Titel: | Neue Formen der alten Platinkessel; von Friedr. Bode in Hannover. |
Autor: | Friedrich Bode |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 541 |
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Neue Formen der alten Platinkessel; von Friedr. Bode in Hannover.
Mit Abbildungen auf Taf.
XII [c.d/1].
Bode, über neue Formen der Platinkessel.
Das Auftauchen der Platinschalen nach Faure und Keßler zum Concentriren der Schwefelsäure auf 66°
B. hat u.a. auch den Nutzen gehabt, daß die Platinfabrikanten die vortheilhaften
Seiten der Platinschalen auf das System der alten Platinkessel zu übertragen
beflissen gemacht wurden. Man konnte sich schon längst mit Recht fragen, ob es, um
eine Flüssigkeit ins Sieden zu bringen und darin zu erhalten, ein weniger
geschicktes Gefäß geben könne, als die alten Platinkessel mit ihren hohen
Säureschichten es waren, und ferner, ob die Fabrikanten der Kessel dieselben
vorzugsweise in dieser Gestalt ausführten, weil sie dieselbe für die beste hielten,
oder weil dazu relativ am meisten Platin nöthig oder endlich weil die Form beim
Publicum einmal in der Mode war.
In dem Bestreben, einerseits die Flüssigkeit leicht zum Kochen zu bringen und im
Kochen bei thunlichst geringem Kohlenverbrauch zu erhalten, anderseits eine hohe
Leistung bei geringem Gewicht an Platin zu erzielen, hat zuerst die Pariser Firma
Desmoutis, Quennessen und Le
Brun (56, Rue Montmartre) in Prospecten neue Apparate für ganz geringe
Säureschichten angezeigt, die in Verbindung damit ein ganz wesentlich reducirtes
Platingewicht aufweisen. Da der Inhalt des Kessels an Säure sehr vermindert ist, so
war, wollte man die Apparate continuirlich betreiben, eine Einrichtung nöthig,
welche bezweckte, daß die einlaufende Säure nicht direct zur Ablaufstelle gelangen
konnte; andernfalls würde wegen des geringen Säureinhaltes die abgezogene
concentrirte Säure leicht sehr ungleich ausfallen.
Die Figuren
19, 20
und 21
stellen zwei verschiedene Formen des neuen Pariser Kesselmodelles dar: a Einlauf, b Ablauf, c Ueberlauf bei zu starker Kesselfüllung. Der Ablauf der
concentrirten Säure findet ohne Heber statt. Auf dem
Kesselboden sind stehende Scheidewände concentrisch angebracht, welche die Säure
nöthigen, den durch Pfeile bezeichneten Weg bis zum Ablaufe zu nehmen, der von der
Mitte aus erfolgt. Ich höre, daß dieses Arrangement nach einer Idee von Director Schaffner in Aussig ausgeführt ist. – Diese
Apparate arbeiten sehr ruhig; nur würde ich mir den Vorschlag erlauben, die
Circulation gerade im umgekehrten Sinne, wie im Bilde angegeben, zu führen, nämlich
die Einlauftulpe über die Mitte des Kesselbodens, also auf dem Kesselhelme, anzubringen und die
Ablaufstelle an den Rand zu verlegen. Die Führung der Säure in Beziehung auf die
Richtung des Feuers bleibt dabei so unsystematisch wie vorher, und ein Nachtheil
– jedoch nur ein kleiner – würde dadurch erwachsen, daß man zu dem
Einlauf auf dem Helme etwas mehr disponible Höhe haben muß. Dagegen würde das
innere, aus der Mitte weggeführte Abflußrohr, dessen Anbringung ich mir nicht ganz
leicht vorstelle, weil es die concentrischen Scheidewände durchdringen muß,
wegfallen; ebenfalls etwaige Reparaturen an demselben, die wegen des engen Halses
wohl auch kaum anders ausführbar wären, als durch Abschneiden des obern Kesseltheils
oberhalb der Oberkante der Scheidewände.
Die Figuren 19
und 20 zeigen
einen Kessel, der in bekannter Weise auf das Mauerwerk gesetzt wird; Figur 21 ist ein Kessel,
welcher bei d mit einem Platinrande versehen ist, der
sich auf das Mauerwerk stützt.
Ich sah einen Apparat nach erster Art im Gange, mit welchem der Besitzer recht
zufrieden war. Das Platingewicht betrug:
11935g
für
den
Kessel,
2784
„
„
Helm,
244
„
„
Trichter,
203
„
„
Ueberlauf und Ablauf,
2429
„
„
Heber,
–––––
17595
Das Gesammtgewicht war also 17k,595, die Leistung in 24 Stunden 1500k 66°-Säure.
Sodann versendet seit Kurzem auch die Firma Johnson,
Matthey und Comp. in London (E. C. Hatton Garden) Rundschreiben mit der Anzeige einer
neuen Kesselform. Auch diese zeichnet sich durch vermindertes Platingewicht, sowie
durch eine dünne Schicht der siedenden Flüssigkeit aus, und ist vermehrte Heizfläche
am Boden des Apparates noch dadurch erzielt, daß dieser Boden wellig hergestellt wird. Der Apparat steht frei über dem Feuer, an den
Seiten, wie Figur
22 zeigt, auf eiserne Unterlagen gelegt. Das Feuer geht unter dem Kessel
B entlang und sodann unter die Pfannen A, welche, ebenfalls mit gewelltem Boden, von Platin
empfohlen werden. Von diesen Apparaten habe ich noch keinen arbeiten sehen;
brieflicher Mittheilung zufolge befinden sich bereits mehrere in Betrieb und geben
gute Resultate. Ein Platinkessel B für 80 bis 100 Ctr.
Leistung in 24 Stunden wiegt „einige 20k“ und kostet incl. Heber, Kühler und Eisenring etc. etwa
20000 M. „Die Maximalleistung von 100 Ctr. in 24 Stunden wird bedingt
davon, daß der Kessel continuirlich mit Säure von mindestens 60°
beschickt wird.“ Eine Platinpfanne mit gewelltem Boden kostet ca. 6000 M.;
doch können dem Platinapparat auch ganz gewöhnliche Bleipfannen folgen.
Zum Vergleiche gebe ich noch aus eigener Erfahrung
Gewichte und Leistungen einiger Platinkessel alten Modelles.
Platingewicht, incl.
allerNebenbestandtheile.
Leistung an 66°-Säurein 24
Stunden.
k
Ctr.
80,0
145
41,5
75
39,0
39
58,0
100.
Die neuen Kessel des Londoner Modelles sind nicht rund, sondern länglich viereckig,
und mißt im Grundriß ein Kessel für 80 bis 100 Ctr. 66°-Säure in 24
Stunden 92 zu 46cm. Die Kessel sind ohne
Circulation, aber vortheilhafter als die runde Form des Pariser Modelles wäre für
die Anbringung einer solchen diese Form deshalb, weil man dabei die Circulation
systematisch zur Feuerführung anordnen könnte, also erhöhten Effect erzielen würde.
Aus der Grundrißskizze in Figur 23 [d/3] dürfte ohne weitere Angabe zu entnehmen sein, wie
diese Circulation im Verhältniß zur Feuerung vorzurichten wäre.
Es bleibe übrigens einstweilen dahingestellt, ob man nicht im Eifer der ersten
Reaction gegen die frühere Kesselform zu weit gegangen ist, und die Höhe der
siedenden Säureschicht zu beträchtlich reducirt hat, und ob man mit der Höhe
derselben später nicht wieder um gewisse kleine Beträge steigen wird. Denn es kann
gar keinem Zweifel unterliegen, daß ein geringer Inhalt des Kessels an Säure die
Herstellung eines Productes von stets gleicher Stärke erschwert, ganz ähnlich, wie
bei Dampferzeugern mit wenig Wasserfüllung der Dampfdruck leicht größern
Schwankungen unterworfen ist. Hier wie dort wird ein sehr zuverlässiger Heizer
nothwendig sein.