Titel: | Vervollständigung von Indicator-Diagrammen. |
Autor: | V. H. Sirk |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 407 |
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Vervollständigung von
Indicator-Diagrammen.
Mit Abbildungen auf Taf.
X [a/3].
Sirk, über Vervollständigung von Indicatordiagrammen.
Die Anwendung des Indicators zur Bestimmung der auf die Kolben abgegebenen
Arbeitsleistung des Dampfes, sowie zur Untersuchung der Function der Steuerung hat
an Ausdehnung gewonnen, und zum großen Vortheil der Dampfökonomie, sowie zur
Erreichung einer richtigen Dampfvertheilung ist der Indicator in den Maschinenräumen
ein wohl gekanntes Instrument.
Zur richtigen Beurtheilung der im Diagramme versinnlichten Curven, und um deren
Eigenthümlichkeiten gut zu erkennen, ist eine fachgemäße Verarbeitung der erhaltenen
Diagramme, sowie eine vom richtigen Verständniß geleitete Genauigkeit bei der
Anwendung des Instrumentes Hauptbedingung. Für den Fall, als das Diagramm als Maß
der Kolbenleistung der Maschine gilt, ist die Scale der Spannung der Feder
entsprechend zu controliren und richtig zu stellen, wobei man das Instrument am
Dampfcylinder feststellt, durchwärmt und Gewichte, welche dem directen Druck auf den
Kolben des Instrumentes entsprechen, auflegt und wenigstens die Fundamentalpunkte der Scale somit genau
bestimmt. Wenn man in Erwägung zieht, daß häufig 1qmm der Diagrammfläche bis zu 30e entspricht, wird man es nicht übertrieben
finden, wenn wir die größtmöglichste Genauigkeit bei Vornahme dieser Rectificirung
anempfehlen. Für mächtige Maschinen wäre die Anwendung größerer Instrumente
anzuempfehlen, um nicht aus einer Fläche von einigen Quadratcentimetern auf eine
Leistung von mehreren Tausend Pferdekräften schließen zu müssen. Bei der
sorgfältigen Ausführung der gebräuchlichsten Richard'schen Instrumente von Schäffer und Budenberg ist
eine Veränderung der Eigenthümlichkeit von Diagrammcurven wegen minder genauer
Adjustirung des Bewegungsmechanismus nicht zu befürchten. Die Theile sind exact
zusammengestellt und die einzelnen Gelenke und Führungen gestatten keinen todten
Gang. Diesbezüglich können wir nur anempfehlen, das Instrument nach jedem Gebrauche
nur von einem verläßlichen Arbeiter reinigen und vollkommen trocken abwischen zu
lassen, um ein Verrosten der einzelnen Theile oder das Festsetzen einer Fettschichte
im kleinen Cylinder hintanzuhalten, welche einerseits zu einer Beschädigung des
Instrumentes führen oder Reibungswiderstände verursachen würde.
Die Instrumente sollen den Dampf möglichst direct erhalten, um keine
Spannungsverluste theilweise durch den Widerstand eines nicht genügend weiten
Dampfrohres, theilweise durch Abkühlung hervorzurufen. Bei gekuppelten
Marinemaschinen ist es daher schon gebräuchlich mit vier unmittelbar auf den
Cylindern verschraubten Instrumenten zu indiciren, um diesem Uebelstande theilweise
zu begegnen. Sind Rohre zu den beiden Cylinderenden geführt, so hat man diese vor
dem Gebrauche genau durchzustoßen, weil sie sich leicht mit einer zähen, schmierigen
Masse verlegen und den Dampf drosseln.
Ein Uebelstand, welcher häufig die Eigenthümlichkeit der Diagrammcurven verwischt und
zu falschen Schlüssen bezüglich der Art und Weise der Dampfvertheilung führen mag,
ist die Schwierigkeit, der Papiertrommel eine genau der Kolbenbewegung entsprechende
Drehung mitzutheilen. Am häufigsten geschieht dies durch Einschaltung eines
einarmigen Hebels, welcher den Hub in einem entsprechenden Verhältniß verjüngt. Der
längere Arm wird durch eine Schnur mit dem Kreuzkopf oder einem Maschinentheile,
welcher mit dem Kolben die gleiche Bewegung verfolgt, verbunden, während der kürzere
Arm durch eine häufig über mehrere Rollen geführte Schnurleitung auf die
Papiertrommel wirkt. Diese Schnur muß nun, um die Bewegungsübertragung richtig zu
besorgen, die genaue Länge haben, und diese kann schwierig ermittelt werden. Ist die Schnur zu lang,
was man wohl gewahr werden kann, wenn die Papiertrommel an der Warze aufschlägt, so
wird an dem Wellenende des Cylinders eine zu große Füllung angezeigt und die
Compressionsecke ist zweifelhaft; ist hingegen die Schnur zu kurz, so wird die
Papiertrommel sich am Ende des Hubes rascher bewegen als der Kolben, weil die
Elasticität der Schnur an jenen Punkten zur Wirkung gelangt. Die Curve wird demnach
gleichfalls ihrer Eigenthümlichkeit beraubt und verliert an Werth. Da jedoch die
Schnur eine erforderliche Spannung besitzen muß, so ersieht man, daß die richtige
Spannung und Länge der Schnur an der Grenze von zwei Fehlerquellen liegt und daß
diese mehr oder weniger immer eintreten werden, wenn eine lange Schnurleitung
angewendet wird.
Bei Schiffsmaschinen leidet die Abnahme von Indicatordiagrammen an diesem
bedenklichen Uebelstand, weshalb es so häufig vorkommt, daß die hochinteressanten
Indicatorcurven mächtiger Maschinen zurückgehalten werden, weil dieselben so
eclatant verschiedene Füllungsgrade, Schlingen, negative Dampffüllungen etc.
anzeigen, obwohl mit Sicherheit angenommen werden kann, daß die Ursache nur in der
mangelhaften Aufnahme zu suchen ist. Diesem Nachtheile kann jedoch begegnet werden,
indem man statt der Schnurleitung ein Drahtgestänge mit Winkeln gleich einem
Glockenzuge und nur am Instrumente selbst eine ganz kurze geflochtene Schnur zur
Einhängung der Papiertrommel anwendet. Man trachtet das Gestänge thunlichst leicht
zu halten und achtet darauf, daß in den Gelenken der Drehzapfen kein todter Gang
möglich sei, welcher dem gleichen Uebelstand Veranlassung geben würde.
Um ein Gesammtbild der Arbeit einer Maschine zu gewinnen, ist es außerdem
wünschenswerth, daß Schieberdiagramme abgenommen werden, welche das Spiel der
Dampfspannung mit Bezug auf den Schieberweg zeigen. Bei mit Meyer's
Expansionsvorrichtung ausgerüsteten Maschinen kann die Bewegung der Papiertrommel
von der Expansionsschieberstange abgeleitet werden, wenn deren Excenter der
Dampfkurbel diametral gegenüber aufgekeilt ist. Dann wird es mit leichter Mühe
gestattet sein, die Uebertragung von der Vertheilungsschieberstange abzunehmen, und
das lehrreiche Schieberdiagramm darzustellen. Außerdem wird die Zusammenstellung
beider Curven durch das sogen combinirte Diagramm vermittelt. Man erhält dasselbe
als Curve, bei welcher die relativen Kolben- und Schieberwege als Ordinaten
gelten. Nach Rosenkranz, welcher die Materie erschöpfend
behandelt, erhält man das combinirte Diagramm, indem man die Kolbenstange des
Instrumentes von der Lenkerstange aushängt und durch eine Schnurleitung die Bewegung der
Vertheilungsschieberstange auf die Mittelschiene oder direct auf den Bleistift
überträgt. Wie wohl bekannt, erhält man hierbei die Schieberellipse, welche Spineux als die Basis seiner Schiebersteuerungstheorie
aufstellt, wegen der endlichen Länge der Excenterstange als eine der Ellipse
ähnelnde Eilinie.
J. Wilkinson (Engineering Mai
1876 S. 388. Juli 1876 S. 40) gibt zur Abnahme von combinirten Diagrammen folgende
compendiöse Anordnung (Fig. 2 und 3) an. Die Papiertrommel
eines Indicators wird am Schieberkasten parallel zur Richtung der Schieberstange
befestigt und deren Schnurleitung in einer solchen Weise geführt, daß der
Papiertrommel eine der Kolbenbewegung entsprechende Drehung ertheilt wird, wie bei
der Aufnahme von Kolbendiagrammen. An der Schieberstange wird ein Klemmband a befestigt, welches mit einem Zapfen b in die Kröpfung des Schublineals bc eingreift und die Schieberbewegung auf das
geführte Schleifstück c überträgt. An diesem ist ein Arm
d festgestellt, welcher mit einem Bleistift das
combinirte Kolbenschieberdiagramm auf der Papierhülfe verzeichnet, wenn die Schnur
und das Schublineal bc eingehängt wurde. Bei sich
ergebender Gelegenheit werden sodann bei geöffnetem Schieberdeckel jene Stellungen
des Bleistiftes verzeichnet, welche den Momenten der Oeffnung und Schließung der
Canäle entsprechen.
Die Fehlerhaftigkeit der unserer Quelle entnommenen Curve ist zu offenbar, als daß
wir anstehen sollten, sie in Copie vorzuführen und zu kritisiren. Hat man zu beiden
Seiten der Linie MN (Fig. 4), welche der
Mittelstellung des Schiebers entsprechen, die äußere Deckung und die Canalbreite
aufgetragen, so gibt die Figur die Momente und Phasen der Dampfvertheilung mit Bezug
auf den Kolbenweg zu erkennen. Bei A beginnt die falsche
Einströmung, AN ist Gegendampf. Bei C beginnt der Canal zu schließen, bei D tritt Expansion ein und DN entspricht dem Füllungsgrade. Ebenso kann man die Momente am
Ausströmungscanal kennzeichnen, indem man die innere Ueberdeckung einbezieht.
Die mangelhafte Contour der vorgeführten Diagramme sind ohne Zweifel durch den im
Vorhergehenden besprochenen Fehler einer schlecht disponirten Schnurleitung
hervorgerufen worden, oder es fand die Schieberbewegung durch Herzscheiben
statt.
Zur Vervollständigung eines Diagrammsatzes rathen wir außerdem an, über die factisch
erhaltene Curve das theoretische Diagramm zu verzeichnen. Die Länge der
atmosphärischen Linie MR (Fig. 5) wird als Basis
gewählt, das Perpendikel AD gleich der
Eintrittsspannung des Dampfes gemacht. DB = MC ist die durch die Elemente der äußern Steuerung
oder die jeweilige Stellung der Expansionsvorrichtung bedingte Füllung. In B setzt die Expansionscurve ein, welche man für eine
beliebige Ordinate EF nach dem Mariotte'schen
Gesetze erhält, indem man den Punkt D mit F verbindet und durch B die
Linie BE || DF
zieht, so ist EF die jeweilige Spannung und E ein Punkt der Expansionscurve. Auf gleiche Weise
findet man die Endspannung und schließt sodann das Diagramm durch die atmosphärische
oder die Vacuum-Linie, je nachdem die Abströmung direct in die atmosphärische
Luft oder in den Condensator erfolgt. Dieses theoretische Diagramm wird einen
genaueren Einblick in die Eigenthümlichkeit der Indicatorcurve gestatten und soll
über jedes Diagramm verzeichnet werden, um die Abweichungen klar ersichtlich zu
machen.
Wir brauchen wohl nicht besonders zu betonen, daß die Construction der
Expansionscurve stets auf die absolute Vacuumlinie bezogen werden muß, sowie daß bei
dieser Construction die Curve derart verzeichnet wird, als ob die Spannungen bei der
Expansion gesättigter Dämpfe dem Mariotte'schen Gesetz folgen würden.
Wilkinson schlägt auch ein kleines Instrument vor,
welches die angegebene Construction erleichtert. Es besteht aus den beiden im
Gelenke L (Fig. 5) drehbaren
Schenkeln V und U; einer
derselben wird an die Vacuumlinie angelegt und der zweite Schenkel so weit
geschlossen, bis er mit dem Punkte 1 der Theilung den Punkt B berührt. Trägt man sodann die Linie MC, welche dem Füllungsgrade entspricht, zu mehreren Malen nach 2, 3, 4... auf
die Vacuumlinie auf, klemmt das Gelenk L fest und
schiebt die Lamelle V längs der Vacuumlinie, bis der
Theilpunkt 2 in die Ordinate des Punktes 2 fällt, so wird in II ein Punkt der
Expansionscurve erhalten. Die Theilungspunkte 2, 3... findet man einfach, indem man
die Hälfte, ein Drittel der Linie 1 O u.s.w. von O aus aufträgt.
Wilkinson schlägt das potencirte Mariotte'sche Gesetz
vor, wie es von Prof. Rankine für die bei Verrichtung
äußerer Arbeit stattfindende Expansion gesättigter Wasserdämpfe in wärmedichten
Gefäßen aufgestellt wurde. Nachdem es jedoch theoretisch nicht mehr und nicht
weniger Berechtigung zur praktischen Anwendung hat als das einfache Mariotte'sche
Gesetz, so empfehlen wir zur Fixirung der Theilpunkte der Scale das
Gay-Lussac-Mariotte'sche Gesetz, welchem die Spannungsverhältnisse des
expandirenden Dampfes nahezu folgen; man erlangt dann Curven, welche wirklich zur
Richtschnur genommen werden können. Es muß jedoch außerdem berücksichtigt werden,
daß jenes Dampfvolum, welches die sogen, schädlichen Räume erfüllt, in die Expansion
einbezogen wird. Man muß deshalb bei Benützung eines solchen Instrumentes, wenn MP
das Procentverhältniß
des schädlichen Raumes bekannt ist, den Punkt K statt
des Punktes D bei der Construction anwenden und die
Strecke PC als Füllung auffassen.
V. H. Sirk.