Titel: | Ueber das nitrirte Alizarin; von A. Rosenstiehl. |
Autor: | A. Rosenstiehl |
Fundstelle: | Band 222, Jahrgang 1876, S. 472 |
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Ueber das nitrirte Alizarin; von A. Rosenstiehl.
Rosenstiehl, über das nitrirte Alizarin.
Strobel's Versuche, das Krapproth auf Baumwolle durch
Einwirkung von Salpetrigsäuredämpfen in ein echtes, durch Seifelösung
unveränderliches Orange überzuführen (1876 220 351), sind
von Rosenstiehl weiter verfolgt worden, indem er
dieselben auch auf die übrigen Krappfarbstoffe ausdehnte (Bulletin de Mulhouse, 1876 S. 243). Es zeigte sich hierbei, daß das
Alizarin für sich allein diese Umwandlung in Orange erleidet, während Purpurin und
Isopurpurin durch die Einwirkung der salpetrigen Säure fast ganz zerstört werden und auf
der Baumwolle nur eine ganz schwache fahle Nüance hinterlassen.
Die nächste Aufgabe, welche sich nun Rosenstiehl stellte,
war, diese orangefärbende Nitroverbindung des Alizarins in isolirtem Zustand
darzustellen. Es stellte sich bald heraus, daß Salpetrigsäuredämpfe auf Alizarin,
welches in Wasser, Essigsäure, Weingeist oder Schwefelsäure suspendirt oder gelöst
ist, zum Theil gar keine Einwirkung haben, zum Theil ganz andere gelbe, zum Färben
unbrauchbare Producte liefern, ohne Zweifel in Folge einer Reduction durch die
salpetrige Säure, wie eine solche unter ähnlichen Bedingungen von Nienhaus (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1875 S. 774) nachgewiesen worden ist, indem er aus Alizarin Anthrachinon
regenerirte. Als die beste Methode, das Nitroalizarin darzustellen, zeigte sich in
der Folge, die Salpetrigsäuredämpfe auf trockenes Alizarin einwirken zu lassen.
Künstliches Alizarin (z.B. Nr. 1 von Meister, Lucius und
Brüning in Höchst am Main) wird in großen
Glasflaschen vertheilt, nach längerm Schütteln, um die Wandungen der Gefäße
gleichmäßig mit Alizarinpaste zu überziehen, werden die Flaschen zum Abtropfen
umgestürzt und zum Trocknen gestellt, so daß das Glas mit einer dünnen Schichte von
trocknem, ganz fein vertheiltem Alizarin bedeckt ist. Dann werden die Flaschen mit
Salpetrigsäuredämpfen gefüllt und gut verschlossen. Schon nach wenigen Minuten sind
die rothen Dämpfe entfärbt und das Alizarin hat eine rein gelbe Farbe angenommen.
Wird jetzt mit Wasser ausgewaschen, so erhält man schließlich ein Gemenge zweier
Körper, von welchen der eine Thonerdemordant roth, der andere orange färbt. Ersterer
ist unverändertes Alizarin, denn ein Theil desselben entzieht sich immer der
Reaction, auch wenn man dieselbe noch so energisch ausführt und noch so lange
andauern läßt. Ein Ueberschuß von kaustischer Natronlauge löst das Alizarin auf,
während das Orange in einem solchen unlöslich ist. Dieses Verhalten dient zur
Trennung der beiden Körper. Das hierbei resultirende Natronsalz des Alizarinorange
wird mehrere Male aus Wasser umkrystallisirt, dann durch Säure zerlegt und der frei
gewordene Farbstoff so lange aus Chloroform umkrystallisirt, bis Mutterlauge und
Krystalle ein gleiches Färberesultat liefern. Der auf diese Weise gereinigte und bei
100° getrocknete Farbstoff enthält nach der Analyse von Goppelsröder 58,87 C, 2,56 H und 4,87 N, eine Zusammensetzung, welche dem
Alizarinorange die Formel des Mononitroalizarins,
C₁₄H₇(NO₂)O₄ zuweist. Perkin hat durch Einwirkung von Salpetersäure auf Diacetylalizarin
ebenfalls ein Nitroproduct des Alizarins von derselben empirischen Zusammensetzung
erhalten, welches wie Rosenstiehl's
Product Thonerdemordant
orange und Eisenmordant rothviolett färbt, also mit diesem identisch zu sein scheint
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1875 S. 780).
Das Nitroalizarin krystallisirt aus der Lösung in Chloroform, seinem hauptsächlichen
Lösungsmittel, in Gestalt von orangefärbigen Blättchen mit grünem Reflex. Es löst
sich etwas in heißem Wasser, dem es eine schwache Färbung ertheilt; es ist ferner
löslich in verschiedenen neutralen Lösungsmitteln, sowie in Essigsäure und in
Schwefelsäure. Seine Lösung in Alkalien ist rothviolett; wird dieselbe mit Phosphor
behandelt, um das Nitroalizarin zu reduciren, so wird sie allmälig blau, dann grün,
dann gelb. Unterbricht man diese Reaction, so lange die Flüssigkeit eine blaue Farbe
hat, so läßt sich daraus eine Substanz isoliren, welche Thonerdemordant granatroth,
läßt man die Reaction sich vollenden, so resultirt eine Substanz, welche
Thonerdemordant cachoubraun färbt. Das Nitroalizarin schmilzt bei 230° und
sublimirt bei bedeutend höherer Temperatur, indem es gleichzeitig zersetzt wird. Das
Sublimat besteht aus gelben, grünlich schillernden Blättchen und aus rothen Nadeln;
letztere färben wie Alizarin.
Das nitrirte Alizarin gibt mit Eisenmordant ein Rothviolett, mit Thonerdemordant ein
lebhaftes, avivirbares Hochorange. Das Färben wird in destillirtem Wasser
vorgenommen; Zusatz von 1 Aeq. essigsaurem Kalk liefert ein etwas ergiebigeres
Resultat; doppeltkohlensaurer Kalk schlägt das ganze Farbbad nieder, ein Strom von
Kohlensäure verlangsamt diese Fällung, ohne jedoch den einmal gebildeten
rothvioletten Kalklack zu zerlegen. In diesem Verhalten kommt also das Nitroalizarin
dem Purpurin näher als dem Alizarin, aus dem es entstanden; im Uebrigen sind seine
Verbindungen viel beständiger als die des Purpurins. Die Unzerlegbarkeit des
Kalklackes durch Kohlensäure gibt ein gutes Mittel an die Hand, den Gehalt des
Nitroalizarins an unverändertem Alizarin nachzuweisen. Setzt man nämlich eine
Farbflotte mit hinreichender Menge von doppeltkohlensaurem Kalk an, um beide
Farbstoffe zu fällen, und bringt man diese Flotte zum Kochen, um die Kohlensäure
auszutreiben und die beiden Kalklacke zu bilden, so zieht ein mordancirter Rest in
derselben keine Farbe an; wird jetzt ein Kohlensäurestrom eingeleitet, so wird, wenn
im Orange Alizarin vorhanden, der Kalklack des letztern zerlegt und der Rest färbt
sich in der entsprechenden Alizarinfarbe, während das Orange unwirksam bleibt.
Daß dem auf obige Weise dargestellten Alizarinorange immer noch etwas Alizarin
beigemengt ist, läßt sich auch auf andere Weise erkennen. Wenn man ein Farbbad
desselben der Reihe nach durch eine Anzahl mit Thonerde mordancirter Reste erschöpft, so zeigen die
ersten Proben ein reines Orange, in den letzten schlägt das Roth vor. Der Versuch
beweist zugleich, daß die Nitroverbindung des Alizarins sich viel leichter mit der
mordancirten Baumwolle vereinigt als dieses selbst. Das Orange bildet sich aber
nicht blos leichter, sondern es haftet auch viel fester auf der Baumwolle als das
Alizarinroth, wenn es der Einwirkung von Säuren ausgesetzt wird. Wird Alizarinroth
der Reihe nach mit einer Säure und mit Weingeist behandelt, so kann es vollständig
von der Baumwolle abgelöst werden, bis diese ganz ungefärbt zurückbleibt; hat man
zuvor das Roth mit salpetriger Säure in Orange übergeführt, so kann man dasselbe
noch so energisch mit verdünnter Salzsäure auskochen; die Faser kann angegriffen
sein, aber sie ist nach der Behandlung mit Weingeist immer noch orange gefärbt.
Hieraus erklärt es sich, warum Rosenstiehl's anfängliche
Versuche, den neuen Farbstoff aus seiner Vereinigung mit Thonerde und mit der
Baumwolle rein darzustellen, negativ ausfallen mußten; er erhielt auf diesem Weg nur
eine ganz geringe Menge des Orangefarbstoffes, noch dazu vermischt mit
unverändertem, nicht nitrirtem Alizarin.
Kl.