Titel: | Ueber krystallisirtes Ultramarin; von Ferd. Fischer. |
Autor: | Ferd. Fischer |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 562 |
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Ueber krystallisirtes Ultramarin; von Ferd. Fischer.
Mit Abbildungen.
Fischer, über krystallisirtes Ultramarin.
L. Grünzweig und R. Hoffmann
berichten zuerst in den Notizen für die Jury der Weltausstellung zu Wien über die
Krystallisation des Ultramarins. Bei den ersten Versuchen zur Isolirung des weißen Ultramarins aus
dem grünen Rohproduct der Fabrikation (bei sehr hoher Temperatur aus reinem Thon,
Glaubersalz und Kohle) war eine blaß grünlich gefärbte Probe zurückgelegt. Diese
sowie sonstige Proben von grünem und blauem Ultramarin konnten unter dem Mikroskope
bei 450facher Vergrößerung nicht mit Sicherheit als krystallisirte Körper erkannt
werden. Bei einer später wiederholten Prüfung, bei derselben Vergrößerung zeigte es
sich jedoch, daß die erwähnte grünliche Probe völlig aus deutlich erkennbaren,
scheinbar flach tafelförmigen Krystallen bestand. Die meisten Krystalle waren rundum
ausgebildet, so daß die nachstehend abgebildeten Figuren mit aller Sicherheit
erkannt und in jedem später untersuchten Präparat aus derselben Probe mit
Leichtigkeit wieder aufgefunden werden konnten. Die grünliche Farbe verschwand unter
dem Mikroskope fast ganz; die Krystalle erschienen glashell und fast farblos. Bei
gelindem Abbrennen mit Schwefel trat Blaubildung ohne Formveränderung der Krystalle
ein; man sah genau dieselben Figuren wie früher, nur in allen Farbübergängen bis zum
tiefsten Blau. Als später die mikroskopische Untersuchung zahlreicher Proben von
rohem, jedoch ausgewaschenem Ultramarin, sowohl aus der kieselarmen als auch aus der
kieselreichen Reihe wieder aufgenommen wurde, fand man bei allen ähnliche Formen,
aber die Krystalle waren ohne Ausnahme viel kleiner und deshalb nicht so genau zu
erkennen als jene.
Textabbildung Bd. 221, S. 563
Häufigste Form.
Textabbildung Bd. 221, S. 563
Seltene Formen.
Wird das rohe Ultramarin auf Naßmühlen fein gemahlen, so ist nach R. Hoffmann von den Krystallformen nichts mehr zu
erkennen.
Büchner (1875 215 168)
bezweifelt die Existenz der Ultramarinkrystalle; er hält sie für Quarzkrystalle, an
welche der blaue Farbstoff angeheftet ist. Dem gegenüber beharren Grünzweig und R. Hoffmann
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S. 864) bei ihren früheren
Angaben und veröffentlichen briefliche Mittheilungen von Vogelsang und F. Knapp.
Nach Vogelsang ist es zweifelhaft, ob das erwähnte
grünliche Product völlig krystallinisch entwickelt ist. Er findet, daß an vielen
Körnchen bei 1200facher Vergrößerung deutlich eine rundliche Umgrenzung wahrzunehmen
ist. „Die Kryställchen sind so klein, daß an eine Winkelbestimmung nicht
zu denken ist; da aber bei weitem die meisten isotrop, einfach brechend, sind, so kann man diese nur für regulär halten, womit auch die oktaëdrische
Umgrenzung (in der Richtung einer trigonalen Achse verkürztes Oktaëder)
übereinstimmt.
Textabbildung Bd. 221, S. 564
Die kleinen quadratischen Umrisse ⃟, die man auch zuweilen
unterscheidet, sind vielleicht eher dem Dodekaëder als dem Würfel
zuzuschreiben, da ersteres ja bei den betreffenden natürlichen Verbindungen
bei weitem die gewöhnliche Form ist. Außer diesen regulären Körnchen sind
aber wenige entschieden polarisirende, also
doppelt brechende, nicht reguläre Körnchen
dazwischen, deren Form ich vorläufig nicht anzudeuten wage, weil ich sie
noch nicht in wohl bestimmbarer Umgrenzung resp. Größe gefunden habe. Es
sind aber auch grüne Körnchen darunter, bei
gewöhnlichem Licht sind sie nicht zwischen den andern heraus zu finden. Die
rundlichen Körnchen sind wahrscheinlich der ersten Modification zuzurechnen.
Vereinzelt sieht man auch formlose blaue
Körnchen, die aber vielleicht als zufällige Eindringlinge zu betrachten
sind.“
F. Knapp fand in der ihm zugesendeten Probe nur wenige
Krystalle; er hält es daher für nicht erwiesen, daß das blaue Ultramarin eine
homogene chemische Verbindung ist. –
Während meiner Versuche über den Ultramarinproceß (S. 468 ff.) hatte ich auch
Gelegenheit, verschiedene Ultramarine, welche ich der Güte des Hrn. K. Reinecke verdanke, mikroskopisch zu untersuchen. Bei
866facher Vergrößerung zeigte es sich, daß sowohl der blaue Rohbrand, als auch den
Auslaugebehältern entnommenes Ultramarin aus 0,001 bis 0mm,002 großen, intensiv blau gefärbten,
regelmäßig sechsseitigen Krystallen (scheinbar abgestumpfte Pyramiden) bestand,
welche theils frei, meist aber zu mehreren bienenzellenförmig verbunden sind.
Schwach grau gefärbte amorphe Massen (Thonrückstand) fanden sich nur wenig. Wurden
diese Krystalle unter dem Mikroskope mit verdünnter Salzsäure behandelt, so lösten
sie sich unter Entfärbung und reichlicher Gasentwicklung auf; zurück blieb nur
völlig amorphe Substanz. Von blau gefärbten Quarzkrystallen kann somit nicht die
Rede sein.
Einzelne Krystalle fanden sich in sämmtlichen Ultramarinen – selbst in
solchen, welche 36 Stunden auf Naßmühlen fein gemahlen waren; dieselben wurden
ferner nachgewiesen in Ultramarinproben aus den Fabriken in Marienberg, Chemnitz,
Nürnberg, Pfungstadt und Hannover; sie fanden sich dagegen nicht im weiß gebrannten
Ultramarin.
Kann beim Ultramarinbrand in Folge eines Risses oder einer Fuge zuviel Sauerstoff zur
Mischung hinzutreten, so geht Ultramarin bekanntlich nicht selten in Violett bis
Roth, schließlich in Weiß über. (Violettes Ultramarin ist demnach eher ein
Oxydationsproduct des blauen Ultramarins als ein unterdrückter Ultramarinproceß.
Vgl. 1874 211 138.) Einige Proben des so gebildeten
violetten Ultramarins, sowie solches aus Nürnberg zeigten unter dem Mikroskope die
Regenbogenfarben vom Roth bis zum Violett, aber keine bestimmte Krystallform; nur
die blau gefärbten Theilchen ließen die sechsseitigen Kryställchen noch
erkennen.
Auf meine Bitte waren die HH. Grünzweig und R. Hoffmann so freundlich, mir eine kleine Probe des
beschriebenen, schwach grünlichen Productes zu schicken. Ich konnte darin leicht die
auf S. 563 abgebildeten Krystallformen erkennen; dieselben haben einen 2 bis 4 mal
so großen Durchmesser als die blauen Ultramarinkrystalle. Beim Blaubrennen mit
Schwefel scheinen sie in die erwähnten sechsseitigen Kryställchen zu zerfallen.
Hiernach ist blaues Ultramarin (wenigstens unter Umständen) eine krystallisirende
Verbindung. Bei Analysen von Ultramarinen dürfte es sich empfehlen, dieselben zuvor
mikroskopisch auf ihre Reinheit zu prüfen.