Titel: | Gewinnung des Schwefels aus Gyps und Glaubersalz bei der Glasfabrikation; von Dr. O. Schott. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 143 |
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Gewinnung des Schwefels aus Gyps und Glaubersalz
bei der Glasfabrikation; von Dr. O. Schott.Preußisches Patent des Verfassers vom 3.
December 1875.
Schott, über Gewinnung des Schwefels aus Gyps und
Glaubersalz.
Es gibt ohne Zweifel nur sehr wenig Glasfabrikanten, welche nicht schon den Verlust
des Schwefels im Glaubersalz bei der Glasfabrikation beklagt hätten. Ich habe früher
(1875 215 533) nachgewiesen, daß sich das Glaubersalz mit
Kohle und Kieselsäure nach folgender Gleichung zersetzt: 2 Na₂SO₄ + C
+ 2 SiO₂ = 2 Na₂SiO₃ + 2 SO₂ + CO₂. Wenn nicht
schon bisher an der Wiedergewinnung der schwefligen Säure bei dieser Reaction
gearbeitet worden ist, so ist die Ursache dazu wohl nur den technischen
Schwierigkeiten, auf welche eine solche Aufgabe stößt, zuzuschreiben.
Wollte man sich darauf beschränken, nur den Schwefel des Glaubersalzes zu Gute zu
bringen und als Product kieselsaures Natrium erschmelzen, so würde ohne Zweifel
einestheils das geschmolzene kieselsaure Natrium die Gefäßwände des Ofens viel zu
sehr angreifen, wie dies von dem Verfahren der directen Darstellung des kieselsauren
Natriums aus Kochsalz durch Erhitzen desselben mit Kieselsäure unter Zutritt von
Wasserdampf bekannt ist, anderntheils würden auch, vorausgesetzt, daß dieser Einwurf
umgangen werden kann, die Kosten für Brennmaterial, Arbeitslöhne u.s.w. den Werth
der gewonnenen schwefligen Säure überwiegen.
Verfasser hatte es sich schon seit einiger Zeit zur Aufgabe gemacht, diese
Unvollkommenheit in der Glasfabrikation zu beseitigen, und, ausgehend von dem
Gedanken, daß die Gewinnung des Schwefels aus dem Natriumsulfat allein nicht lohnend
genug ist, versucht, nicht allein Natriumsilicat, sondern ein
Natrium-Calciumsilicat durch Mengen und Erhitzen von Glaubersalz, Gyps, Kohle und Kieselsäure als Ausgangspunkt zur
Verwirklichung der angedeuteten Verbesserungen anzuwenden. Durch Schmelzen eines
Glassalzes, in welchem der Kalk als Gyps unter vermehrtem Zusatz von Kohle
eingeführt wurde, constatirte der Verfasser die Möglichkeit, daß auch das Sulfat des
Calciums mit Leichtigkeit in Glas verschmolzen werden kann. Ebenso überzeugte er
sich, daß für das völlige Austreiben des Schwefels ein vollkommenes Verschmelzen der
beiden kieselsauren Salze unnöthig ist, dazu vielmehr ein richtig ausgeführtes
Sintern der Masse ausreicht.
Durch Zuführung von Gyps statt Kalkspath würde ein zweites, bisher ungelöstes Problem
der chemischen Technologie, die vortheilhafte Gewinnung des Schwefels aus dem Gyps,
wenn auch in beschränktem Maße, verwirklicht und dadurch ein neues Schwefel
lieferndes Rohmaterial gegeben, welches in nationalökonomischer Hinsicht von einiger
Bedeutung werden könnte.Seckendorff erhielt am 7. September 1855 für
Hannover ein Patent zur Gewinnung von Schwefelsäure aus Gyps. Derselbe will
schwefelsaures Blei mit Salzsäure zersetzen, die erhaltene verdünnte
Schwefelsäure durch Eindampfen concentriren, das Chlorblei aber durch Gyps
wieder in schwefelsaures Blei überführen.O. Köhsel ließ sich am 29. November 1855 folgendes
Verfahren für Hannover patentiren. Gyps wird mit Kohlenstaub in Cylindern
geglüht, das gebildete Schwefelcalcium in Wasser gelöst und in
verschlossenen Kesseln durch die bei einer neuen Glühoperation entwickelte
Kohlensäure zersetzt. Das hierbei entweichende Schwefelwasserstoffgas wird
verbrannt und die so erhaltene schweflige Säure in Bleikammern zu
Schwefelsäure verarbeitet.O. Siemens (1863 169
207) versuchte ein Gemisch von Gyps und Kochsalz durch Wasserdampf und
Kohlensäure zu zerlegen; schweflige Säure und Salzsäure entwichen.Die Red.
Es ist leicht ersichtlich, daß durch das unvollkommene Verschmelzen und durch die
Gegenwart des kieselsauren Calciums, wodurch gewissermaßen eine Sättigung des
kieselsauren Natriums mit einer Erde erreicht wird, die Gefäßwände in geringerm
Grade zerstört werden, als durch Natriumsilicat allein. Man verfährt bei der
Ausführung des angedeuteten Verfahrens folgendermaßen:
Gyps, Sulfat und Kieselsäure werden in Verhältnissen gemengt, wie es für eine
bestimmte Glasart als wünschenswerth angesehen wird, und Kohle in der für die
Zersetzung der schwefelsauren Salze nothwendigen Quantität zugefügt. Mit diesem
Gemisch beschickt man einen Ofen, welcher entweder in der Art der
Sulfat-Muffelöfen construirt ist, oder aber vielleicht besser geneigt
liegende elliptische Thonhäfen enthält, schließt die Arbeitsöffnung und überläßt
unter zeitweisem Umrühren den Satz der bis zu hoher Rothglut gehenden Temperatur,
bis eine herausgenommene
Probe nicht mehr den Geruch nach schwefliger Säure hat; dann zieht man die
gesinterte Masse mittels eiserner Krücken heraus, läßt sie unter geringem Zusatz von
Wasser zerspringen und zerkleinert sie. Die hierbei sich entwickelnde schweflige
Säure wird dann weiter in Bleikammern verarbeitet.
Dieses Product, welchem ich den Namen „Rohglas“ gegeben habe,
soll dann das fernerhin der Groß-Glasindustrie zu Grunde zu legende
Rohmaterial sein, das sich jeder Fabrikant, wenn er die Zusammensetzung desselben
kennt, durch Zusatz von Sand, Soda oder Kalk in Glas in jeder gewünschten
Zusammensetzung umändern kann.
Vom Standpunkte des Glasfabrikanten aus könnte man leicht dem beschriebenen Verfahren
den Vorwurf machen, daß die Menge des sich aus dem zu verschmelzenden Glasgemenge
entwickelnden Gases nicht mehr ausreicht, um die für eine homogene Beschaffenheit
des Glasflusses nothwendige Bewegung der Masse hervorzurufen. Bedenkt man jedoch,
daß sich aus einem Glassatz (Sulfat, Kohle, kohlensaurer Kalk und Kieselsäure) für
einen Ofen mit 12 Häfen im Gesammtgewicht von 3655k an schwefliger Säure und Kohlensäure
844k oder 364cbm bei 0° und 760mm Druck Gase entwickeln, so wird man
zugeben, daß dieses Gasvolum, welches sich bei der herrschenden Ofentemperatur bis
zu annähernd 1000cbm vergrößern wird, viel
mehr als ausreichend ist, um den Uebelstand des Streifigwerdens des Glases zu
beseitigen. Wenn demnach 1k des Satzes
annähernd 100l Gas entwickelt, so dürfte
sehr wahrscheinlich ein geringer Bruchtheil dieser Quantität denselben Zweck
hinreichend erfüllen. Durch den Wegfall eines großen Theiles dieser ungeheuren
Gasmasse würde der Verlauf der Schmelze ungleich schneller und mit geringerm
Aufwande an Brennmaterial erfolgen; denn es ist leicht ersichtlich, daß die durch
die Hafenwandungen an den Glassatz abzugebende Wärme nicht mehr dazu consumirt wird,
um die Entbindung und hohe Erwärmung der sich entwickelnden Gase zu veranlassen
– was durch die geringe Leitungsfähigkeit der Gase für Wärme besonders
erschwert wird – sondern nur zur eigentlichen Schmelzung des Glassatzes
dienen. Man richtet sich also zweckmäßig so ein, daß entweder im Rohglase genügend
Gas (durch Unterbrechen der Operation) verbleibt, oder fügt zu dem völlig gasfreien
Rohglas eine kleine, empirisch festzustellende Quantität des ursprünglichen
Rohglassatzes hinzu, um den sich etwa einstellenden Uebelstand des Streifigwerdens
des Glases zu vermeiden.
Wenden wir uns nun der Behandlung des sich bei der Herstellung des Rohglases
entwickelnden Gasgemenges zu, welches nach meinen Untersuchungen aus 2 Vol.
schwefliger Säure, gemengt mit 1 Vol. Kohlensäure besteht, so ist es nach Ansicht
des Verfassers sehr wahrscheinlich, daß diese Gase sich ohne Schwierigkeit in der
Bleikammer werden verarbeiten lassen. Die vorhandene Kohlensäure wird sich gerade so
indifferent verhalten, wie der durch Verbrennung des Schwefels und des Eisens im
Schwefelkies überschüssig mit beigemengte Stickstoff der gewöhnlichen Kammergase. Es
scheint sogar, daß dieses Gasgemenge an Sauerstoff und schwefliger Säure
concentrirter zu erhalten ist, als das gewöhnliche der Bleikammern.Die Zuführung der Luft wird sich nöthigenfalls leicht durch ein
Dampfstrahlgebläse bewirken lassen.
Nach Bode (Beiträge zur Theorie und Praxis der
Schwefelsäurefabrikation) berechnet sich die Zusammensetzung der bei Verbrennung von
Schwefelkies eintretenden Bleikammergase auf 64 Gew.-Th. SO₂, 33,6
Gew.-Th. O und 257,04 Gew.-Th. N.
Bringt man hiervon 146 Gew.-Th. Stickstoff, welche zur Oxydation des Schwefels
und Eisens im Schwefelkies als Ballast mitgeschleppt werden müssen, in Abzug, so
beträgt das Gemenge der nach obigem Verfahren resultirenden Gase: 64 Gew.-Th.
SO₂, 44 Gew.-Th. CO₂, 33,6 Gew.-Th. O und 111
Gew.-Th. N, ein Verhältniß von schwefliger Säure und Sauerstoff zu den
verdünnenden Gasen, welches im Vergleich zu dem obigen entschieden günstiger zu
nennen ist, da letzteres etwa 15 Vol. Proc. schweflige Säure enthält.
Wendet man in dem vorliegenden Falle statt der Kohle als reducirende Substanz ein
Schwefelmetall, etwa Schwefelcalcium oder Schwefelnatrium, an, so würde sich nur
schweflige Säure entwickeln, und das in die Kammer einzuführende Gasgemisch würde
eine noch vortheilhaftere Zusammensetzung haben. Es würde die Anwendung der
Schwefelmetalle, für welche sich bei ordinären Gläsern nach Lunge (1875 216 375) Sodaäscher eignet,
jedenfalls dann angezeigt sein, wenn sich der mir von sachkundiger Seite gemachte
Einwurf, Kohlensäure störe die Harmonie der Gase in der Kammer, als richtig
erweist.
Die schädliche Wirkung der entweichenden schwefligsauren Gase bei dem jetzigen
Verfahren der Glasfabrikation auf die in der Umgegend einer größern Glasfabrik
befindliche Vegetation ist bekannt genug (vgl. 1876 220
89), so daß es wohl am Platze wäre, zum Vortheile der Fabrikanten und der
benachbarten Oekonomen Erstere gesetzlich zu zwingen, die schweflige Säure
unschädlich zu machen, d.h. sie wieder zu gewinnen. Wie bedeutend die zu erhaltenden
Schwefelmengen sind, ergibt eine kleine Rechnung, wenn man die von R. Wagner
Vgl. 1875 215 70. 568. gegebenen Zahlen über die englische Sulfatproduction (10 Millionen Centner) und
deren Verwendung in der Glasfabrikation (2,6 Mill. Ctr.) zu Grunde legt. Nimmt man
an, was vorläufig wohl nicht thunlich, daß alles in der Glasfabrikation verwendete
Sulfat vorher von Schwefel befreit wird und aller Kalk in Form von Gyps (Anhydrid)
ebenso behandelt in das Glas eingeführt wird, und daß eine vollständige Gewinnung
des Schwefels möglich wäre, so würden bei einem Verbrauch von 3,5 Mill. Ctr. Gyps
und 2,6 Mill. Ctr. Sulfat etwa 1409000 Ctr. oder 70450t Schwefel gewonnen werden können, die
ihrerseits ausreichen würden, etwa 2/3 der ganzen englischen Sulfatproduction zu
decken.
Der Preis des Gypses dürfte nicht viel mehr betragen, als die bisherigen Ausgaben für
Kalkspath, Kreide oder Kalk. Die Kosten für die Gewinnung des Schwefels erstrecken
sich, abgesehen von Baukosten und Amortisation, lediglich auf Brennmaterial und
Arbeitslöhne, welche aber, wenn das Verfahren erst hinreichend ausgebildet sein
wird, einen nicht zu großen Bruchtheil des Werthes der erhaltenen schwefligen Säure
ausmachen werden.
So mißlich es auch sein mag, von den Vortheilen eines in der Technik noch nicht
erprobten Verfahrens zu sprechen, so kann sich der Verfasser nicht enthalten, einige
Vortheile desselben anzuführen. Es liegt auf der Hand, daß bei der Abwesenheit
freien Alkalis die Haltbarkeit der Häfen bedeutend erhöht wird. Ebenso dürfte eine
geringere Schmelzdauer erzielt werden können, da schon ein halbgeschmolzenes Product
vorhanden ist und die Erhitzung der ungeheueren Gasvolume wegfällt. Der Verlust an
Alkali, der für gewöhnlich nicht unwesentlich ist, wird sich auf ein Minimum
reduciren, da die Zersetzung und Bindung desselben bei Temperaturen stattfindet, bei
denen eine Verflüchtigung noch nicht erfolgen kann.
Verfasser verhehlt sich nicht, daß die oben angegebenen Zahlen nie zu erreichen sein
werden; sie haben nur den Zweck, auf die ökonomische Wichtigkeit der
Schwefelgewinnung aufmerksam zu machen und zu weitern Arbeiten in dieser Richtung
anzuregen.
Witten, Mai 1875.