Titel: | Ueber Anilinschwarz; von R. Nietzki. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 72 |
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Ueber Anilinschwarz; von R. Nietzki.
Nietzki, über Anilinschwarz.
Verfassers Untersuchungen über die chemische Natur des Anilinschwarz haben sich bis
jetzt nur auf den Körper erstreckt, welcher sich aus Anilinsalzen durch Einwirkung
von Kaliumchlorat, bei Anwesenheit von Kupfersalzen bildet. Das als Material
dienende Anilin war aus chemisch reinem, krystallisirtem Benzol dargestellt, siedete
constant bei 182° und gab mit Quecksilberchlorid keine Fuchsinreaction
mehr.
Eine von A. Müller (1871 201
363) veröffentlichte Vorschrift gab gute Resultate. 20g Kaliumchlorat, 40g Kupfersulfat, 16g Chlorammonium und 40g Anilinchlorhydrat wurden in 500cc Wasser gelöst und auf etwa 60°
erwärmt. Unter Aufblähen und Ausstoßen von nach Chlorpikrin riechenden Dämpfen
verwandelt sich die Flüssigkeit in einen schwarzgrünlichen Brei. Diese Dämpfe traten
übrigens nicht, oder doch nur spurenweise auf, als ein durch Umkrystallisiren
gereinigtes Anilinsalz angewendet wurde, und Verfasser vermuthet, daß sie einer Spur
Nitrobenzol ihr Dasein verdanken. Ein Zusatz von Salzsäure beschleunigte den Proceß
übrigens bedeutend.
Der ausgeschiedene feste Körper wurde wiederholt mit verdünnter Salzsäure ausgekocht,
dann getrocknet, zerrieben und nach einander mit verschiedenen Lösungsmitteln:
Benzol, Aether, Petroleumäther und Alkohol behandelt. Später begnügte sich Verfasser
damit, ihn mit salzsäurehaltigem Alkohol wiederholt auszukochen, welcher reichliche
Mengen einer braunen Substanz auszog.
Ein dunkelgrünes, glanzloses Pulver blieb zurück. Nach Reineck (1872 203 485) ist dasselbe das
Chlorhydrat einer Base, für welche er den Namen „Nigranilin“
vorschlägt. Alkalien verwandelten die grünliche Farbe in ein sehr dunkles Violett,
die so erhaltene Base stellte nach dem Trocknen ein dunkel kupferglänzendes Pulver
dar. Für sich oder mit Natronkalk trocken erhitzt, gab sie ein basisches Destillat,
in welchem sich reichlich Anilin nachweisen ließ.
Wie Coquillion (vgl. S. 68 und 75) zuerst fand, und R. Meyer (vgl. S. 70) bestätigt, löst sich das Anilinschwarz
mit violetter Farbe in concentrirter Schwefelsäure und wird daraus durch Wasser in
Gestalt des Sulfats wieder abgeschieden. Ersterer hatte dasselbe aus Anilinsalzen
durch Elektrolyse, Letzterer durch Einwirkung von Kaliumpermanganat erhalten. Auch
die vorliegende Substanz zeigt diese Eigenschaft. Mit Schwefelsäure übergossen,
löste sie sich unter reichlicher Entwicklung von Salzsäuregas, ein Beweis, daß ein
Chlorhydrat vorlag. Die entstandene schön violette Flüssigkeit ließ auf Wasserzusatz das
Sulfat in Gestalt von grünen Flocken fallen.
Verfasser versuchte, den Körper auf diese Weise zu reinigen, stieß hier jedoch auf
technische Schwierigkeiten, welche ihn veranlaßten, diesen Weg zu verlassen. Die
Lösung in concentrirter Schwefelsäure ließ sich durch ein Asbestfilter nur äußerst
schwer filtriren, und das erhaltene Product hinterließ beim Verbrennen noch immer
einen bedeutenden Aschegehalt. Ein anderes Lösungsmittel wurde im Anilin gefunden;
dasselbe nahm schon in der Kälte das Chlorhydrat mit schmutziggrüner Farbe auf, noch
leichter die aus diesem dargestellte Base. Die von letzterer erhaltene Lösung besaß
eine schön indigblaue Farbe; durch eine Spur Säure wurde dieselbe jedoch in das
vorerwähnte schmutzige Grün verwandelt, ein Beweis, daß die entstandenen Salze durch
einen Anilinüberschuß nicht zersetzt werden.
Durch Uebersättigen des Anilins mit Salzsäure wurde die größte Menge des Körpers
wieder niedergeschlagen; doch blieb ein nicht unbedeutender Antheil in der
concentrirten Anilinsalzlösung gelöst und ertheilte derselben eine braungrüne
Färbung. Um eine mögliche Einwirkung des Anilins zu vermeiden, wurde bei der
Temperatur des Wasserbades gearbeitet. Die erhaltene Ausbeute war gleichwohl eine
sehr geringe und betrug bei Anwendung von 1k Anilin kaum mehr als 1g. Das so
erhaltene Chlorhydrat wurde getrocknet und nochmals mit Alkohol und schließlich mit
verdünnter Salzsäure ausgekocht.
Durch einige Chlorbestimmungen, welche in den bei verschiedenen Operationen
erhaltenen Substanzen vorgenommen wurden, überzeugte sich Verfasser von der
constanten Zusammensetzung derselben und schritt deshalb zur vollständigen Analyse
des Körpers.
Die einzigen Versuche, das Anilinschwarz zu analysiren, sind bis jetzt von H. Reineck (1872 203 485) und von
A. Müller (1871 201 363)
gemacht worden. Ersterer beschränkt sich auf eine Chlorbestimmung in dem Chlorhydrat
und findet darin 8,9 Proc. HCl. Letzterer berechnet aus seinen Analysen die Formel
C₁₂H₁₄N₂O₁₁ Da derselbe das Rohproduct analysirt
und eines Chlorgehaltes gar nicht erwähnt, so ist anzunehmen, daß er denselben als
Sauerstoff in Rechnung gezogen hat. Obige Formel läßt ferner vermuthen, daß die
Substanz stark aschehaltig gewesen sei; denn aus seinen Analysen glaubt Nietzki schließen zu können, daß das Anilinschwarz als
solches nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff besteht. Das bei 100°
getrocknete Chlorhydrat ergab folgende Zahlen:
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
C
68,29
68,95
69,15
–
–
–
–
H
4,90
5,10
5,26
–
–
–
–
N
–
–
–
13,65
–
–
–
Cl
–
–
–
–
11,64
11,84
11,88.
Die beiden C-H-Bestimmungen I und II, sowie die drei
Cl-Bestimmungen repräsentiren jede eine besondere Darstellung. Die
C-H-Bestimmung III und die N-Bestimmung IV rühren von einer
Substanz her.
Das relative Verhältniß zwischen N und Cl läßt hier unzweideutig erkennen, daß der
Körper das einsäurige Salz eines Triamins ist, und wenn man in Betracht zieht, daß
der Körper aus reinem Anilin entstanden ist, also nothwendig die Kohlenstoffatome in
der Sechszahl enthalten muß, so gelangt man zu der Formel:
C₁₈H₁₅N₃. HCl. Diese Formel verlangt: 69,79 C,
5,17 H, 13,57 N und 11,47 Cl.
Es muß hier bemerkt werden, daß die für die Analyse III, welche dieser Formel am
nächsten kommt, verwendete Substanz mit besonderer Sorgfalt durch längeres Auskochen
mit Alkohol gereinigt, während I und II nach dem Fällen aus Anilin nur mit
verdünnter Salzsäure ausgekocht wurden, und daß ferner die Verbrennung selbst im
Sauerstoffstrom beendigt wurde, da nach den gemachten Erfahrungen die Substanz mit
Bleichromat nur äußerst schwer verbrannte.
Obige Formel entspricht der Zusammensetzung des von A. W. Hofmann und A. Geyger
Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1872 S. 472. dargestellten Azodiphenylblaues und des Violanilins von Girard, De Laire und Chapotaut
(1872 205 267), wenn diese Körper nicht identisch
sind.
Nimmt man an, daß das Anilinschwarz eine diesen Körpern isomere Verbindung sei, so
ist seine Bildung sehr einfach erklärt. Es treten drei Anilinmolecüle unter Austritt
von sechs Wasserstoffatomen zusammen nach dem Schema:
Textabbildung Bd. 221, S. 74
Auf dieselbe Weise erklären Girard, De Laire und Chapotaut die Bildung des Violanilins, bringen jedoch für
die Zusammensetzung des Körpers selbst keine analytischen Belege bei. Was nun die
zahlreichen Entstehungsweisen des Anilinschwarz betrifft, so beruhen dieselben doch
schließlich alle auf einem Oxydationsproceß. In welcher Weise die Metallsalze und
speciell die Kupfersalze hier wirken, und warum eine geringe Spur der letztern zur
Bildung einer bedeutenden Menge des Körpers hinreicht, ist zwar immer noch nicht
völlig aufgeklärt; doch glaubt Verfasser, daß Rosenstiehl's
Ansicht, welcher dieses der leichten Zersetzbarkeit des Kupferchlorats zuschreibt,
die richtige ist. Wir finden übrigens einen ähnlichen Fall in der Bildung des
Methylviolett aus Dimethylanilin. (Nach den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S. 616.)