Titel: Seetiefenmesser und Anziehungsmesser von C. W. Siemens in London.
Fundstelle: Band 221, Jahrgang 1876, S. 49
Download: XML
Seetiefenmesser und Anziehungsmesser von C. W. Siemens in London. Mit Abbildungen im Text und auf Taf. II [d/1]. Siemens' Seetiefenmesser und Anziehungsmesser. Die Gesammtanziehung der Erde an ihrer normalen Oberfläche setzt sich aus den einzelnen Anziehungen aller ihrer Theile zusammen, die Anziehung jedes einzelnen Raumtheiles von gleicher Größe steht im geraden Verhältniß seiner Dichte und im umgekehrten des Quadrates seiner Entfernung vom Orte der Messung. Da die Dichte des Seewassers etwa 1,026, jene der festen Bestandtheile der Erdrinde etwa 2,763 (die mittlere Dichte des Kalksteines, Granites, Basaltes, Schiefers und Sandsteines) ist, so muß die Seewassertiefe auf Messungen der Erdanziehung an der Meeresoberfläche einen merklichen Einfluß ausüben. Mathematisch läßt sich dieser Einfluß herleiten aus der Anziehung dA₁ einer im Abstande h vom Orte der Messung liegenden dünnen Schicht Masse in einer Normalebene zum Erdhalbmesser, unter der Voraussetzung die Erde sei eine Kugel, unbeeinflußt durch die Centrifugalkraft und von gleicher Dichte. Man erhält nämlichFig. 1., Bd. 221, S. 49Es bietet sich dazu folgender Weg: Ein ringförmiger Streifen von der Breite dx im Abstande NP = x Fig. I von der Verticalen QC auf Schicht FF von der Dicke dh und in der Tiefe QN = h unter dem Orte Q der Messung hat bei der Dichte 1 die Masse dM = 2 πxdxdh = (2 πh² tan α dα dh)/cos²α da nun der Streifen um PQ = e = h/cos α von Q entfernt ist, so liefert seine Anziehung auf die Masse 1 im Punkte Q als in die Verticale QC fallende Componente dA₁ = dM cos α/e² = 2 π sin α dα dh. Die Anziehungscomponente der ganzen Schicht FF ist hiernachTextabbildung Bd. 221, S. 49weil ja cos α₁ = h/e₁ = e₁/2R ist, wenn FQN = α₁, e₁ = QF und R = CF = CQ. Die auf QC normalen Componenten der Anziehung heben sich unter der Voraussetzung unveränderlicher Dichte gegenseitig auf, und deshalb ergibt sich für die Gesammtanziehung des Kugelabschnittes FQF von der Höhe h der WerthTextabbildung Bd. 221, S. 49Man hätte sich demnach die Masse M = πh² [Rh/3] des Abschnittes in der EntfernungTextabbildung Bd. 221, S. 49vereinigt zu denken, worin w für √(h/2R) geschrieben wurde. Für kleine h ergibt sich hieraus a = 1/2 √(2Rh) = 1/2 e₁, und auch dies würde für die ganze Kugel wieder a = R liefern, da ja für dieselbe e₁ = 2R ist.D. Ref. aus dA₁ = 2π dh sin α dα durch Integration zwischen h und 0 und α und 0 Textabbildung Bd. 221, S. 50 wird aber für kleine h der Factor √(h/2R) vernachlässigt, so ergibt sich A₁ = 2 πh als Gesammtanziehung bis zur Tiefe h. Die Gesammtanziehung der ganzen Erde hat die Größe A = 4/3 πR; daher ist Textabbildung Bd. 221, S. 50 Wenn demnach das Seewasser gewichtslos wäre, so würde sich die Gesammtanziehung der Erde, gemessen an der Meeresoberfläche, in dem Verhältnisse der Tiefe h zu 2/3 R vermindern; wenn man dagegen das Gewicht des Seewassers in RechnungBedeuten ϑ' und γ' die Dichte und das specifische Gewicht der Erde, ϑ'' und γ'' dasselbe für das Seewasser, so würde ein Abschnitt von der Höhe h auf dem Meere auf die Masse 1 die Anziehung A'' = 2πhϑ'', auf dem Festlande die Anziehung A'' = 2πhϑ' = Aϑ' äußern; beim Uebergange vom Lande auf das Meer vermindert sich also die Anziehung des Abschnittes um ΔA₁ = A'A'' = A₁ (1 – ϑ''/ϑ') = A' (1 – γ''/γ'), und die Gesammtanziehung der Erde ist dann nicht mehr Aϑ', sondern nur nochTextabbildung Bd. 221, S. 50Wäre nun γ'' = 0, so bliebe blosTextabbildung Bd. 221, S. 50übrig; bei γ' = 2,763 und γ'' = 1,026 aber wirdTextabbildung Bd. 221, S. 50D. Ref. setzt, so findet man eine Verminderung der Schwere im Meeresniveau nach dem Verhältnisse der Tiefe h zu 614/579R, oder nahezu h zu R. Dieses Verhältniß würde streng richtig sein, wenn das Erdinnere dieselbe Dichte besäße, wie die Gebirge an der Erdoberfläche; es muß daher der gefundene Coefficient noch im Verhältniß der Dichte der Gebirge an der Oberfläche zur mittlern Dichte der Erde, oder etwa im Verhältnisse 2,75 : 5,4 vermindert werden. Doch dürfte es sicherer sein, sich beim Entwerfen der Scale nicht gänzlich auf diese mathematischen Entwicklungen zu verlassen, dieselbe vielmehr auf Vergleiche mit dem Tieflothe zu stützen. Dr. C. William Siemens in London versuchte (nach den Proceedings of the Royal Society, 1876 Nr. 167) bereits 1859 ein Instrument herzustellen, auf dessen Scale die geringen Aenderungen der Gesammtanziehung, welche die Aenderungen der Wassertiefe unter dem Schiffe im Gefolge haben, abgelesen werden könnten. Die Schwierigkeiten, auf welche er dabei stieß, vermochte er bei Anwendung des nachfolgend beschriebenen Bathometers zu überwinden. Das in Figur 29 und 30 abgebildete Bathometer enthält in einem Stahlrohre, mit schalenförmigen Erweiterungen an beiden Enden, eine verticale Quecksilbersäule. Die untere Schale ist durch ein gewelltes dünnes Stahlblech verschlossen, welches in seiner Mitte auf einem in einem horizontalen Kreuze sitzenden Zapfen ruht und mittels desselben von zweiOder vier. sorgfältig angelassenen stählernen Spiralfedern von der nämlichen Länge wie die Quecksilbersäule getragen wird. Eine Folge dieser Anordnung ist, daß das Instrument dem Einflusse der Temperaturänderungen entzogen ist, indem die Verminderung der Elasticität der Federn bei Temperaturerhöhung durch eine gleichzeitige Abnahme des Druckes der Quecksilbersäule ausgeglichen wird, wenn die Querschnitte des Rohres und der Schalen dem entsprechend gewählt werden. Das Instrument wird ein wenig über seinem Schwerpunkte mittels eines Universalgelenkes aufgehängt, damit es bei den Schwankungen des Schiffes seine verticale Lage beibehält. Die Verticalschwingungen des Quecksilbers sind dadurch fast gänzlich beseitigt, daß die Quecksilbersäule mit der obern, offenen Schale nur durch eine sehr feine Oeffnung in Verbindung steht. Die Ablesung vermittelt ein elektrischer Strom, welcher zwischen dem Ende einer Mikrometerschraube und dem Mittelpunkte des gewellten Stahlbleches geschlossen wird. Die Ganghöhe der Schraube und die Entfernung der Theilstriche am Rande derselben sind so gewählt, daß jeder Theil der Aenderung der Schwere entspricht, welche auf einen Faden Tiefe entfällt. Aenderungen im Luftdrucke haben keinen Einfluß auf die Ablesungen am Instrumente. Dagegen ist eine Correction wegen der Dichte der Luft anzubringen, weil sich mit dieser das specifische Gewicht der Quecksilbersäule ändert. Es ließe sich jedoch diese Correction umgehen, wenn man die atmosphärische Luft sowohl von der obern, wie von der untern Quecksilberfläche abschließt und die Enden der Säule verbindet. Die einzige nothwendige Correctur ist die für die geographische Breite, welche aber auf der See minder veränderlich ist als auf dem Lande, weil keine sich über die Oberfläche erhebenden Massen vorhanden sind, weil die unregelmäßigen festen Bestandtheile der Erde sich in verhältnißmäßig größerer Entfernung befinden, und weil das Seewasser eine sehr gleichmäßige Dichte besitzt. Das Bathometer wurde bei einer zweimaligen Fahrt über den Atlantischen Ocean am Bord des Dampfers Faraday benützt, während dieser ein Telegraphenkabel legte. Die Ablesungen am Bathometer wurden verglichen mit wirklichen Lothungen, welche mittels Sir William Thomson's Stahldraht-Loth ausgeführt wurden. Die Angaben stimmten stets so gut zusammen, als man erwarten durfte, wenn man berücksichtigt, daß das Loth die Tiefe unmittelbar unter dem Schiffe angibt, während das Bathometer die mittlere Tiefe auf einer Fläche anzeigt, deren Größe von der Tiefe selbst abhängt. Bei ebenem Grunde darf man eine übereinstimmende Angabe beider Instrumente erwarten. Das Bathometer dürfte für den Seemann von großem Werthe sein, insofern es ihn vor Aenderungen in der Wassertiefe warnen kann, lange bevor er auf dem gefährlichen Grunde ankommt. In einem Falle wurde die Lage des Endes eines Unterseekabels in tiefem Wasser einfach nach der bekannten Tiefe aufgefunden, in der man es verloren hatte. Die Position eines Schiffes könnte, wenn keine astronomischen Beobachtungen gemacht werden können, mittels des Bathometers bestimmt werden, wenn nur die Linien gleicher Tiefe des Meeres genau festgestellt wären. Das Bathometer läßt sich auch zum Messen von Höhen über dem Meeresspiegel benützen; für Höhen ändert sich die Gesammtanziehung der Erde im Verhältniß h : 1/2R und demnach dürfen die Fadenablesungen auf See bei Höhenmessungen als Yardablesungen genommen werden; doch müssen dabei Correctionen wegen der Breite und wegen örtlicher Anziehung des erhobenen Landstriches angebracht werden, welche sich mit dessen Ausdehnung ändert und die Angaben des Bathometers bei Höhenmessungen minder zuverlässig macht, als bei Seetiefenmessungen. Bei Gelegenheit seiner Mittheilungen über das Bathometer (welches sich wegen der Bequemlichkeit und Schnelligkeit seiner Ablesungen im Vergleich mit den beschwerlichen Lothungen sehr zu fortlaufenden Seetiefenmessungen, z.B. für die Legung von Unterseekabeln eignen dürfte) zeigte, Dr. C. W. Siemens auch ein Instrument zum Messen von Horizontalanziehungen vor. Dasselbe besteht aus einem horizontalen, 400mm langen, schmiedeisernen Rohre, das an jedem Ende ein horizontales gußeisernes Querrohr von 60mm Durchmesser und 300mm Länge trägt. Das Hauptrohr ist an seinen Enden theilweise geschlossen und mündet in die Querrohre unter deren horizontalem Mittelschnitt. Die Querrohre stehen auch mittels eines horizontalen Glasrohres von 2mm Durchmesser mit einander in Verbindung, und zwar etwas über der eben genannten Stelle. Der ganze Apparat ruht auf drei Stellschrauben und ist bis zur Mitte der Querrohre herauf mit Quecksilber gefüllt, welches auch das ganze Hauptrohr erfüllt; die obere Hälfte der gußeisernen Querrohre und das gläserne Verbindungsrohr sind mit Alkohol angefüllt, der mit Cochenille gefärbt ist, doch bleibt eine kleine Luftblase übrig, welche man mittels der Stellschrauben in die Mitte des Glasrohres bringen kann. Wenn nun ein schwerer Körper dem einen Ende des Hauptrohres genähert wird, so zieht er das Quecksilber nach diesem Ende und der Spiegel desselben steigt in dem näher liegenden Querrohre auf Kosten des entferntern; diese Verschiebung der Spiegel in den beiden Rohren veranlaßt eine Verschiebung der als Zeiger dienenden Luftblase in dem Glasrohre und bewegt dieselbe von der Stelle, von wo aus die Anziehung auf das Quecksilber ausgeübt wird, hinweg. Die Bewegung ist der ausgeübten Anziehung proportional und sehr merklich, da der Querschnitt jedes Querrohres 0,06 × 0,3 = 0,qm018 mißt, während das Glasrohr nur etwa 3qmm Querschnitt hat. Die durch die Anziehung hervorgebrachte Bewegung ist demnach auf das 3000 fache vergrößert und ließe sich durch Vergrößerung des horizontalen Querschnittes der Querrohre leicht auf das 30000 fache bringen. Temperaturänderungen sind ohne Einfluß, da auf beiden Seiten des Luftblasen-Zeigers gleich große Flüssigkeitsmengen liegen; die Gesammtausdehnung der Flüssigkeiten aber macht ein offenes Standrohr unschädlich, welches von der Mitte des Hauptrohres ausgeht, und durch welches der Apparat leicht gefüllt werden kann. Die Annäherung eines Centners an das eine Querrohr bringt eine merkliche Bewegung der Luftblase hervor. Ein solches Instrument ließe sich auch zum Messen und Aufzeichnen der Anziehung des Mondes und der Sonne benützen, welche ja Ebbe und Fluth veranlaßt. Das einfache und keinerlei Unordnung ausgesetzte Instrument müßte auf einem sicheren Fundamente aufgestellt und sein Hauptrohr von Ost nach West gelegt werden, die Aufzeichnungen aber könnten entweder durch Notirung der Stellungen der Luftblase über einer darunter liegenden Scale gemacht werden, oder man könnte eine Selbstaufzeichnungsvorrichtung durch Photographie anbringen. Diese Art der Vervielfachung der Wirkung der Schwere könnte auch bei dem Bathometer Verwendung finden. Dr. C. W. Siemens zeigte ein solches Instrument (Fig. 29 und 30) mit einem auf dessen oberer Platte, über einer regelmäßig getheilten Scale liegenden, horizontalen spiralförmigen Glasrohre vor, welches an dem einen Ende mit der obern Kammer des Bathometers, oberhalb des Quecksilbers, in Verbindung stand, während das andere Ende offen war und der Luft freien Zutritt gestattete. Der Raum oberhalb des Quecksilbers in der obern Kammer ist am besten mit Oel zu füllen, welches in dem Spiralglasrohre an einer sich mit der Aenderung der Gesammtanziehung der Erde ändernden Stelle endet und so ein Mittel zu Ablesungen bietet. Dann wird die sonst hierzu gegebene elektrische Contactvorrichtung überflüssig und die Ablesung sehr vereinfacht. E–e.

Tafeln

Tafel Taf. II
Taf. II