Titel: | Kolbenstangen für horizontale Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 210 |
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Kolbenstangen für horizontale
Dampfmaschinen.
Mit Abbildungen auf Taf.
VI [c.d/4].
Kolbenstangen für horizontale Dampfmaschinen.
Es ist ein bekannter Uebelstand aller mit horizontalem Cylinder arbeitenden
Dampfmaschinen, daß der Cylinder in seiner untern Hälfte durch das Gewicht des
Kolbens allmälig ausgeschliffen wird – derart, daß nach längerm Gebrauche der
Querschnitt des Dampfcylinders, statt rund zu bleiben, oval wird und in Folge dessen
bei undicht abschließendem Kolben bedeutende Dampfverluste erfolgen, die endlich ein
neuerliches Ausbohren des Cylinders erfordern.
Dieser Mißstand wird gemildert, aber nicht ganz vermieden, durch die Anwendung von
durchgehenden Kolbenstangen, welche in der Stopft büchse des hintern Cylinderdeckels
Führung erhalten, oder, bei sehr großen Maschinen, durch eine zweite Gleitbahn
hinter dem Cylinder geführt werden; aber auch hier kann die Stange nicht stark genug
gemacht werden, um eine Einbiegung und daraus erfolgendes Ovallaufen zu vermeiden.
Nach dem Systeme von A. G. Schönheyder in London aber,
welches im Engineering, Februar 1876 S. 148 beschrieben
ist und hier näher erörtert werden soll, erhält die durchgehende Kolbenstange gleich
von Anfang an eine Sprengung nach aufwärts, so daß sie durch das Gewicht des Kolbens
eben gerade gebogen wird, und somit der Kolben frei im Cylinder schwebt, ohne eine
andere Stütze als die Kolbenstange selbst und deren Führungen zu suchen. Diese Idee
taucht zwar hier nicht zum erstenmale auf (vgl. beispielsweise Donkin, * 1870 196 7), ist aber erst von Schönheyder so vollkommen durchgearbeitet worden, wie sie
es verdient; speciell die Fabrikationsmethode, welche für die Bearbeitung dieser
Stange vorgeschlagen wird, erregt näheres Interesse. Die Kolbenstange wird –
fertig geschmiedet – an beiden Enden angekörnt und hierauf, in mäßig
angewärmtem Zustande, um die berechnete Größe der Durchbiegung ausgebogen. Hiernach kommt die
Stange auf eine starke Drehbank, wird hier wieder gerade gerichtet und abgedreht, um
selbstverständlich nach dem Abspannen von der Drehbank wieder in die gebogene Linie
zurückzufedern. Zu dieser Arbeit läßt sich jede Drehbank benützen, nur muß die in
Fig. 9 bis
11 in
Ansicht, Verticalschnitt und Grundriß dargestellte eigentümliche Lünette dazu
angewendet werden. Dieselbe wird mit der Grundplatte A
auf das Bett der Drehbank aufgeschraubt und die Stange mit dem zur Aufnahme des
Kolbens bestimmten Conus durchgesteckt und in den Drehbankkörnern eingespannt. Im
Lünettenständer ist ein Ring B drehbar gelagert, und in
diesem Ringe sind zwei Lagerschalen C eingelegt, welche
mittels der Klemmschrauben d fest mit B verbunden werden können. In diesen Schalen befinden
sich jederseits 4 Klemmschrauben e, mittels derer die
Kolbenstange in ihrem ausgebogenen Zustande festgestellt wird; nun werden die
Lagerschalen C, sammt der darin festgehaltenen
Kolbenstange, innerhalb des Ringes B verschoben, bis die
Stange gerade gerichtet ist und dann ohne Schwierigkeit gedreht werden kann. Die
Lagerschalen C sind nämlich oben und unten abgeflacht
und haben seitliches Spiel in dem Ringe B, so daß sie
mittels der in B befindlichen Stellschrauben c (vgl. Figur 11) um den Betrag
der Kolbenstangen-Sprengung verschoben werden können. Die Erreichung der
Mittelstellung wird durch einen Index b (Fig. 9) markirt, worauf
dann die Klemmschrauben d, die sich in Langlöchern des
Ringes B verschieben können, angezogen werden und C und B nur mehr ein Ganzes
bilden, mit welchem sich die Stange in dem Lünettenlager A dreht.
Statt der Adaptirung einer gewöhnlichen Drehbank in der hier beschriebenen Weise
schlägt Schönheyder auch die Construction einer
Specialmaschine vor, welche in Fig. 12 bis 14 in den drei
Ansichten, in Fig.
15 bis 17 in vergrößerten Details dargestellt ist. Die Zeichnungen sind genügend
deutlich und bedürfen nur einiger Worte zur Erläuterung. Die Stange wird hier fix
zwischen Körnern eingespannt mit der Sprengung nach oben und mittels des in der
Mitte der Bank befindlichen und in Figur 17 in der Ansicht
dargestellten Lagers D nach abwärts geklemmt und gerade
gerichtet. Die Bearbeitung erfolgt mittels rotirender Stähle, welche in zwei
Ständern H angebracht sind, deren Construction in Fig. 15 und
16 näher
dargestellt ist. Der Antrieb wird von der Welle b
abgeleitet, auf welcher der Riemenconus aufsitzt, und von der die Bewegung durch
Zahnräder, welche von den Ständern H mitgenommen werden,
auf die Zahnräder der Werkzeughalter übergeht. Die Längsbewegung der Ständer H endlich wird durch eine Welle h
vermittelt, welche durch
Kegelräder mit der Antriebswelle b in Verbindung steht
und mittels Schneckengetriebe und Zahnstange in bekannter Weise zur Wirksamkeit
gelangt.
M.