Titel: Schwefligsäure-Eismaschine für die künstliche Eisbahn (Glaciarium) zu Chelsea.
Fundstelle: Band 222, Jahrgang 1876, S. 556
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Schwefligsäure-Eismaschine für die künstliche Eisbahn (Glaciarium) zu Chelsea. Mit Abbildungen auf Taf. XII [d/3]. Eismaschine für Eisbahnen. Die künstliche Eiserzeugung im Kleinen bietet dem Chemiker und Fabrikanten bekanntlich keine besondern Schwierigkeiten dar. Anders jedoch gestaltet sich die Frage, wenn es sich darum handelt, einen Eisspiegel von beträchtlicher Ausdehnung (wie z.B. das Glaciarium zu Chelsea) durch künstliches Gefrieren direct zu erzeugen und unter Beobachtung einer hinreichend niedrigen Temperatur in einem zum Schlittschuhlaufen geeigneten Zustande zu erhalten. Zur Herstellung einer künstlichen Eisbahn sind außer der mechanischen Triebkraft drei Dinge erforderlich: das in Eis zu verwandelnde Wasser, das Kälteerzeugungsmittel und das die Kälte auf das Wasser übertragende Medium. Letzteres ist nothwendig, weil das Gefriermittel mit dem Wasser nicht in unmittelbare Berührung gebracht werden kann. Bei der Eisbahn zu Chelsea, der einzigen bis jetzt (Mai 1876) existirenden Anstalt dieser Art, dient als solches Medium eine Glycerinlösung und als Kälteerzeugungsmittel schweflige Säure. Diese Säure ist bekanntlich im gewöhnlichen Zustande ein Gas von 2,212 spec. Gew., welches jedoch unter einem Druck von 1at bei 0° oder durch Erkältung, indem man es durch ein bis –18° abgekühltes Rohr leitet, tropfbar flüssig wird. Das specifische Gewicht der schwefligen Säure als Flüssigkeit ist 1,45.Der Unternehmer der erwähnten Eisbahn, Hr. Gamgee, bezieht die schweflige Säure für die Zwecke seines Glaciariums aus der Schweiz und zwar in starken kupfernen Flaschen, welche einige Centner Flüssigkeit fassen. Bei einer Temperatur von –10° befindet sich die Flüssigkeit in normalem Zustande und übt keinen Druck aus. Fig. 34 und 35 stellen den Eiserzeugungsapparat des Glaciariums zu Chelsea im senkrechten Durchschnitte und im Grundrisse dar. Man bringt die Säureflasche auf einen kleinen, mit einer Wage versehenen Rollwagen und läßt ein Quantum Flüssigkeit von gegebenem Gewichte durch die Röhre B in den untern Theil des Condensators C fließen. Der letztere wird direct von der Wasserleitung aus mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur gespeist. Er ist mit einem System von Doppelröhren versehen, deren jede aus einem äußern 25mm weiten und einem innern 16mm weiten Rohre besteht, welche einen ringförmigen Raum zwischen sich lassen. Das Wasser tritt bei D ein, fließt durch die engern Röhren und erreicht den Boden des Condensators durch die aufwärts gebogenen Rohrenden. Es steigt alsdann durch den Condensator in die Höhe und verläßt denselben durch das Abflußrohr E. Auf diese Weise findet ein fortwährender Wasserzufluß und eine vollkommene Circulation statt. Sobald nun der Hahn G geöffnet wird, geht die bis jetzt noch flüssige schweflige Säure bei ihrem Eintritt in den Refrigerator R in Gasform über, wobei sie auf das 300fache ihres ursprünglichen Volums sich ausdehnt. Der Hahn F hat erforderlichen Falles die Verbindung zwischen dem Condensator und dem Refrigerator abzusperren. Das Röhrensystem des letztern besteht aus Gruppen dünner Röhren, welche von weiten Röhren d umschlossen sind. Die nunmehr gasförmige schweflige Säure steigt durch die Röhren d in den obern Theil des Refrigerators, wo die Röhren befestigt sind. (Jedes Pfund schweflige Säure, welches seinen Weg durch die Röhre A nimmt, absorbirt 170 englische Wärmeeinheiten.) Eine doppelt wirkende Pumpe, welche ein relatives Vacuum von ungefähr 50mm Quecksilberhöhe erzeugt, kommt nun in Thätigkeit. Theils durch dieses Mittel, theils vermöge ihrer eigenen Spannkraft, steigt die schweflige Säure in das Rohr A, dessen Temperatur eine sehr niedrige ist, um alsdann durch das Rohr K, dessen Temperatur eine hohe ist, in den Condensator C gepreßt zu werden. Das Manometer zeigt einen Druck von ungefähr 1at,5, welcher unter Mitwirkung des Wassers zur Recondensation des Gases hinreicht. Wenn die schweflige Säure, deren Uebergang von dem gasförmigen in den tropfbarflüssigen Zustand mit dem Eintritt in das Rohr K beginnt, in den Condensator gelangt, so tritt sie zunächst in die Kammer, worin die Doppelröhren angeordnet sind, und fließt durch die ringförmigen Räume zwischen der einen Röhrenhälfte bis zu einem Absperrhahn, dann durch die andere Hälfte, gelangt zum Boden des Condensators und endlich von da wieder zurück in den Refrigerator R, um ihren Kreislauf von Neuem zu beginnen. Die Temperatur der schwefligen Säure variirt von –6 bis –2°. Die Pumpenventile aus sogen. Bristol-Bronze mit gußstählernen Spindeln haben sich vollständig bewährt. Die schweflige Säure greift, da sie mit der Atmosphäre nie in Berührung kommt, die Maschinentheile nicht im Geringsten an. Das die Kälte übertragende Medium ist eine wässerige Lösung von braunem Glycerin, welche in unterirdischen Cisternen aufbewahrt wird. Dieselbe hat einen sehr niedrigen Gefrierpunkt. Eine Lösung von gleichen Theilen Glycerin und Wasser ist praktisch nicht zum Gefrieren zu bringen. In Chelsea bedient man sich einer Mischung von 4 Th. Glycerin auf 6 Th. Wasser, welche bei –18° erstarrt. Diese Flüssigkeit wird zunächst in eine an dem obern Theile des Refrigerators R angebrachte Kammer gepumpt, um bis zur erforderlichen Temperatur erkältet zu werden. Sie fließt durch die innern, an die Kammer befestigten Röhren des Refrigerators hinab. Letztere sind von der schwefligen Säure umgeben, welche, wie oben erwähnt, die weiten Röhren d ausfüllt. Die Glycerinlösung gelangt in eine flache gußeiserne Kammer am Boden des Refrigerators, worin sie sich durch ein System radialer Röhren vertheilt. In hinreichend erkältetem Zustande wird sie vorsichtig und unter Vermeidung heftiger Bewegung in einen ungefähr 3m über dem Boden angebrachten hölzernen Behälter gepumpt. Aus diesem fließt sie vermöge ihrer eigenen Schwere durch ein 150mm weites Rohr hinab, um ein System dünner kupferner Röhren zu durchfließen, welche längs des Bodens der Schlittschuhbahn parallel neben einander angeordnet sind. Diese Röhren besitzen einen elliptischen Querschnitt, dessen beide Achsen 76 und 22mm betragen. Der Raum zwischen diesen dünnen Röhren variirt zwischen 3 und 6mm,4. Nachdem die Glycerinlösung dieses Röhrensystem durchlaufen und ihre erkältende Wirkung auf das umgebende Wasser des Bassins ausgeübt hat, fließt es in den Refrigerator zurück, um in diesem von Neuem zu einer niedrigen Temperatur abgekühlt und in den Behälter hinauf gepumpt zu werden. Während des ganzen, auf diese Weise sich wiederholenden Kreislaufes aus dem Refrigerator in den Behälter, aus diesem durch das Röhrensystem des Bassins und von da wieder zurück in den Refrigerator variirt die Temperatur der Flüssigkeit nur wenige Grade. Das auf die beschriebene Weise künstlich erzeugte Eis der Schlittschuhbahn unterscheidet sich vortheilhaft von dem natürlichen Eis. Da es nämlich direct auf Beton und Planken liegt, so hat der Schlittschuhläufer weder Risse noch Biegungen zu befürchten, und da es bei einer sehr niedrigen Temperatur gefroren ist, so ist es härter und dichter als gewöhnliches Eis. (Nach dem Engineer, 1876 Bd. 41 S. 371.) P.

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