Titel: | Der neueste Standpunkt der Reisstärke-Fabrikation; von M. Adlung. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 59 |
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Der neueste Standpunkt der
Reisstärke-Fabrikation; von M.
Adlung.
Adlung, über den neuesten Standpunkt der
Reisstärkefabrikation.
Der Stärkemehlgehalt der Reiskörner beträgt mehr als 80 Proc. und übertrifft sonach
bei Weitem denjenigen aller zur Stärkefabrikation überhaupt in Betracht kommenden
Rohmaterialien. Da nun die Reisstärke in Folge der Kleinheit ihrer Körner eine
größere Zartheit, bei ihrer Anwendung auch höhern Glanz als die Weizenstärke
besitzt, so muß ihre Darstellung an Orten, wo Reis zu mäßigem Preis zu beschaffen
ist, als ein rationelles und lohnendes Gewerbe bezeichnet werden (Vgl. 1871 199 245. 1874 214 224).
Freilich stellen sich der Reisstärkefabrikation ganz andere Schwierigkeiten entgegen
als der Darstellung von Stärke aus Kartoffeln oder Weizen; die Amylumkörnchen sind
in ein festes Zellengewebe eingeschlossen, und zwar durch geringe, jedoch sehr
widerstandsfähige Mengen Klebersubstanz so innig mit einander verbunden,
gewissermaßen verkittet, daß ihre Abscheidung nur unter Zuhilfenahme stark wirkender
chemischer Agentien gelingt. Diese Hilfsmittel, deren man sich bedient, um den
Kleber der Reiskörner zu lockern, resp. zu lösen, sind entweder die Alkalien
– in erster Reihe Aetznatron, oder auch Säuren (Salzsäure), deren Anwendung
jedoch gegenwärtig mehr in den Hintergrund getreten ist.
Während früher die Reisstärkefabrikation nur in Italien, England und Belgien ausgeübt
wurde, hat sich mit Beginn des laufenden Jahrzehntes auch Deutschland dieses
Industriezweiges bemächtigt, und gegenwärtig kommt die deutsche Reisstärke der
englischen und belgischen hinsichtlich der Güte und chemischen Reinheit mindestens
gleich, ja in vielen Fällen läßt sie dieselbe weit hinter sich zurück. Die Firma E.
Hoffmann und Comp. in
Salzufeln bei Herford hat sich große Verdienste um die Verbesserung der
Darstellungsmethode erworben; nach sehr ähnlichen Principien arbeiten die Fabriken
in Bremen, Berlin und Nienburg a. d. Saale. Es sei mir gestattet, auf Grund eigener
Erfahrungen die bei der Reisstärkefabrikation in Betracht kommenden Verhältnisse
hier kurz zu erläutern.
Die erste Bedingung eines günstigen Erfolges ist das Vorhandensein genügender Mengen
eines völlig klaren Wassers, welches von organischen Substanzen, die entweder färben
oder Gährung bewirken können, eben so von Eisen völlig frei sein muß. Ein
bedeutenderer Gehalt des Wassers an Sulfaten, eben so an Chloriden des Calciums,
besonders aber des Magnesiums ist immer schädlich, und zwar zunächst dadurch, daß
diese Salze einen Theil der bei der Fabrikation angewendeten Aetznatronlauge
zersetzen, d.h. unwirksam machen, in zweiter Reihe aber, weil die bei Gelegenheit
der angedeuteten Wechselzersetzung ausfallende Aetzmagnesia in hohem Grad die
Trennung der sogen. Kleberstärke von der feinen Stärke beeinträchtigt, einen
Schlemmproceß geradezu unmöglich machend. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß hingegen
das Natriumchlorid, als solches allein im Wasser sich vorfindend, gerade in jener
Hinsicht günstig wirkt; die Trennung der beiden in Reis enthaltenen Stärkearten geht
in kochsalzhaltigem Wasser rascher und vollständiger vor sich; nur ist es dann
wünschenswerth, auch noch im Besitz eines weichen, reinen, geschmacklosen Wassers zu
sein, um der Stärke ihren laugenhaften, bezieh. salzigen Geschmack zu benehmen.
Hat ein Wasser die nothwendigen Eigenschaften nicht, so kann es nur, wenn die
Verunreinigungen mineralischer Natur sind, für den Gebrauch der
Reisstärkefabrikation tauglich gemacht werden; es geschieht dies durch Zusatz
äquivalenter Mengen von kohlensaurem oder ätzendem Natron, dem man etwas Aetzkalk
zugeben kann, wodurch eine leichtere Abscheidung des Niederschlages bewirkt wird.
Die Verwendung von Chlorbarium ist wegen der Giftigkeit desselben, sobald es im
Ueberschuß angewendet wird, nicht empfehlenswerth.
Nicht weniger wesentlich als ein gutes Wasser ist bei der Reisstärkefabrikation die
gewisse Concentration der angewendeten Laugen und die gute Beschaffenheit der
Reismühle und der Trockenvorrichtungen, endlich die Methode, nach welcher gearbeitet
wird.
Für den gegenwärtigen Standpunkt der Reisstärkefabrikation kommt als Lösungsmittel
des Klebers nur Aetznatronlauge in Betracht, und allein nach der eigenthümlichen
Behandlungsweise des aufgeschlossenen Reisgutes unterscheide ich:
I. Ein englisches Verfahren nach O. Jones (1841 80 214) 1842 85 308).
II. Ein deutsch-englisches Verfahren: E. Hoffmann u.a.
III. Ein amerikanisches Verfahren, auf das ich später
zurückzukommen gedenke.
Wie schon angedeutet, ist den genannten Methoden
gemeinsam:
1) Das Einquellen des Reises, welches in Aetznatronlauge von 1 1/2 bis 2° B.
stattfindet. Unter häufigem Umrühren des Gutes bleibt die Lauge während 18 Stunden
damit in Berührung, wodurch die Reiskörner so erweichen, daß sie zwischen den
Fingern leicht zerdrückt werden können.
2) Das zweimalige Auswaschen des gequellten Reises, welches mittels Wassers nach
Entfernung der Lauge stattfindet.
3) Das Mahlen unter Zufluß dünnerer Lauge (von 1° B.) zu einem höchst zarten,
doch etwas dickflüssigen Brei. Dasselbe wird auf Mühlen mit doppeltem Mahlgange
zwischen französischen Mühlsteinen bewirkt.
Nach dem Verfahren von O. Jones wird der dünne Brei
während 5 Stunden umgerührt und nach größern, in der zweiten Etage des Gebäudes befindlichen
Bottichen gepumpt. Nachdem die Flüssigkeit mit einer gleichen Menge Wasser verdünnt
worden ist, bleibt sie 20 Minuten lang in Ruhe, nach welcher Zeit der größere Theil
der Kleberstärke, sowie die Cellulosehüllen sich zu Boden gesetzt haben. Die
aufstehende Flüssigkeit wird nun mittels eines Senkhebers abgezogen. Es geschieht
dies unter beständiger Untersuchung auf etwaigen gröbern Bodensatz, welcher sich
durch Auffangen einer Probe in einer Blechschaufel leicht erkennen läßt.
Man wiederholt die Operation des Schlemmens unter Zusatz von etwas calcinirter Soda
zum Wasser in der Regel drei Mal; der Rückstand wird nach diesem weniger
vollkommenen Verfahren durch den Druck hydraulischer Pressen entwässert und auf
Futtermehl verarbeitet. Die abgezogene Stärkemilch gelangt durch ein Cylindersieb,
dessen Beschreibung unten gegeben werden soll, in große, mit Zinkblech
ausgeschlagene Bassins, wo sich nach zwei Tagen die feste Stärke abgeschieden haben
wird. Man zieht das Wasser ab, sticht die Stärke aus, rührt sie in Bottichen mit
wenig sodahaltigem Wasser dick auf und schleudert in irgend einer
Rohstärke-Centrifuge. Durch letztere werden geringe, noch in der Stärke
enthaltene Klebermengen, sowie die Lauge ausgeschieden. Man entfernt den auf der
innern Seite sitzenden Kleber durch Abkratzen und sauberes Abwaschen mittels eines
Pinsels und Wassers, und kann nun entweder die Stärke direct in mit Tüchern
ausgelegte Kästen schlagen, oder läßt sie vorher, nachdem sie wieder aufgelöst
worden ist, nochmals ein Cylindersieb passiren. Die weitere Behandlung der Stärke
soll unten gezeigt werden.
Das E. Hoffmann'sche (deutsch-englische) Verfahren
der Reisstärkebereitung, welches eine vollständigere Ausnützung des Reises und
größere Zartheit der Primawaare bezweckt, ähnelt dem vorher beschriebenen in den
Operationen des Einquellens, Waschens und Mahlens unter Laugezufluß. Der aus der
Mühle ablaufende dünne Brei wird zunächst nach oben gepumpt, in geräumigen Bottichen
mit einer gleichen Menge Aetznatronlauge von 1° B. versetzt, die Mischung
nach 6 stündigem Rühren mit einer fast gleichen Menge Wasser verdünnt und nun der
Ruhe überlassen. Den Proceß der allmäligen Abscheidung der Kleberstärke beobachtet
man an einer dem Bottich entnommenen Probe; sobald die deutliche Absonderung einer
grauweißen Zone im untern Theil des Glases eintritt, kann mit Abschlemmen beginnen.
Dieser Zeitpunkt wird man etwa nach 40 Minuten eingetreten sein. Das Abziehen
geschieht auch hier unter beständiger Controle der milchigen Flüssigkeit, die man
oft in einer Blechschaufel auf etwaigen gröbern Bodensatz vorsichtig untersucht. Sobald sich beim
langsamen Abgießen unzarte Pünktchen in der Schaufel zeigen, muß die Operation des
Schlemmens zweitweise und schließlich ganz unterbrochen werden.
Bei richtiger Behandlung genügt es, die Operation mit ganz dünner Lauge einmal zu
wiederholen, um den größten Theil der sogen. Primawaare zu entfernen. Die
Flüssigkeit gelangt durch ein feines Cylindersieb in Zinkbassins. Das Sieb ist 3m,5 lang; seine hohle und mit feinen
Löchern versehene Achse steht durch einen kurzen dicken Gummischlauch mit dem
Wasserrohr in Verbindung. Die Achse trägt in Entfernungen von je 0m,7 fünf eiserne Naben, deren sechs
Speichen mit denen der andern Naben durch Holzleisten verbunden sind. Der mit feiner
Seidengaze überzogene Cylinder ist um 50mm
geneigt und durch Holzdeckel mit Blechbeschlag geschlossen. Die in diesem
befindlichen, weiten centralen Oeffnungen gestatten auf der einen Seite den Eintritt
des Zuflußrohres für die Stärkeflüssigkeit, auf der andern das Herausschleudern von
ungemahlenem Reis, Kleberstärke etc. Letztere Oeffnung ist noch um 50mm weiter als erstere. Der Cylinder hat 50
Drehungen in der Minute zu machen. Unterhalb befindet sich ein mit Zinkblech
ausgeschlagener Kasten, dessen verschiedene im Boden befindliche Stutzen den Abfluß
nach beliebiger Richtung ermöglichen. In den Bassins bleibt die Stärke zwei Tage in
Ruhe. Nach dieser Zeit wird sie sich in den meisten Fällen fest abgeschieden haben;
sollte sie dagegen weich geblieben sein, so hat dies in der zu starken Lauge oder in
einer fehlerhaften Beschaffenheit des Wassers seinen Grund.
Verfolgen wir zunächst die ausschließlich zur Strahlenstärkefabrikation bestimmten
ersten Abzüge. Die aus den Bassins ausgestochene Stärke wird in kleinen Bottichen
mit ganz schwacher Lauge dick aufgerührt und zur Entfernung des noch in ihr
enthaltenen Klebers mittels einer Rohstärke-Centrifuge geschleudert. Der
Kleber wird entfernt, die Stärke nochmals mit reinem Wasser aufgerührt, cylindert
und nach vorheriger, nicht ganz vollkommener Neutralisation durch verdünnte
Salzsäure und nach Zusatz von ganz wenig Ultramarinblau auf mit Leinwandtüchern
ausgelegte Holzkästen abgefüllt. Ein öfteres Rütteln der gefüllten Kästen befördert
den Austritt des Wassers und macht die Stärke dichter. Nach dem Festwerden wird die
Stärke in gleich große Stücke geschnitten, die auf poröse Ziegelsteine oder
Gypsplatten gesetzt werden und, sobald sie beim Reiben mit dem Finger keine
Feuchtigkeit mehr abgeben, zum Vertrocknen in die Oefen gelangen. Es empfiehlt sich
hierzu Luft- oder directe Heizung, weniger Dampfheizung. Man sorge jedenfalls
für eine gute Circulation der Luft in der Trockenkammer; ist dieselbe nicht anders zu
erreichen, so muß ein Exhaustor die feuchte Luft wegnehmen. Die Temperatur sei 50
bis 60°. Sobald die Stücke eine 2 bis 3mm dicke Kruste zeigen, werden sie (womöglich in der Trockenkammer selbst)
geschabt, alsdann in lockeres Papier eingepackt, welches man auf einer Seite mit
einem Schnitt versehen kann, und zum weitern Austrocknen wieder hingestellt. Stücke
von nicht ganz glattem, unschaligem Bruche werden bei dieser Gelegenheit ausgesucht
und mit auf Luftstärke verarbeitet.
Die Packete bekommen jetzt eine höhere und ununterbrochene Wärme. Während der vier
ersten Tage sorgt man noch weiter für gehörige Entfernung der feuchten Luft; dann
aber werden die Ventile und Oeffnungen in der Thür geschlossen, und bei einer
Temperatur von 75° wird nach einem oder zwei Tagen die Bildung
gleichförmiger, nach dem Mittelpunkt des Stückes convergirender Strahlen durch
Zerklüftung vollendet sein. Man läßt die Packete in einem trockenen Raum
abkühlen.
Wenden wir uns jetzt zu jenem mehr grau gefärbten Rückstande, welcher bei der
Schlemmung des ersten Mahlgutes im Bottich zurückblieb und einen Theil der
Primastärke, die Kleberstärke, Kleber und unzerkleinert gebliebene Reisstückchen
enthält. Derselbe wird zunächst mit wenig Wasser aufgerührt, dann so dick als
möglich durch ein Cylindersieb geschickt; der ungemahlene Reis kommt nach der Mühle
zurück, während die Flüssigkeit in besondern Bottichen und mit etwas zersetztem
Weizenkleber vermischt der Gährung ausgesetzt wird. In Zeit von 6 bis 8 Tagen ist
die Lockerung des Klebers erfolgt. Um die gelösten Substanzen zu entfernen, wird die
ganze Masse geschleudert, der Inhalt der Centrifuge mit Wasser unter Zusatz von
etwas calcinirter Soda aufgerührt, nochmals abgeschlemmt und entweder mittels der
Raffinationscentrifuge verarbeitet oder nach dem Absetzenlassen, Ausstechen,
Aufrühren und eventuell Färben ebenfalls auf Kästen abgefüllt.
Man erhält mit Hilfe des Gährverfahrens aus der Kleberstärke des Reises eine höchst
zarte Secundawaare. Ihre weitere Behandlung ist ganz ähnlich derjenigen der
Weizenstärke; die vorgetrockneten und geschabten Stücke werden, auf Horden zu
Schäfchen gebrochen, der Luft ausgesetzt, oder diese Trocknung geschieht im Winter
bei gelinder Wärme in Trockenstuben. Der beim Schlemmen des gegohrenen Gutes
verbleibende Rückstand liefert ein zwar stickstoffarmes, doch immerhin noch
verwendbares Viehfutter. Die Ausbeute an Luft und Strahlenstärke beträgt nach diesem
Verfahren mehr als 65 Proc. (Deutsche Industriezeitung, 1876 S. 142. 228.)