Titel: | Prüfung gewerblicher Concessionsgesuche. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 170 |
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Prüfung gewerblicher
Concessionsgesuche.
Prüfung gewerblicher Concessionsgesuche.
Nach §. 16 der Gewerbe-Ordnung vom 21. Juni 1869 ist zur Errichtung von
(gewerblichen) Anlagen, welche durch die örtliche Lage oder die Beschaffenheit der
Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für
das Publicum überhaupt erhebliche Nachtheile, Gefahren
oder Belästigungen herbeiführen können, die Genehmigung der nach den Landesgesetzen
zuständigen Behörde erforderlich. (Vgl. die für Frankreich erlassenen Bestimmungen,
1827 25 156.)
Das preußische Handelsministerium hat eine „Technische Anleitung zur
Wahrnehmung der den Kreisausschüssen, hinsichtlich der Genehmigung gewerblicher
Anlagen, übertragenen Zuständigkeiten“ bekannt gemacht, welcher wir
das Nachstehende entnehmen:
I. Allgemeine
Gesichtspunkte.
Bei Prüfung der Concessionsgesuche ist davon auszugehen, daß nur solche Nachtheile,
Gefahren oder Belästigungen, welche in der physischen Einwirkung der Anlage auf ihre
Umgebung ihren Grund haben, zur Erörterung zu ziehen sind, Nachtheile anderer Art
aber, auf welche zuweilen im contradictorischen Verfahren der Einspruch der
Opponenten basirt wird, z.B. schädliche Concurrenz, Vertheuerung der Arbeitskräfte,
stärkere Abnützung öffentlicher Wege, Erhöhung der Feuerversicherungsprämie u. dgl.
ebenso außer Betracht bleiben, wie Einwendungen, welche auf speciellen
privatrechtlichen Titeln beruhen.
Es ist zu erwägen, ob jene Nachtheile, Gefahren oder Belästigungen dasjenige Maß
überschreiten, dessen Duldung sowohl den Nachbarn als dem Publicum im Interesse der
für die allgemeine Wohlfahrt unentbehrlichen Industrie angesonnen werden kann.
Ist diese Frage auf Grundlage der von dem Antragsteller vorgelegten Projectstücke zu
bejahen, so wird in eine weitere Erörterung darüber einzutreten sein, ob durch
Vorschriften über die Einrichtung der Anlage oder die Art und Weise des Betriebes
der Umgebung genügender Schutz gewährt werden kann. Nur wenn sich dies als
unausführbar herausstellt, wird die Abweisung des Concessionsgesuches, andernfalls
aber die Ertheilung der Concession unter gleichzeitiger Festsetzung der für
erforderlich erachteten Bedingungen und Vorbehalte auszusprechen sein.
Besondere Sorgfalt verlangt die Behandlung der festen und flüssigen Fabrikabgänge
(vgl. 1874 211 201). Das Vergraben und Versenken
derselben wird nur ausnahmsweise bei erwiesener Unschädlichkeit dieses
Beseitigungsmodus gestattet werden können, und die Ableitung der Abgänge in
öffentliche oder Privat-Gewässer ist häufig mit so schweren, die lebhaftesten
und begründetsten Klagen der Nachbarn hervorrufenden Uebelständen verknüpft, daß
gerade dieser Punkt die vollste Aufmerksamkeit der Concessionsbehörde erheischt. Es
kann nicht für angemessen erachtet werden, in dem Concessionsverfahren diesen
Gegenstand von der Erörterung auszuschließen und der besondern polizeilichen
Regelung vorzubehalten; vielmehr ist die Concession, wenn die Absicht des
Unternehmers, sich der Betriebsabgänge durch Ableitung derselben in Wasserläufe zu
entledigen, aus seinen ausdrücklichen Erklärungen oder aus den Umständen des Falles
erhellt und hiervon erhebliche Uebelstände zu besorgen sind, zu versagen, oder an
die geeigneten Bedingungen zu knüpfen. Im Falle der Concessionsertheilung ist es
überdies rathsam, der Polizeibehörde ausdrücklich das Recht zu wahren, jederzeit die
Ableitung der Abgänge in Wasserläufe von weitern Bedingungen abhängig zu machen oder auch
gänzlich zu untersagen, falls die bei Ertheilung der Concession gegebenen
Vorschriften sich als unzulänglich erweisen sollten. Soweit Interessen von
Fischereiberechtigten betheiligt sind, ist auch dies geeignet zu beachten. (Vgl.
1874 214 85.)
Nach alter Praxis pflegt bei Fabriken mit größern Feuerungsanlagen vorgeschrieben zu
werden, daß der Unternehmer verpflichtet sei, durch Einrichtung der Feuerungsanlage,
sowie durch Anwendung geeigneten Brennmaterials und sorgsame Bewartung auf eine
möglichst vollständige Verbrennung des Rauches hinzuwirken, auch, falls sich ergeben
sollte, daß die getroffenen Einrichtungen nicht genügen, um Gefahren, Nachtheile
oder Belästigungen durch Rauch, Ruß etc. zu verhüten, auf Anordnung der
Polizeibehörde solche Abänderungen in der Feuerungsanlage, im Betriebe, sowie in der
Wahl des Brennmaterials vorzunehmen, welche zur Beseitigung der hervorgetretenen
Uebelstände besser geeignet sind. (Vgl. 1876 220 87.)
Die Beibehaltung dieser Concessionsclausel empfiehlt sich nicht blos im Interesse der
Nachbarschaft, sondern ebensowohl des Unternehmers, welchem in der Einrichtung der
Feuerungsanlage und der Wahl des Brennmaterials freier Spielraum gewährt und in
Folge dessen die rasche Benützung technischer Fortschritte und günstiger
Conjuncturen ermöglicht wird.
Die Gewerbe-Ordnung verpflichtet in §. 107 alle
Gewerbe-Unternehmer, auf ihre Kosten alle diejenigen Einrichtungen
herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die besondere
Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherung
der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig sind. Wenn nun auch
der Behörde das Recht zusteht, bei concessionirten Anlagen, wie bei solchen, welche
der Concessionspflicht nicht unterliegen, jederzeit auf
Ausführung der entsprechenden Einrichtungen zu dringen (§. 148 Nr. 10), so
soll doch nach §. 18 das Concessionsverfahren mit dazu benützt werden, die
zum Schutze der Arbeiter erforderlichen Maßregeln zu erörtern und in Form von
Bedingungen vorzuschreiben. In dieser Beziehung ist vornehmlich darauf zu sehen, daß
die Arbeitsräume in Bezug auf Flächeninhalt, Lage, Heizung, Beleuchtung und
Ventilation den allgemeinen Regeln der Gesundheitspflege entsprechen und die
Triebmaschinen, Transmissionen, Fallthüren und Treppenöffnungen eine Einfriedigung
erhalten. Weiter soll:
1) Jede gewerbliche Anlage und Fabrik mit einer ausreichenden Zahl angemessen
eingerichteter, nicht direct mit den Fabrikräumen in Verbindung stehender Aborte
versehen sein, und zwar für die Geschlechter getrennt.
2) In allen größern Fabriken, wo die Arbeiter während der Arbeit einen Theil der
Kleider abzulegen oder besondere Arbeitskleider anzulegen gezwungen sind, müssen
geeignete Räume zu deren Aufbewahrung hergestellt werden, besonders dann, wenn auch
weibliche Arbeiter und Kinder beschäftigt werden. Diese Räume sind für die
Geschlechter zu trennen und müssen überall da, wo die Arbeiter in erheblicherm Maße
dem Staub oder der Erhitzung ausgesetzt sind, mit ausreichenden Waschvorrichtungen
versehen sein.
3) Können in größern Fabriken die Arbeiter während der Mittagsstunde sich nicht nach
Hause begeben, so sind für dieselben ausreichende, heizbare und angemessen
eingerichtete Speiseräume herzustellen, und gleichzeitig geeignete Vorkehrungen zum
Erwärmen der mitgebrachten Speisen einzurichten. Die unter 2 erwähnten Räume können
bei angemessener Größe und Einrichtung auch als Speiseräume verwendet werden.
– Ein gesundes Trinkwasser muß in allen Fabriken den Arbeitern zu Gebote
stehen.
II. Einzelne Anlagen.
1. Gasbereitungs- und
Gasbewahrungs-Anstalten.
Es handelt sich hierbei um solche Anlagen, in denen durch trockene Destillation
organischer Stoffe, insbesondere von Steinkohlen, Braunkohlen, Holz etc.,
Leuchtgas dargestellt, gereinigt und zur Verwendung angesammelt wird. Sie
erfordern verhältnißmäßig umfangreiche Betriebsstätten und sind in
gewerbepolizeilicher Hinsicht insoweit von besonderer Wichtigkeit, als sie
meistens in oder in unmittelbarer Nähe von Städten und bewohnten Orten, in denen
das erzeugte Gas Verwendung findet, betrieben werden.
Die Belästigungen und Nachtheile, welche den Anwohnern durch den Betrieb dieser
Anlagen erwachsen können, sind hauptsächlich folgende:
a) Belästigungen durch den Rauch der
Retortenfeuerungen. Zur Verhütung solcher Belästigungen ist Bestimmung nach
Maßgabe der aufgestellten allgemeinen Gesichtspunkte zu treffen.
b) Uebelstände, verursacht durch Reinigung der das
Gas aus den Retorten abführenden Steigeröhren vermittels Ausbrennens. Es
empfiehlt sich, diese Art der Reinigung nicht zu gestatten.
c) Belästigungen durch übelriechende Dünste, welche
sich beim Ablöschen der aus den Retorten gezogenen glühenden Kokes mehr oder
weniger entwickeln. – Es kann hierin ein Anlaß liegen, das Ablöschen der
glühenden Kokes im Freien zu untersagen, insbesondere wenn sich in der Nähe der
Ablöschstelle bewohnte Gebäude befinden, denen durch den vorherrschenden Wind
dieser Dunst und Dampf zugeführt wird.
d) Verunreinigung des Erdreiches und der Gewässer
durch das bei der Destillation der Kohlen und bei dem Gasreinigungsprocesse
erzeugte Gaswasser (vgl. 1874 211 139). Nach dem
Abkühlen des Gases in Condensationsvorrichtungen erfolgt dessen Reinigung theils
durch Kalk, theils durch ein Gemenge von Eisenoxyd mit Sägespänen oder ähnlichen
lockern Substanzen (Laming'sche Masse). Das Gaswasser enthält Ammoniak, auch
Schwefel- und Cyanverbindungen, welche, wenn dasselbe in das Erdreich
versenkt wird, auf weite Entfernungen hin die Brunnen inficiren, auch die
Vegetation schädigen können. Es ist daher geboten, das Versenken desselben in
das Erdreich unbedingt zu untersagen und dagegen die Bedingung zu stellen, alle
diese überdies mehr oder weniger widrig riechenden Flüssigkeiten und Abwässer in
wasserdichten, bedeckt gehaltenen Behältern anzusammeln. Es empfiehlt sich
dabei, die Beseitigung dieser Flüssigkeiten von dem Grundstücke der Gasanstalt
unter Controle zu stellen.
e) Feuer- und Explosionsgefahr, insbesondere
bezüglich der Gasbehälter, der sogen. Gasometer. Die Gasometer werden theils im
Freien, theils, um sie gegen die Einwirkungen des Sturmes und des Frostes zu
schützen, in besondern Gebäuden aufgestellt, die zu andern Zwecken gleichzeitig
nicht benützt werden dürfen. Im ersten Falle ist ihre Entfernung von
nachbarlichen Gebäuden so zu bemessen, daß sie möglichst geschützt sind und von
herabstürzenden brennenden Hölzern nicht getroffen werden können. Auch muß
ringsum noch ein zur Aufstellung und Handhabung von fahrbaren Löschvorrichtungen
genügender Raum bleiben. – Dasselbe gilt für die Gasometergebäude. Um das
in Folge von Undichtheiten sich in diesen Gebäuden etwa ansammelnde Gas
unschädlich in die Atmosphäre abzuführen, sind solche in ihrem oberen Theile mit
Oeffnungen zu versehen, welche durch entsprechende, von außen zu handhabende
Vorrichtungen nach Bedürfniß geöffnet und verschlossen werden können. Die Anlage
von Feuerungen
im Gasometergebäude ist unbedingt zu untersagen, und das Eintreten in dasselbe
mit Licht nur unter der Bedingung zu gestatten, daß Davy'sche Sicherheitslampen
benützt werden. – Endlich ist die ausschließliche Anwendung von
Davy'schen Sicherheitslampen in allen solchen Räumen der Anstalt, in denen
Gasausströmungen zu befürchten sind, zur Bedingung zu machen.
2. Anstalten zur Destillation von
Erdöl.
In diesen Anlagen wird durch Umdestillation von rohem Erdöl raffinirtes Petroleum
bereitet. Bei dem Betriebe derselben können in Folge von Undichtigkeiten der
Destillationsgeräthe Dämpfe entweichen, welche die Nachbarschaft belästigen.
Auch kann bei nicht feuersicher angelegten Gebäuden der Betrieb feuergefährlich
sein. Es ist deshalb bei der Concessionirung dieser Anstalten vorzuschreiben,
daß dieselben mit gut eingerichteten, völlig dichten, zu einer möglichst
vollständigen Condensation der Dämpfe geeigneten Destillationsapparaten
versehen, und daß die Arbeitsräume feuersicher angelegt, am besten massiv
überwölbt werden.
Die Lagerräume für das rohe Erdöl dürfen nur mit Davy'schen Sicherheitslampen
betreten werden.
Auch sind die Polizeivorschriften bezüglich der Lagerung des Petroleums zu
beachten.
3. a. b. Anlagen zur Bereitung von Braunkohlen- und Steinkohlentheer, sofern
sie außerhalb der Gewinnungsorte des Materials errichtet werden.
Es handelt sich bei diesen Anstalten um die Abschwälung von Braun- und
Steinkohlen behufs der Gewinnung von Theer und dessen Destillationsproducten
(Photogen, Solaröl, Schmieröl, Paraffin etc.). Bei diesen Processen können
übelriechende, die Nachbarschaft belästigende, auch feuergefährliche Dünste
erzeugt werden; es können durch den Betrieb der erforderlichen Feuerungsanlagen
Uebelstände in Folge der Verbreitung von Rauch etc. entstehen, und auch durch
die flüssigen, bei den Reinigungsoperationen entstehenden Abgänge können
Belästigungen der Nachbarschaft herbeigeführt werden.
Zu diesem Gewerbebetriebe ist ein verhältnißmäßig großes Grundstück von
geeigneter Lage erforderlich.
Für die Destillationsapparate gilt das unter Nr. 2 (Destillation von Erdöl)
Bemerkte. Bezüglich der Beseitigung der bei dem Reinigen der Producte
entstehenden flüssigen Abgänge vergleiche Allgemeine Gesichtspunkte (und 1866
182 315).
Da die Destillationsoperationen, sowie auch die Reinigungsmanipulationen
Feuersgefahr herbeiführen können, so ist darauf zu sehen, daß die betreffenden
Processe nur in solchen Räumen ausgeführt werden, welche eine genügende Garantie
gegen Feuersgefahr darbieten. Die für den Betrieb erforderlichen Feuerungen
müssen den in den allgemeinen Gesichtspunkten bezeichneten Anforderungen
entsprechen.
3. c. Anlagen zur Bereitung von Kokes, sofern sie außerhalb der Gewinnungsorte
des Materials errichtet werden.
Bei dem Betriebe derselben werden Steinkohlen durch Erhitzung in mehr oder
weniger geschlossenen Vorrichtungen, welche die Gestalt von Canälen oder
Schächten haben, in Kokes verwandelt.
Mögliche Uebelstände sind:
Entwicklung dampfförmiger, brennbarer übelriechender
Producte.
Ausströmen großer Mengen von Wasserdämpfen beim Ablöschen
der den Oefen entnommenen glühenden Kokes.
Rauchgase und Verbrennungsproducte, welche beim Betriebe
erzeugt werden.
Mit Rücksicht hierauf wird es sich bei der Concessionirung solcher Anlagen darum
handeln, daß die bei der Verkokung entstehenden Gase und Theerdünste möglichst
vollständig in den Zügen des Kokesofens selbst, oder in andern Heizvorrichtungen
verbrannt werden. Auch müssen die Feuerungen so eingerichtet sein, daß sie dem
unter den allgemeinen Gesichtspunkten Gesagten entsprechen.
Die Verbreitung von Wasserdämpfen und Dünsten beim Ablöschen der glühenden Kokes
läßt sich durch bauliche Einrichtungen etc. nur schwer verhüten. Deshalb dürfen
derartige Anstalten nur in einer solchen Entfernung von bewohnten Gebäuden
angelegt werden, daß deren Bewohner einer Belästigung durch diese Dämpfe und
Dünste nicht ausgesetzt sind. Entfernungen, welche eine Garantie gegen
erhebliche Belästigungen der Umwohner leisten, lassen sich allgemein nicht
vorschreiben, sondern sind in jedem einzelnen Falle nach Maßgabe der localen
Verhältnisse der projectirten Anstalten und der vorherrschenden Windesrichtungen
festzustellen.
4. Glas- und
Nußhütten.
Der Betrieb dieser Anlagen kann Belästigungen durch Rauch und Ruß verursachen,
und deshalb ist bei deren Concessionirung namentlich die bezügliche Bestimmung
der allgemeinen Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen. Die gedachten Uebelstände
können wie bei den Kalk- und Ziegelöfen durch einen Schornstein von
angemessener Höhe wesentlich vermindert werden. Sind bewohnte Liegenschaften in
der Nähe, so empfiehlt es sich, dem Schornsteine eine solche Höhe zu geben, daß
der ausströmende Rauch über die nächsten bewohnten Häuser hinweggeführt
wird.
5. Kalk-(Cement-)
Oefen.
In diesen Oefen werden Kalksteine oder Cementmaterialien behufs der Bereitung von
Mörtel gebrannt. Dieselben haben eine sehr verschiedenartige Form; meistens sind
sie cylindrisch, prismatisch, auch kegel- und trichterförmig gestaltet.
Auch ihre Construction ist sehr verschieden, je nachdem sie für einen
continuirlichen, oder nur für einen periodischen Betrieb bestimmt sind. Bei dem
Betriebe derselben können Belästigungen durch Rauch und auch durch den Staub des
gebrannten Kalkes herbeigeführt werden; es kommt deshalb bei ihrer
Concessionirung insbesondere die allgemeine, die Feuerungen betreffende
Bestimmung in Betracht. Ein wesentliches Hilfsmittel zur Milderung des gedachten
Uebelstandes ist ein Schornstein von entsprechender Höhe. Wenn bewohnte
Liegenschaften in der Nähe sich befinden, so empfiehlt es sich, die Höhe des
Schornsteines so zu bemessen, daß unter normalen Verhältnissen der ausströmende
Rauch über die benachbarten Gebäude fortgeführt wird.
Auch empfiehlt es sich, die etwa den Nachbargrundstücken oder den öffentlichen
Wegen zugekehrten Beschickungsöffnungen mit Thüren zu versehen, und auch
Vorrichtungen, durch welche der Verbreitung von Kalkstaub vorgebeugt wird, z.B.
Vorbauten vor den Auszugsöffnungen anzubringen.
6. Gypsöfen.
Durch den Betrieb dieser Oefen werden weniger leicht, als durch den Betrieb der
Kalk- und Cementöfen Uebelstande durch Rauch, Ruß etc. herbeigeführt,
weil zum Brennen von
Gyps ein wesentlich geringerer Wärmegrad als zum Brande von Kalk erforderlich
ist, und in Folge dessen die Feuerungen der Regel nach weniger umfangreich sind.
Da es sich hier lediglich um die Beseitigung des Rauches handelt, so kommt
insbesondere die hierauf bezügliche, unter den allgemeinen Gesichtspunkten
erwähnte Bestimmung in Betracht.
7. Ziegelöfen.
Dieselben zerfallen in zwei Hauptclassen: in die continuirlichen, in welchen die
Feuerung ununterbrochen unterhalten wird, und in die periodischen, bei denen der
Betrieb mit Unterbrechungen stattfindet. Die Gestalt der Brennräume und die
specielle Einrichtung der Feuerungen ist eine sehr verschiedene.
Bei dem Betriebe der Ziegelöfen können Belästigungen durch Rauch stattfinden.
Dieser Uebelstand kann durch gute Construction der Feuerungen und durch die
Anlage eines Schornsteines von geeigneter Höhe wesentlich abgemindert werden.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß die continuirlichen ringförmigen Oefen den Rauch
besser verzehren, als die periodisch betriebenen, einfachen Oefen.
8. Anlagen zur Gewinnung roher
Metalle.
Die chemischen Operationen zur Darstellung der Metalle (Hüttenprocesse) sind
theils Schmelzprocesse (für Blei, Silber, Kupfer, Nickel, Kobalt), theils
Destillations- oder Sublimationsprocesse (für Zink oder Arsen), theils
Processe auf nassem Wege.
Bei der Verhüttung schwefelartiger Erze entwickelt sich schweflige Säure, bei
einem Arsengehalte der Erze auch arsenige Säure. Da die schweflige Säure schon
in geringen Mengen auf große Entfernungen hin einen schädlichen Einfluß auf die
Vegetation ausübt, so muß die Auswahl eines Ortes für derartige Hüttenanlagen
mit besonderer Umsicht geschehen. Am besten eignet sich dafür eine sterile
Gegend. Unter allen Umständen ist ein Terrain von geeigneter Größe erforderlich
(vgl. 1876 220 89).
Als Mittel, den Einfluß der schwefligen Säure in möglichst engen Grenzen zu
halten, empfehlen sich: die Anwendung passend construirter Oefen statt der
früher üblichen Haufen und Stadeln, die Benützung der schwefligen Säure zur
Schwefelsäurefabrikation, die Absorption derselben in mit Kalk oder mit in Soda
getränkten Kokes gefüllten Thürmen, oder endlich, wenn diese Mittel nicht
anwendbar sind, das Einleiten des Gases in einen Schornstein von beträchtlicher
Höhe.
Auf die Höhe des Schornsteines wird wesentlich der Umfang des Betriebes und die
Lage des Hüttenwerkes (ob im Thale, an einem Berge oder auf demselben),
Windrichtung u.a. Einfluß nehmen.
Verflüchtigte metallische Dämpfe, welche auf den thierischen und vegetabilischen
Organismus schädlich einwirken – in erster Linie Blei- und
Arsenikverbindungen – lassen sich durch hinreichend geräumige trockene
oder nasse Condensationskammern, verbunden mit einem hohen Schornstein, meist
zur Genüge beseitigen. Man leitet zu dem Ende den Rauch zweckmäßig in geräumige
Kamine oder Canäle, event. in Bleikammern (behufs Ausnützung der schwefligen
Säure zur Schwefelsäurefabrikation) und den Rest in den Schornstein.
Bei der Anwendung von Chlorverbindungen, z.B. von Kochsalz, so für die
Silber- und Kupferextraction, treten Chlor- und
Chlorwasserstoffgas auf, welche nicht minder schädlich als schweflige Säure
sind. Diese Producte können in mit Wasser gespeisten Kokesthürmen großentheils
zurückgehalten werden, in welchen dann auch Metalldämpfe sich condensiren.
Die bei den metallurgischen Arbeiten entstehenden festen Abfälle, die Schlacken,
Ofenbrüche, Fluthafter etc. können gleichfalls Uebelstände herbeiführen. Die
Ablagerung derselben darf nur an solchen Orten geschehen, wo weder Menschen noch
Vieh Schaden daran nehmen können. Die Schlacken, namentlich die vom Puddeln und
Schweißen des Eisens, erhalten sich unter einer erstarrenden und leicht
zerbrechenden Kruste längere Zeit sehr heiß.
Besondere Vorsicht erheischt die Aufbewahrung, Ablagerung der bei der
Zink- und Arsengewinnung entstehenden Rückstände. Derartige Abfälle
gerathen nämlich, wenn u.a. Kohlentheilchen und Schwefelmetalle eingemengt sind,
zuweilen in Brand und entlassen schweflige Säure. Auch können beim Verwittern
und Auslaugen solcher Halden durch Regen die Vegetation verderbende und
benachbarte Gewässer verunreinigende Metalllösungen entstehen, weshalb es sich
empfiehlt, die Sohle der betreffenden Lagerplätze wasserdicht herzustellen und
dieselben nur in größerer Entfernung von Nachbargrundstücken und Gewässern
anzulegen. Ganz besondere Fürsorge ist bei Aufstürzung von Arsenikrückständen zu
treffen, welche von der Verarbeitung von Arsenikkies oder Arsenikalkies auf
Fliegenstein entstehen, auch nach vorheriger Röstung zu reichlicher Bildung von
löslichen Metallsalzen durch Verwitterung Veranlassung geben können. Der
Verbreitung des die Umgebung belästigenden Metallrauches bei
Sublimations- und Destillationsprocessen ist durch geeignete Apparate,
Condensationsvorrichtungen und Essen möglichst entgegen zu wirken. Die
Aufbewahrung der Arsenhüttenproducte hat unter sicherm Verschluß
stattzufinden.
Die Metalldarstellung auf nassem Wege hat, wie z.B. der Kupferchlorations-
und Cementationsproceß, die Bildung von festen Rückständen und von sauren
Abgangsflüssigkeiten im Gefolge. Für die Aufbewahrung der erstern gilt das über
Zink- und Arsenrückstände Gesagte. Die sauren metallischen Lösungen
können Gewässer leicht erheblich verunreinigen und dürfen in dieselben nur dann
eingelassen werden, wenn dadurch Uebelstände nicht entstehen. In jedem Falle
müssen sie vorher abgeklärt und entsäuert werden.
9. Metallgießereien.
Dieselben bezwecken das Umschmelzen von Metallen oder Legirungen, um dieselben in
bestimmte Formen zu bringen, sowie auch die Darstellung von Legirungen. Das
Schmelzen kann sowohl in Tiegeln, als auch in Oefen geschehen.
Die Anstalten, in welchen das Schmelzen lediglich in Tiegeln stattfindet, sind
nicht concessionspflichtig.
Die Schmelzräume müssen feuersicher und von bewohnten Nachbargrundstücken so weit
entfernt sein, daß nicht Belästigungen durch Auswürfe von Funken oder glühenden
Substanzen aus den Schornsteinen der Oefen und durch Dünste stattfinden.
Funkenfänger, sowie entsprechend hohe Schornsteine sind geeignete Schutzmittel
gegen Unzuträglichkeiten, welche in der Verbreitung von Metalldünsten, Gasen und
Funken beruhen können.
Bei Anwendung von Ventilatoren sind Constructionen zu wählen, welche möglichst
wenig Lärm verursachen.
10. Hammerwerke.
Der Betrieb der Hammerwerke, zu welchen auch die Stampf- und Walzwerke zu
zählen sind, kann Belästigungen durch Lärm, sowie durch Erschütterungen und auch Beschädigungen
verursachen. Die Erschütterungen werden hinreichend vermieden durch eine gute
Isolirung der Fundamente, sowie bei Hammer- und Stampfwerken durch eine
ausreichende Schwere der Chabotte, welche bei größern Werken dieser Art, wenn
Sandboden vorhanden ist, mindestens das Zehnfache, bei Steinboden mindestens das
Zwanzigfache des Bär- oder Stempelgewichtes haben muß, während bei
kleinern Werken das Fünf- resp. Zehnfache des Bär – oder
Stempelgewichtes genügt.
Der Lärm läßt sich nicht vermeiden, weshalb auf eine hinreichende Entfernung von
bewohnten Gebäuden Rücksicht genommen werden muß.
11. Schnellbleichen.
In diesen Anstalten wird und zwar hauptsächlich unter Beihilfe von alkalischen
Stoffen (Lauge, Kalk) und von Chlor das Bleichen von Garn und von Geweben
ausgeführt. Uebelstände werden bei diesem Gewerbebetriebe hauptsächlich durch
die Ableitung der unreinen, mit Resten von Chlor und Laugen behafteten Abwässer,
sowie auch durch die bei der Bereitung von Chlor resultirenden flüssigen Abgänge
herbeigeführt. Um dieselben zu vermeiden, müssen die betreffenden Flüssigkeiten
nach Maßgabe der unter den allgemeinen Gesichtspunkten erörterten Bestimmungen
beseitigt werden.
12. Firnißsiedereien.
Bei der Bereitung von Firniß wird Oel mit Bleiglätte, Bolus oder ähnlichen
Körpern stark erhitzt. Da hierbei übelriechende Dünste entwickelt werden, so ist
es erforderlich, daß das Siedegefäß an seinem obern Ende mit einem Rohre
versehen sei, welches diese Dünste behufs ihrer Verbrennung in die Feuerung
leitet, und daß das Siedegefäß während des Siedeprocesses bedeckt gehalten
werde. Wegen der durch ein starkes Erhitzen größerer Partien Oel möglicherweise
entstehenden Feuersgefahr ist es erforderlich, daß die betreffenden Arbeitsräume
feuersicher angelegt, am besten überwölbt werden, und daß die Feuerung der
Siedekessel nicht im Siederaume selbst stattfindet (vgl. Seifensiedereien).
Da erfahrungsmäßig trotz aller Vorsichtsmaßregeln eine Emanation übelriechender
Dünste z.B. beim Oeffnen des Siedebehälters nicht vermeidlich ist, so bietet die
Concessionirung derartiger Anstalten in der Nähe von Wohnhäusern Bedenken
dar.
13. Stärkefabriken.
Zur Fabrikation der Stärke dienen sowohl Kartoffeln, als auch Getreidearten und
Reis. Nur diejenigen Anstalten sind concessionspflichtig, in welchen Getreide
oder Reis verarbeitet wird. Bei diesem Getriebebetriebe können Belästigungen
durch die in reichlicher Menge beim Auskanten der zerkleinerten, eingeweichten,
auch in Gährung versetzten Materialien producirten Wässer entstehen, da
dieselben in Folge leicht eintretender Fäulniß oft übelriechende Dünste
entwickeln (vgl. 1866 182 327).
Um diese Uebelstände zu vermeiden, muß auf die Anlage solcher Einrichtungen
Bedacht genommen werden, welche dazu geeignet sind, diese Flüssigkeiten in einer
Weise abzuleiten, daß dabei üble Gerüche nicht entstehen können. In solchen
Fällen, wo Gerinne, welche dieser Anforderung genügen, nicht vorhanden sind, muß
die Ableitung der Wässer durch Röhren stattfinden. In Chausseegräben und in
Rinnsteine dürfen die in Rede stehenden Abwässer nicht geleitet werden. In
denjenigen Fällen, wo die Möglichkeit einer raschen Abführung der gedachten
Wässer nicht erwiesen ist, kann die Concession nicht ertheilt werden. Bei der
Abführung dieser Effluvien in Flüsse kommt das in den allgemeinen
Gesichtspunkten Gesagte in Betracht (vgl. 1875 218
277).
14. Stärkesyrupfabriken.
Bei der Bereitung des Stärkesyrups, wobei die in Wasser zertheilte Stärke mit
Säure gelocht wird, entwickeln sich übelriechende Dünste, welche die
Nachbarschaft solcher Fabriken öfter sehr belästigen. Eine vollständige
Beseitigung dieses Uebelstandes ist noch nicht geglückt; derselbe kann indessen
durch Anordnung geeigneter Condensationsvorrichtungen vermindert werden.
15. Wachstuchfabriken.
Wachstuch ist ein mit einer Firnißschicht bedecktes Gewebe. Der Betrieb einer
Wachstuchfabrik kann Belästigungen durch übelriechende Dünste veranlassen,
welche sich sowohl beim Ausstreichen der Firnisse, als namentlich beim Trocknen
der gestrichenen Gewebe entwickeln. Auch können Feuersgefahren durch die
Entzündung der Firnisse und der Gewebe während des Anstreichens und beim
Trocknen derselben entstehen. Da zur Zeit kein Mittel existirt, um namentlich
die beim Trocknen der gefirnißten Gewebe an freier Luft emanirten Dünste
zurückzubehalten oder zu beseitigen, so ist ein derartiger Gewerbebetrieb nur an
solchen Plätzen statthaft, welche von bewohnten Orten oder bewohnten
Liegenschaften genügend entfernt sind. Ein Maß für die erforderliche Entfernung
läßt sich allgemein nicht angeben, weil auf die Verbreitung der Dünste die
localen Verhältnisse einen wesentlichen Einfluß ausüben.
Um Feuersgefahren auszuschließen, müssen die Arbeitsräume, in welchen
feuergefährliche Operationen ausgeführt, und die Räume, in denen leicht
entzündbare Materialien oder Producte aufbewahrt werden, feuersicher sein.
16. Darmsaitenfabriken.
Die Därme werden behufs der Herstellung von Darmsaiten zuerst durch Einlegen in
Wasser gereinigt, sodann zu Saiten zusammengedreht. Bei diesen Operationen
entstehen üble Gerüche, wenn das Rohmaterial nicht frisch ist, und wenn die an
animalischen Stoffen reichen Abfallwässer in Zersetzung, in Fäulniß
gerathen.
Es empfiehlt sich deshalb, dem Unternehmer zur Bedingung zu machen, daß er nur
frisches Material verarbeitet, und daß die bei der Arbeit entstehenden Abfälle
in wasserdichten Gruben oder Behältern angesammelt und in unschädlicher Weise
beseitigt werden. Bezüglich der Ableitung der Fabrikwässer sind die für den
Betrieb der Gerbereien in Betracht zu ziehenden Grundsätze maßgebend.
17. Dachpappen- und
Dachfilzfabriken.
Die sogen. Dachpappen und Dachfilze werden durch Tränken von Pappen oder Filzen
in heißem Theer hergestellt. Hierbei entstehen übelriechende Dünste, und zwar
namentlich dann, wenn die mit Theer getränkten Stoffe behufs der Austrocknung
ins Freie gebracht werden, wodurch erhebliche Belästigungen der Umwohner und des
Publicums herbeigeführt werden können. Da der Theer beim Erhitzen über freiem
Feuer sich entzünden kann, auch die frisch getränkten Stoffe mehr oder weniger
leicht entzündlich sind, so ist der in Rede stehende Betrieb auch
feuergefährlich. Obgleich die in der Emanation unangenehm riechender Dünste
beruhenden Uebelstände erheblich geringer sind, wenn, wie es jetzt vielfach
geschieht, die getheerten Pappen sofort befandet, zusammengepackt oder
zusammengerollt werden, so können trotzdem Belästigungen eintreten, und es ist deshalb die
Concessionirung derartiger Anstalten in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern nicht
rathsam. Aus Rücksichten der Feuersicherheit ist es geboten, daß die
Arbeitsräume feuerfest hergestellt werden.
18. Leimsiedereien.
Der Leim wird theils aus Hautabfällen und Sehnen (Flechsen), theils aus Knochen
bereitet. Bei diesem Betriebe können Uebelstände sowohl durch die Ableitung der
zum Waschen der Materialien benützten Wässer, als auch durch die bei den
Siede- und Trockenprocessen entwickelten und aus den Lagerräumen der
Rohmaterialien verbreiteten Dünste entstehen. Die Ableitung der Waschwässer darf
deshalb nur in einer solchen Weise stattfinden, daß Belästigungen dadurch nicht
herbeigeführt werden. Bei der Abführung derselben in Gewässer kommen die
betreffenden Bestimmungen der allgemeinen Gesichtspunkte in Betracht.
Zur Verminderung der beim Sieden leicht auftretenden, in der Verbreitung
übelriechender Dünste beruhenden Unzuträglichkeiten empfiehlt es sich, daß die
Siedekessel mit einem Rohre versehen werden, welches die beim Kochen
entwickelten Dünste in die Feuerung ableitet.
Bei der Fabrikation des Knochenleimes können überdies noch höchst übelriechende
Dünste durch das Auskochen oder Dämpfen der Knochen entwickelt werden, welche
die Nachbarschaft unter Umständen sehr belästigen. Um diesen Uebelstand zu
vermeiden, ist vorzuschreiben, daß die gedachten Operationen nur in
geschlossenen Behältern vorgenommen werden dürfen. Die Lagerräume für die
Rohmaterialien (Lederabfälle, Flechsen, Knochen etc.) müssen derart eingerichtet
und so gelegen sein, daß durch die Speicherung der gedachten Rohstoffe keine
Belästigungen für die Nachbarschaft entstehen.
19. Thransiedereien.
In den Thransiedereien wird aus dem Fischspeck Fett ausgelassen. Der Betrieb ist
ein ähnlicher wie der der Talgschmelzen, und die zur Verminderung der bei diesem
Gewerbe hervortretenden Unzuträglichkeiten empfohlenen Bestimmungen sind auch
zur Verringerung der bei dem Betriebe der Thransiedereien vorhandenen
Uebelstände geeignet. (Siehe Nr. 23.)
20. Seifensiedereien.
Der Proceß der Seifensiederei besteht darin, daß Fette mit kaustischer Lauge
gekocht werden. Hierbei erfolgt die Bildung der Seifen (Verbindungen der
Fettsäuren mit den Alkalien) unter Abscheidung von Glycerin.
Die bei diesem Betriebe leicht entstehenden Uebelstände bestehen vorwiegend in
der Verbreitung übelriechender Dünste. Eine unvollkommene Einrichtung der
Siedelocale kann auch Feuersgefahren herbeiführen.
Behufs der Ableitung der bei dem Siedeproceß unvermeidlich auftretenden Dünste
empfiehlt es sich, über diesen Kesseln Dampfabzüge anzulegen, welche bis über
die Dachfirste des Siedehauses hinausgeführt oder mit einem Schornsteine von
entsprechender Höhe verbunden werden müssen. Erstere und auch die Schornsteine
müssen eine solche Höhe erhalten, daß ein Eindringen von Dünsten und Rauch in
die Fenster der benachbart gelegenen Gebäude nicht stattfinden kann. Die
erforderliche Höhe läßt sich allgemein nicht vorschreiben, richtet sich vielmehr
nach den localen Verhältnissen der betreffenden Anlage.
Zur Verminderung der Feuersgefahr ist der Siedekessel so anzulegen, daß dessen
Befeuerung nicht
im Siedelocale selbst, sondern in einem besondern, davon getrennten
Feuerungsraum (Vorgelege) ausgeführt wird. Im Uebrigen ist die Feuerung den
allgemeinen Vorschriften gemäß einzurichten und zu behandeln.
Häufig wird von den Seifensiedern, ohne daß sie dazu durch eine Concession
berechtigt sind, Talg aus rohen Fettmassen ausgeschmolzen (siehe Talgschmelzen
Nr. 23). Hierfür werden öfter ungeeignete Vorrichtungen benützt, und es führt
ein solcher unberechtigter Betrieb dann vielfach Belästigungen der Nachbarschaft
herbei. Es ist deshalb ausdrücklich die Bedingung zu stellen, daß nur
ausgeschmolzenes Fett verarbeitet werden darf.
21 a. Knochenbrennereien.
Es handelt sich um die Bereitung der vorwiegend als Reinigungsmittel der
Zuckersäfte dienenden Knochenkohle. Dieselbe wird durch Verkohlung von Knochen
in Töpfen oder Cylindern bereitet. Bei diesem Betriebe entwickeln sich
unvermeidlich sehr übelriechende Dünste, und da bisher kein Mittel zur
Beseitigung derselben aufgefunden worden, so ist die Anlage derartiger Fabriken
in der Nähe bewohnter Grundstücke unzulässig (vgl. 1864 174 427).
21 b. Knochendarren, Knochenkochereien und Knochenbleichen.
Das Auskochen der Knochen wird vorwiegend behufs der Bereitung des als kräftiges
Düngmittel dienenden Knochenmehls ausgeführt. Zu dem Zwecke werden die Knochen
entweder in Kesseln, meistens aber jetzt in Cylindern, und zwar in letztern mit
Dampf ausgekocht, dann getrocknet, wozu meistens aus Mauerwerk gebildete Darren
dienen, und schließlich mittels Mühlwerken zerkleinert.
Die aus diesem Betriebe erwachsenden Uebelstände werden hauptsächlich durch die
beim Kochen der Knochen, sowie beim Darren derselben entwickelten Dünste
verursacht. Auch der aus den Mühlwerken hervordringende Knochenstaub,
desgleichen die beim Kochen der Knochen resultirenden Brühen haben einen höchst
unangenehmen Geruch und können, sowie auch die Lager der rohen Knochen und der
fertigen Fabrikate, zu Belästigungen Anlaß geben. Die Uebelstände werden dadurch
wesentlich abgemindert, daß das Dämpfen der Knochen in geschlossenen Cylindern,
nicht in offenen Kesseln ausgeführt und die Entfernung dieser Kochgeräthe erst
nach vollkommenem Erkalten derselben vorgenommen wird. Da indessen trotz aller
Vorsichtsmaßregeln, namentlich durch die beim Darren entwickelten Dünste,
Uebelstände entstehen, so ist die Concessionirung derartiger Anstalten in der
Nähe von Wohnhäusern nicht unbedenklich.
22. Zubereitungsanstalten für
Thierhaare.
In diesen Anstalten werden Thierhaare gereinigt und weiter bearbeitet, nämlich
gekräuselt, versponnen und gefärbt. Es können Belästigungen der Nachbarn sowohl
durch Staub als auch durch übelriechende Dünste entstehen, welche sich bei der
Behandlung der Haare und aus den mit animalischen Stoffen beladenen Effluvien
entwickeln. Die zuerst erwähnten Unzuträglichkeiten können durch zweckmäßige
Ventilationsvorrichtungen abgemindert werden, deren Anlage auch im sanitären
Interesse der in diesen Fabriken beschäftigten Arbeiter geboten ist. Bezüglich
der Beseitigung der gedachten Effluvien kommen die in den allgemeinen
Gesichtspunkten angeführten Bestimmungen in Betracht.
23. Talgschmelzen.
In diesen Anstalten wird aus rohen thierischen Fetttheilen (Lisen) Talg
ausgelassen.
Zu dem Zwecke erhitzt man die genannten Rohmaterialien entweder in offenen, oder
in geschlossenen Behältern, fügt auch wohl etwas verdünnte Schwefelsäure hinzu,
wodurch der beim Schmelzen entstehende üble Geruch etwas gemindert wird. Am
geringsten sind die Uebelstände in dem Falle, wenn das Ausschmelzen in
geschlossenen Behältern mit überhitzten Dämpfen ausgeführt wird. Werden als
Schmelzgeräthe offene Kessel benützt, so ist es sehr zweckmäßig, dieselben mit
einem Rohre zu versehen, welches die Dämpfe aus dem obern Theile derselben (wie
bei den Firnißkesseln) in die Feuerung leitet. Während des Schmelzens müssen
diese Kessel dann mit einem dicht aufliegenden Deckel verschlossen werden.
In der Nähe dichtbebauten Terrains ist die Concessionirung von Talgschmelzen
wegen der durch ihren Betrieb verursachten Dünste bedenklich.
24. Schlächtereien.
Die Schlächtereien verursachen namentlich dadurch öfter Uebelstände, daß in Folge
mangelhafter Reinigung und schlechten Abflusses die thierischen Abfälle (Blut,
Fleisch, theile etc.) in Fäulniß gerathen.
Die Hauptbedingungen sind: eine genügende Räumlichkeit des Grundstückes, sowie
des Schlachtlocals, und das Vorhandensein der zur Reinhaltung der Räume und der
Utensilien nöthigen Wassermenge. Es lassen sich Dimensionen für den Hofraum,
sowie für das Schlachtlocal nicht wohl vorschreiben, weil die örtliche Lage eine
sehr erhebliche Rolle spielt, es auch wesentlich in Betracht kommt, ob das
Grundstück von Nachbargebäuden umschlossen ist, welche Höhe dieselben haben und
dergleichen; auch ob unterirdische Canäle zur Ableitung des Straßenwassers
vorhanden sind.
Bezüglich der Einrichtung des Schlachthauses empfiehlt es sich, die Bedingungen
zu stellen, daß der Fußboden des Schlachthauses wasserdicht hergestellt,
gepflastert, cementirt oder asphaltirt wird, nicht gedielt sein darf, daß die
Wände des Schlachthauses mindestens auf 2m Höhe entweder mit Oelfarbe gestrichen oder anderweit so hergerichtet
werden, daß sie durch Abwaschen vollständig gereinigt werden können; daß eine
mit dem Schlachthause durch eine Rinne verbundene, wasserdichte, bedeckt
gehaltene Senkgrube vorhanden ist, welche im Winter wöchentlich zweimal, im
Sommer nach jedem Schlachten gereinigt, auch desinficirt werden muß. Außerdem
ist die Bedingung zu stellen, daß im Hofe des Grundstückes ein Brunnen oder im
Schlachtlocale eine Wasserleitung vorhanden sein muß.
Der Abfluß der Spülwässer regelt sich nach dem in den allgemeinen Gesichtspunkten
Gesagten.
25. Gerbereien.
Bei der Fabrikation von Leder findet zuerst ein Aufweichen der Felle, dann ein
Enthaaren derselben unter Anwendung von Kalk, Gaskalk, auch von Arsenikalien und
andern Stoffen statt (vgl. 1860 157 158). Hierauf
erfolgt, je nachdem lohgares oder weißgares Leder bereitet werden soll, die
weitere Bearbeitung der Häute mit Lohe oder mit deren Surrogaten, resp. mit
Thonerdebeizen, Salzen, auch mit animalischen Stoffen, wie Hundekoth u. dgl.
Uebelstände können bei diesem Betriebe sowohl durch die Weichwässer, als auch
durch die mit Kalk, Arsenikalien etc. und mit organischen Resten behafteten
Spülwässer, sowie durch die leicht in Fäulniß gerathenden Hautabfälle entstehen.
Der Regel nach werden Gerbereien an fließenden Gewässern angelegt, und in jedem
Falle ist sorgfältig zu erwägen, ob die Verunreinigung des Wassers, sei es durch
Ableitung der Abgänge in das fließende Wasser, oder durch Weichen und Spülen der Häute in
demselben für zulässig zu erachten ist. Die in der Verunreinigung der fließenden
Gewässer beruhenden Unzuträglichkeiten werden dadurch vermindert, daß das Spülen
der Häute nicht unmittelbar in denselben, sondern in Gruben ausgeführt wird,
welche durch eine bis nahe zum Niveau des Wassers reichende Scheidewand davon
getrennt sind.
Eine Versenkung der flüssigen Abgänge erscheint in den meisten Fällen mit
Rücksicht auf den Umstand unzulässig, daß dadurch eine in sanitätlicher
Beziehung höchst bedenkliche Infection des Bodens und des Grundwassers
herbeigeführt wird. Die Sohle der Werkstätten, sowie die Gruben, in denen die
Felle mit Kalk, Lehm oder andern Materialien behandelt werden, müssen
wasserdicht sein. Zur Ansammlung der bei dem Betriebe entstehenden festen
Abfälle müssen wasserdichte, bedeckt gehaltene Gruben angelegt werden.
Die Anwendung von Arsenikalien wird in der Regel ausdrücklich zu untersagen sein.
Wo besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen, werden die bei der Anwendung
zu beobachtenden Bedingungen vorzuschreiben sein.
26. Abdeckereien.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß der Betrieb von Abdeckereien Uebelstände
durch Verbreitung übelriechender Dünste hervorbringt. Uebelriechende Dünste
entstehen beim Zerlegen der Thiercadaver, beim Trocknen der Felle, der Flechsen
und anderer Theile der Thierkörper, entwickeln sich auch aus den Gruben, in
welchen Thiercadaver verscharrt wurden, namentlich wenn dieselben nicht genügend
tief angelegt worden sind. Da bisher keine zur Beseitigung dieser Uebelstände
geeignete Mittel existiren, so müssen Abdeckereien in möglichst entlegene
Gegenden verwiesen werden.
Bei der Beurtheilung der Zulässigkeit einer solchen Anlage kommt es namentlich
auf die Entfernung der nächsten Wohnhäuser und der in der Umgebung vorhandenen
Wege an. Oeffentliche Verkehrsstraßen dürfen in nicht zu geringem Abstande
vorhanden sein, weil die Passanten durch üble Gerüche belästigt werden, auch die
Pferde leicht vor dem Aasgeruche scheuen.
Ueber die einzuhaltenden Entfernungen lassen sich allgemeine Bestimmungen deshalb
nicht vorschreiben, weil hierbei vorwiegend die localen Verhältnisse, die
Beschaffenheit des Terrains, die vorherrschenden Windesrichtungen etc. in
Betracht kommen, resp. bezüglich der Zulässigkeit derartiger Anlagen
entscheidend sind.
Um den Arbeitsplatz möglichst abzugrenzen, auch die Betriebsoperationen den Augen
der Passanten thunlichst zu entziehen, ist es zweckmäßig, den Arbeitsplatz mit
einer mindestens 2m,5 hohen, dichten
Umfriedigung (Wand- und Breterzaun) zu umgeben. Außerdem empfiehlt sich
eine Umpflanzung dieser Umfriedigung mit einer Hecke.
27. Poudrette- und
Düngepulverfabriken.
Dieser Gewerbebetrieb verursacht erhebliche Belästigungen, wenn in den Anstalten
Latrinenstoffe oder thierische Abfälle, als Blut, Fleisch etc. verarbeitet
werden (vgl. 1862 165 68). Da bisher keine Mittel
bekannt geworden sind, durch welche die bei diesem Betriebe hervortretenden, in
der Verbreitung höchst übelriechender Dünste beruhenden Uebelstände beseitigt
werden, so müssen solche Anlagen (wie auch die Abdeckereien) in möglichst
abgelegene Gegenden verwiesen werden.
Zu den Düngepulvern gehören auch gewisse chemische Präparate, wie Superphosphat,
Düngesalze etc.
Anstalten, welche derartige Producte herstellen, gehören zu den chemischen
Fabriken, für deren Concessionirung die Bezirksregierungen zuständig sind.