Titel: Untersuchungen über das Geschützpulver und die seine Explosion begleitenden Erscheinungen; von Noble und Abel.
Autor: Noble , Frederick Augustus Abel
Fundstelle: Band 221, Jahrgang 1876, S. 43
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Untersuchungen über das Geschützpulver und die seine Explosion begleitenden Erscheinungen; von Noble und Abel. Noble und Abel, über das Geschützpulver. Vorliegender von General Morin und von Berthelot abgegebener Bericht (Comptes rendus, 1876 t. 82 p. 487) enthält eine Darlegung der wichtigen, das Geschützpulver betreffenden Untersuchungen beider Experimentatoren und deren Resultate. Es handelte sich darum: 1) Die Beschaffenheit der Verbrennungsproducte des Pulvers zu bestimmen, wenn dieses unter Umständen verbrannt wird, welche denjenigen ähnlich sind, wie sie sich in den Geschützen und Minen darstellen. 2) Die Spannung der Verbrennungsproducte im Augenblicke der Explosion und die Gesetze zu bestimmen, nach welcher die Spannung mit dem specifischen Gewicht des Pulvers sich ändert. 3) Zu bestimmen, ob und innerhalb welcher Grenzen Unterschiede in der Beschaffenheit und den Verhältnissen der Producte existiren, als Folge der verschiedenen Dichtigkeit und Größe der Pulverkörner. 4) Festzustellen, ob und innerhalb welcher Grenzen Modificationen in Folge der Druckdifferenzen auftreten, unter welchen das Pulver verbrannt wird. 5) Das Volum der durch die Explosion entwickelten permanenten Gase zu bestimmen. 6) Die Explosionseffecte des Pulvers in geschlossenen Gefäßen mit denjenigen des nämlichen, in der Seele der Kanonen verbrannten Pulvers zu vergleichen. 7) Die Quantität der durch die Verbrennung des Pulvers entwickelten Wärme zu bestimmen und daraus die im Explosionsmomente stattfindende Temperatur abzuleiten. 8) Die Größe der mechanischen Arbeit zu bestimmen, welche das Pulver bei seiner Einwirkung auf ein in der Seele einer Kanone befindliches Projectil zu entwickeln vermag, also auch die theoretische Totalarbeit, welche es hervorbringen würde, wenn die Kanone eine unbegrenzte Länge hätte. Explosion. Man ließ das verschiedenartigste Pulver in dem unveränderlichen Hohlraume sehr dicker stählerner Cylinder detoniren, von denen einer bis zu 1k Pulver faßte; das Gewicht des letztern variirte in der Art, daß es 1/10 bis 9/10 des Rauminhaltes einnahm. Druck. Der während der Explosion entwickelte Druck wurde durch die Compression eines kupfernen Cylinders gemessen – eine Methode, welche auch bei der Untersuchung der allmäligen Spannungen des in einer Kanone verbrannten Pulvers angewendet wurde (vgl. Noble *1871 202 338. Morin 1872 204 199). Die Temperatur der Explosion wurde nach der theilweisen Schmelzung feiner Platindrähte oder Platinbleche abgeschätzt (vgl. 1875 215 342). Freie Wärme. Um diese zu messen, brachte man nach der Explosion den Cylinder (welcher z.B. 72k,7 wog und 246g Pulver einschloß) in ein Calorimeter, unter Hinzufügung von etwa 9k,9 Wasser. Da in dem citirten Beispiele das Maximum der Temperatur nach Verlauf von 20 Minuten eintrat, so verfolgte man noch während einer halben Stunde den Gang des Thermometers. Dieses Verfahren, über welches die Experimentatoren selbst mit einiger Reserve sich äußern, läßt viel zu wünschen übrig. Da die Explosion außerhalb des Calorimeters vor sich geht, so muß ein Theil der Wärme schon in dem Augenblicke des Zugusses von Wasser verloren gehen. Außerdem ist die Masse des Wassers (9k,9) im Verhältniß zu der des Stahlcylinders (72k,7) viel zu klein und die Wanddicke des letztern zu groß, um die Wärme als gleichmäßig vertheilt annehmen zu können, selbst nach einer 1 Stunde langen Berührung. Diese Dauer eines calorimetrischen Versuches ist überdies zu lang und folglich die Correction des Erkaltens zu beträchtlich und zu unsicher – um so mehr, als die Experimentatoren nicht vor dem Versuche die bei ihrem System stattfindende Abkühlungsgeschwindigkeit studirt hatten. Gas. Nach der Explosion wurde der Cylinder in einem Gasometer gebracht und geöffnet. Feste Producte. Die gebildeten festen Producte stellten sich als eine harte und compacte Masse dar, grünlich schwarz, wenig homogen, sehr zerfließbar, nach Schwefelwasserstoff und zuweilen nach Ammoniak riechend. Diese Masse erhitzte sich, während man sie zerkleinerte, bei Berührung mit der Luft, in Folge rascher Absorption des Sauerstoffes, öfters sehr schnell. Die für die Analyse bestimmten Producte wurden in einer Atmosphäre von Stickstoff pulverisirt. Die Resultate waren folgende. Hauptproducte der Explosion. 1g Pulver, im geschlossenen Gefäß verbrannt, lieferte im Mittel 0g,43 Gas, welches bei 0° und 760mm Barometerstand einen Raum von 280cc einnahm, und 0g,57 an festen Bestandtheilen. Letztere waren unmittelbar nach der Explosion sehr zerfließlich; sie nahmen dabei ein Volum von 0,60 bis 0cc,65 ein, welches bei gewöhnlicher Temperatur sich beinahe auf die Hälfte reducirte. Die Experimentatoren messen diesen festen oder flüssigen Producten eine wichtige Rolle während der Expansion in den Schießwaffen bei. Druck. In einem mit Pulver vollständig ausgefüllten Raume würde die Spannung 6400at betragen. In einem Raume von solcher Beschaffenheit, daß die Dichtigkeit der gasartigen Producte δ ist, wird sie durch die Formel Pat = 6400 × δ/(1 – 0,6δ) ausgedrückt, welche die Versuchszahlen genügend darstellt. Temperatur. Eine mathematische Berechnung, welche sich auf die Erfahrungsresultate bezüglich der Spannung der Gase und ihres auf 0° reducirten Volums gründet, führte die Experimentatoren auf die Ziffer 2231° – ein Resultat, welches mit dem durch die partielle Schmelzung des Platins (2200°) angezeigten übereinstimmt. Die entwickelte Wärme wurde zu 702c für 1g des in einem geschlossenen Gefäß verbrannten Pulvers F. G und R. L. G gefunden – ein Betrag, welchen die Expansion der Gase auf 695° reduciren würde. Allein diese Ziffern scheinen aus den oben angeführten Gründen zu gering. De Tromeneux hat die Werthe 729 bis 890c erhalten, Roux und Sarrau je nach den Pulversorten Werthe von 729 bis 810c. Analysen. Die Experimentatoren geben eine Analyse der Producte, welche sie bei 25 Versuchen erhielten, die mit 4 unter verschiedenen Drucken verbrannten Pulversorten angestellt wurden, – eine außerordentliche Arbeit, für die man ihnen, ungeachtet einiger Reserve bezüglich des unterschwefligsauren Kalis, nicht dankbar genug sein kann. 100 Gew. Th. enthielten: Kohlensaures Kali 24 38 im Mittel 31,5 Schwefelsaures Kali   2,7 14   9 Unterschwefligsaures Kali   2 20   9 Schwefelkalium   0 10,5   4 Schwefelcyankalium   0   0,3   0,1 Salpetersaures Kali   0   0,3   0,1 Kohlensaures Ammoniak   0   1,9   0,1 Schwefel   0,05   5,3   3 Kohlensäure 25 27,5 26,5 Kohlenoxyd   2,6   5,7   4 Schwefelwasserstoff   0,6   1,8   1 Wasserstoff   0,03   0,1   0,06 Grubengas   0   0,16   0,06 Stickstoff 10,7 12 11 Sauerstoff   0   0,22 Messung der Spannung, welche durch die Gase des in einem geschlossenen Gefäße verbrannten Pulvers entwickelt wird. Dadurch, daß die in den Recipienten eingeführten Pulverladungen geändert wurden, und zwar von derjenigen an, welche den Recipienten vollständig anfüllte, bis zu der, welche nur 0,05 seines Rauminhaltes einnahm, konnte man auf experimentellem Wege die Beziehung zwischen den Gasspannungen und der Dichtigkeit der Ladung oder der mittlern Dichtigkeit der Explosionsproducte studiren. Da die Experimentatoren auch mit Hilfe des Noble'schen Chronographen (*1871 202 338) die Verbrennungsdauer ermittelt hatten, so glaubten sie aus ihren Versuchen schließen zu können, daß diese je nach der Lebhaftigkeit des Pulvers veränderliche Dauer keinen merkbaren Einfluß auf die Spannung habe. Beziehung zwischen dem Druck der Gase und ihrer Dichtigkeit im geschlossenen Gefäß. Dieser Beziehung wurde bereits oben erwähnt. Die Experimentatoren haben gezeigt, daß die Formel, auf welche sie gelangt sind, mit genügender Genauigkeit die Versuchsresultate darstellt, nicht allein, wenn die Explosion in geschlossenen Gefäßen vor sich geht, sondern auch bei Geschützen. Druck der Gase in der Seele von Kanonen. Aus dem Vorhergehenden erhellt, daß behufs des Studiums dieses so wichtigen Theiles der Frage, zweierlei Mittel angewendet wurden; das eine ist der Compressionsapparat, welcher den Werth der Drucke lieferte, das andere der Chronograph von Noble, welches dazu diente, das Bewegungsgesetz der Projectile zu bestimmen. Bei der Messung des Druckes durch den erstern zeigen sich, wenn man lebhafte Pulversorten verbrennt, Abweichungen, wogegen beide Methoden ungefähr auf die gleichen Resultate führen, wenn man sich langsam verpuffender Pulversorten bedient. Die Discussion zweier vollständiger Versuchsreihen, welche mit einem langsam und einem rascher abbrennenden Pulver in einer Kanone von 254mm Kaliber ausgeführt wurde, hat die Experimentatoren auf den merkwürdigen Schluß geführt, daß das Geschoß die Anfangsstrecke von 305mm mit dem lebhaften Pulver in 0,0025 Secunden durchlief, während es mit dem langsamen 0,0051 Secunden brauchte. Indem sie sich auf die Untersuchung des Vorganges während der ersten Momente der Ortsveränderung des Projectils beschränkten, sind sie auf Exponentialfunctionen zwischen der Zeit und dem durchlaufenen Raum gelangt, welche so genau wie möglich die Versuchsresultate darstellen. Leider enthalten diese nur auf umständlichem Wege zu berechnenden Formeln Coefficienten, welche sich mit dem Kaliber und der Pulvergattung ändern; ihre Anwendung ist mühsam und ihr Nutzen erscheint im Vergleich mit den directen Versuchsresultaten von untergeordneter Bedeutung. Die durch das Pulver entwickelte mechanische Arbeit. Die Quadratur der experimentellen Curven, deren Abscissen die Gasvolumen und deren Ordinaten die entsprechenden Drucke darstellen, gestattete, die Quantität der durch die Gase in einem Geschütz entwickelten Arbeit zu bestimmen. Mit Hilfe dieser auf directe Beobachtung gegründeten Schätzungsmethode sind die Experimentatoren, gestützt auf die zwischen Pressungen und Rauminhalt der Gase von ihnen aufgestellten Relationen, auf einen theoretischen Ausdruck für eines und dasselbe Arbeitsquantum gelangt. Die aus dieser Formel abgeleiteten Resultate, in Anwendung auf eine Ladung von 1k sind in einer Tabelle verzeichnet, mit deren Hilfe es leicht ist, für Pulversorten, deren Dichtigkeit an die Einheit grenzt und für ein gegebenes Geschütz, die Quantität der durch eine beliebige Ladung entwickelten theoretischen Arbeit zu berechnen. Mit diesen Arbeitsquantitäten haben nun Noble und Abel diejenigen verglichen, welche den mit den verschiedenen Kalibern erzielten Geschwindigkeiten entsprechen und durch das Verhältniß dieser Quantitäten jene Größe bestimmt, welche man den Leistungscoefficienten von Geschützen verschiedenen Kalibers und verschiedener Pulvergattung, wie solche in der englischen Artillerie gebräuchlich sind, nennen kann. Indem sie endlich bei Anwendung jener Formel annahmen, daß die Pulvergase sich in der Seele eines hinreichend langen Geschützes unbegrenzt ausdehnen könnten, haben sie für das absolute Maximum der theoretischen Arbeit, welches 1k Pulver zu entwickeln vermag, den Werth von 332128mk gefunden (vgl. 1875 215 123) 1876 219 201). P.