Titel: | Das Polarisationsinstrument und das Wasserlein'sche Saccharimeter; von Dr. A. Schnacke in Gera, Reuss j. L. |
Autor: | A. Schnacke |
Fundstelle: | Band 222, Jahrgang 1876, S. 462 |
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Das Polarisationsinstrument und das
Wasserlein'sche Saccharimeter; von Dr. A. Schnacke in Gera,
Reuss j. L.
Schnacke, über Wasserlein's Saccharimeter.
Bekanntlich konnten bisher solche Körper, deren Lösungen den polarisirten Lichtstrahl
ablenken, nur mit Hilfe eines theuern Polarisationsinstrumentes genau quantitativ
untersucht werden. Rohr- und Traubenzucker-, sowie Eiweißlösungen
wurden in die Beobachtungsröhre des Polarisationsinstrumentes gegossen, um auf ihren
Gehalt an gelöster chemisch-reiner Substanz geprüft zu werden. Man schaffte
sich, wenn größte Genauigkeit der Untersuchung verlangt wurde, ein Instrument im
Werthe von 300 bis 390 M. an und hatte dafür die Bequemlichkeit, viele quantitative
Bestimmungen in unverhältnißmäßig kurzer Zeit ausführen zu können.
Wer heute sich ein Polarisationsinstrument anzuschaffen hätte, würde wohl auch auf
das billige Saccharimeter des Mechanikers Wasserlein in
Berlin Rücksicht zu nehmen haben. Das letztere Instrument ist ebenfalls ein
Polarisationsinstrument welches aber, nicht wie das gewöhnliche
Polarisationsinstrument horizontal auf einem Dreifuß ruht, sondern vertical in der
Tubushülse des Statives eines Mikroskopes steckt und durch den Spiegel an genanntem
Stativ beleuchtet wird. Beim gewöhnlichen Polarisationsinstrument braucht man eine
Lampe, nach deren Flamme die Beobachtungsröhre gerichtet werden muß; beim
Saccharimeter ist eine solche nicht nöthig, da der Stativspiegel genügende
Lichtquantitäten zuführt. Will man mit dem Saccharimeter arbeiten, so sind folgende
Manipulationen vorzunehmen.
Zum Ersten richtet man den Stativspiegel so, daß er gehörig viel Licht in die
Tubushülse werfe, und steckt den Polarisator, ein in einer kleinen Messingröhre
befindliches Nicol'sches Prisma, in die unter dem Objecttisch angebrachte
Cylinderblende, welche dann unter die Oeffnung des Objecttisches gedreht wird.
Zum Zweiten steckt man den Saccharimetertubus in die Tubushülse ein und setzt den
Analysator, ein zweites in einer Messingröhre befindliches Nicol'sches Prisma, auf
den eingesteckten Tubus auf, so daß der Nullpunkt seines Nonius sich mit dem
Nullpunkt der am Tubus befindlichen Scale deckt.
Zum Dritten dreht man, gleichzeitig durch den Analysator sehend, den Polarisator so
lange, bis die beiden blau und roth gefärbten Felder in eine Farbe, blau oder gelbroth, übergegangen sind.
Das Instrument muß nun während der Untersuchungszeit auf derselben Stelle stehen
bleiben, wenn man nicht abermals den Spiegel richten und den Polarisator drehen
will.
Die Untersuchung selbst ist ganz so, wie beim gewöhnlichen Polarisationsinstrument.
Die gefärbte Lösung wird durch animalische Kohle oder durch Bleiessig entfärbt,
filtrirt und die klare, farblose Flüssigkeit sofort in die Beobachtungsröhre
gebracht. Die nach der Herstellung der gleichmäßigen blauen oder gelbrothen Farbe
abgelesenen Grade werden beim Soleil-Scheibler'schen Instrument mit 0,26,
beim Mitscherlich'schen mit 0,75 und beim Wasserlein'schen Saccharimeter mit 1,323
multiplicirt, um die Volumprocente Rohrzucker zu erhalten.
Dem Wasserlein'schen Saccharimeter sind Tabellen beigegeben, in denen man die
abgelesenen Saccharimetergrade nur aufzusuchen braucht, um daneben gleich die
Volumprocente resp. Gewichtsprocente Rohrzucker aufgezeichnet zu finden. Jeder Grad
der Wasserlein'schen Scale entspricht = 1 Vol. Proc. Traubenzucker und 1,323 Vol. Proc.
Rohrzucker. In nächster Zeit sollen noch Tabellen für Eiweiß und andere
polarisirende Substanzen von mir bearbeitet und dem Saccharimeter beigegeben werden,
um die Brauchbarkeit des Instrumentes auf das höchst mögliche Maß zu steigern.
Beim Vergleich des gewöhnlichen Polarisationsinstrumentes mit dem Wasserlein'schen
Saccharimeter kam ich zu folgenden Resultaten:
1) In Bezug auf praktische Verwendbarkeit sind sich beide Instrumente gleich. Denn
während man beim Polarisationsinstrument die Flamme anzuzünden und die Richtigkeit
des Nullpunktes zu prüfen, resp. den Nullpunkt zu reguliren hat, ist beim
Wasserlein'schen Saccharimeter der Spiegel zu richten und der Polarisator bis zum
Erscheinen eines gleichmäßig gefärbten Gesichtsfeldes zu drehen. Die Polarisation
selbst bleibt bei beiden Instrumenten dieselbe.
2) In Bezug auf Genauigkeit verhalten sich beide Instrumente ebenfalls ganz gleich,
und darauf mache ich ganz besonders aufmerksam. Verschiedene
PolarisationsinstrumenteDieselbe Probe Rohzucker ergab nach Schulz 93,3,
nach Kayser 93,4, nach O. Kohlrausch 93,35, nach Wachtel 93,5 und
nach Weiler 93,7 Gew. Proc. Rohrzucker. Die
Differenzen des ersten Werthes mit den folgenden sind: 0,1, 0,05, 0,2 und
0,4; die Differenzen des zweiten Werthes mit dem vorhergehenden und mit den
folgenden: 0,1, 0,05, 0,1 und 0,3 etc. (Instrumente vereidigter Chemiker für Zuckerpolarisationen) ergaben ebenso,
wie mehrere mit einander verglichene Wasserlein'sche Saccharimeter, eine höchste
Differenz von 0,4 Vol. Proc. Mein Saccharimeter differirt mit dem der Zuckerfabrik
zu Spora gehörigen Polarisationsinstrument um 0,31 Vol. Proc.
3) In Bezug auf Preiswürdigkeit übertrifft das Wasserlein'sche Saccharimeter das
Polarisationsinstrument um ein Bedeutendes. Für ein Soleil-Scheibler'sches
Polarisationsinstrument, wie man es jetzt in den Zuckerfabriken antrifft, hat man
384 M. (mit Nebenapparaten 480 M.), für ein Wasserlein'sches Saccharimeter aber nur
54 M. zu zahlen.
Beim Ankauf des Wasserlein'schen Saccharimeters hat man immer zu berücksichtigen, daß
ein Mikroskopstativ schon vorhanden sein muß. Wer sich ein Saccharimeter anschaffen
will, ohne ein Mikroskop zu besitzen, muß sich das letztere gleichzeitig mit
besorgen. Fast überall, wo das Saccharimeter gebraucht wird, ist auch gleichzeitig
ein Mikroskop nöthig.
Schließlich sei noch bemerkt, daß ich über die Wasserlein'schen Instrumente sehr gern
Auskunft ertheile und auch deren Anschaffung ohne Abgabe irgend welcher Spesen von
Seite der Besteller vermittle.