Titel: | Ueber Cemente. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 236 |
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Ueber Cemente.
(Schluß von S. 153 dieses Bandes.)
Ueber Cemente.
Die eigentliche Aufgabe kann demnach nicht in der einseitigen Ermittlung des bei der
Erhärtung der Cemente obwaltenden chemischen Processes, sondern in dem Aufsuchen des
Verhältnisses der gegenseitigen Abhängigkeit des chemischen und mechanischen
Processes bestehen. Die Anwendung aller Mörtel ohne Ausnahme, nicht blos der
hydraulischen, beruht auf der Entstehung eines zusammenhängenden Ganzen aus
feinzertheiltem Material, und dieses Zusammenwachsen wiederum auf dem Zusammenwirken
eines chemischen und eines mechanischen Processes unter bestimmten Bedingungen. Vor
der richtig gestellten Aufgabe fällt daher der Unterschied zwischen den
verschiedenen Mörteln; sie muß, wenn sie genügend gelöst werden soll, alle
gemeinschaftlich umfassen. Noch mehr, sie müßte sogar den Nachweis liefern, warum in
gewissen Fällen ein und derselbe chemische Proceß entgegengesetzte mechanische
Wirkung haben kann, warum z.B. bei der Magnesia hydraulische Erhärtung, bei dem
gewöhnlichen Kalk Zerfallen in äußerster Zertheilung eintritt. Die richtig gestellte
Aufgabe muß alle einschlagenden Fälle, sie muß die Totalität der zusammengehörigen
Erscheinungen umfassen.
Seit den letztern Jahren hat in der That eine neue Forschungsweise in obigem Sinne
angefangen, sich einigermaßen geltend zu machen. Hierher gehören Studien von F.
Schott (1871 202 434) über die verschiedenen Cemente. Er
weist für den Portlandcement nach, daß bedeutende Eingriffe in seinen chemischen
Bestand möglich sind, ohne der Erhärtungsfähigkeit zu nahe zu treten. Mit einer
Lösung von kohlensaurem Ammoniak z.B. erhärtet derselbe noch besser als mit Wasser,
obwohl das Product 57,6 Proc. kohlensauren Kalk und 2,1 Proc. kohlensaure
Bittererde, beide vor dem Abbinden fertig gebildet, enthielt. Dem Portlandcement
sind damit volle 3/4 seines disponiblen Kalkes entzogen. Aus dem mit kohlensaurem
Ammoniak erhärteten Product ließ sich zehnmal mehr lösliche Kieselerde – 9,18
Proc. – ausziehen, als aus dem mit blosem Wasser erhärteten – 0,883
Proc. – (vgl. 1871 202 513).
Aehnlich wirken kohlensaure Alkalien, Chlorammonium und oxalsaures Ammoniak. Auf rein
synthetischem Wege kam Schott zu folgenden nicht minder
bedeutsamen Ergebnissen. Gemenge aus chemisch reinen Materialien, nämlich gemahlenem
Quarz, Thonerde und Eisenoxyd (erstere aus schwefelsaurer Thonerde, letzteres aus
Chlorid mit Ammoniak gefällt) und kohlensaurer Kalk (aus Chlorcalcium mit
kohlensaurem Ammoniak gefällt) in folgenden Verhältnissen:
I
II
III
IV
Kieselerde
23,8
238,
23,3
24,3
Thonerde
11,4
–
6,5
6,9
Eisenoxyd
–
11,4
4,7
4,8
Kalk
64,8
64,8
65,4
64,1
––––––––––––––––––––––––
100,0
100,0
99,9
100,1
bei beginnender Weißglut gebrannt, fein zerrieben und mit
Wasser angemacht, gaben sämmtlich trefflich erhärtende Producte; auch der Cement Nr.
II, gänzlich frei von Thonerde, aus blosem Eisenoxyd mit Kalk. Eine andere Probe von
letzterm, der man 1,2 Proc. Aetznatron zugefügt hatte, lieferte eine schwarzbraune
und zwar die härteste bis dahin beobachtete Cementmasse. Die Proben Nr. III und IV,
lediglich im Kalkgehalt verschieden, mit noch mehr Kalk versetzt (7,7 und 8,0
Proc.), zerfielen zu Pulver, welches jedoch mit Wasser angemacht an der Luft wieder
bedeutend nacherhärtete. Es folgt daraus, daß die Eigenschaft der Cemente, worauf
ihre Anwendung beruht, keiner bestimmten chemischen Zusammensetzung angehört, daß
eine die hydraulischen Eigenschaften repräsentirende chemische Formel nicht
existirt. Alle Gemenge aus obigen Stoffen, welche bei den praktisch möglichen
Feuersgraden hinreichend sintern und dicht werden und nach dem Glühen nicht
zerfallen, eignen sich zu Cementen. Alle kommen in der Eigenschaft überein, Wasser
chemisch zu binden und zwar langsam ohne merkliche Entwicklung von Wärme, wie die
fabrikmäßig erzeugten Portlandcemente. Aber nicht daß sie Wasser binden, sondern die
Art, wie sie es binden, ist das Charakteristische und Entscheidende. Darüber ist
folgende Beobachtung sehr belehrend. Englischer Portlandcement wurde von den
sandgroben Theilen durch Abschlämmen (mit Petroleumsprit) befreit; der zarte
flockige Theil allein, mit einem großen Ueberschuß von Wasser unter fleißigem
Umschütteln 8 Tage stehen gelassen, so daß das Ganze einen losen Schlamm bildet,
nahm 14,8 Proc. Wasser auf; derselbe Portlandcement, in einen Kuchen gegossen und 6
Monate unter Wasser aufbewahrt, 20,4 Proc. Auch dann kann man nicht sagen, daß die
Wasseraufnahme beendigt
sei; denn vollkommen erhärteter Portlandcement, feinzerrieben und mit Wasser
angemacht, bindet nochmals ab und nimmt einige Festigkeit an, offenbar durch
Bloslegung von Theilchen, zu denen das Wasser nicht hatte gelangen können.
Bedeutsame Winke gibt der von Schott nachgewiesene Einfluß
des Korns bei der Zerkleinerung des Portlandcementes. Der nach der Abscheidung des
staubförmigen feinen Theils vom besten englischen Material hinterbliebene Rückstand
hat das Korn von mittelgrobem Sand. Er gewann, mit Wasser angemacht, auch nach
Monaten keinen nennenswerthen Zusammenhang, band aber, nachdem er feingerieben
worden, sogleich ab und erlangte denselben Härtegrad wie der mehlfeine Theil. Bei
grobem Korn sind der Berührungspunkte zu wenig, das Wasser wirkt nur sehr
oberflächlich und dringt nicht in das Innere der groben Körner vor; die
Zerkleinerung muß der Wirkung eine weite Strecke entgegenkommen.
Sehr belehrend sind ferner die Beobachtungen von Schott (1871 202 52) über die Cemente aus Gemengen von Gyps und Kalk. Solche Gemenge,
gleichviel ob aus gebranntem oder ungebranntem Gyps, sind an sich nicht hydraulisch;
sie erlangen diese Eigenschaft erst durch Glühen bei einer der Weißglut nahen
Temperatur, eine Eigenschaft, die jedoch keinem bestimmten Mischungsverhältniß
ausschließlich angehört. Gemenge von gebranntem Gyps mit gebranntem Kalk in 11
Abstufungen von 125 G. Th. bis zu 5 G. Th. Kalk auf 100 G. Th. Thonerde verhielten
sich ähnlich; selbst Gyps allein zeigte bei gleicher Behandlung, obwohl in mäßigem
Grade, hydraulische Eigenschaften. Wesentlich bedingt ist die hydraulische
Eigenschaft von dem physikalischen Zustande des Productes, nämlich von der Sinterung
im Feuer. Die Fähigkeit zu sintern besitzt schon der blose Gyps; sie nimmt zu mit
steigendem Kalkgehalt der Mischung und erreicht den Höhepunkt bei dem Verhältniß
gleicher Molecüle beider Körper. Mischungen, diesem Verhältniß naheliegend, und zwar
nur solche Mischungen, sind im strengsten Feuer schmelzbar; sie erscheinen nach dem
Ausgießen matt feinkörnig. Alle übrigen Gemenge sind unschmelzbar, zeigen aber nach
dem Glühen einen hochkrystallinischen Bruch. Mit der Sinterung (bez. Schmelzung)
Hand in Hand geht eine starke Verdichtung der Masse und mit der Verdichtung eine
gründliche Veränderung im Verhalten zum Wasser. Die nach dem Brennen gepulverten
Massen geben, mit Wasser angemacht, keine fühlbare Wärmeentwicklung; sie binden, und
zwar erst nach Verlauf von mehreren Stunden, ab und erlangen nach einiger Zeit, wenn
inzwischen feucht gehalten, eine beträchtliche Härte auch ohne Mitwirkung der Kohlensäure. Legt man
sie, statt sie feucht zu erhalten, unter Wasser, so tritt eine secundäre Erscheinung
ein; die Löslichkeit des Gypses und des Kalkes macht sich geltend, und die erhärtete
Masse zergeht oberflächlich zu Schlamm. Während des Abbindens und Erhärtens binden
die Glühproducte Wasser. Die Menge des gebundenen Wassers steigt anfangs mit
wachsendem Kalkzusatz, sie erreicht ein Maximum bei der Mischung aus gleichen
Molecülen beider Bestandtheile und nimmt bei weiter steigendem Kalkzusatz wieder
merklich, um etwa 8 Proc., ab. Die Menge des von den Mischungen mit gleichen
Molecülen und darüber aufgenommenen Wassers ist bedeutend höher (32 bis 39 Proc.)
als die Summe des dem Gyps und Kalk unter gewöhnlichen Umständen zukommenden
Hydratwassers (21,1 bis 22,8 Proc.). Gebrannter Gyps ohne allen Kalkversatz, langsam
und gut erhärtend, nahm stets weniger (um 1/3 bis 2/3) Wasser auf als im einfach
entwässerten Zustande.
Cement aus mit Kalk geglühtem Gyps verhält sich beim Anmachen sehr verschieden, je
nach der Menge des verwendeten Wassers; im Allgemeinen fällt die Härte ungleich
besser aus bei sparsamem Wasserzusatz. Den weitaus größten Einfluß übt der Grad der
Zertheilung des Cementes. Proben ein und derselben Masse, nach dem Abbinden in
Wasser versenkt, verhielten sich, wie folgt: mehlfrei gepulverter erhärtete kaum
noch, band 36 Proc. Wasser und nahm eine Dichte an (ohne Poren) von 2,899, mit Poren
von 2,089; dabei war die noch zu erzielende Härte ganz von der Menge des
Anmachwassers bedingt; zum Korn des mittelfeinen Sandes zerrieben, erhärtete der
Cement vollkommen, band 24 Proc. Wasser und nahm eine Dichte ein von 2,899 bez.
2,089; die Menge des Anmachwassers machte keinen fühlbaren Unterschied in der
Härte.
Auch bei den mehlfeinen Proben, die mit viel (dem 0,6 fachen Gewicht) Wasser
angemacht, zuletzt ganz und gar erweichen, tritt anfangs Erhärtung ein, die nachher
ins Gegentheil umschlägt unter Quellen und Treiben. Nimmt man solche mehlfeine
Proben vor dem Beginn des Treibens aus dem Wasser, so sind sie ebenso fest wie die
aus gröberm Korn; das Hydratwasser betrug aber auch in einem solchen Fall nur 19,5
Proc.
Es ist demnach klar, je feiner die Masse gepulvert war, um so vollständiger
hydratisirt sie sich. Nun bildet aber mehlfeine Masse ein lockeres Haufwerk, sie
nimmt bei gleichem Gewicht den doppelten Raum ein gegen sandgrobe. Das Wasser kann
durch die weiten Poren zuletzt bis ins Innere dringen. Die bereits verkittete Masse
wird zuletzt durch das fort und fort hinzukommende Hydrat gesprengt, wenn dessen
Bildung nicht durch
rechtzeitige Entziehung des Wassers abgebrochen wird. Bei gröber gepulverter Masse
bleiben die Dinge unter allen Umständen im Gleichgewicht; das Wasser dringt nicht
bis ins Innerste der Körner vor, das in weit beschränktem Maße gebildete Hydrat
findet eben noch Platz in den Zwischenräumen. Bei den mehlfeinen Massen findet nach
hinreichend langem Aufenthalt im Wasser bedeutende, bei den sandgroben Massen
geringe Ausdehnung statt. Dazu kommt, daß das Volumgewicht bei jenen nicht größer
ist als das mittlere des ursprünglichen Cementes und des aufgenommenen Wassers; bei
diesen erheblich größer. – Durch Eingießen des mehlfeinen Cementes in Räume
mit geschlossenen Wänden wird der Ausdehnung der Masse oder, was dasselbe besagt,
der Aufnahme von Hydratwasser eine Grenze gesetzt, und man erhält Güsse von normaler
Härte. Bei einer Probe mit solchem mehlfeinen Cement fand man, nachdem sie 6 Wochen,
in einen Messingring geschlagen, im Wasser gelegen, 16,6 Proc. gebunden und die
Dichte 3,116.
Die normale Erhärtung hängt also bei den Gypscementen gleichzeitig von mehreren
Bedingungen ab, nämlich:
1) davon, daß überhaupt Wasser gebunden wird;
2) daß dabei keine merkliche Wärme entwickelt wird, daß sie
langsam vor sich geht;
3) von der Menge des Wassers, welches zu Hydrat gebunden
wird;
4) von der Menge des beim Anmachen der gepulverten Masse
verwendeten Wassers;
5) von dem Korn der gepulverten Masse;
6) von der Zeit der Einwirkung des Wassers;
7) von dem mechanischen, der Ausdehnung entgegenwirkenden
Widerstand;
8) von der Raumerfüllung und dem Volumgewichte.
Zur normalen Erhärtung braucht nicht nur nicht der ganze Betrag des bindbaren
Hydratwassers aufgenommen zu werden, sondern es kommt vielmehr darauf an, daß gerade
die den Umständen entsprechende Menge gebunden wird.
Die aufgeführten Bedingungen gelten ohne Zweifel nicht nur für den Gypscement,
sondern für hydraulische Producte überhaupt, namentlich auch für den Portlandcement.
Dieser bietet nur die weitaus günstigsten Verhältnisse. In Folge der Bindung von
Hydratwasser wird der Gypscement specifisch leichter (im besten Fall von 3,3 auf
2,9), nicht minder der Portlandcement (von 3,2 auf 2,7); aber bei diesem ist die
Bindung von Wasser nicht nur langsamer, sondern auch der Menge nach eingeschränkter
und daher sehr wenig Neigung zu einer schädlichen Gegenwirkung der Ausdehnung gegen den
Zusammenhang, also zum Treiben, welche bei dem Gypscement sehr hoch ist.
Der äußerste Gegenfüßler des Portlandcementes ist der gewöhnliche Kalk, bei welchem
die Anwendung gerade auf einem weitgetriebenen Grade von Treiben als regelmäßige und
darum normal angesehene Erscheinung beruht. Die Ursache dieses hochgradigen Treibens
ist nicht sowohl die Menge des zur Bindung kommenden Hydratwassers, als vielmehr die
Energie, in deren Folge die starke Wärmeentwicklung, bei der Bindung des
Hydratwassers. Sie ist nach W. Wolters (1870 196 343) so groß, daß das beim Löschen des Kalkes unter
gewöhnlichen Umständen überschüssig eingesaugte Wasser plötzlich in Dampf verwandelt
wird und die ohnehin lockere Masse des Kalkes sozusagen in seine Molecüle
zersprengt. Daher das ungeheure Aufgehen oder „Gedeihen“.
Nichts desto weniger ist diese so regelmäßige Erscheinung bei der Bindung des
Hydratwassers, als blose Function der bedeutenden Wärmeentwicklung, keineswegs vom
Kalke unzertrennlich; sie ist zunächst ein bloser Ausfluß der Manipulation und
verschwindet mit geeigneter Abänderung derart, wie das Hydrat zu Stande kommt. Ein
Stück gebrannter Kalk, einem Strom von Wasserdampf ausgesetzt, verwandelt sich
vollständig in Kalkhydrat ohne die geringste Erscheinung des Löschens, ohne zu
zerfallen, ohne aufzugehen; keine äußerliche Veränderung ist bemerkbar. Natürlich,
denn mit der Einführung des fertig gebildeten Dampfes, statt tropfbar flüssigen
Wassers, ist jede Ursache der Sprengung der Theilchen weggefallen; ein Kalkstück
bleibt ein zusammenhängendes Stück ohne Aenderung des Ansehens und der Form. Stampft
man fein zerriebenen gebrannten Kalk in ein verschließbares, mit feinen Oeffnungen
in der Wand versehenes Metallrohr und legt es unter Wasser, so verwandelt sich der
Kalkstaub nach einigen Stunden in einen zusammenhängenden Stab aus Kalkhydrat, von
der Festigkeit der Schreibkreide, in Folge einer reinen hydraulischen Erhärtung. Das
langsam eindringende Wasser, die ebenso rasch zerstreute als entwickelte Wärme,
hindert das Treiben vollkommen; die sonst maskirten hydraulischen Eigenschaften des
gebrannten Kalkes enthüllen sich einfach. Der entscheidende Einfluß der Manipulation
zeigt sich in sehr klarer Weise auch bei dem gemeinen sogen. Luftmörtel. Wenn man
den gebrannten Kalk, statt ihn vorher zu löschen, ungelöscht mit dem Sandversatz
einreibt und mischt und zuletzt das Wasser zusetzt, so erhält man ein Gemenge, was
kein Maurer für Mörtel ansprechen wird. Der Kalk bildet dann keine zarte rahmige
Masse, er geht nicht auf, er löscht sich nicht nach dem gewöhnlichen Begriff, das
Gemenge bleibt kurz wie Sand und Wasser allein. Die Kalktheilchen, durch die Sandkörner isolirt und
aus einander gehalten, lassen auch hier eine so rasche Zerstreuung der entwickelten
Wärme zu, daß keine Dampfbildung im Innern derselben erfolgt.
Um so nützlicher für die Praxis machen sich die eben berührten hydraulischen
Eigenschaften des gemeinen Kaltes in dem Selenitmörtel geltend. Bei dem
Zusammenbringen des gebrannten Kalkes mit Gypslösung erfolgt eine Niederschlagung
des aufgelösten Gypses auf den Kalk in erster Linie (vgl. Schott 1873 209 31). Diese Niederschlagung ist
von gleicher Art wie die Niederschlagung von Farben auf spinnbare Faser, von
Gerbstoff auf das Gewebe der thierischen Haut, von Kalk in Zuckerlösung auf die
Knochenkohle u.s.w., eine Wirkung der Flächenanziehung. Sie erfordert, um sich zu
vollziehen, eine gewisse Zeit, einige Minuten, und kann daher nur bei Kalk zu Stande
kommen, der sich langsam löscht und dadurch die erforderliche Zeit gewährt. Deswegen
sind träge löschende magere Kalke für den Scott'schen Mörtel gerade die geeigneten.
Nachdem die Flächenanziehung gewirkt, sind alle Kalktheilchen mit einer äußerst
dünnen, aber zusammenhängenden Schicht von Gyps überzogen, die unter den gegebenen
Bedingungen, d.h. so lange ganz und gar unlöslich ist, als das Wasser aus dem
vorhandenen Ueberschuß von Gyps mit diesem gesättigt bleibt.
Der so entstandene Ueberzug von Gyps isolirt nun die einzelnen Kalktheilchen, er
verlangsamt die Berührung mit dem Wasser und damit die Bindung desselben durch den
Kalk in dem Grade, daß die Wärme sich nicht mehr in der gewöhnlichen Weise anhäufen
kann. Es findet kein eigentliches Löschen, keine Dampfbildung mehr statt, oder ist
doch bis auf schwache Andeutungen der Erscheinung erlahmt. Unter diesen Umständen
kommt die hydraulische Eigenschaft des gebrannten Kalkes zur Erscheinung; er bindet
ab und geht in eine zusammenhängende Masse über, auch ohne alle Mitwirkung der
Kohlensäure der Luft. Daraus erklärt sich, daß ein solcher mit Gyps behandelter Kalk
schneller fest wird. Sein eigentlicher Werth, die größere Härte, die er erlangt,
oder was dasselbe ist, seine Fähigkeit, ungleich mehr Sand zu binden als gewöhnlich
gelöschter Kalk, liegt auf einer andern Seite; er ist der Ausfluß der ungleich
größern Dichte. Je dichter das Kalkmaterial vor der Aufnahme von Kohlensäure, um so
fester, härter und bindender ist auch das daraus hervorgehende Kalkcarbonat. Nun
besteht zwar kein Unterschied in der Dichte des Kalkes an sich, auf die eine oder
andere Art gelöscht, wohl aber in der Dichte der Kalkmasse, die Poren eingerechnet.
Mit Gyps behandelter Kalk behält beim Verarbeiten mit Wasser die Farbe wie im
gebrannten Zustande; er besitzt nicht den äußersten Grad der Zertheilung, um eine
weiße Milch zu bilden. Aber seine Zertheilung ist noch hinreichend, um ihn völlig
gleichmäßig mit einem starken Zusatz von Sand mischen zu können, und dabei ist er
nahezu 2,5 mal dichter in Masse als der unendlich zertheilte, gewöhnlich gelöschte
Kalk. Der erstere verkittet die Sandkörner sofort auf dem Wege der hydraulischen
Bindung und bildet durch die darauf folgende Anziehung der Kohlensäure einen
ungleich härtern und festern Körper. Der gewöhnlich gelöschte Kalk liegt locker und
sperrig zwischen den Kalktheilen und bindet erst nach dem mit dem allmäligen
Austrocknen erfolgenden Anziehen von Kohlensäure. Wie Wolters nachgewiesen hat, erfolgt diese Anziehung erst in den letzten
Stadien der Austrocknung und ist bei frischem nassem Mörtel so gut wie Null.