Titel: | Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur G. Pfuhl, Lehrer am Polytechnicum in Langensalza. |
Autor: | G. Pfuhl |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 501 |
Download: | XML |
Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur G. Pfuhl, Lehrer am
Polytechnicum in Langensalza.
Mit Abbildungen.
Pfuhl, über die Jute und ihre Verarbeitung.
Einleitung.Bei Bearbeitung der Einleitung und des 1. Abschnittes wurden benützt: Referat
von Julius Spiegelberg in Braunschweig über
Jute-Industrie; Wiesner's Abhandlungen
über die Jutefaser in Dingler's polytechn. Journal, 1869 194 244. 1874 213 525;
endlich die Notiz, ebendaselbst 1863 168 465.
(Nachdruck vorbehalten.)
Von allen fremdländischen Pflanzenfaserstoffen, wie Neuseeländischer Flachs (Phormium tenax), Manilahanf (Musa
Textilis, M. troglodytarum), Ostindischer Hanf (Crotalaria juncea), Bombayhanf (Hibiscus
cannabinus), Cocosbast (Faser von der Fruchtrinde der Cocospalme),
Chinagras (Böhmeria nivea), Ramiefaser (Böhmeria tenacissima), hat die Jute – die
Bastfaser zweier mit einander nahe verwandten Pflanzen, welche der Familie der
Tiliaceen angehören, nämlich der Corchorus capsularis
und der Corchorus olitorius – die weiteste
Verbreitung in der europäischen Textilindustrie gefunden. Diese aus Ostindien
stammenden Pflanzen, welche jetzt auch in andern warmen Ländern, z.B. in Algier,
Französisch-Guyana, Mauritius etc. angebaut werden, fanden zuerst in Dundee
1832 als Spinnstoff Eingang, und ist jetzt dieser Ort der Hauptsitz der bereits
großartig entwickelten Industrie. Später verbreitete sich dieser Industriezweig auch
nach andern Ländern und fand im J. 1861 zuerst Eingang in Deutschland in Vechelde
bei Braunschweig, wo sich um die Einführung dieses Stoffes der jetzige
Generaldirector der Braunschweigischen Actiengesellschaft für Flachs- und
Jute-Industrie in Braunschweig, Hr. Julius Spiegelberg, in hervorragender Weise mit Erfolg bemühte.
Die Vorurtheile gegen die Erzeugnisse aus diesem Spinnstoffe, welche nur langsam
überwunden werden konnten, und die erschwerenden Umstände, welche einer Entwicklung
dieser Industrie in Deutschland entgegen standen – und noch stehen, da
dieselbe ohne Schutzzoll gegen die mächtige englische Concurrenz anzukämpfen hat,
waren Veranlassungen, daß sich dieselbe erst in den letzten Jahren genügend
befestigt hat. Die außer in Braunschweig jetzt am Rhein, in Wien, in Hannover, in
Oldenburg, in Bremen und in Meißen bestehenden größern Etablissements verarbeiten
ca. 300000 Ctr. Rohjute, können aber den Bedarf an Jute-Artikeln in
Deutschland und Oesterreich bei weitem nicht decken, so daß eine weitere Ausbreitung
und Entwicklung dieser Industrie auch bei uns zu erwarten steht.
Auch in Ostindien und Nordamerika ist die Jute-Industrie seit einigen Jahren
emporgeblüht, in ersterm Länderreich durch die Billigkeit des Rohmaterials und der
Arbeitslöhne, in letzterm durch hohe Schutzzölle außerordentlich begünstigt. Amerika
hat jetzt in den südlichen Ländern, wie Florida, Louisiana, Texas und Missisippi die
Jutepflanze anzubauen versucht und dürfte, falls dies dauernd gelingen sollte, als
ein hervorragend begünstigter Producent von Jute-Artikeln auftreten können.
Während in den europäischen Ländern und in Nordamerika der Verbrauch an Rohmaterial
bereits über 6 Millionen Ctr. gestiegen ist, entzieht sich der Consum dieses
Materials in den Heimathsländern der Pflanzen jeder nur annähernd genauen
Schätzung.
Die Ermittlungen, welche die englische Regierung über die Verbreitung und den Anbau
der Jutepflanzen in Indien angestellt hat, haben ergeben, daß ein viel größeres
Rohjute-Quantum vorhanden ist, als bis jetzt verbraucht wird, und daß der
Anbau der Pflanze in ausgedehntestem Maße fortgesetzt werden kann. Von Jahr zu Jahr
erobert sich aber auch dieses schöne Material mehr Terrain, und seine Verbreitung
steigt mit der zunehmenden Erkenntniß seiner Verwendbarkeit zu den verschiedensten
Artikeln, deren Billigkeit mit schönem äußern Ansehen und Gediegenheit
wetteifert.
Die Jutefaser wurde in ihrem Heimathslande größtentheils durch Hausindustrie,
neuerdings wird sie aber auch in besondern Fabriken zu Stricken und Seilen
verarbeitet, und werden aus dem Gespinnste Gewebe hergestellt, von denen die feinern
zu Kleidungsstücken, die gröbern aber als Material für Säcke zum Verpacken von Reis,
Kaffee, Baumwolle, Zucker etc. – bekannt als Gunnysäcke – im
ausgebreiteten Maße Verwendung finden. Nach englischen statistischen Nachweisen
sollen Ende 1875 bereits 3690 mechanische Webestühle in Indien in Betrieb gesetzt
worden sein, die monatlich 6730360 Säcke zu liefern im Stande sind, und sollen bis
Ende Juni 1876 im ganzen 4500 mechanische Stühle mit einer monatlichen Production
von 8190000 Säcken in Thätigkeit gelangen.
Die bessern Jutegewebe heißen in Bengalen „Megila“, die
geringern zu Packtuch verwendeten „Tat“ oder
„Choti“, und soll sich von letzterm Ausdruck der Name
„Jute“ herleiten. Jute war anfänglich die Bezeichnung der
Hindus für das Gewebe und bedeutete soviel wie „Zeug“; doch
wird jetzt der Name auch auf die rohe Corchorusfaser angewendet.
Die europäische Industrie stellt aus der Faser verschiedene Gewebe her, von denen die
hauptsächlichsten nach schottischer Bezeichnung sind:
Baggins, ein loseres, weniger dichtes, grobes Gewebe,
welches als billigstes Verpackungsmaterial benützt wird.
Tarpawlings, ein festeres, stärkeres, ebenfalls grobes
Gewebe, welches besonders zu Säcken für diejenigen Artikel gebraucht wird, bei denen
es auf Stärke und Dichtigkeit ankommt, also für Mehl, feinen gemahlenen Zucker,
Cement etc.
Twilled Sackings, ein Zwillich- oder
Drillich-Gewebe, von sehr großer Festigkeit und Dauerhaftigkeit; dasselbe
wird zum Emballiren von schweren Gütern, von gepreßten Ballen, von Wolle, Hopfen,
auch Cement, Gyps, Kaffee etc. benützt.
Hessians, das feinste und schönste Gewebe, dient zum
Verpacken feinerer Waarencollis, aber auch zu Säcken für Salz, Rohzucker,
künstlichen Dünger etc., auch als Futterleinen, zur Herstellung von Matrazen
etc.
Es werden, da sich Jute sehr leicht bleichen und alsdann schön färben läßt, Teppiche,
Läufer, Tischdecken, Vorhänge von sehr gediegenem Aussehen und großer Haltbarkeit
aus derselben hergestellt. Man benützt ferner die Jutegarne, sowie daraus gefertigte
Zwirne in rohem, wie gebleichtem und gefärbtem Zustande zu den verschiedensten
Artikeln, wozu man sonst Baumwolle verwendete, so auch als Kette mit Baumwolle,
Wolle und Flachs vermischt in Hosenstoffen, Bettdrellen, Möbelripsen etc.; auch zu
Jagd- und Feuerwerkszündern, Lampendochten, zu Gurten, zu Kordel, zu Stramin
aller Art und vielen kleinern Artikeln, die zwar an sich nicht bedeutend sind, aber
in ihrer Gesammtmasse ein großes Quantum repräsentiren, werden die Garne verwendet.
Die rohe Jute findet ferner zum Umwinden von unterseeischen Telegraphenkabeln
vielfache Verwendung, während in neuester Zeit dieselbe in der Chirurgie als
Verbandmittel (Verband-Jute), zu welchem Zweck sie besonders zubereitet wird,
Verwendung gefunden hat.Die Jute wird entweder, wenn sie in der Chirurgie Anwendung findet, mit
Salicylsäure (Salicyl-Jute), oder mit Karbolsäure
(Karbol-Jute) getränkt, im erstern Falle im trockenen, im letztern im
halbfeuchten Zustande angewendet, und hat sich besonders die letzte Art der
Anwendung außerordentlich bewährt. – Das Aufsaugungsvermögen der
Jute, bedingt durch die Hohlräume der Elementarfasern, ist nämlich sehr groß
und die Verdunstung relativ gering, weshalb die stark ausgedrückten und sich
fast trocken anfühlenden Jutekuchen doch noch mit Sicherheit antiseptisch
wirken. Die Jute übertrifft in dieser Hinsicht sowohl die Baumwoll-,
wie die Leinenfaser, so daß, außerdem noch begünstigt durch ihren
außerordentlich niedrigen Preis (50k rohe Faser besserer Qualität kosten loco Hannover etwa 18 bis 24
M.), ihre ausschließliche Verwendung für diesen Zweck zu erwarten steht.
(Näheres hierüber enthalten die Mittheilungen des Stabsarztes Dr. R. Köhler in der
Deutschen medicinischen Wochenschrift, 1876 S. 246.)Es eröffnet sich hierdurch der Industrie in der Herstellung der geeignetsten
Form, in welcher die Jute zur Verwendung gelangen kann, ein neues, nicht
unergiebiges Feld. Eine etwaige Besorgniß, daß im
Kriegsfalle und bei eintretender Blockade unserer Zufuhrhäfen dieses
Material nicht in genügender Menge sich würde zu dem beregten Zwecke
beschaffen lassen, erscheint wohl unnöthig, da die deutschen Spinnereien
stets einen derartigen Vorrath von Rohmaterial besitzen, welcher mehr als
genügend ausreichen würde, selbst wenn nur ein Theil zu Verbandzwecken
verarbeitet wird. Zudem würden sicher die deutschen Spinner, bei Voraussicht
einer derartigen Eventualität, ihren Vorrath an Rohmaterial gegen den
augenblicklichen erheblich vermehren.
Die bei der Fabrikation von Jute-Artikeln sich ergebenden Abfälle werden
theils als geschätztes Putzmaterial in Eisenbahnwerkstätten und Maschinenfabriken,
theils als Polstermaterial verbraucht. Die geringern, ganz kurze Fäserchen
enthaltenden Abfälle wandern in die Papierfabriken, und der bei der Reinigung der
Abfälle sich abscheidende Staub und Schmutz, welcher noch etwas kürzere Fasern,
sodann aber Theilchen von dem Bast und den Stengeln der Pflanze enthält, wird als
Düngungsmaterial benützt.
Nur wenige Jahrzehnte sind vergangen, seit die Jutefaser in Europa bekannt wurde, und
nur wenig über ein Decennium ist verflossen, seit die Verarbeitung derselben in
Deutschland begonnen hat, – und schon hat dieselbe, trotzdem sie, wie später
gezeigt werden soll, arg verleumdet wurde, ein so achtunggebietendes Feld sich
erobert. Freilich haben auch einige verwandte Fabrikationszweige, wie z.B. die
Fabrikation von Verpackungsmaterial aus groben Heedegarnen, Einbuße erlitten, haben
sogar gänzlich eingestellt werden müssen; doch ist dies kaum zu beklagen, wenn der
Ersatz betrachtet wird, welchen das billige und dabei so angenehm gelblich braune,
glänzende Verpackungsmaterial aus Jute, gegenüber dem schmutzig grauen, unreinen,
stacheligen Gewebe aus Heedegarnen bietet. Die Existenzberechtigung dieses
letzterwähnten Industriezweiges hat eben mit Einführung der Jute aufgehört. Die
Jutepflanze wird selbst bei gesteigerter Bodencultur im Heimathslande und durch ein
noch sorgsamer überwachtes Röstverfahren, welchen Punkten die britische Regierung
neuerdings erhöhte Aufmerksamkeit schenkt, nicht im Stande sein, den einheimischen
Flachs oder Hanf zu verdrängen. Die Jutefaser besitzt nicht die Festigkeit des
Hanfes und anderseits nicht die hohe Feinfaserigkeit bessern Flachses, wohl aber
übertrifft sie in ihren guten Eigenschaften jedes ordinäre
Flachsgewächs; deshalb sollte die Einführung der Jute ein Sporn sein für
den Landwirth und Flachsspinner, die Cultur der edlern
Leinenpflanze mit besonderer Liebe zu pflegen, damit derselben die feinen
Garnnummern verbleiben; die groben sind unwiderruflich von der Jute, und zwar mit
vollstem Recht, in Anspruch genommen.
Bei den weitern Mittheilungen über die Jute und ihre Verarbeitung ist folgende
allgemeine Eintheilung zu Grunde gelegt worden:
I. Abtheilung.
1) Gewinnung und Verpackung der Jutefaser.
Eintheilung in Qualitäten.
2) Eigenschaften der Jutefaser.
II. Abtheilung.
Verarbeitung der Jutefaser, und zwar:
1) Das Erzeugen der Garne. a) Die Vorbereitung
der Faser zum
Vorspinnen. b) Das Vorspinnen. c) Das Feinspinnen und Zwirnen. d) Abfälle,
deren Verwendung und Verarbeitung. e) Das
Weifen, Numeriren und Packen.
2) Das Weben der gewöhnlichen Jute-Artikel. a) Vorbereitung des Schusses
und der Kette. b) Das Weben und
Appretiren. c) Herstellung der Säcke.3) Allgemeine Mittheilungen über
Betriebsführung, Spinnkosten, Preise
etc.
III. Abtheilung.
Bauliche Mittheilungen. Stellung der Maschinen. Sheddächer.Plan der
Braunschweigischen Jutespinnerei und Weberei.
Es machen diese Mittheilungen weder den Anspruch der Vollständigkeit noch den der
erschöpfenden Gründlichkeit. Verfasser hat nur die ihm aus seiner frühern
praktischen Thätigkeit bekannten Zweige dieser Industrie einer Besprechung
unterzogen, soweit er sich Material gesammelt und ihm solches durch die freundlichen
Unterstützungen der HH. Julius Spiegelberg und Victor Rack zugänglich wurde.
I. Abtheilung.
1) Gewinnung und Verpackung der
Jutefaser. Eintheilung in Qualitäten.
Die, wie erwähnt, aus dem südlichen Asien stammenden Pflanzen Corchorus capsularis und Corchorus olitorius, aus denen die Jutefaser gewonnen wird, sind
einjährig und werden jährlich im Monat April oder Mai (wie bei uns der
Flachs und Hanf) frisch gesäet. Die Pflanzen erreichen in etwa 100 Tagen
nach ihrer Aussaat ihre Reife und dabei eine durchschnittliche Länge von
etwa 12 Fuß englisch (3m,65), bei
etwa 1/2 Zoll (13mm) Stengeldicke.
Von den Eingeborenen werden die Pflanzen nicht blos als Fasermaterial,
sondern auch in den Blättern und Schoten als Nahrungsmittel geschätzt, zu
welchen Zwecken sie besonders cultivirt werden. Außer den erwähnten
Corchorus-Arten dienen zur Fasergewinnung auch noch andere, so z.B.
Corchorus decemangulatus, welche in den
französischen Colonien angebaut werden. Häufig findet man auch die im
Handel vorkommenden Jutefasern mit andern indischen Fasern, welche nicht von
den Corchorus-Gattungen abstammen, vermengt, z.B. mit den Fasern
zweier indischen Malvaceen: Urena simata und Ablemoschus tetraphyllus. Da diese Fasern aber
der Jutefaser an Dauerhaftigkeit und Festigkeit gleichkommen, sie sogar
übertreffen, so darf man diese Vermengungen wohl nicht als eine Verfälschung
betrachten.
Die Jutepflanze gehört zu denjenigen, bei welchen der spinnbare Faserstoff
zwischen dem Bast und dem Stengel liegt, und besteht die Gewinnung der
Spinnfaser darin, daß die (etwa im Monat August geernteten) Pflanzen einem
Röstprocesse unterworfen werden – ähnlich dem, wie er bei uns zur
Gewinnung der Flachs- und Hanffasern angewendet wird, – um den
Bast von den Fasern und diese von dem holzigen Stengel zu trennen. Die
Pflanzen werden zu diesem Zweck von den Nebenzweigen und Blättern befreit,
bündelweise in fließendes Wasser oder auch in Teiche, die weit von den
Dörfern abgelegen sind, gelegt und so beschwert, daß sie untersinken. Die
hohe, in der Heimath der Pflanzen herrschende Temperatur begünstigt ein
schnelles Vorschreiten des Röstprocesses, der schon nach wenigen, höchstens
8 Tagen beendet ist. Die Bündel werden nun von den Arbeitern, welche zu dem
Zwecke ins Wasser steigen, stengelweise herausgeholt. Von jedem Stengel
trennt man einen Baststreifen ab, worauf der übrige Theil der Faserschicht
mit großem Geschick gänzlich von dem holzigen Stengel, der dabei ganz
bleibt, abgezogen wird. Die der vollen Länge der Stengel entsprechende,
gewonnene Faserschicht wird nun noch, um den anhaftenden Schmutz und Schlamm
und die zerstörten Bastzellen zu entfernen, rasch einigemale durch das
Wasser gezogen, dann in der Luft abgeschwenkt und endlich ans Ufer geworfen,
wo sie rasch vollends trocknet. Eine weitere Zubereitung erhält der
Faserstoff nicht, sondern er ist nach dem Trocknen bereits in dem reinen
Zustande, in welchem er zur Verpackung und Versendung kommt.
Besondere Händler kaufen nun von den Producenten den so zubereiteten
Faserstoff, verschiffen ihn nach Calcutta, wo er in sogen. Bazars durch
eingeborene Makler für europäische Häuser in Calcutta gekauft wird. Hier
findet das Sortiren des Faserstoffes und das Vereinigen in kleinere, lose
verknüpfte Risten von etwa 3/4 Pfd. engl. (340g) Gewicht statt, aus denen dann
größere Risten gebildet werden, die man ungefähr in der Mitte
zusammenschlägt und nun mit Hilfe starker hydraulischer Pressen derart
verpackt, daß die Köpfe der gefalteten Risten an den beiden schmalen Seiten
des fertigen, ein Parallelepipidum bildenden Ballens zu sehen sind. Die
Verschnürung der Ballen findet meist mit Jutestricken statt, die aus
ordinärer Faser geflochten sind. Durch die Verschnürung wird gewöhnlich ein
Stück leichtes Jutegewebe (Markenlappen) auf den Ballen festgehalten, das
die Qualitätsbezeichnung und die Marke des Hauses enthält, von welchem die
Versendung bewirkt wird, wenn nicht auf kleinen, mit Draht befestigten
Bretchen oder Leinwandstreifchen die Markirung ausgeführt ist. Durch die
feste Verpackung der Faser wird die Nässe von derselben möglichst
abgehalten, anderseits aber durch Verringerung des Volums eine Reducirung
der Schiffsfracht erzielt. Die fertigen Ballen wiegen 300, 350 und 400 Pfd.
engl. (zu 454g) und nehmen 5
solcher Ballen etwa 52 Cubikfuß engl. (zu 0cbm,02832)
Schiffsfracht-Raum ein. Von Calcutta aus fast nur allein findet die
Ausfuhr nach europäischen Häfen statt, vermittelt durch deutsche, in
Calcutta und London domicilirte Firmen und durch griechische und englische
Häuser. Seit einigen Jahren hat sich Dundee, Dank der Energie seiner
Fabrikanten, zum hauptsächlichsten Jutemarkt emporgeschwungen, während sonst
London und Liverpool die einzigen großen Stapelplätze für Jute waren.
Versuche deutscher Fabrikanten, direct von Calcutta aus ihr Material zu
beziehen, haben keine günstigen Resultate gehabt.
Man unterscheidet nun im Allgemeinen am Productionsmarkte die Qualitäten und
Sorten von Rohjute nach den Districten, aus denen sie stammen, als:
Serajgunge, die von feiner Faser und guter Farbe
ist und als beste Sorte angesehen wird.
Nerajgunge von gröberer Faser und gemischter
Farbe.
Dacca, die eine harte Faser, grobe Wurzelenden
und eine braun-gelbe, reine Farbe hat.
Daisee, auch Crown
(Kronjute) genannt. Diese Sorte wird in der Nähe von Calcutta gebaut und
gelangt erst 1 bis 3 Monate später (September oder October) als die übrigen
Jutesorten zur Ernte; sie ist von sehr feiner Faser, aber von unbeliebter
brauner Farbe.
Dowrah-Jute, hat grobe, harte und kurze
Fasern mit starken bastigen Enden. Farbe gewöhnlich dunkelbraun.
Rejections sind harte, kurze, durch einander
liegende Fasern, welche aus den übrigen Sorten aussortirt wurden.
Cuttings sind von den ordinären Sorten
abgeschnittene Wurzelenden.
Die mit den Einkauf beschäftigten Häuser in Calcutta haben nun ihre
besonderen Bezeichnungen für die sortirten Jutesorten, und zwar wie
folgt:
First Standard, beste
QualitätMedium Standard, zweite
Qualität
wiederum je nach derLänge und Feinheit derFaser in drei
Unterabtheilungengetheilt, die entwedermit 1, 2, 3 oder
A, B, C,oder 3, 4, 5 oder B, C, Dmarkirt sind.
Dowrah, ordinäre, bastige, kurze Jute.
Rejections (wie oben).
Cuttings (wie oben).
Man findet auch folgende Bezeichnungen:
1) Fine Quality, 2) Medium Quality, 3) Common Quality,
4) Low Quality, 5) Rejections und 6) Cuttings; ferner:
1) Good to fine, 2) Fair to good fair, 3) Middling to
good middling, 4) Low to good Common, 5) Rejections, 6) Cuttings.
Die bessern Sorten sind auch hier, wie vorher
angegeben, in drei Unterabtheilungen getheilt.
Jede Firma hat sodann noch ihre besondern Marken zur Bezeichnung der
Qualität, so z.B.
die Firma B. und R. Doß in Calcutta:
Textabbildung Bd. 221, S. 508
Textabbildung Bd. 221, S. 508
Oder die Firma Ralli Brothers in Calcutta und
London:
Textabbildung Bd. 221, S. 508
RB
verschiedenin
denUnterabtheilungen
Second Standard Quality.
Textabbildung Bd. 221, S. 508
Textabbildung Bd. 221, S. 508
Die langen und ganz feinen Jutesorten werden in Schottland und Frankreich zu
„Jute-Line“, in ähnlicher Weise wie Flachs,
verarbeitet. In Deutschland wird nur „Jute-Tow“,
ähnlich wie Werg oder Heede, gesponnen, und verwendet man hierzu die ersten
Qualitäten, mit Ausnahme der langen Jute, zu Kettengarnen, die Medium oder
zweiten Qualitäten, zu Schußgarnen von Nr. 3 bis 7, die ordinären Sorten zu
Schuhgarnen von Nr. 1/2 bis 2 1/2.
Die von den ordinären Jutesorten abgeschnittenen Wurzelenden (Cuttings)
finden namentlich in der Papierfabrikation Verwendung, oder werden in
Amerika zu Schußgarnen der geringern Baumwollpacktücher (Cotton Baggins)
verarbeitet.
Ueber die Unkosten, welche den deutschen Fabrikanten aus dem Ankauf und
Transport der z.B. in London lagernden Juteballen nach Mitteldeutschland
(Hannover) erwachsen, noch Folgendes: Es beträgt die Einkaufsprovision 1 bis
1 1/2 Proc., ferner die Courtage (Mäklerlohn) 1/2 Proc.; Dock- und
Verschiffungsspesen von 5 bis 8 Shilling pro Tonne, je nach der Entfernung
des Lagerortes von dem Schiffe, Fracht per Steamer von London bis Bremen
oder Hamburg, je nach der Geschäftsconjunctur und Jahreszeit, von. 7 bis 12
Sh. pro Tonne. Die Spesen und die Fracht bis Hannover betragen etwa 70 Pf.
pro 50k. Hiernach würden sich die
Kosten pro 50k Rohmaterial in
Hannover auf 1,5 bis 1,9 M., unter Umständen bis auf 2 M. berechnen.Die Angabe der Marktpreise findet stets pro Tonne statt, und
bekanntlich ist 1 Tonne = 20 Ctr. engl. = 2240 Avoir-Pfund =
2032 Zollpfd. = 1016k
wonach sich leicht aus dem Einkaufspreis unter Zurechnung der Spesen
der Preis des Rohmaterials loco Hannover berechnen läßt.
In den deutschen Jutespinnereien pflegt man die Eintheilung der Jute in
Sorten unter Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte zu bewirken. Um
eine derartige Eintheilung zu verstehen, sei im Voraus bemerkt, daß man
höchstens Nr. 10, und nur ausnahmsweise auch Nr. 12 oder 14, in deutschen
Spinnereien zu spinnen pflegt, wo unter Garnnummer die Anzahl Gebinde (Leas)
zu 300 Yards (274m,3) auf 1 Pfd.
engl. (454g) zu verstehen ist, und
zwar pflegen einige größere Spinnereien die Garne von Nr. 1/4 bis 5 incl. in
drei Qualitäten zu spinnen, die man absteigend z.B. bezeichnet mit ss, s und c, oder
1., 2., 3. Qualität, während die Garne von Nr. 5 1/2 an bis 8 incl. in zwei
Qualitäten ss und s
oder 1. und 2. Qualität und schließlich die von Nr. 9 bis 14 nur in einer,
der besten ss oder 1. Qualität hergestellt
werden.
Da nun die Ketten- (Warp-) Garne außer größerer Festigkeit
– dieselbe ist unter sonst gleichen Umständen lediglich von der
schärfern oder geringern Drehung abhängig – auch möglichste Egalität des Fadens
voraussetzen, diese aber von der Reinheit und Güte des Materials wesentlich
abhängig ist, so pflegt man die Kettengarne meistens nur in bester Qualität
zu spinnen. Wenn man nun außerdem noch berücksichtigt, daß, je stärker die
Garnnummer wird, ein um so geringeres, weniger feines Material nöthig ist,
um eine bestimmte Qualität zu erzeugen, so wird die folgende Eintheilung in
sechs Jutesorten verständlich sein. Weil nun die höheren Garnnummern nur
ausnahmsweise verlangt werden, so bezeichnet man wohl auch die beste zu
diesen Nummern geeignete Sorte mit 0 und erhält demnach Folgendes:
0.
Sorte
Jute
zu
10 ss
Weft und Warp; 7 ss und 8 ss Warp;
1.
„
„
„
3 ss
bis
6 ss „
und
8 ss
Weft;
2.
„
„
„
3 ss
„
6 ss
Weft
„
8 s
„
3.
„
„
„
1 ss
„
2 2/3 ss „
„
3 s
bis 7 s Weft:
4.
„
„
„
1 s
„
2 1/2 s
„
„
3 c
„ 5 c „
5.
„
„
„
1/4 c
„
2 2/3 c
„
(zu dieser Sorte gehören
auch die Jutestricke von den
Ballen).
Manche Spinnereien erzeugen auch nur zwei Qualitäten Garn und verzichten auf
das Spinnen der höheren Nummern ganz. In diesem Falle ist natürlich die
Eintheilung der Jute nach einem andern Plane aufzustellen.
(Fortsetzung folgt.)