Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 222, Jahrgang 1876, Nr. , S. 587 |
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Miscellen.
Miscellen.
Die erste Dampfmaschine in Amerika.
Die Reste eines halbzerstörten Gußstückes sind in Philadelphia an hervorragender
Stelle ausgestellt und verdienen diese Ehre, denn es ist eine werthvolle Reliquie
der ersten Dampfmaschine, welche nach Amerika eingeführt wurde. Dieselbe wurde 1753
von J. Schuyler aus England herübergebracht, um die
Wasserhaltung seiner im Staate New-Jersey gelegenen Kupfermine zu besorgen.
Die Grube war so weit ausgebreitet gewesen, als es mit Benützung von Handarbeit zur
Wasserhaltung geschehen konnte; da hörte Schuyler von dem
Erfolge, welchen Feuer-Maschinen nach Newcomen's
System im englischen Bergwerkdistricte Cornwall ergaben, und ließ sich ein
derartiges Wunderwerk nach Amerika kommen, zu dessen Montirung ein junger
Handwerker, Namens J. Hornblower, mitgesendet wurde,
dessen Vater schon seit 1720 beim Baue der ersten Dampfmaschine beschäftigt gewesen
war. Die Maschine hatte noch keinen getrennten Condensator und arbeitete mit
Niederdruckdampf; – denn Watt hatte seine
epochemachende Erfindung noch nicht vollendet. Dennoch ging diese Maschine bis zum
Anfang unseres Jahrhunderts, wo sie durch eine neue ersetzt und abgebrochen und, bis
auf die in Philadelphia ausgestellte Reliquie, zerstört oder verschleudert
wurde.
R.
Festigkeit von Bandsägeblättern.
Nach Versuchen, welche E. J. Sweet mit acht Perrin'schen
Bandsägeblättern angestellt hat, beträgt die Zerreißfestigkeit eines ungelötheten
Blattes durchschnittlich 446 Pfd. (zu 453g,6) pro 1/16 Zoll engl. (zu 25mm,4)
Breite; das Minimum betrug 323 Pfd. Die Löthstellen zeigten entsprechend im Mittel
eine Zerreißfestigkeit von 206 Pfd., im Minimum 176 Pfd. Die Blätter waren aus
Stahlblech von Nr. 19 der englischen Blechlehre, also von 1mm,07 Stärke hergestellt. Das
Zerreißgewicht des gelötheten Blattes von 176 Pfd. pro 1/16 Zoll würde also etwa
500k pro 1cm Blattbreite (von 1mm,07 Stärke) oder ca. 4700k pro 1qc ergeben.
Vulcanisirtes Fasermaterial.
Ein Ersatz des Kautschuks in allen seinen elastischen Functionen, Ersatz des
Hartgummis, des Leders, Frictionsmetalles und aller dieser mehr oder weniger
kostspieligen Substanzen ist endlich gefunden und der Welt zur Bewunderung in
Philadelphia ausgestellt.
Aus „vegetabilischer Faser wird durch intensiv chemische Behandlung mit
gewissen Metallsalzen“ dieser Stoff gewonnen, der sowohl weich als
hart, steif oder biegsam hergestellt werden kann und den verschiedensten Functionen
dienen soll. Zum Beweis dessen hat die „Vulcanized Fibre
Company“ in Wilmington (Del. Amerika) eine Unzahl daraus verfertigter
Artikel ausgestellt, Schuhzeug. Pferdegeschirr, Koffer und ähnliches im
Lederpavillon, Kreuzkopfbeilagen, Unterlagscheiben und Zapfenlager in der
Maschinenhalle.
Interessant ist die Herstellung der letztern. Der dazu verwendete Stoff wird in
Größen von 10 bis 40mm innern Durchmesser
zu Röhren gewalzt mit genau glatter Oberfläche und braucht nur abgeschnitten und
eventuell getheilt zu werden, um das Lager fertig zu haben.
Dieses Lager braucht um die Hälfte weniger Oel als jedes andere, da es kein Oel
absorbirt (was also Metalllager zu thun scheinen!); auch kann diese Substanz den
meisten Säuren gefahrlos ausgesetzt werden, und nur einen Feind hat sie – das
Wasser, was allerdings dem Besitzer derartigen Schuhzeuges weniger erwünscht sein
dürste als die Gewißheit, ungestört in Schwefelsäure spazieren gehen zu können.
M-M.
Zur Conservirung von Nahrungsmitteln.
Als Fortsetzung seiner Untersuchungen über Bakterien (1876 219 279) 220 191) berichtet F. Cohn (Beiträge zur Biologie der Pflanzen, 1876 Bd. 2 S.
249) über die Widerstandsfähigkeit der Bakterien gegen Siedhitze.
Als Beweis für die sogen. Urzeugung (1876 221 285) wird
bekanntlich angeführt, daß in Substanzen, welche einige Zeit der Siedhitze
ausgesetzt, somit frei von Keimen wären, lebende Wesen sich entwickeln könnten. Die
Angaben, bei welchen Temperaturen die Organismen getödtet werden, sind aber sehr
verschieden. Die für Menschen tödtliche Wärme wird meist zu 44° angegeben;
bei Pflanzen wechselt sie nach Kühn von 47 bis
48°, während Spollanzani u.a. fanden, daß Eier,
Sporen und Bakterienkeime durch Temperaturen von 50 und 60° getödtet werden.
Die Conserven und verwandte Organismen gedeihen, wie Mooker in Sorujkund fand, in einer heißen Quelle von 75°; andere
wurden von Capitän Strachey in Thibet in Quellen von fast
79° beobachtet, von Humboldt in La Grinchera von
85°, von Brenner in Californien von 87,5°.
Daß sich ferner in den 97,8° heißen Quellen Islands noch lebende Organismen
finden, ist bekannt. Krasan hat beobachtet, daß langsam
ausgetrockneter Weizensamen mehrere Stunden auf 100° erhitzt werden kann,
ohne seine Keimkraft zu verlieren; der Same der amerikanischen Akazie keimt
angeblich nur, wenn er vorher 10 Minuten gekocht ist.
Cohn hatte gefunden, daß kurzes Kochen oder selbst
Erwärmen auf 80° hinreicht, die Entwicklung der meisten Bakterien zu hindern.
Auch Lancaster ist der Ansicht, daß diese niedern
Organismen schon bei Temperaturen unter 100° getödtet werden, daß das
Erhitzen aber hinreichend lange geschehen müsse. Sechsstündiges Erwärmen in
verschlossenen Röhren auf 75° genügte, die Entwicklung von Bakterien zu
verhindern. Nach Hoffmann werden die Bakterien beim
Kochen in offenen Gefäßen erst nach längerer Zeit, rasch dagegen bei gewöhnlicher
Siedhitze in zugeschmolzenen Glasröhren getödtet; Wymann
fand erst 5- bis 6stündiges Kochen ausreichend, die letzten Keime zu
vernichten (1873 210 138).
Schröder (1862 163 398) hatte
gefunden, daß nicht alle Fäulnißorganismen durch Kochen getödtet werden. Gscheidlen zeigt, daß die Bakterien in Rübenabkochungen
beim Sieden, im Käse aber erst beim Erhitzen auf 110° in zugeschmolzenen
Röhren vernichtet werden. Pasteur gibt an, daß viele
Organismen erst beim Erhitzen auf 110° absterben, und Lex hat selbst nach kurzem Erwärmen auf 127° noch vitale Bewegung
beobachtet.
Penicillium-Sporen werden nach Manasseïn
trocken erst bei 200°, feucht erhitzt schon bei 83° getödtet; die
Sporen von Ustilago Carbo können eine trockne Hitze von
150° ertragen. Hefe kann eine kurze Zeit auf 130° erwärmt werden, ohne
zu Grunde zu gehen.
Place berichtet, daß die Bakterien in schwach sauren, in
neutralen und alkalischen Flüssigkeiten Temperaturen bis zu 160° ertragen,
ehe ihre typischen Formen vernichtet werden. Crace-Calvert hat sogar gefunden, daß erst 204° die
Bakterien sicher tödten. –
Die Herstellung conservirter Speisen nach der Appert'schen Methode ist bekanntlich
einer der bedeutendsten Industriezweige der Neuzeit geworden, welcher immer neue
Nahrungsmittel auf unbegrenzte Zeiträume bakterienfrei für den internationalen
Welthandel herstellt. F. Cohn berichtet nun, daß zu
Lübeck in mehreren Fabriken alle Gemüse durch Kochen bei 100° in Blechbüchsen
haltbar gemacht werden, ohne daß jemals in einer dieser Dosen (im J. 1873 mehr als
80000 Stück) Zersetzung eintritt, sobald dieselben gut verschlossen sind. Ausnahme
hiervon machen nur die Erbsen, welche früher auch bei 100° eingekocht wurden;
nachdem aber in warmen Jahren fast die Hälfte aller Büchsen trotz luftdichten
Verschlusses durch eintretende Zersetzung verdorben waren, werden seit 1858 die
Erbsen in einer 28procentigen Kochsalzlösung, also bei 108° gekocht, und
seitdem verdirbt keine gut verschlossene Dose mehr. Nach einer andern Methode werden
die Erbsen auf 117° erhitzt; allein von Lübeck aus werden jährlich 50000
Büchsen so zubereiteter Erbsen meist nach tropischen Ländern verschickt, ohne daß im
Laufe vieler Jahre nur eine verdirbt. Auch in einer Fabrik in Frauenfeld gingen vor
längerer Zeit sämmtliche Blechbüchsen mit Erbsen, welche bei 105° eingekocht
waren, trotz hermetischen Verschlusses in Zersetzung über.
Umfassende Versuche zeigten nun, daß sich in gekochten Flüssigkeiten weder Bacterium Termo noch ein anderer niederer Organismus
entwickelt, mit Ausnahme der Bacillen, namentlich der zu den Fadenbakterien
gehörende Bacillus subtilis. Ueberall, wo in gekochten
organischen Stoffen sich Organismen entwickelten, sind bis jetzt nur
sporenerzeugende Bacillen gefunden, deren Sporen, so lange sie nicht in Wasser
aufgequollen sind, auf 100° erhitzt werden können, ohne ihre Keimfähigkeit zu
verlieren; selbst nach viertägigem Erwärmen auf 70 bis 80° sind sie noch
keimfähig.
Aus weitern Beobachtungen schließt nun Cohn, daß die
Bacillen die Erreger der in den Erbsenbüchsen auftretenden Buttersäuregährung sind;
denn unter sonst gleichen Verhältnissen unterbleibt die Gährung, wenn keine Bacillen
sich entwickeln und umgekehrt. Hiernach geht die Fermentwirkung der Bacillen in
luftfreiem Raum mit besonderer Intensität vor sich, während Wachsthum und
Sporenbildung an den ungehinderten Zutritt der Luft gebunden sind. Eigentliche
Fäulniß tritt in gekochten Substanzen nur dann ein, wenn eine nachträgliche
Infection mit dem Fäulnißferment Bacterium Termo
stattfindet.
Zur Phylloxera-Frage.
Der deutsche Weinbaucongreß in Kreuznach hat folgende Resolutionen gefaßt:
1) Der deutsche Weinbaucongreß spricht seine Ueberzeugung dahin aus, daß bei dem
gegenwärtigen Stande der Reblauskrankheit in Deutschland die sofortige Vernichtung
der inficirten Stöcke, verbunden mit gründlicher Desinfection des Bodens, das
einzige Mittel ist, um den deutschen Weinbau vor der Gefahr einer Ausbreitung der
Reblauskrankheit zu schützen.
2) Nach den Erfahrungen, besonders auch in Erfurt und bei Stuttgart, erscheinen alle
amerikanischen und die in den letzten Jahren bezogenen französischen und englischen
Reben als verdächtig und sind dieselben nach Maßgabe der Verhältnisse einer mehr
oder weniger gründlichen Untersuchung zu unterwerfen.
3) Es erscheint dringend nothwendig, daß die Zahl der im Erkennen der
Reblauskrankheit erfahrenen Sachverständigen wesentlich vermehrt werde. Es ergeht
daher besonders an alle betheiligten landwirthschaftlichen Vereine das dringende
Ersuchen, geeignete Persönlichkeiten im pomologischen Institute zu Geisenheim oder
im Laboratorium von Dr. Blankenhorn in Karlsruhe ausbilden zu lassen.
4) In Folge der durch das häufige Auffinden der Reblaus in Deutschland vermehrten
Arbeiten der Ueberwachung und der gesteigerten Gefahr der Verbreitung erscheinen verschiedene
Aufsichtsbezirke viel zu groß, und halten wir eine Theilung derselben für ein
dringendes Bedürfniß.
5) Das Präsidium des deutschen Weinbauvereins wird ermächtigt, an diejenigen
deutschen Staaten, in deren Gebiete sich Weinberge befinden, Petitionen zu richten,
daß die nothwendigen Vorkehrungen getroffen werden, um die in dem Gebiete derselben
aufgefundenen Infectionsherde in der kürzesten Zeit vernichten zu können.
Zur Alkoholgährung.
Ueber die Alkoholgährung durch Mucor Mucedo und M. racemosus hat A. Fitz
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 S. 1354) Versuche gemacht, die
zu folgenden Resultaten führten.
M. racemosus wächst in einer Lösung von Milchzucker,
vermag ihn aber nicht in Gährung zu versetzen. Der invertirte Milchzucker vergährt
leicht; der Pilz vermag den Milchzucker nicht zu invertiren.
Inulin wird von M. racemosus nicht in Gährung versetzt,
dagegen die daraus bereitete Levulose.
Der Alkoholgehalt erreicht für M. racemosus bei 25 bis
30° nach 6 Wochen 2,5 Gew. Proc., für M. Mucedo
bei 30° nach 7 Wochen 0,8 Gew. Proc.
Das elektrische Leitungsvermögen der Säuren.
F. Kohlrausch berichtet über das elektrische
Leitungsvermögen der Chlor-, Brom- und Jodwasserstoffsäure, der
Schwefel-, Phosphor-, Oxal-, Wein- und Essigsäure in
wässerigen Lösungen. Wir entnehmen der sehr ausführlichen Arbeit (Poggendorff's
Annalen, 1876 Bd. 159 S. 233 bis 275) nur die Mittheilung, daß das Maximum des
Leitungsvermögens (7330) für die Salpetersäure bei 29,7 Proc. HNO₃ oder 1,185
spec. Gew. liegt, für die Salzsäure (7174) bei 18,3 Proc. HCl oder 1,092 spec. Gew..
für Schwefelsäure (6914) bei 30,4 Proc. H₂SO₄ oder 1,224 spec. Gew.,
für die Phosphorsäure (1962) bei 46,8 Proc. H₃PO₄, für die Oxalsäure
(785) bei 9,4 Proc. H₂C₂O₄ und für die Essigsäure (15,2) bei
einem Gehalt von 16,6 Proc. H.C₂H₃O₂ oder 1,022 spec. Gew.
Autokinetischer Telegraph.
Unter vorstehendem Namen wird im Telegraphic Journal,
1876 Bd. 4 S. 242 eine von einem Spanier erfundene Telegrapheneinrichtung
beschrieben, welche, bei Verwendung von blos zwei Leitungen, Sicherheit bieten soll,
daß, wenn zwei in einer und derselben Telegraphenlinie liegende Stationen, z.B. bei
einem Feuerwehr- oder Diebes-Telegraphen, zugleich ein Signal geben,
diese beiden Signale sich nicht gegenseitig stören, sondern nach einander regelrecht abtelegraphirt werden. Es soll dadurch die
Möglichkeit beschafft werden, „alle einzelnen Häuser und Geschäftslocale
einer Stadt mit sehr geringen Kosten in telegraphische Verbindung mit einem
Wachtlocale zu setzen“. Der Sender soll dazu so viele
Schließungsräder, als verschiedene Meldungen gemacht werden sollen, erhalten; wird
der Umschalterhebel einer Station auf den mit der betreffenden Meldung bezeichneten
Knopf gedreht, so schließt er die auf der Wachtstation stehende Batterie durch das
zugehörige Schließungsrad zur Erde, so daß in der Wachtstation erst eine Lärmglocke
ertönt und dann ein Morseschreiber mit Selbstauslösung die Meldung niederschreibt.
In dem Senderkästchen befindet sich nun aber noch ein Elektromagnet, welcher den
Umschalterhebel auf dem Contactknopfe, auf welchen er gedreht wurde, so lange
festhält, bis die beabsichtigte Meldung vollständig abtelegraphirt ist. Ist das
Abtelegraphiren vollendet, so läßt, mittels der zweiten Leitung, der Elektromagnet
den Umschalterhebel frei und dieser springt in seine Ruhelage zurück, als Zeichen
der vollendeten Abtelegraphirung. – Dazu bemerkt der Director der Londoner
Börsentelegraphen-Compagnie (a. a. O. S. 264), daß auf den Linien der 1871
gegründeten amerikanischen District-Telegraphen in New-York (vgl. 1876 219 463) erfahrungsgemäß ein Zusammentreffen zweier
Telegramme höchst selten vorkäme, daß aber, trotzdem daß nur ein Draht vorhanden
sei, ein „Feuer“-Signal nie
durch ein „Boten“-Signal
gestört werden könne. Diese Einrichtung habe sich seit 3 Jahren bewährt. Ein
Empfangsapparat könne 1200 Signale in der Stunde niederschreiben, im Durchschnitt
würden aber blos etwa 10 in der Stunde telegraphirt, also sei die Gefahr des
Zusammentreffens zweier Telegramme schon sehr gering. Anfänglich wurde neben den
Sendern ein kleiner Klopfer aufgestellt, welcher erkennen ließ, ob eben auf der
Linie telegraphirt würde. Aber auch dies erwies sich als unnöthig und unterblieb
daher dort. Auch die Londoner Börsentelegraphen arbeiteten mit einem Drahte und
spürten dabei durchaus nicht die Unvollkommenheit, welche der autokinetische mit zwei Drähten zu beseitigen verspreche.
E–e.
Chlorcalcium zum Besprengen der Wege.
Bekanntlich wurden in Frankreich schon vor mehreren Jahren Versuche gemacht durch
Besprengen der Straßen mit Chlorcalcium haltigem Wasser den Staub zu vermindern
(1867 186 311), – ein Vorschlag, welchen J. C. Leuchs bereits um das J. 1820 gemacht hat (vgl. 1862 165 320). Später wurde auch Chlormagnesium versucht (1868
189 269); doch entsprachen die Erfolge nicht den
Erwartungen (1870 197 547).
Jetzt berichtet Houzeau (Comptes
rendus, 1876 t. 82 p. 1507), daß in Rouen die Hauptverkehrsstraßen mit Chlorcalciumlösung
besprengt werden. Eine Straße von 1km Länge
und 5m Breite erforderte früher täglich
4mal je 4cbm Wasser. Jetzt wird sie nur
alle 6 Tage mit 4cbm Chlorcalciumlösung
besprengt. Hierbei soll sich eine gegen Straßenverkehr und Wind ganz unempfindliche
Kruste bilden. Aehnliche günstig lautende Mittheilungen macht Cousté in den Comptes rendus, 1876 t. 83 p. 395.
Zur Fabrikation der Ammoniaksoda.
Ueber die Fabrikation der Soda mittels Ammoniak wurden bereits von R. v. Wagner (1873 209 282) 1876 222 77. 370), Bauer (1874 212 143) und List (1874 212 507) umfassendere Mittheilungen gemacht. P. Hanrez (Revue universelle,
1876 p. 454) gibt nun ebenfalls einen kurzen
geschichtlichen Ueberblick über die Entwicklung dieser Industrie, welcher jedoch
nichts wesentlich Neues enthält, und theilt schließlich eine Analyse der nach Solvay hergestellten Soda mit. Dieselbe bestand aus:
Natriumcarbonat
99,4385
Chlornatrium
0,21
Kieselsäure und Kohle
0,04
Eisenoxyd
0,0015
Thonerde und Kalk
Spur
Wasser
0,31
––––––
100,00.
Hanrez glaubt, daß diese Soda namentlich für die
Glasfabrikation von Werth sei, wegen ihres geringen Eisengehaltes. –
In der Ultramarinfabrikation scheint sie, wohl wegen ihrer voluminösen
Beschaffenheit, nur wenig Anwendung zu finden.
F.
Entkalkung der Knochenkohle.
Die in vielen Zuckerfabriken übliche Wiederbelebung der Knochenkohle mittels
Salzsäure oder verdünnter Melasse hat manche Uebelstände. G. Krieger (Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie des Deutschen
Reiches, 1876 S. 683) empfiehlt nun die Knochenkohle mit möglichst luftfreier
Kohlensäure unter Druck bei niedriger Temperatur zu behandeln. Mit Kohlensäure gesättigtes
Wasser löst unter diesen Umständen nicht nur mit Leichtigkeit den kohlensauren Kalk
sondern auch den Gyps.
Condensirtes Bier.
Bereits im J. 1845 machte Rietsch in
Böhmisch-Rudoletz die ersten Versuche zur Herstellung des sogen. Biersteins
oder Zeilithoids; derselbe war auf der Londoner Ausstellung vertreten, wo er die
Aufmerksamkeit des Prinzen Albert auf sich zog (1853 127 236). Später erhielt Aulhorn in Dresden ein Patent auf ein ähnliches Präparat (1856 142 75). Sie bestanden im Wesentlichen aus
Getreideabkochungen, welche mit Hopfenaufguß eingedampft und mit Zucker gemischt
waren. Zur Herstellung von Bier wurde ein Stück dieses Getreidesteins in Wasser
gelöst und mit Hefe versetzt; nach 12 Stunden sollte das so erhaltene Jungbier auf
Flaschen gezogen werden. Trotz aller Bemühungen gingen die betreffenden Fabriken
aber wieder ein (Zeitschrift für Bierbrauerei, 1876 S. 225).
In letzter Zeit sind nun wieder verschiedene Vorschläge gemacht, Bier in
concentrirter Form herzustellen. Fröster in Paris hat
sich folgendes Verfahren patentiren lassen. Man dampft irgend ein Bier bis zur
Syrupconsistenz oder auch zur Trockne ein. Soll concentrirtes Bier zur Verwendung
kommen, so löst man es in der entsprechenden Menge Wasser, setzt etwas Hefe zu und
läßt 5 Tage lang gähren, worauf das Bier zum Trinken bereit ist. Wird Bier mit
besonderer Rücksicht auf Concentriren gebraut, so nimmt man möglichst wenig Wasser
zum Einmaischen.
Nach einem Patent von Lockwood kann einfaches Bier und
Doppelbier in jedem Stadium der Gährung condensirt werden, am besten aber, wenn das
Bier zum Trinken fertig ist. Es wird in einer Vacuumpfanne abgedampft, bis ein
großer Theil des Alkohols und Wasser destillirt und das Bier zu einer dicken zähen
Flüssigkeit von der Consistenz der condensirten Milch geworden ist. Um den Alkohol
aus dem mit dem Vacuum verbundenen Recipienten wieder zu gewinnen, destillirt man
die Flüssigkeit aus dem Recipienten nochmals, oder man bringt von vornherein einen
Dephlegmator mit der Vacuumpfanne in Verbindung, und das Ganze vollzieht sich auf
einmal. Der Alkohol wird dem condensirten Biere wieder beigemischt, entweder ehe es
in die bestimmten Aufbewahrungsgefäße kommt, oder zu jeder beliebigen Zeit nachher.
Das Bier hat in condensirtem Zustand nur 1/8 oder 1/10 seines frühern Volums, je
nach der ursprünglichen Stärke desselben, und es hält sich, da durch die angewendete
Hitze die Gährung unterbrochen worden ist, in jedem Klima und auf jede beliebig
lange Zeit. Die abermalige Umwandlung dieser Flüssigkeit in Bier ist höchst einfach,
da man blos die entzogene Quantität Wasser zuzusetzen und die Gährung durch eine
geringe Portion Hefe oder ein anderes Gährungsmittel wieder in Gang zu bringen
braucht. Binnen 48 Stunden ist das Bier so weit, daß es vom Faß verzapft oder auf
Flaschen gezogen werden kann. Ohne Zusatz von Hefe kann das Bier auf Flaschen
gezogen und wie kohlensaures Wasser durch Apparate mit Kohlensäure versehen
werden.
Das von Evers in Kopenhagen vorgeschlagene Verfahren
nähert sich wieder der Biersteinfabrikation. Ein concentrirter Malzaufguß wird mit
Hopfen versetzt und nach dem Durchseihen zur Honigconsistenz abgedampft. Dieses
Extract löst man beim Gebrauch in Wasser und setzt Hefe zu; nach 18 Stunden soll das
Bier fertig sein.
Aehnlich ist ein in Frankreich patentirtes Verfahren. 380 bis 400k Malz und 8k Hopfen werden mit etwas gährungsfähigen
Zucker eingekocht. Zur Bierherstellung werden 100k Extract in 100l Wasser gelöst
und mit Hefe versetzt; in 5 Tagen ist das Bier fertig.
Die diesen Vorschlägen zu Grunde liegenden Absichten sind jedenfalls noch besser als
das nach denselben hergestellte Getränk.
Ueber die Ursachen des Schlafes.
Unter den vielen Räthseln des Daseins, an welche sich die Menschheit wie an ein
Selbstverständliches gewöhnt hat, nimmt eine hervorragende Stelle ein das
periodische Verschwinden
der höheren Geistesthätigkeit, das Problem vom Wechsel des Schlafens und Wachens.
Preyer (Tageblatt der 49. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte) bespricht die verschiedenen Ansichten über Schlafen und
Wachen von Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Aus den
bisherigen Beobachtungen folgt, daß während der Anstrengungen des Gehirns wie der
Muskeln, also bei geistiger und körperlicher Arbeit, sich eine Reihe eigenthümlicher
Stoffe bildet, die im Ruhezustande gar nicht oder nur in minimalen Mengen vorhanden
sind. Diese sogen. Ermüdungsstoffe (Milchsäure u.s.w.) entstehen um so schneller und
häufen sich um so reichlicher an, je intensiver die Thätigkeit war. Wenn ihre
Anhäufung einen gewissen Grad erreicht hat, reißen sie, als leicht oxydirbar,
denjenigen Sauerstoff an sich, der sonst im Gehirn verwendet wird, bei
Reizwirkungen, bei psychischen Processen, sie oxydiren sich, und das geschieht im
Schlafe und zwar so, daß, nachdem eine gewisse Zeit die Verbrennung vor sich
gegangen ist, dann schon ein schwächerer Reiz die Thätigkeit der grauen Substanz des
Gehirns wieder zur Geltung kommen läßt, so daß dann erst wieder die psychische
Thätigkeit des Gehirns zunimmt: man erwacht.
Ueber Anilinschwarz von R. Nietzki.
Durch Einwirkung von Anilin auf Anilinschwarz erhielt Nietzki einen blauen Farbstoff (1876 221 73).
Zur genauern Untersuchung dieses Körpers hat der Verfasser (Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1876 S. 1168) das rohe Anilinschwarz wiederholt mit Alkohol
ausgekocht, darauf durch Behandlung mit verdünnter Natronlauge die freie Base und
aus dieser durch Befeuchten mit Essigsäure das Acetat dargestellt. Letzteres wurde
getrocknet, und darauf mit dem 8 bis 10fachen Gewicht Anilin in einer Retorte aus
150 bis 160° erhitzt.
Die Einwirkung ging äußerst langsam von Statten, so daß zur völligen Umwandlung je
nach der Quantität ein 6 bis 8 Tage langes Erhitzen nothwendig war. Der Proceß wurde
unterbrochen, sobald sich eine Probe ziemlich vollständig in Alkohol löste. Die
Masse wurde jetzt in eine größere Menge verdünnter Salzsäure gegossen, wobei außer
dem Anilin viele Unreinigkeiten in Lösung gingen, während der blaue Farbstoff in
Form des Chlorhydrats gefällt wurde. Letzteres wurde in Alkohol gelöst, nach
theilweisem Abdestilliren desselben mit Wasser und Natronlauge die Base
abgeschieden, und diese durch wiederholtes Auflösen in Aether und Fällen aus dieser
Lösung mit Salzsäure gereinigt.
Die ätherische Lösung der reinen Base besaß eine schön rothe, fast einer
Fuchsinlösung gleichende Färbung. Durch Zusatz einer Säure wurde daraus das
betreffende Salz vollkommen ausgefällt.
Das auf diese Weise gereinigte Chlorhydrat krystallisirt beim Erkalten seiner heißen
alkoholischen Lösung in kleinen, kupferglänzenden Nadeln. Es löst sich leicht in
Alkohol, nicht in Aether und Wasser. Die blaue Farbe der alkoholischen Lösung
verwandelt sich durch feste Alkalien sowohl, als durch Ammoniak in ein schönes
Carmoisinroth. – Die Analysen des Chlorhydrates, des Jodhydrates, der
Pikrinsäureverbindung und des Platinsalzes führten zur Formel C₃₆H₃₃N₅ für die reine Base.
Ueber den Farbstoff der Haare und Federn.
Werden schwarze Haare und Federn bei gelinder Wärme in verdünnter Schwefelsäure
gelöst, so bleibt nach Hodgkinson und Sorby (Engineer, November
1876 S. 362) ein amorpher schwarzer Rückstand. Wird derselbe mit Kalilauge,
verdünnten Säuren, Wasser und schließlich mit kochendem Alkohol gereinigt, so
entspricht die Zusammensetzung dieses Farbstoffes der Formel C₁₈H₁₆N₂O₈ Derselbe schwarze Farbstoff ist auch in braunen und
dunkelrothen Haaren und den irisirenden Federn enthalten.
––––––––––
Berichtigung. In der Beschreibung von Bodemer's Regulator ist zu lesen S. 522 g. 19 v. o.
„u₂“ statt
„u“ und Z. 16 v. u.
„verticaler“ statt
„horizontaler.“ – S. 524 Z. 7 v. o. ist
„dagegen“ zu streichen.