeters, befreit und dann in Flaschen oder
andere Gefäße, welche vorher luftleer gemacht wurden, gefüllt
wird. Man bewahrt sie darin, vor Luftzutritt geschützt, auf und
verdünnt sie zum Gebrauch mit soviel reinem Wasser oder einer
andern geeigneten Flüssigkeit, als bei dem Verdampfen
abgeschieden wurde, so daß sie wieder als Nahrungsmittel
verwendbar ist.
Am 7. October desselben Jahres (1847) ließ sich I. M. De Lignac (*1848 108 363) 1874 211 151) sein Verfahren für Frankreich und am 10. März 1848
für England patentiren (1849 113 454). Dasselbe wurde von Payen (1850 115 71) warm
empfohlen, wobei er sich über mehrere ältere Vorschriften
ungünstig äußerte, so über die von Braconnot, bei welcher ein Theil der Milch verloren ging,
über das Verfahren von Villeneuve,
welches leicht die Abscheidung der Butter veranlaßte, über das
von Apper aus dem gleichen Grunde und
über dasjenige von Robinet, weil es
viel eher ein Laboratoriumsversuch als eine technisch brauchbare
Methode darstelle.
De Lignac verdickte die Milch auf 1/5
ihres Volums unter beständigem Umrühren in flachen Pfannen,
welche von einem Dampfmantel umgeben sind und die Milch in einer
2 bis 3cm hohen Schichte enthalten. Er setzte 1/16 ihres
Gewichtes Zucker zu und hielt die Temperatur auf 85,5 bis
90,5°. Das Präparat hielt sich in offenen Gefäßen 14 Tage
lang, und nach dieser Zeit wurde der innere Antheil nach
Entfernung des äußern noch gut und brauchbar gefunden.
In dem englischen Patent war die Concentration der Milch auf 1/6
ihres Volums vorbehalten, der entstandene Schaum wurde mittels
eines Spatels verrührt und die an die Wände gespritzten
Theilchen nicht in die zu concentrirende Flüssigkeit
gekratzt, welche bis zur Honigconsistenz verdampft wurde.
Nach dem 1843 patentirten Verfahren von Searle (1843 89 398) verdampft man die
abgerahmte Milch auf einem Wasserbad, setzt 1/40 ihres Gewichtes
Zucker zu, um die Löslichkeit zu erhalten, und stellt ein
vollkommen trocknes Product dar.
Im März 1835 las Grimaud (1835 56 474) vor der Akademie der Wissenschaften zu Paris eine
Abhandlung über das Lacteïn. Er ließ die Milch in einer dünnen
Schichte über eine stark geneigte Platte fließen und trocknete
sie durch einen darüber geführten Luftstrom bis auf 1/10 ihres
Volums ein.
In einer Anmerkung des Herausgebers von Dingler's polytechnischem
Journal (1836 61 225) findet sich die
Andeutung, daß Grimaud der fremde
Erfinder ist, in dessen Interesse William Newton (1836 61 223) das nachstehende Patent
sich auf seinen eigenen Namen ertheilen ließ.
„Bescheinigt am 11. März 1835 das Gesuch von einem
Ausländer, eingereicht durch William Newton: Ich setze der Milch eine kleine Menge gepulverten
Hutzucker und zwar 1/15 bis 1/100 ihres Gewichtes zu. Je nachdem
das fertige Präparat einen höhern Grad von Süßigkeit erhalten
soll, kann auch diese Menge größer sein. Nach der vollständigen
Lösung des Zuckers verdampfe ich die Milch ziemlich rasch
— entweder in der Weise, daß mittels eines geeigneten
Apparates, wie er z. B. jetzt für die Verdampfung der Syrupe
gebräuchlich ist, ein Strom kalter oder warmer Luft durch die
Milch getrieben wird, oder durch Erhitzung von außen in
Verbindung mit einem luftleeren Raum über der Oberfläche, der in
irgend einer jetzt bei dem Abdampfen gebräuchlichen Weise
erzeugt wird.“...
In dieser Beschreibung haben wir, soweit ich mich zu vergewissern
im Stande war, den zum ersten Mal verzeichneten Gebrauch der
Vacuumpfanne bei der Darstellung von Milchextract.Vgl. Prandtl 1864 174 * 149. 1868
189 336. Der Auftraggeber von W. Newton benützte sie oder beabsichtigte
sie in einer so vollständig wissenschaftlich begründeten Weise
zu benützen, daß man jetzt zu glauben geneigt ist, es wäre nur
ein wenig praktische Erfahrung nothwendig gewesen, um ihre
Anwendung mit vollem Erfolg auszuführen. Doch es scheint die
Sache wieder in Vergessenheit gerathen zu sein, ohne daß sie zu
einer Prüfung in der Praxis gelangte.
Dr. Kirchoff (1831 40 73) 41 63) verdampfte die Milch zur Trockne und zerrieb sie
dann zu einem Pulver. Mit Wasser angerührt, lieferte das
Präparat eine der Milch zwar sehr ähnliche, aber nicht ganz
gleiche Flüssigkeit (vgl. 1873 209
400).
Gay-Lussac (1831 41 62)
veröffentlichte 1830 seine Beobachtung, daß die Milch
durch tägliches Erhitzen zum Sieden Monate lang unverändert
erhalten werden kann.
Braconnot (1830 38 144) 1831 41 134) erhitzte 2l,5 Milch auf 45° und
versetzte sie unter wiederholtem Umrühren von Zeit zu Zeit mit
verdünnter Salzsäure, bis sich das Caseïn und die Butter von dem
Serum (den Molken) vollständig abgeschieden hatten und das
letztere auf Lackmuspapier schwach sauer reagirte. Zu dem
abgeschiedenen Gerinsel setzte er in mehreren Antheilen 5g
gepulvertes und krystallisirtes Natriumcarbonat und löste es
rasch durch gelindes Erwärmen.
Streng genommen ist das Verfahren von Braconnot keine Milchcondensirung, sondern nur eine
Methode der Benützuug ihres Caseïns und ihrer Butter zur
Bereitung eines Ersatzmittels derselben, welches durch Zusatz
von Zucker concentrirt und dann unverändert für den Gebrauch zu
Kaffee oder zu anderweitiger Verwendung aufbewahrt werden
kann.
Im J. 1826 ließ sich Adolph Anaclet Malbec in Paris eine Erfindung von versendbarer Milch
patentiren, über welche die Berichte des französischen
Patentamtes Folgendes enthalten:
„Der Erfinder concentrirt die mit 1/16 ihres Gewichtes
von reinem Zucker versetzte Milch in einem silbernen Gefäße auf
einem Wasserbade unter beständigem Umrühren mit einem
Holzspatel, bis eine Probe auf einer kalten Fläche sich hart und
spröde zeigt. Man läßt dann die Masse abkühlen, wickelt sie in
Bleifolie ein, oder versieht sie mit einem andern Umschlag zum
Aufbewahren. Sie hält sich Jahre lang, ohne zu verderben; bei
dem Gebrauch löst man sie in heißem Wasser durch Erwärmen über
freiem Feuer, in dem Verhältniß von 3 Unzen oder 6 Löffel voll
in 13 Unzen Wasser.“ (Vgl. 1870 198 168. 1873 210 61.)
Von 1826 bis rückwärts 1791 enthalten die französischen
Patentberichte kein Verfahren zur Darstellung von condensirter
Milch. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß das Verfahren von
Malbec vom Jahre 1826 das erste ist,
welches die Milch durch Verdampfen unter Zusatz von Zucker
haltbar zu machen sucht. Dasselbe war augenscheinlich nur ein
Laboratoriumsexperiment, und es wurde nicht versucht, es in dem
größern Maßstabe des gewerbmäßigen Betriebs auszuführen.
Bei der Zusammenstellung der hierher gehörigen Arbeiten geziemt
es sich zu erwähnen, daß der landwirtschaftliche Verein zu
Carlsruhe (1851 119 457) mehrere Jahre ein von
Bremen stammendes Verfahren prüfte und empfahl, dessen
Vorschrift also lautet:
Man löst ¼ bis ⅛ Pfd. Zucker in je 1 Pfd. Milch auf
und verdampft dieselbe auf die Hälfte ihres Volums. Die
eingedickte Masse füllt man in Flaschen, verkorkt, befestigt die
Stopfen mit Draht und erhitzt dann die Flaschen 2 Stunden lang
in einem Kessel mit siedendem Wasser. Bei dem Gebrauch verdünnt
man das Präparat mit dem gleichen Volum Wasser. (Vgl. 1835 57 77.)
Auch muß man das Verfahren von Bethel
(1850 117 79) erwähnen. Derselbe
sättigt die Milch mit Kohlensäure und bewahrt sie dann in gut
verkorkten Flaschen auf. Fadeuilhe
(1853 130 250) schlägt vor, die Milch
durch Erhitzen mit Dampf unter fortwährendem Rühren bei
sorgfältig regulirter Temperatur von 71 bis 77°
einzudampfen nach dem Zusatze von geringen Mengen Zucker und
arabischem Gummi. Mabru (1854 133 449) 1855 135 317. *138 142) will die Milch mittels eines Trichters, dessen
Röhre bis auf den Boden des Gefäßes reicht, in Flaschen füllen,
um die Luft vollständig auszutreiben, dann mit einer Schichte
Oel bedecken und erhitzen (vgl. *1853 130 428).
Ueberblickt man diese verschiedenen Angaben, so muß man
vermuthen, daß der unbekannte Erfinder, dessen Verfahren sich
1835 Newton für England patentiren
ließ, Erfolg gehabt hätte, wenn er die nöthigen Geldmittel,
Geschäftsgewandheit und namentlich die Geduld besessen hätte,
sein Product dem Publicum so lange vorzuführen, bis es den Werth
und die Brauchbarkeit der concentrirten Milch vollkommen erkannt
hätte. In einem gewissen Sinne war die Erfindung eine
verfrühte.
Es scheint, daß fast Alle, welche die Milch durch Concentration
haltbar zu machen suchten, den Zusatz von Zucker und die
Verdampfung bei niedriger Temperatur unter Umrühren als
wesentlich erkannt haben, um sowohl das Gerinnen des Caseïns an
der Oberfläche, als auch die Abscheidung der Butter in Folge
ihres geringern Volumgewichtes zu verhüten. Da aber die
Zeitschriften, in welchen diese Verfahren veröffentlicht wurden,
theilweise nur einen beschränkten Leserkreis besaßen und
dasselbe Verfahren in Folge dessen wiederholt versucht wurde, so
erscheint jeder Erfinder in Bezug auf seine Vorgänger unabhängig
und selbstständig.
Es war vielleicht ein besonders günstiger Umstand für mich, daß
ich im Vergleich zu den mir in der Lösung der Aufgabe voran
gegangenen Forschern der Zeit näher stand, in welcher die
Erfindung durch die Bedürfnisse eines ausgedehnten Seehandels
und die Nothwendigkeit von längern Expeditionen hervorgerufen
wurde. Es war mir beschieden, das Werkzeug bei Feststellung der
Bedingungen des Erfolges zu sein, sie durch ein erfolgreiches
gewerbliches Unternehmen nachgewiesen zu haben, und schließlich
eine noch erhaltene Probe der nach meinem Verfahren bereiteten
condensirten Milch zu besitzen, welche 20 Jahre lang, nur durch
einen einfachen Papierumschlag vor der Luft geschützt,
aufbewahrt wurde.