Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, Nr. , S. 282 |
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Miscellen.
Miscellen.
Renesson's elektromagnetische
Außergangsetzung von Dampfmaschinen.
Der Tuchfabrikant Renesson Fils in Sedan hat 1875 an
seiner 25e-Dampfmaschine auf dem
Schieberkasten einen Ventilhahn angebracht und auf der Achse desselben ein Rädchen,
worauf sich die Schnur eines Gewichtes auf und ab wickelt, welches beständig die
Schnur abzurollen und so den Hahn zu schließen strebt, daran aber durch einen
mittels eines Riegels gehemmten Zahn an jenem Rädchen verhindert wird, bis der
Riegel durch elektromagnetische Anziehung zur Seite bewegt wird. Dazu dient ein in
irgend welcher Entfernung von der Maschine geschlossener (besser wohl, weil
zuverlässiger, ein unterbrochener) Strom. Bei Prüfung des Apparates durch eine
Commission machte das Triebrad nicht mehr als 1 1/4 bis 1 1/2 Umläufe nach der
Stromgebung. (Nach dem deutschen Wollengewebe, 1876 S. 550.)
E–e.
Mallet's Verbesserung am Watt'schen
Indicator.
Auf einem mit beliebiger, selbst veränderlicher Geschwindigkeit abgerollten,
entsprechend breiten Papierstreifen zeichnet der am Kolben des Indicators befestigte
Stift die Curve des Druckes, während ein anderer feststehender Stift die
atmosphärische Linie zeichnet. Contacte an den Enden der innern Cylinderfläche,
welche abwechselnd von einem an der Stirnfläche des Dampfkolbens sitzenden Contacte
berührt werden, lassen an jedem Ende des Kolbenweges von dem den Druck
aufzeichnenden Stifte einen Funken überschlagen und das Papier durchbohren, so daß
jeder einzelne Kolbenweg auf dem Papiere scharf abgegrenzt wird. Endlich läßt ein
kleines Uhrwerk alle Secunden (oder auch bestimmter Bruchtheile oder Vielfachen von
Secunden) einen Funken an dem die atmosphärische Linie aufzeichnenden Stifte
überspringen, aus denen man die Kolbengeschwindigkeit oder die
Umdrehungsgeschwindigkeit der treibenden Räder abnehmen kann. Diese Verbesserung
soll den Indicator für Maschinen mit großer Geschwindigkeit und veränderlicher
Arbeitsleistung, wie z.B. Locomotiven, besser verwendbar machen. (Nach den Comptes rendus, 1876 t. 82
p. 1331.)
E–e.
Elektromagnete mit Eisenmantel.
Nach englischen Berichten besprach Prof. O. Reynolds in
der Manchester Literary and Philosophical Society einen
von John Faulkner hergestellten stabförmigen
Elektromagnet, welcher einen Kern aus weichem Eisen, mit einer flachen Platte an dem
einen Ende, enthielt und um den Kern in gewöhnlicher Weise eine Drahtspule; letztere
war jedoch noch von einer Röhre aus weichem Eisen umschlossen, welche dieselbe Länge
hatte, wie der über der Platte liegende Theil des innern Kernes; von den flachen
Enden der Röhre stand das eine in Berührung mit der Platte, während das andere bis
zu dem Ende des Kernes emporstieg, so daß eine auf das Ende aufgelegte Platte oder
Anker beide, Kern und Röhre, berührte. Bei diesem Elektromagnet zeigt sich zunächst
das magnetische Feld auf den Raum gegenüber dem offenen Röhrenende beschränkt und entlang der Röhre
und an deren geschlossenem Ende findet sich nur wenig oder kein Magnetismus. Der
Elektromagnet hält aber seinen Anker kräftiger (bis 100 mal) fest, wie einer mit
einfachem Kern; doch scheint dies vom Verhältnisse zwischen dem Durchmesser des
Kernes und der Röhre abzuhängen, indem der Unterschied mit der Stärke des Kernes im
Verhältniß zur Röhre (umgekehrt proportional der Entfernung der Röhre vom Kerne)
wächst. Reynolds sucht die Ursachen hiervon darin, daß
der neue Elektromagnet gewissermaßen wie ein Hufeisenmagnet wirke, insofern das Ende
der Röhre und das des Kernes entgegengesetzte Polarität besitzen, daß aber ferner
die Nähe beider Pole jedem ein stärkeres Inductionsvermögen auf den andern verleihe
und deshalb der neue Magnet kräftiger sei wie ein Hufeisenelektromagnet, und daß
endlich die elektromagnetische Kraft der Spulen nach beiden Seiten ausgenützt werde,
ganz wie bei einem Galvanometer mit astatischer Nadel.
Nach dem Bekanntwerden vorstehender Mittheilung machte zunächst W. Ladd geltend, daß er schon seit 12 Jahren solche
Elektromagnete (welche Faulkner Altandi- oder
Altandä-System nennt) verwendet habe, namentlich an elektrischen Lampen für
die Regulatoren der Kohlenspitzen. Darauf berichtete C. V. Walker über seine nicht ungünstigen Versuche mit solchen Elektromagneten
mit Eisenmantel, welche er noch nirgends beschrieben gefunden habe, während Du Moncel in seinem Werke über die Construction der
Elektromagnete (Paris 1871) geradezu sage: „Ein Eisenkern, von einer
galvanischen Spirale umgeben, wird kräftig magnetisch, während ein dieselbe
Spirale umgebender Eisencylinder durchaus nicht magnetisch wird.“
Dies veranlaßt Du Moncel zu erklären, daß an jener Stelle
von einem vom Kern getrennten Eisencylinder die Rede sei, daß die Sache bei
Verbindung des Mantels mit dem Kerne sich wesentlich ändere, insofern man dann einen
zweiarmigen Elektromagnet erhalte, bei welchem der eine ringförmige Pol den andern
umgebe. Diese Elektromagnete, welche in Frankreich röhrenförmige Elektromagnete genannt würden, seien um 1852 von Nicklès (vgl. 1853 129
413) erfunden worden und nicht nur von Du Moncel im Exposé des Applications de l'Electricité
beschrieben, sondern auch mehrfach verwendet worden, so 1855 von Wartmann bei dessen
automatischem Regulator der Stromstärke, von Bonelli bei
dessen elektrischem Webstuhle (* 1856 140 179. 141 332) u.a.
Die Mittheilung Reynolds' gibt endlich J. Roper Penning Anlaß, zu erwähnen, daß er ähnliche
Hufeisen-Elektromagnete, nur mit 4 RöhrenAlso ähnliche wie Comacho (vgl. 1875 217 155 und * 1876 219
238). Ein Gegenstück gewissermaßen zu diesen röhrenförmigen Elektromagneten
findet sich in dem 1873 in Wien ausgestellten submarinen Relais von Siemens (vgl. Zeitschrift für Mathematik und
Physik 1873 S. 437). schon früher hergestellt habe. (Telegraphic
Journal, 4. Bd. S. 27, 139, 143, 164.)
E–e.
Elektrisches Licht auf Schiffen.
Seit Ende März 1876 wurde das der Compagnie
générale transatlantique gehörige Dampfboot Amérique
mit einer Gramme'schen Maschine (ganz neues Modell) zur Erzeugung von elektrischem
Licht ausgerüstet. Der Schiffscommandant Pouzolz
berichtet nach seiner Rückkehr von New-York nach Havre so günstig darüber,
daß die Gesellschaft sofort noch zwei andere Dampfer mit elektrischer Beleuchtung
versehen hat. Das elektrische Licht soll namentlich die Sicherheit erhöhen, indem es
Strandungen verhütet und das Einlaufen in den Hafen erleichtert. Es kann auch das
Laden und Entladen bei Nacht ermöglichen. Es wurde auf dem Amérique am
Vordertheil, 15m vom Vordersteven, auf
einem ursprünglich 7m hohen, vom Kommandant
aus Stabilitätsrücksichten und um den Lichtstrahl tiefer zu legen um 2m erniedrigten Thurme aus Eisenblech, mit
innerer Treppe und von 1m Durchmesser
angebracht. Die Lampe mit prismatischen Gläsern und Serrin'schen Regulator
erleuchtet 225° und läßt das Schiff fast ganz im Dunkeln. Die Gramme'sche
Maschine liefert 200 Carcelbrenner Lichtstärke, wiegt 200k, macht 850 Touren in der Minute. Die
Lampe intermittirt automatisch mittels eines kleinen Stromunterbrechers, kann aber
auch ununterbrochenes Licht liefern, welches 10 Seemeilen (18km ,250) weit trägt; es liegt 10m über dem Wasserspiegel. Als Uebelstand
dürfte sich herausstellen, daß das so intensive elektrische Licht die
regelmäßigen grünen und rothen Laternen des Schiffes verschwinden läßt und leicht
von andern Schiffen für das Licht eines Leuchtthurmes gehalten werden kann. (Nach
der Revue industrielle, Juni 1876 S. 252.)
Eine unangenehme Eigenschaft der Schlackenwolle.
Wolpert (Deutsche Bauzeitung, 1876 S. 210) warnt vor
Anwendung von Schlackenwolle zu Fußbodenfüllungen u. dgl., da dieselbe in der Regel
Schwefelcalcium enthalte, welches bei Einwirkung von Feuchtigkeit
Schwefelwasserstoff entwickelt. Hierdurch werden die Bleiweiß haltigen Anstriche der
Fußböden, Täfelungen etc. mißfarbig, und bei stärkerer Entwicklung von
Schwefelwasserstoff die Bewohner der betreffenden Zimmer belästigt, ja selbst an
ihrer Gesundheit geschädigt. Vor der Verwendung der Schlackenwolle zu Bauzwecken
sollte dieselbe daher erst auf einen etwaigen Gehalt an Schwefelcalcium geprüft
werden.
Orsat's Apparat zur Untersuchung
der Rauchgase.
Der Apparat von Orsat (* 1875 217 220) hat neuerdings (nach dem Journal für Gasbeleuchtung etc., 1876 S.
297) eine nicht unwesentliche Verbesserung dadurch erfahren, daß er auch für die
Bestimmung der in den Verbrennungsgasen enthaltenen Kohlenwasserstoffe benützt
werden kann. Es ist diese Bestimmung insoferne von Wichtigkeit, als jene Gase bisher
als Stickstoff gemessen wurden, der Gehalt an letzterm also zu hoch gefunden wurde,
während gleichzeitig die Gegenwart dieser unverbrannten Gase, die einen Verlust an
Brennmaterial durch unvollständige Verbrennung anzeigen, nicht bemerkt wurde. Der
Apparat wird dadurch etwas complicirter und die Analyse erfordert etwas mehr
Sorgfalt; immerhin ist jedoch die Ausführung leicht und die erhaltenen Resultate
besonders bei Generatorgasen aus Steinkohlen, Braunkohlen etc. sehr werthvoll. Der
Apparat erhält zur Ausführung dieser Bestimmung noch einen Ansatz auf der rechten
Seite des Meßrohres bei m (siehe die Abbildung in Bd.
217 S. 222) von dem Capillarrohr abzweigend. Ist Kohlensäure und Kohlenoxyd in der
früher geschilderten Weise absorbirt, so wird der gemessene Rest mit bestimmten
Mengen Wasserstoffgas und Luft gemischt und das Gasgemenge durch eine glühende
Platinspirale nach einem, den Absorptionsgefäßen für Kohlensäure und Kohlenoxydgas
ähnlichen, mit Wasser gefüllten Rohr geleitet. Beim Passiren der glühenden Röhre
wird der zugesetzte Wasserstoff in der Luft verbrennen und gleichzeitig auch die
Verbrennung der Kohlenwasserstoffe zu Kohlensäure und Wasser veranlassen. Bringt man
nach dem Erkalten das Gas wieder rückwärts in die Meßröhre, so wird sich das Volum
um den verschwundenen, zu Wasser verbundenen Sauerstoff und Wasserstoff vermindert,
dagegen um die gebildete Kohlensäure vermehrt haben. Bestimmt man die Menge der
Kohlensäure in der früher beschriebenen Weise, so erfährt man durch einfache
Rechnung die Menge der vorhanden gewesenen Kohlenwasserstoffe und behält reinen
Stickstoff zurück, dessen Menge nun richtig bestimmt werden kann.
Verhütung der Oxydation beim Härten von Stahl.
Um die Oxydation sehr kleiner, fein ausgearbeiteter Gegenstände aus Stahl beim Härten
zu verhüten, soll man dieselben nach einem Vorschlage von PH. Rust (Bayerisches Industrie- und Gewerbeblatt, 1876 S. 127) mit
Ferrocyankalium überziehen. Zu diesem Zweck werden 2 Th. feingepulverte Holzkohle
und 1 Th. gelbes Blutlaugensalz mit einer Lösung von Tischlerleim zu einem dünnen
Teig angemacht. Hiermit überzieht man die zu härtenden Gegenstände, indem man sie
etwas erwärmt, eintaucht, trocknet, wieder eintaucht u.s.f., bis der Ueberzug etwa
2mm dick geworden ist. Man kann diese
nun unmittelbar ins Kohlenfeuer bringen, glühen und dann härten.
Die organischen Keime in der Atmosphäre.
Im Alterthum und selbst noch im 17. Jahrhundert nahm man allgemein eine Urzeugung:
Generatio spontanea oder aequivoca an; nicht allein sollten Maden und Ungeziefer von selbst aus
Schmutz, Würmer aus kranken Eingeweiden entstehen, auch höhere Thiere wie Mäuse
sollten auf künstlichem Wege erzeugt werden können. Der Italiener Francisco Redi war der Erste, welcher in seinen „Esperienze intorno alla generazione degli
insetti“ gegen die Urzeugung auftrat und das Entstehen der Maden
in faulendem Fleische aus Eiern bewies. Er wurde dafür der Ketzerei angeklagt, weil
Simson behauptet hat, daß in dem Aase eines Löwen ein
Bienenschwarm entstanden sei. Nach Entdeckung der Infusorien durch LeeuwenhoekLeuwenhök fanden sich neue Vertreter der Urzeugung. Needham (1745) kochte einen Aufguß, verschloß das Gefäß mit Mastix und
fand nach einiger Zeit eine Infusorienwelt in demselben. Seine Versuche scheinen von
entscheidendem Einfluß auf die Theorie der Organismenerzeugung von Buffon (1749) gewesen zu sein.
Der italienische Abbé Spallanzani (1765)
wiederholte diese Versuche von Needham, erhitzte die
verschlossenen Gefäße aber 3/4 Stunden auf 100° und konnte später keine
Organismen auffinden. Der französische Conditor Appert
verwerthete diese Versuche, indem er Gemüse in Gefäße einschloß, erhitzte und so
conservirte (appertisirte), ein Versuch, der bekanntlich beim Conserviren von
Nahrungsmitteln unendlich oft und mit den besten Erfolgen wiederholt wird (vgl. S.
287). Diesen Ergebnissen wurde nun entgegengehalten, daß die organischen Stoffe
durch das Erhitzen verändert werden, und daß namentlich, wie Gay-Lussac zeigte, die Luft in den Conservirungsgefäßen keinen
Sauerstoff mehr enthalte, daß aber zur Entwicklung des Lebendigen aus todten
organischen Stoffen Sauerstoff gehöre. Diese Ausrede wurde 1836 und 1837 von F. Schulze und Schwann dadurch
widerlegt, daß keine Organismen erschienen, wenn den organischen Stoffen Luft
zugeführt wurde, die zur Zerstörung der darin schwebenden Keime vorher durch
glühende Glasröhren oder durch Schwefelsäure geleitet war. Aehnliche Versuche und
mit gleichem Resultat wurden von Ure (1840 75 461) und Helmholtz
ausgeführt. Schröder und Dusch
(1854 132 295) zeigten dann, daß erhitzte organische
Stoffe, zu denen man nur Luft zutreten ließ, die vorher durch einen Stöpsel von
Baumwolle gegangen und dadurch von den Keimen befreit war, keine Organismen
hervorbrachten. Pasteur vereinfachte diesen Versuch noch,
indem er den Hals eines Kölbchens zu einer Röhre auszog und diese abwärts bog und
durch Erhitzen der betreffenden Flüssigkeit die vorhandenen Keime zerstörte.
Obgleich der Hals offen blieb, die atmosphärische Luft also ungehindert zutreten
konnte, entwickelten sich keine Organismen. Wurde jedoch die Röhre abgebrochen, so
traten bald Organismen auf und die Zersetzung begann. Das Krümmen des Flaschenhalses
genügte also, die in der Luft schwebenden Keime zurückzuhalten.
Daß die atmosphärische Luft zahllose Keime enthält, vermuthete schon vor mehr als
2000 Jahren Anaxagoras, der Freund des Perikles; Ehrenberg (1848), Pasteur (1862 165 292), Tyndall u.a. haben dann durch zahlreiche Versuche das Vorhandensein dieser
Keime bewiesen. Tichborne bestätigt, daß Staub von der
Straße und aus bewohnten Räumen Gährungskeime und Bakterien enthält; Douglas Cuningham zeigt ähnliches von der Luft in Calcutta, und
Crace-Calvert, daß namentlich in der Nähe von
faulenden thierischen Stoffen die Luft sehr reich an Bakterien ist.
Später wurde die Urzeugung von Hartig, Nägeli, Bastian und
von Omimus (1874 213 449)
wieder von Neuem behauptet. Letzterer glaubt, daß Bakterien aus Blut und Eiweiß
spontan entstehen können. Die Versuche von Crace-Calvert zeigen, daß Eiweiß auch in einer
Sauerstoff-Atmosphäre unverändert bleibt und keine Organismen entwickelt
werden, wenn nicht Keime derselben hinzutreten können, und Klebs bewies, daß das Blut gesunder Thiere keine Entwicklung niederer
Organismen zeigt, wohl aber das von kranken Thieren (vgl. 1874 212 352).
A. de Bary, Cohn sowie die Versuche von Bastian, Frankland und Huxley
zeigen hinreichend, wie leicht Irrthümer bei derartigen Beobachtungen unterlaufen
können, daß namentlich sehr feine Glassplitterchen mit Braun'scher Bewegung sehr oft
für Organismen angesehen werden, daß sorgfältig ausgeführte Versuche und
Beobachtungen stets gegen jede spontane Entwicklung sprechen. (F. Fischer: Verwerthung der städtischen und
Industrie-Abfallstoffe, S. 15.)
Die große Tragweite der Frage nach den in der Atmosphäre schwebenden Keimen in Bezug
auf die Lehre der Urzeugung, wie auch in Bezug auf die Entstehung und Verhütung von
Krankheiten und Fäulnißprocessen, Conservirung der Nahrungsmittel u.s.w. veranlaßte
John Tyndall neuerdings (Naturforscher, 1876 S. 137)
wieder eine große Anzahl von Versuchen anzustellen. Zum Aufsuchen der Keime in der
Atmosphäre bediente er sich des concentrirten Lichtstrahles, der in einem dunkeln
Raume alle auf seiner Bahn liegenden kleinsten Theilchen erleuchtet (1870 198 72). Er stellte sich nun eine Reihe von Holzkammern
oder Kisten her, deren vordere Wand aus Glas bestand; an den beiden Seitenwänden
befanden sich zwei correspondirende, mit Glas verschlossene Oeffnungen, und der
Deckel enthielt in luftdichtem Verschluß eine Pipette, die frei beweglich war und
das Innere des Kastens luftdicht verschloß, nebst zwei schmalen Glasröhren, welche
mit der Atmosphäre communicirten und vielfach auf und nieder gebogen waren, während
am Boden sich eine oder zwei Reihen von Oeffnungen befanden, in denen luftdicht die
Probirgläschen enthalten waren, in welchen die Flüssigkeiten untersucht werden
sollten.
Am 10. September wurde der erste derartige Kasten geschlossen; ein concentrirter
Lichtstrahl wurde durch die Seiten desselben geschickt und zeigte, daß die Luft in
demselben mit herumfliegenden Substanzen stark beladen war. Am 13. wurde die Luft
wieder geprüft, aber von dem durchgehenden Lichtstrahl war keine Spur zu sehen.
Dreitägiges Stillstehen genügte also, damit alle Herumfliegenden Substanzen sich an
den Boden und die Seiten setzten, wo sie von einer zu diesem Zwecke angebrachten
Glycerinschicht festgehalten wurden. Nun wurden, ohne daß die Luft zum Innern
Zutritt hatte, die Probirröhrchen mittels der Pipette gefüllt, ihr Inhalt 5 Minuten
lang gekocht, und während des Abkühlens der Kammerluft die gebogenen Röhrchen mit
Baumwolle verstopft, damit die rasch eindringende äußere Luft keine Keime mit hinein
führen könne.
Als Flüssigkeiten wurden bei diesen Versuchen benützt: saure und alkalische Aufgüsse
von Heu, Rüben, Thee, Kaffee, Hopfen, Urin und verschiedene Fleischsorten.
Das Resultat dieser Versuche war, daß, als diese Substanzen der gewöhnlichen Luft des
Laboratoriums der Royal Institution bei einer Temperatur von 16 bis 21°
exponirt waren, sie im Laufe von 2 bis 4 Tagen der Fäulniß anheimfielen. Die Zahl
der Probirröhrchen, welche die Aufgüsse enthielten, stieg bis auf 600, aber nicht
ein einziges entging der Fäulniß. Anderseits hat in keinem einzigen Falle die Luft,
welche durch den prüfenden Lichtstrahl als staubfrei erkannt worden, selbst wenn sie
auf Temperaturen zwischen 26 und 32° gebracht wurde, die geringste Fähigkeit
gezeigt, lebende Bakterien zu erzeugen oder die mit denselben verbundenen
Fäulnißerscheinungen. Die Fähigkeit, solches Leben in der atmosphärischen Luft zu
entwickeln, und das Vermögen, das Licht zu zerstreuen, sind somit als untrennbar
verbunden erwiesen.
Die einzige nothwendige Bedingung, um diese lang schlummernden Aufgüsse von lebenden
Wesen wimmeln zu sehen, besteht in dem Zutritt der in der Luft herumfliegenden
Substanzen. Nachdem die Aufgüsse 4 Monate lang so durchsichtig waren wie
destillirtes Wasser, genügte das Oeffnen der hintern Thür des schützenden Kastens
und der erfolgende Zutritt der mit dem Staub beladenen Luft, um in 3 Tagen die
Aufgüsse faul und voll von Leben zu machen. Daß dieses Leben aus den mechanisch
suspendirten Theilchen entsteht, ist somit durch den augenscheinlichen Beweis
dargethan.
Mayer erklärt es schlechterdings unverständlich, wie alle
die reich organisirten Formen unserer Erde entstanden sein sollen, wenn nicht durch
elternlose Zeugung, daß man daher auf deductivem Wege zur Annahme einer generatio spontanea komme. (?) – Möge man nun mit
Huxley annehmen, daß in den Vorzeiten unseres
Planeten physische und chemische Vorbedingungen zur Urzeugung vorhanden waren,
längst aber verloren seien, oder mit Thomson, daß die
ersten Organismenkeime durch Meteore unserer Erde zugeführt sind, – soweit
die Möglichkeit einer Urzeugung bei praktischen Fragen in Betracht kommt, muß sie
entschieden verneint werden. Bakterien und Pilze entstehen ebensowenig ohne Keim wie
Trichinen und Eingeweidewürmer. (Vgl. auch O. Brefeld:
Methoden zur Untersuchung der Pilze, Landwirthschaftliche Jahrbücher, 1875 S.
151.)
Ein Culturversuch mit Fichten in arsenhaltigem und
bleihaltigem Boden.
Zur Prüfung der Frage, ob die Gifte des Hüttenrauches der Hüttenwerke zu Freiberg
auch im Boden schädlich auf die Vegetation wirken könnten (vgl. 1876 220 88), wurden zwei jüngere Fichten mit dem Ballen
ausgehoben und in einen Boden gesetzt, der für die eine Pflanze 0,1 Proc. arsenige
Säure, für die andere 0,1 Proc. Bleioxyd enthielt.
Der Bleibaum behielt ein gesundes Aussehen; die ältesten Nadeln desselben hatten bei
der Fällung das normale Alter von sieben Jahren erreicht. Beim Arsenikbaume
vertrocknete der Wipfeltrieb, die Nadeln wurden gelb und starben ab; die ältesten
erreichten nur das Alter von 4 Jahren. Nach der Untersuchung von Klien (Chemische Ackersmann, 1875 S. 248) enthielten
Nadeln und Stamm nur Spuren, die Zweige 0,001 Proc. arsenige Säure. Die Nadeln des
Bleibaumes enthielten kein Blei, der Stamm Spuren, die Zweige 0,0012 Proc. dieses
Metalles.
Die Fichte kann also kleine Mengen arseniger Säure aus dem Boden aufnehmen, welche
auf das Wachsthum des Baumes schädlich wirken. Blei scheint dagegen nicht
nachtheilig zu sein.
Der Dampfkochtopf zum Conserviren.
Will man sich des Papin'schen Topfes als Conservator von Speiseresten u. dgl.
bedienen, so wird nach A. Markt folgendermaßen verfahren.
Der zu conservirende Artikel wird in den Topf gethan, der Deckel ausgesetzt und der
Bügel fest verschraubt. Sobald der wässerige Theil des Inhaltes zu kochen beginnt,
wird der am Deckel angebrachte Hahn auf einige Augenblicke geöffnet, damit die im
Topfe enthaltene Luft durch den sich entwickelnden Dampf ausgetrieben wird, und der
Topf sodann vom Feuer entfernt und an einem kühlen Ort aufbewahrt. Die Wasserdämpfe
condensiren sich, und es entsteht, wenn der Deckel hermetisch schließt, ein
luftleerer Raum, in welchem die aufbewahrten Speisen beliebig lange (ohne
Veränderung) erhalten werden können. Will man dieselben wieder verwenden, so braucht
man nur den Hahn zu öffnen, damit wieder Luft in den Topf eindringen kann und sodann
den Bügel abzuschrauben und den Deckel abzunehmen. (Vgl. S. 285.)
Einschlagpapier für gefärbte Wolle.
Nach Reimann's Färberzeitung erhalten Färber, welche Wollen für Tapisserieartikel
färben, öfters Waare zurück, welche nach dem Haspeln und Umhüllen mit weißem Papier
auf dem Lager bunt wurde, d.h. an einzelnen Stellen hell erscheint, während sie
sonst die ursprüngliche Farbe behielt. Natürlich wird dem Färber die Schuld
zugeschrieben. Nähere Beobachtung hat nun aber gezeigt, daß dieser Uebelstand,
welcher vorzüglich bei Anilinfarben und ganz besonders bei Magenta beobachtet wird,
stets da zur Geltung kommt, wo das fragliche Garn mit weißem Papier in directe
Berührung kommt. Dies führte auf die eigentliche Ursache des Buntwerdens. Die zu
weißem Papier verwendeten Materialien, Lumpen, Stroh, Esparto etc. werden einer
starken Bleichung mit Chlor unterworfen. Wird letzteres in der Papierfabrikation
nicht mit Antichlor entfernt, so sind in weißen Papieren stets Spuren (allerdings
nur ganz geringe) von Chlor enthalten. Aber gerade gegen Chlor sind die Anilinfarben
äußerst empfindlich, und daher kommt es, daß die auf Wolle fixirten Farben an allen
Stellen schwächer werden, wo sie mit weißem Papier, also mit den Spuren des Chlors
in Berührung kommen. Zur Vermeidung des Uebelstandes schlage man die Wolle nicht in
weißes, sondern in blaues Papier ein, oder wähle überhaupt ein dunkles Papier.
Blaues Papier empfiehlt sich deshalb, weil das zur Färbung desselben verwendete
Ultramarin gegen Säure und Chlor sehr empfindlich ist, eine etwa vorhandene Spur
davon durch diesen Farbstoff also schon abgestumpft würde.
Englisches Sohlleder.
In neuerer Zeit macht amerikanisches und englisches Sohlleder dem deutschen und
österreichischen stark Concurrenz. Probus (Gerber, 1876
S. 491) berichtet nun, daß das englische Sohlleder aus sehr starkem Kalkäscher enthaart und dann in
Brühen gegerbt werde. Sowohl der starke Aescher, als die nachfolgende rasche Gerbung
in sehr gerbstoffreichen Brühen bewirkt, daß das Leder zwar rasch gegerbt wird und
durch und durch satt gegerbt erscheint, daß es aber doch dabei lose, weich,
schwammig und undicht ist, so daß sich Jedermann scheuen würde, dieses Product,
welches auch in diesem Zustande nur ein geringes Gewicht aufweist, zu Sohlen zu
verwenden. Diesen Uebelständen muß natürlich abgeholfen werden, und das Land der
großen Baumwollindustrie weiß sich mit denselben Mitteln der Appretur, durch welche
den Baumwollstoffen und Leinen Steifheit und anscheinende Festigkeit beigebracht
wird, auch bei Leder zu helfen. Diese verschiedenen Appreturmittel sind nun:
Ordinäre Gummisorten, Kirchgummi, Dextrin, Glucose, Arrowroot, Gelose u.s.w. Durch
diese Mittel erhält das Leder eine Steifheit, daß es eher bricht als sich biegt,
sich mühsam schneiden läßt, wie dies sonst nur sehr ungare und halbrohe Leder zu
thun pflegen, vor allem aber ein großes Gewicht. Diese Leder sehen nun in der That
sehr verführerisch aus und vermögen selbst den Nichtlaien über deren wahren Werth zu
täuschen. Wird das Leder aber in Wasser aufgeweicht und gehörig gewalkt, so löst
sich das Appreturmittel und das ursprünglich lose, schwammige Leder bleibt zurück;
der hierdurch entstehende Gewichtsverlust beträgt 30 Proc. und mehr.
Die Platinfarbe.
Die sogen. Pflug'sche Platinanstrichmasse, deren Name wahrscheinlich wegen des
platingrauen Aussehens einer ihrer Sorten gewählt wurde, ist von Dr. Filsinger in Dresden
untersucht worden. Die Platinanstrichmasse Nr. 15 besteht aus 35 Proc. Leinfirniß
und 65 Proc. gelbem thonigen Eisenocker, Nr. 11 aus 36,8 Proc. Leinölfirniß und 63,2
Proc. Zinkweiß, Nr. 0 aus 26,7 Proc. Leinölfirniß und 73,3 Proc. thonigem Eisenocker
mit Zinkstaub, Nr. 00 aus 22,7 Proc. Leinölfirniß und 74,3 Proc. thonigem Eisenocker
mit mehr Zinkstaub. Andere als die erwähnten Bestandtheile enthalten die Farben
nicht.
Darstellung von Platinschwarz.
Brunner (1858 150 376) schlug
vor, eine verdünnte, mit Salzsäure angesäuerte Platinchloridlösung mit
feinvertheiltem Eisen zu reduciren. Hempel (1858 149 444) versetzt die Lösung von Platinchlorid mit
Eisenvitriol und Natronlauge, dann mit Salzsäure; das metallisch ausgeschiedene
Platin bleibt als schwarzes Pulver zurück.
Nach Zdrawkowitch (Bulletin de la
société chimique de Paris, 1876 t. 25 p. 198) wird eine Lösung von Platinchlorid
(Pt Cl₄) in Glycerin beim Kochen rasch dunkelroth durch Reduction zu
Platinchlorür (Pt Cl₂). Nach einigen Augenblicken bildet sich ein schwarzer
Niederschlag von feinvertheiltem Platin, welcher nach dem Auswaschen und Trocknen
ein mehr graues als schwarzes Pulver von geringer katalytischer Wirkung bildet.
Ein sehr wirksames Platinschwarz erhält man jedoch auf folgende Art. 15cc Glycerin von 25 bis 27° B. und
10cc Kalilauge von 1,08 spec. Gew.
werden zum Sieden erhitzt. Man setzt nun tropfenweise 3 bis 5cc Platinchloridlösung zu, kocht noch
einige Minuten, läßt den schwarzen Niederschlag absetzen, wäscht mit heißer
Salzsäure und Wasser aus und trocknet. Wendet man mehr Kalilauge an, so beobachtet
man oft die Bildung eines Platinspiegels, namentlich bei geringem Erwärmen der
Flüssigkeit im Reagirrohr.
F.
Berichtigungen. Der Preis der Fischer'schen
Wasserstrahlpumpe (S. 136 Z. 17 v. o.) beträgt 17,50 M., mit Vacuummeter 30 M.
(nicht 10 bez. 20 M.). – In der Miscelle „Herstellung des
Ebonits“ S. 187 Z. 5 v. u. ist zu lesen „1qc“ statt „1qm“.